Côte d'Azur (eBook)

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2022 | 1. Auflage
360 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60172-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Côte d'Azur -  Mamen Sánchez
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Brüssel, im Juni 1956. Die von der Regierung beschlossene Verlängerung der Sommerferien beschert den glücklichen Belgiern zwölf Wochen Urlaub. Auch Premierminister Achille Van Acker möchte mit seiner Frau entspannte Tage in seinem Ferienhaus an den Seen von Eau d'Heure verbringen und hofft auf eine friedliche zweite Hochzeitsreise. Doch bald schon wird der Friede empfindlich gestört. Gerüchte um eine Liebesaffäre zwischen dem jungen König Baudoin und seiner Stiefmutter Lilian, die ihre Ferien in Abwesenheit des alten Monarchen an der Côte d'Azur verbringen, sorgen für Turbulenzen. Eine derart schamlose Liaison könnte das Königreich in seinen Grundfesten erschüttern. In dieser heiklen Lage schickt der Premierminister seinen besten Geheimagenten, Pierre Pierlot, nach Nizza. Dieser quartiert sich inkognito im Hotel Negresco ein, um der Sache nachzugehen. Eigentlich kein Problem für den Top-Agenten, doch die Mission gerät in Gefahr, als Pierlot eine bezaubernde Prinzessin über den Weg läuft, die nicht nur wunderschön ist, sondern auch wertvolle Gemälde stiehlt. Zudem hat Pierlot dem königlichen Paar die Decknamen Ginger und Fred verpasst - so heißen auch die Katzen seiner betagten Mutter. Dummerweise verschwindet Fred, und ein wohlmeinender Nachbar löst mit einem missverständlichen Funkspruch, den er absetzt, um den verlorengegangenen Kater aufzuspüren, höchste Alarmstufe bei Geheimdienst und Regierung aus ... Ein unbeschwert komischer und auf vergnügliche Weise spannender Roman mit amourösen Verwicklungen, amüsanten Ermittlungen und dem zauberhaften Flair der Côte d'Azur der 50er Jahre.

Mamen Sánchez, geboren 1971, studierte in ihrer Geburtsstadt Madrid Kommunikationswissenschaften, dann Literaturwissenschaften an der Pariser Sorbonne und an den Universitäten von London und Oxford. Heute ist sie die stellvertretende Chefredakteurin der spanischen Zeitschrift »Hola!« und Chefredakteurin der mexikanischen Ausgabe. Sie ist verheiratet und hat fünf Kinder. Mit dem Roman »Die schönste Art, sein Herz zu verlieren« erzielte die Journalistin und Autorin in Spanien einen grandiosen Durchbruch.

Mamen Sánchez, geboren 1971, studierte in ihrer Geburtsstadt Madrid Kommunikationswissenschaften, dann Literaturwissenschaften an der Pariser Sorbonne und an den Universitäten von London und Oxford. Heute ist sie die stellvertretende Chefredakteurin der spanischen Zeitschrift »Hola!« und Chefredakteurin der mexikanischen Ausgabe. Sie ist verheiratet und hat fünf Kinder. Mit dem Roman »Die schönste Art, sein Herz zu verlieren« erzielte die Journalistin und Autorin in Spanien einen grandiosen Durchbruch.

Kapitel 1


Jedes Mal, wenn Achille die Brille abnahm, verschwamm die Umgebung vor seinen Augen. Er hatte das Gefühl, mitsamt den Möbeln in seinem Büro von einem dichten Nebel verschlungen zu werden: dem Schreibtisch aus Nussbaumholz, dem Bücherregal, dem silbernen Schreibtischset. Der Raum verwandelte sich in eines jener Gemälde von Vincent van Gogh, in denen die Sterne zu kreisen und die Weizenfelder zu schwanken scheinen wie Wellen im stürmischen Ozean.

Sie sehen sowohl in der Nähe als auch in der Ferne verschwommen. Starker Astigmatismus. So können Sie Ihrem Vaterland nicht dienen, junger Mann. Am besten verstecken Sie sich, bis der Krieg vorbei ist. Ich könnte Ihnen da einen abgelegenen Bauernhof am Ufer der Yser empfehlen.

Wenn er sich die Brille auszog – dicke Gläser, schwarzes Gestell und breite Bügel –, konnte er sich nur tastend fortbewegen.

Kurz gesagt, der gute Achille war blind wie ein Maulwurf.

