Als Mutti unser Kanzler war (eBook)

Erinnerungen an eine total krasse Zeit
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2022 | 1. Auflage
336 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01294-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Als Mutti unser Kanzler war -  Dietmar Wischmeyer
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Wenn Politiker lange an der Macht sind, dann wird ihre Ära oft als dumpf-bräsig wahrgenommen. Dieses Buch aber feiert die Merkel-Jahre als Beginn der großen Wende, die gerade Fahrt aufnimmt: Elektromobilität, vegane Würste, Gendern, Homeoffice. Aber auch Steingärten, werkseitig zerrissene Hosen und «the real Donald». Was begann da bloß? Der deutsche Wald wurde zum Nationalheiligtum, je mehr er verdorrte, das Fahrrad sollte die Welt retten, die SPD nicht mal sich selbst, ein schwedisches Kind wurde zur Ikone. Je näher man diese Zeit anschaut, desto seltsamer erscheint sie. Angela Merkel galt als mächtigste Frau der Welt, doch das meiste geschah außerhalb ihres Einflusses - wie die Fußball-WM, Finanz- und Flüchtlingskrise, Covid. Was aber war noch mal Flugscham, und sind Boomer dasselbe wie alte weiße Männer? Auf seine unnachahmliche Art setzt Dietmar Wischmeyer dem Merkelozän ein Denkmal. Ein pralles Porträt der Epoche samt vergessenen Zeitgeist-Konzepten (atmende Obergrenze, Work-Life-Balance), krassen Mindset-Produkten (Thermomix, Tesla, Mähroboter) und einer Galerie der prominenten Merkel-Gegner, Merkel-Freunde und Kollateralopfer. Irre komisch und wahrer, als man glauben möchte.

Dietmar Wischmeyer, Autor und Kolumnist, zählt zu den erfolgreichsten Protagonisten der deutschen Humorwirtschaft. Er tourt mit wechselnden Programmen durch Deutschland, u.a. mit Oliver Kalkofe oder Oliver Welke, tritt regelmäßig in der «heute-show» auf und ist bei radioeins, radio ffn, Radio Bremen und im WDR zu hören. Zahlreiche Preise, darunter der Deutsche Radiopreis (2014), der Deutsche Comedypreis (2017) und der Deutsche Fernsehpreis (2020). Zuletzt erschienen «Als Mutti unser Kanzler war. Erinnerungen an eine total krasse Zeit» und «Immer is was, nie is nix.»

Dietmar Wischmeyer, Autor und Kolumnist, zählt zu den erfolgreichsten Protagonisten der deutschen Humorwirtschaft. Er tourt mit wechselnden Programmen durch Deutschland, u.a. mit Oliver Kalkofe oder Oliver Welke, tritt regelmäßig in der «heute-show» auf und ist bei radioeins, radio ffn, Radio Bremen und im WDR zu hören. Zahlreiche Preise, darunter der Deutsche Radiopreis (2014), der Deutsche Comedypreis (2017) und der Deutsche Fernsehpreis (2020). Zuletzt erschienen «Als Mutti unser Kanzler war. Erinnerungen an eine total krasse Zeit» und «Immer is was, nie is nix.»

A


Angela und der Abschied


Merkeldämmerung


An einem nebligen Vormittag im November 2005 wählte der Deutsche Bundestag die Abgeordnete Angela Merkel zur ersten Kanzlerin: ein großer Schritt für das undurchsichtige Wesen aus der Uckermark, ein kleiner Schritt für das Land. Helmut Kohls Mädchen hatte es also geschafft, den abgewirtschafteten Laden von der rot-grünen Spaßguerilla zu übernehmen. Immer wenn eine Regierung abdankt, weht ein kurzer Hauch der Hoffnung durch das Land. Schlimmer kann’s ja eigentlich nicht mehr werden, flunkert sich der Bürger wider besseres Wissen selber vor. Und so begann die anscheinend niemals endende Ära Merkel für uns recht entspannt.

Für Merkel muss es die Hölle gewesen sein. Angie-Lookalikes bevölkerten die Witzesendungen des Fernsehens, jeder durchgeknallte Radiosender hatte eine lustige Kanzlerinnenserie im Programm: Merkel, das putzige Meerschweinchen; Angie: Unglücklich in Berlin. Man hat ihr die Garderobe zerpflückt, die Frisur rezensiert, und Gesichtschirurgen gaben Exklusivinterviews über die Chancen einer Mundwinkelkorrektur. Es ist ein Leben, das sich nur ein völlig bekloppter Masochist wünschen kann, dem die häuslichen Auspeitschungen nicht mehr genügen. Je länger sie Kanzlerin war, desto mehr hat sie sich deshalb in den künstlichen Kokon ihrer Parallelwelt verabschiedet. Dorthin, wo man noch glaubt, dass Politiker die Gesellschaft gestalten und IllnerWillMaischberger keine Comedysendungen sind. Sie ist wie all ihre Vorgänger wichtig, wichtig durch die Welt karjolt, aus Limousinen gestiegen, hat Nullsätze in Mikrofone gemurmelt, irgendwann die Atomkraftwerke hochgefahren und danach abgeschaltet, Flüchtlinge importiert und das eine Zitat hinterlassen, das jeder Politiker hinterlässt. «Blühende Landschaften», «Yes, we can», «Der lupenreine Demokrat» und so weiter, das ihre ist: «Wir schaffen das.» Alle vier stimmen übrigens nicht, das muss wohl so sein, damit sie haften bleiben bei den Regierten.

