Geschichte einer großen Liebe (eBook)

Roman | Eine zeitlose literarische Liebesgeschichte der großen italienischen Bestsellerautorin

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
191 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0418-1 (ISBN)

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Geschichte einer großen Liebe - Susanna Tamaro
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Der neue Roman der italienischen Bestsellerautorin - endlich auf Deutsch

1978: Auf einer Überfahrt von Venedig nach Piräus begegnen sich Edith und Andrea; sie, die gerade Abitur gemacht hat, er, Kapitän des Schiffes. Andrea ist von Ediths rebellischer Art fasziniert. Er löst seine Verlobung. Doch Edith gibt ihm keinerlei Sicherheit, und als Andrea ihr einen Heiratsantrag macht, weist sie ihn schroff zurück. Ihre Wege trennen sich. Doch das unsichtbare Band des Lebens führt sie wieder zusammen. Jahre später begegnen sie sich erneut, zunächst verbunden durch eine innige Freundschaft, die bald in eine tiefe Liebe mündet. Eine Liebe, die unerwartetes Glück schenkt und ebenso einen traumatischen Schicksalsschlag verkraften muss.

Susanna Tamaro erzählt auf poetische Weise von zwei Menschen, die sich finden, verlieren und wiederfinden - von einer Liebe, die über den Tod hinaus reicht.

»Flüssig, dialogreich und mit Poesie geschrieben.« Hörzu

»Die Sprache lässt den Leser nicht los. In ihr liegt eine Traurigkeit, die anzieht und neugierig macht.« OÖ Nachrichten



Susanna Tamaro, 1957 in Triest geboren, arbeitete zunächst als Dokumentarfilmerin für das italienische Fernsehen. Seit dem weltweiten Erfolg ihres Romans »Geh, wohin dein Herz dich trägt«, der in 40 Länder verkauft wurde, lebt sie als freie Schriftstellerin in Rom und Orvieto.

2


Es wird keine anderen geben

Als wir dieses Haus zum ersten Mal sahen, war es wenig mehr als eine Ruine. Es war die Zeit der ersten Mobiltelefone, und diese Neuigkeit erfüllte uns mit den schönsten Hoffnungen für die Zukunft. Eben vom Handy aus riefen wir die Nummer des Maklers an, die auf einem bereits ausgebleichten Schild an der Haustür stand.

Mit der Gewissheit des Wünschelrutengängers riefst du schon von Weitem: »Ja, das ist es. Kein Zweifel.«

»Wie kannst du dir so sicher sein? Vielleicht finden wir in einer Woche eins, in das wir uns verlieben.«

Du hast den Kopf geschüttelt. »Es wird keine anderen geben. Nicht zu klein, nicht zu groß, mit ausreichend Grund, geschützt gegen den Nordwind und nach vorne offen, stets bereit, die Sonne aufzunehmen. Es gibt weise Bäume in der Nähe, und die Sträucher machen fröhlich.«

Dinge zu sehen, die kein anderer sieht, war eine deiner einzigartigsten Begabungen. Ich erschauerte bei der Vorstellung, dem Makler zu sagen: »Wir kaufen es, weil es dort weise Bäume gibt.« Also brachte ich unter Aufbietung all meines gesunden Menschenverstands vor: »Mir scheint, es verlangt ein bisschen sehr viel Arbeit.«

Aber du warst schon mit der Aufteilung der Räume beschäftigt. Hier dein Arbeitszimmer, daneben das Schlafzimmer, dort die Küche, das Bad. Und ein Eckchen im Garten, wo wir die Schaukel für die Enkel aufhängen würden, die bestimmt eines Tages kämen.

»Mach dir keine Sorgen«, sagtest du und riebst dir die Hände, als wären sie schon vom Staub der Umbauarbeiten bedeckt, »ich kümmere mich um alles.«

»Man sieht das Meer nicht«, bemerkte ich, mittlerweile fast schon resigniert.

Da bist du stehen geblieben und hast geschwiegen, ein paar Möwen flogen über unsere Köpfe hinweg; du hast den Finger in die Luft erhoben, als wolltest du die Windrichtung bestimmen oder ein Kind tadeln.

»Man sieht es nicht … aber hör doch!«

Die Steine knirschten unter meinen Schuhen, die Möwen verschwanden aus unserem Blickfeld. Ich hob den Kopf: Von links kam aus der Ferne das Geräusch einer Motorsäge. Als sie verstummte, hörte ich von der anderen Seite schwach, aber unverwechselbar das Geräusch der Wellen, die sich an den Felsen brachen.

Wieder einmal hattest du recht.

Gegen deine Energie anzukommen war sehr schwierig, und so wurde diese verlassene Ruine mitten auf einer Insel unsere Heimstatt.

