Die Frauen vom Reichstag: Stimmen der Freiheit (eBook)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
480 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01055-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Frauen vom Reichstag: Stimmen der Freiheit -  Micaela A. Gabriel
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Die Zeit der mutigen Frauen: Der Auftakt einer mitreißenden Saga-Reihe um die ersten Parlamentarierinnen. Berlin, 1918: Mit dem Frauenwahlrecht erfu?llt sich fu?r die Juristin Marlene von Runstedt ein Lebenstraum. Endlich wird ihre Stimme gehört, endlich kann sie etwas bewegen! Ermutigt vom Vater, einem Rechtsprofessor, tritt sie der neu gegru?ndeten liberalen DDP bei - ein großer Schritt fu?r eine Frau. Mitten in die Aufbruchsstimmung platzt Justus von Ostwald, dem Marlene vor Jahren das Herz brach. Dennoch sind sie sich nach wie vor innig verbunden - auch Justus' Beziehung zu der Schauspielerin Sonja Grawitz, Marlenes Jugendfreundin und nunmehr politische Widersacherin, ändert nichts daran. Marlenes Ambitionen vermischen sich immer mehr mit ihrer Zuneigung zu dem schnittigen Offizier. Und während der Wahlkampf der Frauen Fahrt aufnimmt, kämpft Marlene nicht nur politisch, sondern auch privat um ihr Glu?ck ... Hervorragend recherchiert und fesselnd erzählt!

Micaela A. Gabriel wurde in Hamburg geboren und wuchs in München und Lugano/Tessin auf, wo sie als Teenager ihre ersten Schreibversuche unternahm. Nach Sprachenstudium und Zeitungsvolontariat arbeitete als Redakteurin. Als Romanautorin gelangen ihr unter ihrem Mädchennamen Micaela Jary zahlreiche Bestseller-Erfolge.Unter dem Pseudonym Michelle Marly stand sie mit ihrem Roman 'Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe' fast ein Jahr lang auf der Bestsellerliste und schrieb damit den Auftakt zu der beliebten Aufbau-Reihe 'Frauen zwischen Kunst und Liebe'.

Micaela A. Gabriel wurde in Hamburg geboren und wuchs in München und Lugano/Tessin auf, wo sie als Teenager ihre ersten Schreibversuche unternahm. Nach Sprachenstudium und Zeitungsvolontariat arbeitete als Redakteurin. Als Romanautorin gelangen ihr unter ihrem Mädchennamen Micaela Jary zahlreiche Bestseller-Erfolge. Unter dem Pseudonym Michelle Marly stand sie mit ihrem Roman "Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe" fast ein Jahr lang auf der Bestsellerliste und schrieb damit den Auftakt zu der beliebten Aufbau-Reihe "Frauen zwischen Kunst und Liebe".

4. Februar 1919


Prolog

Gott sei Dank war sie eine Frau!

Marlene von Runstedt registrierte mit einer gewissen Erleichterung, dass sie in dem Getümmel unsichtbar zu sein schien.

Frauen standen nicht im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses, die Schaulustigen vor dem Bahnhof wollten prominente Politiker wie Matthias Erzberger sehen, Ulrich von Brockdorff-Rantzau oder Philipp Scheidemann. Selbst die zweite Garde unter den Männern sorgte für mehr Aufruhr als eine einzige Frau. Das war zwar erstaunlich, weil sich zum ersten Mal in der Geschichte der Republik auch Parlamentarierinnen auf den Weg zu einer Sitzung machten, aber Marlenes Geschlecht bot ihr in dem Gedränge vor dem Militärbahnhof tatsächlich einen gewissen Schutz. Volkes Zorn, Neugier oder Bewunderung – je nach politischer Couleur – galt den männlichen Vertretern der Demokratie, nicht der Gleichberechtigung. Seit Monaten herrschte ständig und überall Chaos in Berlin, als gäbe es nirgendwo ausreichend Platz, keine öffentliche Ordnung für die Anwohner, Flüchtlinge, Kriegsheimkehrer und -versehrten, die in die riesigen Vorstädte und in die Hauptstadt strömten.

Automobile, Fahrräder und die vor die Fuhrwerke gespannten Pferde schlitterten in einer endlos wirkenden Prozession über die von frisch gefallenem Schnee bedeckte, schmierige Fahrbahn der Kolonnenstraße; Polizei und Freikorps gelang es nur mit Mühe, die Menge zurückzudrängen und ein Spalier für die Fahrgäste nach Weimar zu bilden. Der Sonderzug wurde aus Sicherheitsgründen nicht vom Anhalter Bahnhof, sondern an der Haltestelle in Schöneberg in Betrieb gesetzt. Gaffer und Protestierende fanden sich dennoch in unüberschaubar großen Gruppen ein, es gab Rangeleien, Hurra- und Buh-Rufe und die Reisenden kamen kaum unbehelligt zu ihrem Gleis. Jedenfalls die männlichen Abgeordneten. Auch die Politikerinnen sollten mit der zu diesem Anlass eigens in Betrieb genommenen Eisenbahn zur ersten Sitzung der Nationalversammlung von Berlin nach Weimar fahren. Doch sie waren meist nicht so bekannt und sicher nicht so selbstbewusst wie die altgedienten Vertreter ihrer Parteien und drängten sich weniger ins Rampenlicht.

