Dallmayr. Der Glanz einer neuen Ära (eBook)
544 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-27019-3 (ISBN)
Der Nr.-1-Bestseller erstmals im Taschenbuch
München 1905. Mit ihrem Gespür für Delikatessen hat Therese Randlkofer Köstlichkeiten aus aller Welt nach Deutschland gebracht. Handverlesene Früchte von den Kanaren, feinster Blätterkrokant aus der Schweiz und goldgelber französischer Lavendelhonig zieren die Auslage des Dallmayr. Doch ihr missgünstiger Schwager und größter Kontrahent Max versteht sich darin, Zwietracht in der Familie zu säen - besonders bei ihren eigenen erwachsenen Kindern. Dabei bräuchte Therese deren Hilfe dringender denn je. Denn um das Unternehmen in die Zukunft zu führen, hat sie einen folgenschweren Entschluss gefasst. Einen Entschluss, der sie alles kosten könnte ...
Akribisch recherchiert und mitreißend geschrieben - auch mit dem 2. Band der Reihe rund um den Feinkostladen Dallmayr entführt uns Bestsellerautorin Lisa Graf ins München der Jahrhundertwende.
Lisa Graf ist in Passau geboren. Nach Stationen in München und Südspanien schlägt sie gerade Wurzeln im Berchtesgadener Land. Sie hat nicht viele Schwächen, aber zu Lindt-Schokolade konnte sie noch nie nein sagen. Mit ihrer grandiosen Familiensaga Dallmayr eroberte sie sowohl die Herzen ihrer Leserinnen als auch die Bestsellerliste und schaffte es bis an die Spitze der SPIEGEL-Bestsellerliste. Nun erscheint die mit Spannung erwartete neue Saga Lindt & Sprüngli, in der sie die bewegte Geschichte rund um die weltberühmten Schweizer Chocolatiersfamilien erzählt.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 04/2023) — Platz 12
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 02/2023) — Platz 20
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 01/2023) — Platz 4
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- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 49/2022) — Platz 1
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 48/2022) — Platz 3
1906
Stramm marschierte Christel den dunklen Gang bis zum Ende, stieß mit dem Fuß die Tür so weit auf, dass sie sich mit ihren drei Keferloher Maßkrügen in jeder Hand in den Nebenraum des Schleibinger Bräus zwängen konnte.
»Wer kriegt jetzt alles eine Maß von euch?«, schrie sie ohne Rücksicht auf die Gespräche an den Tischen.
Reihum flogen die Arme in die Luft. Das Nebenzimmer war so voll, dass einige stehen mussten, weil die Stühle nicht reichten. Die Vorstandschaft saß an einem Tisch an der Stirnseite. Rauchschwaden aus Pfeifen und Zigaretten standen über den Tischen. Der Kassenwart wedelte missbilligend mit der Hand vor seiner Nase. Wie alle ernsthaften Turner lehnte er das Rauchen strikt ab, wollte er damit sagen. Mit einem Rauchverbot bei den Sitzungen hatte er sich jedoch bis heute nicht durchsetzen können.
Seit neun Jahren gab es nun den »Arbeiter-Turn-Verein München-Ost«, und Juli war von Anfang an mit dabei. Nächstes Jahr würden sie das zehnte Jubiläum feiern, natürlich mit einem Turnfest. Groß würde es vermutlich nicht werden, denn sie hatten noch immer keine eigenen Räume und mussten sich in den Nebensälen von Gaststätten und Brauereien herumtreiben zum Turnen. Mitglieder hatten sie dafür schon ziemlich viele, auch wenn ein Arbeiter fast keine Freizeit hatte. Und Geld noch weniger als Zeit. Der Vereinsbeitrag, wenn er auch bescheiden war, war kein Pappenstiel. In den teureren bürgerlichen Sportvereinen schaute man immer noch auf die Arbeiter herunter und blieb lieber unter sich. Aber eine Beitragserhöhung kam nicht infrage. Deswegen hatten sie ja den Arbeiter-Turnverein gegründet, weil sie sich den Beitrag in den anderen Vereinen nicht leisten konnten. Ohne Mittel konnte man aber keinen Sportplatz und schon gar keine Halle oder ein Vereinsheim bauen.
Der Vorstand hatte gerade die Zahlen für das abgelaufene Jahr vorgetragen, da kam Christel mit der zweiten Runde Bier. Die Rauchschwaden über dem Ecktisch wurden dicker. Gleich würde einer das Fenster aufreißen, und die Raucher würden laut dagegen protestieren. Wie jedes Mal. Als Nächstes wurde über den kommenden Wettkampf diskutiert, den der Arbeiter-Turnbund in Dresden organisierte. Julius Krug, so wurde entschieden, sollte als bester Reckturner aus Haidhausen mit dabei sein. Er wusste nur noch nicht, ob der Thomasbräu, sein Arbeitgeber, ihn für ein ganzes Wochenende freistellen würde. Sein Chef war bislang sehr großzügig, wenn es um seine gewerkschaftlichen Verpflichtungen ging. Und jetzt auch noch Turnen?