Die Umbauarbeiten waren langwierig und kompliziert, weil wir noch nicht dort wohnten. Abwechselnd, je nach unseren Arbeitsverpflichtungen, fuhren wir auf die Insel und beaufsichtigten ein paar Tage lang die Baustelle. Als wir zwei Jahre später an einem kalten Märzmorgen einziehen konnten, war der Garten noch wild.

Sofort hast du an der Tür und an den Ecken des Hauses Glöckchen aufgehängt, die du von einer deiner Asienreisen mitgebracht hattest. Schon eine leise Brise bewegte sie sacht.

»Das ist ein kleiner Engelschor«, hast du gesagt, »ein Willkommenschor.«

Du hast die Tür geöffnet, und dort im Eingang, wo es noch nach frischer Farbe roch, haben wir uns umarmt. Ein dicker Mantel, mehrere Pullover, und unter all diesen Schichten du. Die Zerbrechlichkeit eines Vögelchens im Schutz seines Nests. Ich weiß nicht, was du in dem Moment von mir dachtest. Ich, der Große und Starke, der auch im Sturm den Kurs hält? Aber ich erinnere mich, dass du den Kopf an meine Brust lehntest, ich trug einen alten blauen Wollpullover.

»Wie viele Jahre sind das jetzt?«, fragtest du.

»Viele«, antwortete ich und streichelte dein Haar.

Der Wind hatte sich gelegt, tiefe Stille umgab uns. In dieser Umarmung spürte ich deinen Herzschlag. Vielleicht du auch den meinen. Das Glöckchen an der Haustür klingelte leise.

»Schwierig?«, fragtest du.

»Ja«, sagte ich, und wir verharrten noch ein wenig in dieser Umarmung.

Schlaflose Nächte in einem leeren Haus sind etwas schwer Erträgliches. Aufstehen, in die Küche gehen, etwas zu essen holen und wissen, dass es unnütz ist, die Ohren zu spitzen, weil da nebenan niemand ist, keine Atemzüge, keine abgerissenen Worte aus wirren Träumen; essen und wieder ins Bett gehen, sich zusammenkauern in der Furcht, aus der warmen Kuhle hinauszumüssen. Wenn man in der Stadt lebt, gibt es Ablenkung: die Wasserspülung von oben, der zu laute Fernseher eines anderen Schlaflosen, der Verkehr auf der Straße, ein Krankenwagen, ein Feuerwehrauto, zwei Betrunkene, die zu später Stunde ausgerechnet unter deinem Fenster ihren Streit ausfechten, aber in einem Haus zwischen Himmel und Meer, welche Zerstreuung, welchen Rettungsanker kann es da geben? Da ist nur dein Körper, dein Geist, die Gespenster, die das Haus und die Dinge um dich herum bewohnen.

Aus dem Haus voller Leben ist ein Geisterschiff geworden. Keiner lenkt es mehr, weil niemand dazu imstande ist. Im Bruchstück eines Traums habe ich den Sextanten in der Hand, ich drehe und wende ihn, ich sehe ihn an, und mir wird klar, dass ich ihn nicht mehr zu gebrauchen weiß. Das ist überholt, flüstert mir eine der geheimnisvollen Stimmen zu, die im Traum zu uns sprechen. Es gibt Bordcomputer, was willst du mit diesem Stück Metall anfangen? Das stimmt, sage ich mir, aber die Angst in mir wächst.

Vielleicht ist diese Verwirrung ein Zeichen des Alters. Beginnende Demenz, das Wissen um die Dinge verlieren; ich kann keine Route mehr zeichnen, auch weiß ich nicht, nach welcher Seite ich das Steuerrad drehen muss; der Horizont schwankt nach den Launen der Strömung. Zerrissene Segel, Holz und Messingbeschläge matt wegen mangelnder Pflege, driftet das Geisterschiff dahin in Erwartung des Felsens, der seinen Tagen ein Ende bereiten wird. Ich denke noch: Nicht einmal an den Sternen kann ich mich mehr orientieren, dann versinke ich in dem traurigen Schlaf, den Tabletten schenken.

Um sechs bin ich schon wach, mit einem völlig leeren Tag vor mir. Das Haus ist umhüllt vom Heulen des Maestrale. Ich versuche, den Kamin anzumachen, doch das erweist sich als unmögliches Unterfangen; bei jedem Windstoß strömt der Rauch in dichten und mächtigen Schwaden ins Zimmer. Um nicht zu ersticken, muss ich die Fenster aufreißen, dann fährt der Wind ins Zimmer, lässt die Bilder klirren und wirbelt die herumliegenden Blätter auf.