Marlene stand etwas abseits der größeren Gruppen auf der anderen Straßenseite vor einem Schuhmachergeschäft, dessen Rollläden heruntergelassen waren, obwohl es ein Dienstag und Arbeitszeit war; der Schuster sorgte anscheinend gegen mögliche Plünderer vor. Dank ihrer überdurchschnittlichen Körpergröße beobachtete Marlene das Geschehen über die Köpfe oder Schultern der Schaulustigen hinweg. Ihr Blick fiel auf ihre eigene Spiegelung in einer nahe gelegenen Fensterscheibe und sie nutzte die Gelegenheit, sich zum wohl dutzendsten Mal kritisch zu begutachten. Sie wirkte wie eine unbeteiligte Passantin, irgendeine Person aus dem Bürgertum, niemand von Bedeutung. Ihr schwarzer Wollmantel war zwar aus gutem Stoff, wie es sich für eine Dame der besseren Gesellschaft gehörte, aber so schlicht, dass er ebenso wenig als Extravaganz auffiel wie das dunkle Kostüm und die cremefarbene Seidenbluse darunter, die nun freilich durch einen Schal verdeckt wurde. Ihr aschblondes Haar steckte unter einem Glockenhut, dessen schmale Krempe ihrem fein geschnittenen und trotz ihres Alters von knapp achtunddreißig Jahren fast faltenfreien Gesicht einen ausreichenden Schutz gegen das Schneegestöber bot. Dennoch haftete eine Flocke an den Wimpern ihrer dunkelblauen Augen. Einigermaßen zufrieden mit sich, richtete sie den Blick nun wieder auf den Bahnhofseingang und hob gedankenverloren die Hand, um sich über ihre Lider zu streichen.

«Verzeihung!» Die weibliche Stimme neben Marlene klang viel zu energisch, um tatsächlich um Entschuldigung zu bitten. «Wissen Sie, ob es noch einen anderen Weg zur Eisenbahn gibt als durch diesen Menschenauflauf?»

«Nein, tut mir leid, ich kenne mich nicht aus», erwiderte sie, ohne sonderlich darüber nachzudenken. Erst als die Antwort schon über ihre Lippen war, betrachtete sie die anscheinend ortsunkundige Fragestellerin genauer: eine relativ große, hagere Frau um die vierzig, nicht schön, aber dank hoher Wangenknochen, kluger meerblauer Augen und eines großen, geschwungenen Munds interessant. Sie trug Hut und Mantel wie Marlene. Angesichts des Koffers, den sie im Matsch zu ihren Füßen abgestellt hatte, wurde Marlene nun doch neugierig und fragte: «Wollen Sie nach Weimar fahren?»

Die Fremde nickte. «Ja, ich will nach Weimar. Sie auch, nicht wahr? Oder tragen Sie Ihrem Mann die Aktentasche hinterher?»

Unwillkürlich lächelte Marlene. Offensichtlich handelte es sich bei der energischen Person um eine frisch gewählte Parlamentarierin wie sie.

Bevor sie etwas sagen konnte, streckte ihr die andere die Hand entgegen. «Ich bin Paula Hagedorn aus Hamburg. SPD

Marlene ergriff die Hand, die ebenso zupackend wirkte wie die gesamte resolute Erscheinung der Frau. «Marlene von Runstedt. Sehr erfreut.» Sie fühlte einen Ehering an Paula Hagedorns Finger.

«Für welche Partei treten Sie an? Für die Deutschnationalen?» Marlenes neue Bekannte stand zweifellos für die Abschaffung des Adels, ihr Ton war missbilligend und die Erwähnung der nationalkonservativen, kaisertreuen Volkspartei klang wie eine Anklage.

Unsere Demokratie sollte für die Meinungsfreiheit einstehen, fuhr es Marlene durch den Kopf, auch wenn mir oder anderen die ein oder andere Meinung nicht passt. Sie dachte an ein Voltaire zugeschriebenes Zitat, das eigentlich von einer britischen Schriftstellerin stammte, die seine Biografie geschrieben und Marlene zutiefst beeindruckt hatte: «Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.»

«Evelyn Beatrice Hall», erwiderte Paula Hagedorn prompt.

«Oh!» Marlene war nicht bewusst gewesen, dass sie ihren Gedanken laut ausgesprochen hatte. Vor allem aber verwunderte sie die Bildung der Fremden.