Und irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, wo auch sie zur Regierungsendzeitfigur geworden ist. Halb gemeuchelt von den lieben Parteifreunden, halb abgewählt von den launischen Untertanen. Dann stand auch sie vor ein paar Hundert Männern in Uniform. Und wir alle haben danach gedacht: Schlimmer kann’s ja jetzt eigentlich nicht mehr werden. Und wir haben uns genauso getäuscht wie immer. Doch vorerst geht’s zurück.

Ihre ersten Säuberungen und das Menetekel


Noch spät in der Nacht am Tag x plus 1 ihres Wahlsieges saß Angela Merkel allein in ihrem privaten Arbeitszimmer und schraubte sich eine Flasche Uckermärker Nacktarsch hinter die Brüstung, ihren Lieblingsstachelbeerwein. Wie immer genoss sie diese seltenen Minuten der absoluten Intimität. In ihrem Bunker hatte sich Angela Merkel eine geheime Kommandozentrale eingerichtet. An den Wänden hingen Bilder aller Kabinettsmitglieder und einiger anderer wichtiger deutscher Politiker. Gerade hatte sie mit einem acht Millimeter breiten Faserschreiber das Foto von Kristina Schröder durchgeixt. Jetzt blickte sie in die hündischen Augen von Thomas de Maizière, warf den Edding-Stift von der Linken in die Rechte, verhoffte kurz, um dann doch mit energischem Strich ein großes Kreuz durchs hugenottische Antlitz zu fetzen. «Wen noch?», hätte ein Beobachter jetzt in dem ihren gelesen. Just wollte sie sich mit tintengetränktem Filz auf Peter Altmaier stürzen, da blieb sie an der feixenden Visage vom Pofalla hängen. Es brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis der Filzkegel des Stiftes so tief ins fotografierte Fleisch des Pofalla eindrang, dass darunter die hohle Pappe sichtbar wurde. Befriedigt steckte Angela Merkel die schwarze Kappe zurück auf ihr filzenes Schwert. Schon leicht angetrunken vom sauren Stachelbeertropfen aus Templin blieb ihr schweifender Blick an einem kantigen Frontsoldatenschädel hängen. «Werrsssumdeufelisdasdenn», murmelte die Wahlsiegerin. «IsdernichvonneSsseEsU?» Da hatte die strahlende Alleinherrscherin über Mitteleuropa und die angeschlossenen Vasallenstaaten richtig geraten, denn es handelte sich um Verkehrsminister Peter Ramsauer. «Warum sehen diese ganzen CSU-Schranzen eigentlich alle so aus», dachte die angeflutete Regentin, «warum sehen die alle so aus, als ob das Atomkraftwerk Gundremmingen seit zwei Generationen leckt?» Was soll’s, die ostzonale Siegesgöttin entsicherte den Faserschreiber und fegte über die bajuwarische Fratze hinweg – unter Mitnahme des danebenhängenden Innenministers Friedrich, an den sie sich auch nicht mehr erinnerte. So ging es noch weiter im Privatissimum der güldenen Kanzlerin bis vier Uhr in der Früh. Als sie schließlich zwei Stunden später aus unruhigem Schlaf aufschreckte, lag neben der alles überragenden Wahlsiegerin ein durchgeixtes Bild von ihr selber. Leichenblass wankte Angela Merkel hinaus in einen noch jungen Tag in Deutschland.

