Hafenmörder (eBook)

Carl-Jakob Melcher ermittelt

*****

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2022 | 1. Auflage
365 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-2926-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hafenmörder -  Christoph Elbern
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Mysteriöse Mordfälle im Hamburg.

1904 - Hamburg in Aufruhr. Am Hafen werden mehrere Männer ermordet und mit einem in die Stirn geritzten Zeichen markiert aufgefunden. Weil eines der Opfer offenbar an Cholera erkrankt ist, wird der junge Bakteriologe Carl-Jakob Melcher hinzugezogen. Die Atmosphäre in der Stadt ist aufgeheizt: Die Cholera-Epidemie liegt noch nicht lange zurück, und die Wahl zur Bürgerschaft steht an. Carl-Jakob Melcher sucht mit seinem Polizistenfreund Martin Bucher zwischen reichen Kaufleuten, Ganoven und Anarchisten nach dem Täter und stößt auf einen erschreckenden Verdacht ... 

Dunkel, packend, mörderisch - Carl-Jakob Melcher, Forscher am Hamburger Tropeninstitut, ermittelt - nicht immer im Auftrag der Polizei.



Christoph Elbern, Jahrgang 1960, hat Germanistik und Anglistik studiert und lange als Journalist gearbeitet. Er war in leitenden Positionen bei verschiedenen Magazinen tätig - unter anderem 'Prinz' und 'TV Movie'. Seit 2010 leitet er eine Agentur für Unternehmenskommunikation in Kassel. Unter dem Pseudonym Klaas Kroon hat er bereits zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht. Er lebt in Hamburg.

Kapitel 2

Am Morgen des 17. Mai 1904 gegen vier Uhr, es war noch dunkel, verließ Joana Gilberto, eine fünfunddreißigjährige, aus Rio de Janeiro stammende Hure, ihren Arbeitsplatz in einer dunklen Sackgasse in der Nähe der Reeperbahn, um sich auf den Weg in ihre schäbige Einzimmerwohnung im Gängeviertel zu machen, die sie sich mit zwei anderen Liebesmädchen teilte, um dort ein paar Stunden zu schlafen. Wenige Meter vom Eingang des Hurenhauses entfernt, stolperte die leicht angetrunkene Joana über etwas, das am Boden lag. Als sie sich wieder gefangen hatte, blickte sie in das bleiche Antlitz eines alten Mannes, dessen kalte, weit aufgerissenen Augen sie anstarrten. Die Frau konnte nur noch schreien. Sie kreischte so laut und so ausgiebig, dass sie fast ohnmächtig wurde. Fenster und Türen der umliegenden Häuser waren im Nu erleuchtet und geöffnet, viele Anwohner liefen gleich auf die Straße, um zu sehen, was es so Kreischenswertes gab. Der herbeigerufene Schutzmann hatte seine liebe Not, die Gasse abzusperren, damit die Kriminalpolizei, die eine halbe Stunde später eintraf, den Toten noch unberührt vorfand.

Die Kriminalpolizei kam mit einem zweispännigen Landauer, der für solche Einsätze zur Verfügung stand. Auf der Rückbank saßen Kommissar Arnold Manthey und Kriminalassistent Martin Bucher, der ein alter Schulfreund von mir ist. Martin verdanke ich zahlreiche Details dieser Geschichte und noch viel mehr, aber dazu später. Mit seiner Lebensgeschichte, die ihn auf Umwegen vom Theologiestudium in die Amtsstuben der Hamburger Polizeidirektion getrieben hatte, will ich hier jetzt nicht ablenken. Martin malte mir die Ereignisse dieser Nacht in düsteren Farben aus.

Als die Polizisten ihre Arbeit aufnahmen, wurde es langsam hell am Himmel über der Reeperbahn, aber das aufkommende Tageslicht drang noch nicht in die enge Gasse. Beleuchtet wurde die Szenerie vom Licht der Wohnungen und einem Karbitscheinwerfer, den die Wachtmeister eilig herbeigeschafft und neben dem Toten aufgestellt hatten.