Er war gerade – wer hätte das gedacht – achtundfünfzig Jahre alt geworden, und das bei guter Gesundheit und gesegnetem Appetit. Der oberste Knopf des Jacketts ließ sich nur noch mit Mühe schließen. Sein Gesicht war rundlicher geworden, und sein Doppelkinn wurde vom Kragen des weißen Hemdes und der eleganten Krawatte ziemlich eingeschnürt. Er hatte kleine Ohren, gerade Zähne, einen dichten Schnurrbart, Grübchen in den Wangen, grau meliertes Haar, das ehemals schwarz gewesen war, und eine breite Stirn.

Achille rieb sich die Augen. Es war bereits kurz vor sechs, und der Tag war anstrengend gewesen. Er hatte sich eine Pause verdient.

In einer Schublade seines Schreibtisches bewahrte er den Beutel mit dem Captain-Black-Tabak auwf, die Holzpfeife, die Mundstücke zum Wechseln, die Reiniger und die Filter. Alles perfekt durchdacht und geordnet. Um Punkt sechs nahm er den ersten Zug.

Das war eine der wenigen Freuden, die er sich täglich gönnte. Er trank weder zu viel Alkohol, noch hatte er eine Schwäche für Frauen, dafür liebte er Spionageromane. Er sah sich auch gern Filme an. Vor allem Kriegsfilme. Jeden Mittwoch und jeden Samstag ging er mit Anna ins Kino.

Achille lehnte sich im Sessel zurück und schmeckte das Aroma des Tabaks. Der Pfeifenrauch mischte sich mit dem Nebel vor seinen kurzsichtigen Augen. Und der leichte, angenehme Schwindel, den er empfand, ließ ihn für einen Moment seine schwerwiegenden Probleme vergessen. Zumindest schob er sie für eine Weile beiseite, kehrte sie sozusagen unter den Teppich.

An diesem Morgen hatte er – nur um das Nächstliegende aufzugreifen – in der Abgeordnetenkammer ein Gesetz durchgebracht, das die Ferientage verdoppelte: von sechs auf zwölf Wochen im Jahr. Ohne Gegenstimmen. Was für ihn genau zum richtigen Zeitpunkt kam, weil er sich gerade ein zauberhaftes Ferienhaus an den Seen von Eau d’Heure gekauft hatte – zwischen Charleroi, Philippeville und Beaumont gelegen –, wohin er sich vom 1. Juli bis zum 1. Oktober (einschließlich) zurückziehen wollte, um sich auszuruhen. Konnte er sich diese großzügig bemessenen Ferien erlauben? Würde die Wirtschaft des belgischen Staates eine derart überzogene Freigebigkeit verkraften? Die bereits erwähnten Grübchen zeigten sich in Achille Van Ackers rundlichen Wangen, und sein Lächeln bekam etwas nahezu Kindliches.

Er nahm einen weiteren Zug aus seiner Pfeife und reiste in Gedanken zu seinem Haus am See. Er ließ seiner Phantasie freien Lauf und stellte sich ein Boot vor, das, nur wenige Meter vom Garten entfernt, an einem kleinen Steg friedlich auf dem Wasser schaukelte. Eine sanfte Brise strich zärtlich über die bordeaux­roten Segel, ein angenehmer Duft wehte herüber, und der Gesang der Vögel …

Ein furchtbares Quietschen riss ihn aus seinen lieblichen Gedanken, als die Tür seines Büros jetzt aufgerissen wurde (er musste das verdammte Ding endlich einmal ölen!), und ein heftiger Windstoß wirbelte alles auf, was sich ihm in den Weg stellte, einschließlich der fünfhundertdreiundsechzig Seiten des neuen Urlaubsgesetzes.

»We zijn laat, lieverd!«, rief die verschwommene Gestalt, die gerade, von jenem Tornado begleitet, ins Zimmer gestürmt war.

Dieser Satz, der für jemanden, der des Flämischen nicht mächtig war, äußerst bedrohlich klingen mochte, bedeutete indes nichts anderes als: »Wir sind spät dran, Liebling!« – Worte, die sich durchaus zärtlich anhörten, wenn man sie entsprechend feinfühlig aussprach. Und das war Anna im Grunde auch. Sanft und feinfühlig.

Sie trug einen entzückenden kleinen Filzhut, der mit Fuchsfell und einem Netzschleier geschmückt war und perfekt zu ihrer Nerzstola – einem Geburtstagsgeschenk – passte und auch zu den Wildlederhandschuhen, die ihr so gut gefielen. Als Tüpfelchen auf dem i hatte sie sich noch zwei große gelbe Orchideenblüten in das oberste Knopfloch ihrer Kostümjacke gesteckt.