Die Sitzung dauerte nun schon über eine Stunde, und die Männer wurden langsam ungeduldig. Der Geräuschpegel schwoll an, man wollte jetzt den Feierabend genießen. Der Sitzungsleiter kam zum Punkt »Sonstiges«, und jeder hoffte auf möglichst wenige Wortmeldungen. Es waren doch immer dieselben Klagen, dass die Wirtshaussäle schmutzig waren und im Winter eiskalt und dass die Turner selbst sauber machen mussten, bevor sie auf dem Boden turnen konnten. Die Lage war schwierig, aber immer noch besser, als gar nicht zu turnen. Die bürgerlichen Turnvereine verlangten zu den hohen Beiträgen auch noch, dass man teure Sportkleidung trug und einen Bürgen vorweisen konnte, wenn man als Arbeiter bei ihnen mitmachen wollte. Dann lieber ein eigener Verein, wenn er auch arm war. Der Vorsitzende der bayerischen SPD, Georg von Vollmar, der Vormund seiner Freundin Lilly und deren Bruder gewesen war, und seine Partei halfen immer wieder mit Zuwendungen aus, wenn sie besonders knapp bei Kasse waren. Den Rest mussten die Mitglieder eben selbst stemmen. Das musste eigentlich jeder wissen, und auch, dass ewiges Jammern zu gar nichts führte. Aber kaum war der Punkt »Sonstiges« angekündigt, flogen die Arme hoch, und der Erste, auch ein Braugeselle wie Julius Krug, fing an, sich darüber zu beschweren, dass er erst Tische und Stühle wegräumen musste wie ein Schankkellner, bevor er turnen konnte. Obwohl das mit dem Wirt anders vereinbart gewesen war. Julius und sein Freund Robert Lechner sahen sich an. Robert verdrehte die Augen.
»Schon wieder die gleiche Leier. Ja, meint der vielleicht, dass es uns anders geht?«
Julius griff nach seinem Bierkrug und prostete ihm zu. »Manche müssen halt alleweil maulen und greinen, bevor sie zupacken.« Er nahm einen großen Schluck aus seinem Krug. Da stieß ihn sein Spezi Robert in die Seite.
»Da schau, ist das nicht die Lilly?«
In der offenen Tür stand eine Gruppe Frauen, und unter ihnen, nein, eigentlich vorneweg, seine Lilly. Julius verschluckte sich fast. Was hatte sie denn jetzt vor? Seit Monaten lag sie ihm in den Ohren mit ihrer Idee, dass der Arbeiter-Turn-Verein München-Ost doch auch eine Frauenabteilung einrichten sollte. Und jetzt kreuzte sie einfach hier auf, ohne ihm vorher etwas zu sagen? Nach der ersten Stille brach unter den Männern ein Gejohle los, für das Julius sich ein bisschen schämte, aber sie waren hier ja schließlich nicht in einem akademischen Bildungsverein. Sie waren, wie alle Turnvereine, ein reiner Männerverein, und die einzigen Damen unter ihnen waren die Kellnerinnen und die eine oder andere Ehefrau oder Mutter, die ihnen die Trikots wusch und ausbesserte. Lilly hatte ihre Arme in die Hüfte gestemmt wie eine Marketenderin. Und Julius wusste sofort, dass Lilly und ihre Freundinnen nicht zum Servieren, Putzen oder Waschen gekommen waren. Jetzt spürte er die Blicke der anderen Männer auf sich, teils spöttisch, teils anerkennend, vor allem neugierig.
Als der Lärm etwas abgeklungen war, erhob sich Toni Käutner vom Vorstand und fragte die Damen nach ihrem Begehren. Großes Gelächter im Saal und die Bitte um Ruhe von Käutner. »Jetzt benehmt euch doch mal, Männer«, rief er.
Und dann trat Lilly vor. Es hatte sich eine Menge Wut in ihr aufgestaut über all die wichtigen und interessanten, schönen oder auch nur langweiligen Bereiche, von denen Frauen immer noch ausgeschlossen waren. Julius kannte seine Lilly. Aber dass sie den Mut haben würde, hier einfach hereinzuschneien, mit einem Trupp Unterstützerinnen, das hätte er ihr nicht zugetraut. Gut, dass sie ihm nichts gesagt hatte vorher. Er hätte auf der Stelle versucht, es ihr auszureden.
»Ich schätze, ihr wisst genau, warum wir hier sind«, rief Lilly laut und deutlich. »Jedes Jahr wieder stellen wir den Antrag auf Aufnahme in den Turnverein, und jedes Jahr kriegen wir den Bescheid, dass Damen nicht zugelassen sind. Ja, Herrschaftszeiten, dann lasst uns halt endlich zu!«
Protestrufe der Männer, aber irgendwo rief einer »Jawoll«, und ein anderer schrie darauf »Halt’s Maul, du Depp«.