Allein über den Wolken


Freitagnachmittag an Bord eines Linienflugs der Iberia von Madrid nach Buenos Aires. Die Maschine hatte einen prominenten Gast. Hinter einem hastig herbeigeschafften Vorhang kauerte, leise vor sich hin fluchend, Passagier Nummer 324: Merkel, Andrea. Auf Anraten ihrer Personenschützer reiste sie unter falschem Namen, um das Sicherheitsrisiko für die anderen Passagiere zu minimieren. IM «Andrea» kochte vor Wut, schon die zweite Panne von Uschis Flugbereitschaft in kurzer Zeit. Als man neulich im Luftwaffen-Airbus Nagetiere gefunden hatte und der Scholzomat nicht aus Indonesien abfliegen konnte, hatte sie noch gescherzt: «Freu dich, Olaf, alles nicht so schlimm mit deiner SPD, die Ratten verlassen ja noch nicht das sinkende Schiff, harrharr.» Doch jetzt saß sie selbst hier mit dem Pöbel zusammen in der Holzklasse und durfte Brötchen aus Pappe wegmümmeln. Das würde UvdL ihr büßen, wenn die nicht sowieso selbst hinter dieser Panne stand. Das Flintenweib aus Burgdorf hatte es immer noch nicht verwunden, dass nicht sie, sondern Annegret, die Krampe aus dem Saarland, ihre Nachfolgerin werden würde. «Na warte, Frollein», murmelte Merkel vor sich hin, «dir werde ich in den letzten Jahren, die mir im Kanzleramt noch bleiben, den Wehretat zusammenstreichen, dass du damit nicht mal mehr das Moor in Meppen in Brand setzen kannst.»

Was für eine Blamage, die deutsche Bundeskanzlerin, Stimme der freien Welt, kommt verspätet mit einem Touristenbomber zum G20-Gipfel. Da sind ja die Naziverbrecher 1946 komfortabler nach Argentinien gereist. Und wenn sich wenigstens die verdammten Islamisten zu einem Anschlag bekannt hätten. Sonst kommt zu jedem Silvesterböller ein Bekennerschreiben, aber nichts … wenn man sie EINMAL braucht. Merkel schäumte mittlerweile vor Wut und mochte sich den Imageschaden für die gesamte deutsche Exportwirtschaft gar nicht vorstellen. Und erst die demütigenden Witze, die sie sich nach der Landung würde anhören müssen. Besonders von Putin, der die dann sogar laut auf Deutsch erzählen würde, damit Altmaier sie auch verstand. Altmaier? Wo war Altmaier? Der hatte sich auf dem Flughafen in Madrid doch nur eben einen Serrano-Schinken holen wollen für den Flug. Trotzdem würde Putin seine Witze reißen. Einen hat er ihr neulich schon erzählt: «Wenn du ein rot-weißes Flugzeug am Himmel siehst, ist es die Tupolew von Wladimir Putin, wenn du gar nichts siehst, dann ist das die Luftwaffe.» Sehr witzig. Allmählich fing Merkel an, ihren Job zu hassen. Vorbei die Zeiten, als sie noch auf dem Titelblatt vom «Forbes»-Magazin stand, jetzt saß sie neben einem Reporter der «Superillu». Dieser ganze G20-Quatsch hing ihr meterweise aus dem Hals raus, es würde wohl ihr letzter sein, und sie war nicht mal auf dem gemeinsamen Foto.

Die Iberia-Maschine begann mit dem Anflug auf Buenos Aires, Merkel blickte aus dem Fenster. Hier lag bis vor wenigen Jahren noch das Wrack des deutschen Panzerschiffes Admiral Graf Spee in der Mündung des Rio de la Plata. «Nicht unsere Stadt, dieses Buenos Aires», dachte Angela Merkel, «besser, man bleibt mit dem Arsch zu Hause. Verdammt, wo ist der überhaupt, in Madrid hab ich ihn noch gesehen.» Sie musste nachher unbedingt die Stewardess fragen, ob sie einen dicken Mann mit einem Serrano-Schinken aus Versehen in den Frachtraum gesteckt hatte.

Die Frisur, der Blazer und die Raute


Bei ihrer letzten Vereidigung als deutsche Kanzlerin stand Angela Merkel da wie ihr eigenes Abbild aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett: Frisur, Blazer, Raute – alles wie immer! Doch schon jetzt war ihr klar, dass mit DER Truppe kein Staat zu machen war, einige von denen sah sie überhaupt zum ersten Mal: «Die Blonde mit dem Fielmann-Face, kommt die von den Sozen?» Doch da fiel es Merkel wieder ein: «Anja Karliczek, CDU, Forschung und Gedöns. Sechs blonde Frauen im Kabinett, da ist der Zickenkrieg ja schon vorhersehbar. Zu allem gibt es bei den Besetzungen eine Quote: Frau, Ossi, Landesverband, links, rechts, jung, alt, aber niemand hat an die Haarfarbe gedacht. Und nun ist die Kacke...

Erscheint lt. Verlag 8.3.2022
Zusatzinfo Zahlr. s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Schlagworte Alltag • Angela Merkel • Ära Merkel • Bilanz • Comedy • Deutsche • Deutschland • Gegenwart • Humor • Kanzler • Kanzlerin • Klatsch • Komik • Mindset • Mutti • Parodie • Porträts • Prominente • Satire • TV-Comedy • Vatertagsgeschenk • Zeitgeist
ISBN-10 3-644-01294-6 / 3644012946
ISBN-13 978-3-644-01294-3 / 9783644012943
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