Ich gehe in die Küche und ergebe mich der modernen Technik des Pelletofens. Ich habe ihn gestern Abend vorbereitet, und er funktioniert mit Fernbedienung. Ein Timer schaltet sich ein, und die komprimierten Zylinder entzünden sich. Der Küchentisch ist voller Krümel und schmutziger Teller, die darauf warten, in die Spülmaschine gesteckt zu werden. Die Milch im Kühlschrank ist abgelaufen, also entscheide ich mich für etwas Warmes.

Die Spuren deiner Vorlieben sind noch überall sichtbar: Teedosen gibt es mindestens zehn; ich nehme willkürlich eine davon, der Tee ist sehr dunkel und hat einen rauchigen Geschmack.

Du hattest die Angewohnheit, schon abends den Tisch für das Frühstück am nächsten Morgen zu decken.

»Warum machst du dir die Mühe?«, fragte ich dich, als wir eben auf die Insel gezogen waren. »Es ist doch nicht viel mehr als etwas Tee und Kaffee.«

»Weil das eine Übung in Hoffnung ist.«

»Was hat Hoffnung mit Keksen und Marmelade zu tun?«

»Das hat mit Tag und Nacht zu tun. Angesichts der Dunkelheit sind wir wehrlos, wir haben keine Sicherheiten, wir können nur hoffen, einmal mehr das Tageslicht wieder zu erblicken. Sich auf den kommenden Morgen vorzubereiten, bedeutet, das Licht zur Wiederkehr einzuladen.«

Diese Beobachtung von dir beeindruckte mich. Ich hatte die Nacht nie als Moment der Ohnmacht gesehen. Ich konnte mit dem Sextanten umgehen, ich konnte in den Sternen lesen wie in einer Fibel: Da gab es Wolken, sicher, aber da war auch der Wind, der sie vertreiben würde. Ich hatte nie an die Dunkelheit wie an etwas gedacht, das einen verschlingen könnte.

Erst heute Morgen, nach dieser Nacht, vor diesem Tisch voller Krümel und der Spüle voller Geschirr habe ich begriffen, dass du recht hattest. Die Hoffnung aufrechterhalten oder sich ergeben, weiterfahren auf der Suche nach einem Leuchtturm oder die Ruder ins Boot ziehen und auf den Zusammenprall mit dem Felsen warten.

Bin ich oberflächlich gewesen?

Bin ich dumm gewesen?

Der Maestrale hat einen Fensterladen aus den Angeln gehoben, der nun in unregelmäßigem Rhythmus schlägt. Tock-tock, tock-tock. Wenn das eine Antwort auf meine Fragen ist, so bin ich nicht imstande, sie zu verstehen. Unterdessen hat sich das Pellet im Ofen von Braun nach Rot verfärbt: lauter winzig kleine Glutpünktchen. Ein gezähmtes, geordnetes Feuer, ohne das wütende Geknister und den beißenden Rauch eines noch zu feuchten Holzscheits.

Ist dies das Feuer, in welches sich unsere Liebe im Alter verwandelt hätte?

Und welches war das Feuer, das in unserer Jugend brannte?

Trotz des Maestrale habe ich für einen Spaziergang über die Insel das Haus verlassen. Ob man mit oder ohne Wind geht, ändert alles: Wenn du in der Stille gehst, sind die Gedanken in deinem Kopf vor dir hingebreitet wie ein geordnetes Feld, du lenkst deine Schritte und weißt, wohin du unterwegs bist; aber wenn du bei Wind gehst, braust alles in deinem Kopf, alles gerät durcheinander und verwirrt sich; du musst das Gleichgewicht halten, in den Beinen kurz abfedern, bevor die Bö dich trifft; du kämpfst unentwegt mit dem, was außer dir ist, und das bringt zum Vorschein, was in der Stille verborgen bleiben würde.

Kurz vor der Steilküste setzte ich mich. Die Wellen waren hoch,...

Erscheint lt. Verlag 22.3.2022
Übersetzer Barbara Kleiner
Sprache deutsch
Original-Titel Una grande storia d'amore
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Berlin • Christoph Meckel • Christop Meckel Licht • Ehe • Elena Ferrante • Entfremdung • Familie • geh • Geh, wohin dein Herz dich trägt • Insel • Italien • Italienische Literatur • Kind • Licht • Liebe • Liebegeschichte • Liebesroman • Literatur • Schicksal • Schicksalsschlag • Tod • Trauer • Venedig • Vorbestimmung • wohin dein Herz dich trägt
ISBN-10 3-7499-0418-9 / 3749904189
ISBN-13 978-3-7499-0418-1 / 9783749904181
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