»Wir sind Arbeiterinnen, wir wohnen in Haidhausen, wir wollen turnen, und wir können den Beitrag bezahlen. Also lasst uns beitreten. Ihr wärt die Ersten in München, wahrscheinlich in ganz Bayern. Traut euch, Männer!«
»Hoho, hört, hört«, kam es von den verrauchten Tischen zurück.
»Wir nehmen euch doch nichts weg, Herrgott noch mal. Wir wollen einfach auch etwas tun für unsere körperliche Ertüchtigung. Und am Ende kommt das ja auch euch zugute, meine ich.« Das Geschrei und Gelächter schwoll jetzt so an, dass Lilly warten und dann noch lauter schreien musste.
»Ja, wie stellt ihr euch das denn vor?«, fragte Toni Käutner. »Mit den Männern könnt ihr auf keinen Fall mitturnen.«
»Sehr richtig«, schrie einer, »aber schad!«, ein anderer.
»Die Frauenabteilung bekommt natürlich ihren eigenen Trainingsabend«, sagte Lilly. »Vielleicht kann ein guter Turner – also nicht ihr Bierdimpfel dahinten«, rief sie zur allgemeinen Belustigung in den Saal, »bei uns vorturnen und uns die Grundlagen beibringen, solange es noch keine Frauen gibt, die das übernehmen können.«
»Einen Vorturner?«, fragte Käutner zurück.
»Genau«, antwortete Lilly. »Vielleicht meldet sich ja einer freiwillig. Also einer, der es wirklich kann.« Es war klar, wen sie meinte, und Julius spürte alle Blicke auf sich gerichtet.
»Der Juli?«, fragte Käutner. »Dann fragen wir ihn halt, ob er bereit wäre, diese Aufgabe auch noch zu übernehmen. Also, was sagst du, Juli?«
Julius überlegte sich seine Worte wohl, denn sein Ruf bei den Männern stand gleichermaßen auf dem Spiel wie der Haussegen.
»Also«, fing er an, »ob ich der Richtige bin, den Damen etwas beizubringen, das weiß ich nicht. Auf jeden Fall …« Er strich sich eine blonde Strähne zurück, die ihm immer wieder in die Stirn fiel. »Auf jeden Fall könnte ich es einmal versuchen. Also falls der Verein sich dafür entscheidet, dass wir Frauen zulassen.«
Das erschien ihm diplomatisch genug nach allen Seiten. Lilly lächelte. Dann rief sie in den Saal hinein:
»Und, Männer, was sagt ihr? Ihr werdet doch keine Angst vor uns haben, oder? Jetzt gebt euch einen Ruck! Wir wollen doch nur turnen. Wir haben es sicher nicht auf eure Vorstandsposten abgesehen, und mit euch im Wirtshaus sitzen wollen wir auch nicht.«
»Ooooooo«, schrie einer bedauernd von ganz hinten, und alles grölte.
»Nur turnen!« Die Männer beruhigten sich wieder. »Eigentlich könnten wir doch jetzt gleich abstimmen«, schlug Lilly vor. »Herr Vorsitzender?« Käutner sah sich im Saal und bei seinen Kollegen im Vorstand um.
»Von mir aus«, sagte er schließlich, und keiner protestierte.
»Also, Männer. Wer ist dafür, dass wir Damen ab sofort turnen und dem Verein beitreten dürfen? Wer dafürstimmt, hebt die Hand.«
Ganz hinten flog die erste Hand nach oben, viele weitere folgten. Ein paar Grantler protestierten gegen diese neumodische Unsitte, dass die Frauen ihre Nasen überall hineinstecken...
Erscheint lt. Verlag | 23.11.2022 |
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Reihe/Serie | Dallmayr-Saga | Dallmayr-Saga |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 2022 • Anne Jacobs • Bayern • Bestsellerautorin • Bestseller bücher • Dallmayr • dallmayr saga • Delikatessen • Deutsche Geschichte • Die Schokoladenvilla • eBooks • Familiensaga • Familiensaga Bestseller • Familienunternehmen • Frauenromane • Historische Romane • Historische Romane Neuerscheinungen 2022 • Historischer Roman • Historischer Roman Bestseller • historische Saga • Historische Unterhaltung • Jahrhundertwende • Kaffee • Liebesromane • Löwengrube • Maria Nikolai • München • München um 1900 • Neuerscheinung • Neuheiten 2022 • Nummer 1 Bestseller • Oktoberfest • Randlkofer • Spiegel Bestseller Autorin • Stadtgeschichte Münchens • Starke Frauen • Weihnachten Buch • Weihnachtsgeschenke |
ISBN-10 | 3-641-27019-7 / 3641270197 |
ISBN-13 | 978-3-641-27019-3 / 9783641270193 |
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