All das erkannte Achille, nachdem er sich beherzt seine dicke Brille wieder aufgesetzt und festgestellt hatte, dass es sich bei dem Eindringling nicht um jemanden handelte, der in bösen Absichten kam, sondern um seine geliebte Frau Anna, die sich Sorgen machte, dass sie zu spät ins Kino kommen könnten.

»Du siehst zauberhaft aus, Liebes. Warst du beim Friseur?«

»Von dort komme ich gerade. Mit äußerst pikanten Gerüchten übrigens, von denen ich dir unbedingt erzählen muss. Ich kann nicht glauben, was man sich in der Stadt gerade erzählt. Und ich bin ziemlich fassungslos, aber mehr sag ich erst mal nicht.«

»Komm schon, erzähl!«

»Das mache ich lieber unterwegs. Wir kommen zu spät in die Vorstellung, also beeil dich. Und außerdem …«, sie senkte die Stimme, »traue ich diesem Zimmer nicht. Hier haben die Wände Ohren.«

»Da könntest du recht haben. Ich kann nicht ausschließen, dass in diesem Büro irgendwo versteckte Mikrofone angebracht sind. Wie sonst war es den Liberalen möglich, herauszufinden, was die Regierung geplant hat, und das noch bevor das Urlaubsgesetz überhaupt ausgearbeitet war? Dabei hat der Oppositionsführer bereits sechs Wochen Urlaub gehabt und geht jetzt davon aus, dass ihm weitere sechs zustehen. Dem ist nichts peinlich!«

»Es wurde also verabschiedet?«

»Ohne eine Gegenstimme.«

»Das kann ich mir vorstellen.«

Achille klopfte seine Pfeife aus – er rauchte nicht gern im Gehen und schon gar nicht, wenn er über die belebten Straßen Brüssels eilte –, sammelte, so gut es ging, die auf dem Teppich verstreuten Dokumente auf, stapelte sie auf dem Schreibtisch, sicherte sie mit einem hübschen Briefbeschwerer, einem Andenken aus Tirol, und nahm den Arm seiner Frau, die nach Rosenparfüm duftete. Er bemerkte, dass sie die Perlenohrringe trug. Die letztlich jedoch nicht wirklich zum Rest ihrer Garderobe passten.

»Welchen Film hast du für uns ausgewählt, Liebling?«, fragte er Anna, bevor er die Bürotür zweimal abschloss.

»Einen amerikanischen Spielfilm mit einem äußerst vielversprechenden Titel: Der Mann, der zu viel wusste. Klingt spannend, oder?«

»Das kommt drauf an, worüber dieser Mann zu viel weiß. Aber es ist nicht wieder eine dieser romantischen Komödien, die du so liebst, oder? Mit lächerlichen Tanzszenen und jungen Frauen im Badeanzug, die Pirouetten drehen oder plötzlich anfangen zu singen? Du weißt ja, dass ich mir gern Kriegsfilme anschaue, die wirklich viel besser sind. Ach, denk nur an Rommel, der Wüstenfuchs oder Haben und Nichthaben oder Jakobowski und der …«

»Es ist ein Spionagefilm!«, unterbrach Anna ihn pikiert. »Von Alfred Hitchcock, mit James Stewart und Doris Day.«

»Doris Day? Sehr gut. Hab ich dir schon mal gesagt, dass du dieser Schönheit mit der Stupsnase verblüffend ähnlich siehst?«

 

Es war ein angenehmer, heller Abend; der Juni meinte es immer gut mit den Belgiern. Achille fragte sich, warum Anna trotz des milden Wetters die Nerzstola und die Handschuhe trug. Weibliche Koketterie, beschloss er.

Als er aus dem Regierungsgebäude trat, sah er nach rechts und links und stellte fest, dass unter dem mickrigen Baum auf der anderen Straßenseite ein Mann stand und das Fenster seines Büros beobachtete. Als er dessen kantiges Gesicht nicht zuordnen konnte, entschied er sich, Vorsicht walten zu lassen. Anna protestierte. Sie warf ihm stets ...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2022
Übersetzer Anja Rüdiger
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Humor • Krimi • Liebe • Nostalgie • Roman
ISBN-10 3-492-60172-3 / 3492601723
ISBN-13 978-3-492-60172-6 / 9783492601726
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