Die beiden Kriminalpolizisten zwängten sich durch die sensationsgierige Menge. Viele Menschen waren schon in den Kleidern, mit denen sie zur Arbeit im Hafen, in den Kontoren und Geschäften oder auf der Baustelle der Speicherstadt gehen würden. Andere waren nur in Morgenrock und Pantoffeln. Auf der anderen Seite des von den Wachtmeistern mit Holzböcken abgesperrten Bereiches der Gasse stand eine Handvoll Huren aus dem Hurenhaus. Sie hatten es nicht für nötig befunden, ihre aufreizende Dienstkleidung in irgendeiner Weise zu bedecken. Wenn es etwas zu gucken gab, konnte man auf Etikette und Anstand gerne verzichten.

Der Tote lag auf dem Rücken, die Beine unnatürlich verdreht. Die Augen waren immer noch geöffnet. Kommissar Manthey, ein ernster, drahtiger Mann Ende vierzig mit buschigem Backenbart, schloss sie mit einer routinierten Bewegung. Das Gesicht des Mannes war bleich, an der linken Wange war ein dünner Streifen angetrocknetes Blut. Und auf der Stirn prangte dieses Zeichen, das Manthey und Martin nicht zum ersten Mal sahen. Wie einem Opfer zwei Monate zuvor hatte der Täter auch diesem Toten ein Zeichen in die Stirn geritzt. Zwei Querstriche, zwei oder drei Längsstriche. Eine römische Zwei oder Drei. Vielleicht auch die Zahl Pi. Oder das Symbol des Sternbildes Zwilling. In der Polizeidirektion kursierten schon beim ersten Auftauchen zahlreiche Spekulationen über dieses Zeichen. Das würde jetzt noch weiter ins Kraut schießen.

Der Kommissar wollte vom Schutzmann wissen, ob der Tote schon so gelegen habe, als er an den Ort des Geschehens kam. Der Schutzmann bejahte dies und beteuerte, den Toten nicht angerührt zu haben.

Der Kommissar hockte sich vor die Leiche und betrachtete aus nächster Nähe den Oberkörper. Er öffnete vorsichtig die Weste des Toten und inspizierte das blütenweiße Hemd aus feinstem Damast und schüttelte den Kopf. Dann gab er Martin ein Zeichen, ihm beim Umdrehen der Leiche behilflich zu sein. Der Kommissar fasste unter die Achseln, Martin griff beide Unterschenkel, und mit Schwung wurde der vielleicht neunzig Kilo schwere Mann herumgedreht. Nun war zu erkennen, wonach der Kommissar gesucht hatte: Am Rücken, vielleicht eine Handbreit links von der Wirbelsäule auf Höhe des Herzens, war ein kleines, leicht ausgefranstes Loch, eher ein Schlitz im dunklen Stoff des Mantels zu sehen. Manthey legte sanft den Finger darauf, als wollte er den Schlitz verschließen.

Ein Messerstich, bemerkte Martin Bucher, und sein Chef Manthey ergänzte, dass es sich um ein sehr langes, schmales Messer handeln müsse, das der Täter mit chirurgischer Präzision dort angesetzt hatte, wo es das Herz und vielleicht auch noch die Lunge durchstechen und tödlichen Schaden anrichten würde.

Als Nächstes befragte mein Freund Bucher ein paar Anwohner und Passanten, die aber alle nichts gesehen und nichts gehört hatten. Kein Kampf, keine Hilferufe, keine Schmerzensschreie. Nur den Schrei der entsetzten Hure Joana Gilberto, die schließlich als einzige wirkliche Zeugin vernommen wurde. Die Prostituierte, die nach eigenen Angaben seit fünf Jahren in Hamburg ihrer Profession nachging, sprach nur sehr schlecht Deutsch. In ihrem Gewerbe gehören Fremdsprachen nicht zu den besonders geforderten Fähigkeiten. Aus der Menge der Schaulustigen wurde ein Portugiese rekrutiert – in Hamburg ist immer und überall ein Portugiese in der Nähe –, der den Bericht der Hure übersetzte. Die Frau, die mein Freund Martin als außergewöhnlich dick und ordinär beschrieb, war nicht sicher, ob sie den Toten kannte, aber eine ihrer umstehenden Kolleginnen wusste mehr. Der Mann war ein oder zwei Stunden zuvor im Hurenhaus gewesen und hatte es allein, betrunken, aber sehr lebendig verlassen.