«Sie publizierte unter dem Pseudonym S.G. Tallentyre, weil es einer Frau nicht zustand, über einen der berühmtesten Männer des achtzehnten Jahrhunderts zu schreiben. Oder überhaupt zu schreiben. Im Grunde durfte sie ja nicht einmal eine eigene Meinung haben, geschweige denn die große Persönlichkeit Voltaires in einem einzigen Satz zusammenfassen. Aber damit ist Miss Hall natürlich kein Einzelfall. Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade in die Nationalversammlung gewählt werden, Fräulein Runstedt?»

«Doktor von Runstedt. Ich bin Juristin. Und ich bin Abgeordnete der Deutschen Demokratischen Partei.»

«Na, da habe ich ja die Richtige getroffen. Eine promovierte Liberale. Das ist zumindest beides sympathischer als Ihr Adelsprädikat …»

Marlene schnappte nach Luft, protestierte aber nicht. Sie war nicht mit dem Titel geboren worden, ihr Vater war wegen seiner Leistungen als Professor der Rechtswissenschaften an der Friedrich-Wilhelm-Universität vom Kaiser nobilitiert worden und durfte das «von» vor dem Nachnamen nicht nur selbst führen, sondern auch vererben. Da ihre Brüder im Krieg gefallen waren, würden Name und Briefadel irgendwann mit ihr aussterben. Aber das erklärte sie ihrer neuen Bekanntschaft nicht. Sie kam nicht einmal dazu, irgendetwas zu entgegnen, da Paula Hagedorn offenbar ohne Scheu von sich sprach.

«Wissen Sie, ich bin Autorin, und ich habe etliche Artikel für meinen Mann geschrieben, die natürlich unter seinem Namen veröffentlicht wurden. Deshalb liegen mir die Frauen, die sich nicht verwirklichen dürfen, weil sie Frauen sind, persönlich am Herzen …»

«Ich koordiniere das Kartell der Auskunftsstellen für Frauenberufe in Berlin», warf Marlene rasch ein, als die andere kurz durchatmete. Es war lächerlich, mit ihren Funktionen brillieren zu wollen, aber diese kleine Eitelkeit gönnte sie sich: «Mit meiner Arbeit ist auch die Rechtsberatung für berufstätige Frauen verbunden.»

Tatsächlich schien Paula Hagedorn beeindruckt. Oder zumindest besänftigt. Als sie lächelte, verwandelte der große Mund ihr Gesicht – es erstrahlte zu unerwarteter Schönheit. «Dann haben wir ja ein gemeinsames Thema», meinte sie. Sie neigte den Kopf in Richtung der Menschenmassen auf der anderen Straßenseite. «Wollen wir uns in das Getümmel stürzen? Hoffentlich finden wir noch ein freies Abteil, wo wir uns in Ruhe unterhalten können.»

Marlene zögerte. Sie hatte eigentlich lesen und die Fahrt nach Weimar nicht mit Geschwätz verbringen wollen. Doch eine Reisebegleiterin wie Paula Hagedorn war sicher unterhaltsamer als die Lektüre von Akten, außerdem konnte die Bekanntschaft mit der Abgeordneten einer anderen Partei, zumal einer Sozialdemokratin, ein guter Anfang für die sicher notwendige parlamentarische Zusammenarbeit sein. Einige der Frauen von den Wahllisten kannte Marlene bereits von ihrer Arbeit in den verschiedenen Frauenvereinen und man würde sich gewiss untereinander verständigen, unabhängig von der Parteizugehörigkeit.

Ihr Blick wanderte unruhig umher, als könne sie irgendwo die Antwort auf ihr Dilemma finden. Die aus östlicher Richtung wehende Brise frischte auf und wirbelte Papierfetzen mit dem Schnee über die Straße. Die Schnipsel sanken schließlich auf den feuchten Asphalt, wo die Flocken schnell zerschmolzen, und wurden von Hufen und Stiefelsohlen zertrampelt. Anscheinend hatte irgendjemand ein Plakat von der Litfaßsäule an der Ecke abzureißen versucht. Auf dem Rest stand in Blocklettern:

GANZ BERLIN TANZT UND DREHT SICH AN JEDEM MITTWOCH, DONNERSTAG, SONNABEND, SONNTAG IN DEN …

...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2022
Reihe/Serie Die Parlamentarierinnen-Reihe
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • Berlin • Bestsellerautorin • buch für frauen • Emanzipation der Frau • Frauen • Frauenbuch • Frauenunterhaltung • Frauenwahlrecht • Historische Liebesromane • Historischer Roman • Liebesroman • Micaela Jary • Michelle Marly • Muttertagsgeschenk • Neugründung • Parlamentarierinnen • Parteien • Politik • Politikerinnen • Reichstag • Weimarer Republik
ISBN-10 3-644-01055-2 / 3644010552
ISBN-13 978-3-644-01055-0 / 9783644010550
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,3 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99