Tiroler Knödel in Paraguay -  Siegfried Paul Gelhausen

Tiroler Knödel in Paraguay (eBook)

Autobiografischer Roman
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99129-851-9 (ISBN)
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Wenn mich die Reiselust packte, setzte ich mich einfach in den Flieger. Menschen und Kulturen wollte ich direkt vor Ort kennenlernen. So kam es, dass ich mich sogar dazu entschloss, auszuwandern, weil es mir ein Land ganz besonders angetan hat. Dieses Land lag am anderen Ende der Welt, im Herzen Südamerikas. Paraguay, eine von Land umgebene Insel. Der Versuch, eine Existenz in Form eines Restaurants zu betreiben, um dort leben zu können, scheiterte kläglich. Die Konsequenzen und Folgen habe ich in diesem Buch niedergeschrieben. Es kommen aber auch die schönen Stunden darin vor. Alles verloren und doch so viel gewonnen, so könnte man es mit einem Satz beschreiben.

Das „Tirol“ wurde zu meinem Stammlokal.

Am Abend saß ich schon wieder im Gastgarten des „Tirol“ unter dem Limonen-Baum. Um diese Zeit war das Restaurant deutlich besser besucht als um die Mittagszeit. Da es eher der gehobenen Preisklasse angehörte, verirrte sich kaum jemand zufällig von der Straße ins Lokal. Die Besucher bestanden zu mehr als zwei Drittel aus Stammgästen. Deutschsprachige Einwanderer trafen sich besonders gerne hier, um unter sich zu sein. Die argentinische Grenze verläuft unweit von Asuncion und so kamen auch aus dem Nachbarland Besucher in das Lokal.

Anton war auch selbst Küchenchef und wenn er etwas Zeit hatte, setzte er sich zu mir an den Tisch. So kam es auch, dass er sich beklagte, es würde ihm alles zu viel werden.

Anfangs wäre es kein Problem gewesen, als sie zu dritt waren.

Er möchte das Restaurant gerne abgeben, wenn sich ein Interessent dafür finden würde. Am besten an einen Österreicher, weil der Name „Tirol“ zu einer Marke geworden ist und das sollte auch so bleiben.

In den folgenden Tagen ließ mich dieser Gedanke nicht mehr los.

Da ich immer schon mit der Idee auszuwandern geliebäugelt habe, ging mir nun alles Mögliche durch den Kopf.

Meine Wunschländer waren zwar Australien oder Neuseeland, jedoch waren die Auflagen dort sehr hoch.

Paraguay hingegen stellte kaum Bedingungen und in der Zwischenzeit begann ich das Land zu mögen. Mir bleiben noch zirka drei Wochen Zeit bis zu meinem Rückflug nach Europa, also buche ich einen Ausflug in den Gran-Chaco.

Im Hotel hatte man mir geraten, unbedingt dort hinzufahren, ich würde es bestimmt nicht bereuen.

Reise an das andere Ende der Welt.

Der Chaco macht beinahe zwei Drittel der Fläche von Paraguay aus und liegt im Nord-Westen des Landes. Er ist fast menschenleer bis auf wenige Indianerstämme und einige Mennoniten- Kolonien.

Die Mennoniten sind eine evangelische Religionsgemeinschaft, vergleichbar mit den Amischen oder den Quäkern in Nordamerika. Sie leben streng nach der Bibel.

Sie wurden in Europa vertrieben und haben sich vor Generationen in den Chaco zurückgezogen. Sie meiden den Kontakt zum Rest der Welt und man braucht gute Kontakte, wenn man sie besuchen möchte.

Eine dieser Kolonien ist mein Ziel. Von Asuncion aus sind es zirka 400 Kilometer nach Nordwesten. Die Fahrt mit dem Bus startet um Mitternacht und ist einigermaßen komfortabel. Die Straße ist nur zum Teil asphaltiert und verläuft meistens schnurgerade. An beiden Seiten niederes Dornengebüsch und mehrere Meter hohe Kakteen.