Die Identität des Mannes ließ sich nicht so leicht feststellen, da er weder Papiere noch sonstige Wertsachen am Körper trug. Die Kriminalpolizisten schlossen daraus, dass er ausgeraubt worden war, schließlich hatte er im Hurenhaus noch bezahlt. Auch beim ersten Opfer hatte alles auf Raubmord hingedeutet.

Der Tote war wohlgenährt, hatte eine, von den Merkmalen des Todes einmal abgesehen, gesunde Haut und trug feinste, maßgefertigte Kleidung. Es fehlte der obligatorische Hut. Zu seinem Stil würde ein nicht zu hoher Zylinder passen. Hatte der Mörder diesen Hut auch mitgenommen? Die drängendste Frage, die sich Kommissar Manthey in den frühen Morgenstunden in dieser Gasse stellte, war aber: Was tat ein Mann seines Standes in einem gewöhnlichen Hurenhaus auf St. Pauli? Gab es für Herren, die es sich leisten konnten, nicht viel exquisitere Gelegenheiten? Ich kenne mich da nicht so aus, da ich die Dienste von Huren nur zwei- oder dreimal im Hafen von Greifswald in Anspruch genommen habe und dabei mehr Ekel als Vergnügen empfand. Aber auch mein Freund Martin meinte, dass es nur einen Grund geben konnte, der den Mann in so eine finstere Kaschemme trieb: Er war nicht nur verheiratet, was sicher auf so gut wie alle Kunden des ältesten Gewerbes zutraf, sondern auch eine bekannte Persönlichkeit in der Stadt. Er wollte nicht riskieren, von seinesgleichen gesehen zu werden.

Ohne sich wirklich viel davon zu versprechen, ließ Kommissar Manthey die sieben noch im Hurenhaus und davor befindlichen Huren auf die Polizeidirektion schaffen. Die Frauen protestierten heftig, mussten sich aber fügen. Es war wenig wahrscheinlich, dass eine von ihnen den Mord begangen hatte. Denkbar war eher, dass eine der Huren einem befreundeten Ganoven einen Tipp gegeben hatte, dass bei diesem Kunden etwas zu holen war. Der Räuber hatte dann auf den Mann gewartet und die schändliche Tat begangen. Es war allerdings ungewöhnlich, so wusste man bei der Hamburger Polizei aus Erfahrung, dass ein Räuber sein Opfer so kaltblütig hinterrücks ermordete. Gewöhnliche Räuber schlugen in den dunklen Gassen ihre Opfer nieder oder verprügelten sie. Und, nur wenn es schlecht lief, überlebten die Opfer das nicht. Zudem signierten gewöhnliche Räuber ihre Opfer nicht mit geheimnisvollen Zeichen.

Noch eine offene Frage war: Wo war die Kutsche oder sogar das Automobil des Mannes? Wo war sein Fahrer oder Kutscher? Ein feiner Herr tritt mitten in der Nacht nicht zu Fuß den Heimweg an. Eine Befragung der Droschkenkutscher vom Spielbudenplatz, die von Schutzmännern in den folgenden Stunden durchgeführt wurde, brachte keine neuen Erkenntnisse. Einer der Kutscher behauptete, zur...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Anarchismus • Bakteriologe • Carl Jakob Melcher • Cholera • Daniel Dreyfuss • Dienstmädchen • Gängeviertel • Hafen • Hamburg • historisch • Kaiserzeit • Kaufleute • Krimi • Martin Bucher • Morden im Norden • Mordermittlung • Pfeffersäcke • politisch • Reederei • Segelschiff • Sozialdemokratie • Speicherstadt • Thriller • Tropeninstitut • Unterwelt • Verschwörung • Virus
ISBN-10 3-8412-2926-3 / 3841229263
ISBN-13 978-3-8412-2926-7 / 9783841229267
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