Nur selten kommt uns ein anderes Auto entgegen. So sieht wohl das Ende der Welt aus?

In der Früh kommen wir dann an. Das Städtchen nennt sich „Filadelfia“. Aber Achtung, es handelt sich hier nicht um einen Schreibfehler und hat nichts mit „Philadelphia“ in Nordamerika zu tun! Obwohl man nicht auf Touristen eingestellt ist, gibt es ein kleines Hotel, in dem ich mir ein Zimmer nehme.

Seit zwei Tagen bin ich nun hier in diesem Nest. Wenn ich nicht gerade spazieren gehe, sitze ich auf der Terrasse des Hotels und beobachte das Treiben auf der Straße.

Gegenüber waschen zwei Frauen mit Kopftüchern und langen, schwarzen Kleidern in Trögen händisch die Wäsche. Dazu heizen sie einen Ofen an, darüber hängt ein rußgeschwärzter Kessel mit kochendem Wasser. Das Buschholz verbreitet einen angenehm süßlich duftenden Rauch.

Es regnet. Das monotone Prasseln am Vordach über mir wirkt fast einschläfernd. Ich fühle mich am Ende der Welt und genauso stelle ich mir dieses vor.

Es gibt einen Hauptplatz, in den einige Straßen münden.

Die Gebäude um den Platz herum bestehen aus einer Bank, einer Kirche, einigen Läden, zwei Schankstuben, einer Zuckerbäckerei, einem Supermarkt, einem Lederwarengeschäft und einem Gebäude, in dem sich der Ältestenrat versammelt. Eine Polizeistation sucht man vergeblich.

Bärtige Männer mit Latzhosen und Strohhüten gehen an mir vorbei, ohne von mir Notiz zu nehmen, als wäre ich Luft. Sie sind weißhäutig, blond, haben blaue Augen und sind sich überhaupt auffällig ähnlich im Aussehen. Man könnte meinen, sie wären alle nach einem germanischen Vorbild geklont. Irgendwie unheimlich wirkt das Ganze auf mich. Der Grund ist, dass alle hier miteinander verwandt sind, weil nur untereinander geheiratet werden darf. Wer eine Partnerin oder einen Partner außerhalb der Gemeinschaft heiratet, wird aus dieser verstoßen.

Ihre Vorfahren sind vor Generationen eingewandert und haben das Land mit bloßen Händen urbar gemacht.

Mit der Zeit wurden die Mennoniten so etwas wie ein Staat im Staat.

Durch ihre Isolation hat sich die Sprache ihrer Ahnen erhalten, ein in Deutschland längst ausgestorbenes Plattdeutsch. Das Gesetz ist der Rat der ältesten Männer in der Kolonie.

Alkohol, Tabak sowie andere Vergnügungen sind verboten. Benachbarte Indios lässt man als Tagelöhner auf den Feldern arbeiten, vorausgesetzt, sie lassen sich zum christlichen Glauben bekehren und ihre Kinder bei den Mennoniten in die Schule gehen.

General Stroessner befreite sie auch vom Militärdienst.

Zum Abschluss meines Besuches gehe ich noch auf den Friedhof.

Ich stelle fest, dass der ganze Ort von zirka einem Dutzend Familien abstammt. Inzucht unter dem Deckmantel der Religion. Individualität ist verpönt, Privatbesitz nicht erlaubt. Eine Art kommunistischer Lebensform, völlig isoliert vom Rest der Welt.

Die halb verwehten, roten Sandhügel der Gräber sind kaum gepflegt, einige hölzerne Kreuze schon umgefallen. Ein paar vertrocknete Kränze und wilde Blumen schmücken den Ort des Friedens. Nur das Konzert der Zikaden unterbricht die Stille.

Wie ein ungelöstes Rätsel verlasse ich Filadelfia. Mit dem klimatisierten Reisebus fahre ich wieder zurück nach Asuncion.

Während der mehrstündigen Fahrt habe ich viel Zeit über Antons Worte nachzudenken. Irgendwie würde es mich reizen, sein Restaurant zu übernehmen, obwohl ich es mir nicht wirklich vorstellen kann. Ich und Wirt, warum nicht, aber was würde meine Frau dazu sagen? Es wäre auf jeden Fall ein guter Grund, hierher zurückzukommen und wir hätten sofort eine Existenzgrundlage.

In Paraguay zu leben, könnte ich mir gut vorstellen.

Meine Gedanken kreisen nur mehr um dieses eine Thema.

Am Tag darauf sitze ich wieder auf meinem Stammplatz im Restaurant „Tirol“ und lasse mir das Bier schmecken. Anton zieht sich einen Stuhl zurecht, setzt sich und wir sprechen über meinen Ausflug in den Chaco. Bald wechseln wir das Thema und ich merke, dass er etwas am Herzen hat, etwas sagen möchte, aber nicht recht weiß, wie er damit anfangen soll. Eine Zeitlang redet er um den heißen Brei herum, bis er dann endlich zur Sache kommt.

Er meint, ob ich eventuell Interesse hätte, sein Lokal zu übernehmen.

Er könne es sich gut vorstellen, dass ich der Richtige wäre.

Ich gebe etwas belustigt zu bedenken, dass ich kein Tiroler wäre.

Ich könnte das Lokal ja umbenennen, wenn ich wolle, meint er mit vollem Ernst.

Im Innersten stand meine Antwort schon fest, ich wollte aber noch nicht gleich zusagen. Immerhin konnte ich so eine Entscheidung nicht allein treffen. Also bat ich ihn, mir etwas Zeit zu geben, um mir die Sache zu überlegen. Ich müsste erst mit meiner Frau daheim darüber reden und dann eine Entscheidung treffen. Wir schmieden zwar seit Jahren gemeinsam den Plan auszuwandern, aber nun war dieser in greifbare Nähe gerückt. Für mich stand die Entscheidung aber schon fest. Jetzt musste ich nur noch daheim berichten, welche Möglichkeit sich für uns aufgetan hat.

Die letzten Tage verbringe ich fast nur mehr in Friedhelms Hotel am Pool und berate mich mit ihm in langen Gesprächen. Er rät mir zwar nicht ab, aber auch nicht zu. Ich müsste selbst wissen, was ich wolle. Trotzdem gibt er mir viele Tipps und Ratschläge, da er schon sehr lange im Land lebt, viel Erfahrung hat und es ihm gelungen ist, eine Existenz aufzubauen.

Am vorletzten Tag vor dem Rückflug taucht auch mein Freund Sepp wieder auf. Er hat sehr viel zu erzählen und ist zur Erkenntnis gekommen, dass Paraguay nicht seinen Vorstellungen entspricht. Für ihn ist das Thema erledigt, für mich beginnt es erst!

Dann sitze ich wieder in der Maschine der brasilianischen Fluglinie VARIG. Wir heben ab, gewinnen schnell an Höhe und die Landschaft von Paraguay breitet sich wie eine Karte unter uns aus.

Ich spüre im Innersten, dass etwas von mir zurückgeblieben ist und nur auf meine Rückkehr zu warten scheint.

Nachdem wir die tatsächliche Flughöhe erreicht haben, erklingt das Signal zum Öffnen der Gurte. Unter uns eine dichte Wolkendecke, durch das Bordfenster scheint die Sonne.

Die Flugbegleiterinnen beginnen mit dem Ausschenken von Getränken, dazu gibt es ein freundliches Lächeln obendrauf. Da...

Erscheint lt. Verlag 24.3.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
ISBN-10 3-99129-851-1 / 3991298511
ISBN-13 978-3-99129-851-9 / 9783991298519
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