Fishergirl's Luck (eBook)

Roman
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2022 | 1. Auflage
352 Seiten
DuMont Buchverlag
978-3-8321-8240-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fishergirl's Luck -  Sharon Gosling
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Anna zieht nach Crovie, ein winziges Fischerdorf am Moray Firth in Schottland, um einen Neuanfang zu wagen: Jahrelang stand sie als Köchin im Schatten ihres Ex-Freundes, dem Besitzer des Restaurants, in dem sie schuftete. Nun hofft sie, in der alten, an der Steilküste gelegenen Fischerhütte, die sie von ihren Ersparnissen gekauft hat, zur Ruhe zu kommen. Als sie beginnt, die Umgebung und ihre Nachbarn kennenzulernen, erwacht in ihr etwas, das sie verloren glaubte. Sie entdeckt ihre Liebe zum Kochen wieder und eröffnet kurzerhand ein improvisiertes Pop-up-Restaurant direkt am Meer. Nach und nach freundet sie sich auch mit den Menschen an, die in Crovie leben, und findet dabei nicht nur sich selbst, sondern auch heraus, mit wem sie ihr Leben teilen will. Bewegend und mit ebenso viel kulinarischer Leidenschaft wie Gefühl für die besondere Landschaft erzählt Sharon Gosling die Geschichte einer zweiten Chance und einer außergewöhnlichen Liebe. »Eine behutsam erzählte Liebesgeschichte, ein Plot, so treibend wie die Gezeiten der Nordsee, eine sanfte Erinnerung an die Notwendigkeit, unsere Ozeane zu schützen - die perfekte Sommerlektüre.« LANCASHIRE POST

SHARON GOSLING ist eine britische Kinder- und Jugendbuchautorin. >Fishergirl's Luck< ist ihr Debüt in der Erwachsenenbelletristik. Sie lebt mit ihrer Familie im Norden von England, ihr Mann besitzt einen Buchladen.www.sharongosling.com

1

Der Frühlingshimmel über dem Meer war strahlend blau, nur hie und da segelten ein paar Wölkchen, als schwebe Zuckerwatte im Wind über der Nordsee. Anna fuhr bis an den Rand der Klippe, hinter der die Straße abrupt zu enden schien, und dann an dem Schild vorbei, das nur Anwohnern die Zufahrt gestattete.

Rundum erstreckten sich grüne Weideflächen, bis die Abhänge so steil wurden, dass sie für Vieh nicht mehr begehbar waren. Die schmale abschüssige Straße tauchte zwischen grasbewachsenen Felsen ab, auf denen Wildblumen von Böen gezaust wurden. Linker Hand zeigte ein hölzerner Wegweiser den Fußweg zum Dorf an, während sich die Straße in einer Haarnadelkurve weiterschlängelte. Sie war so eng, dass Anna sogar in ihrer winzigen Blechbüchse von einem Auto fürchtete, die Biegung nicht zu schaffen. Dahinter kam Crovie in Sicht, ein Dorf, das aus einer Reihe bunter Häuser bestand, die wie farbenfrohe Napfschnecken an dem schmalen Uferstreifen unterhalb der Klippen hafteten.

Weiter unten wurde die Straße etwas breiter, gesäumt von ein paar Holzhütten, bevor sie schließlich an einem steinigen Strand endete, der sich im Bogen bis zu einer hohen grasbewachsenen Klippe erstreckte. Von hier aus konnte man über das Meer bis zum Horizont blicken, vorbei an den welligen grünen Klippen oberhalb der Häuser. Es war Ebbe, und an dem schmalen Strandstreifen glänzten nasse schwarze Felsen und kleineres Gestein in der Sonne. Anna hielt an und schaltete den Motor aus. Sie blickte in die endlose blaue Weite und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren – was ihr nur etwa zwei Minuten gelang, denn dann fiel ein Schatten über das Auto, und jemand klopfte energisch an die Scheibe. Ein alter Mann starrte aufgebracht herein, und Anna öffnete das Fenster.

»Hal…«, begann sie.

»Parken ist hier nicht erlaubt«, raunzte der Mann. »Nur für Anwohner.« Vorwurfsvoll wies er mit seinem Stock auf die Rückseite eines Schilds, das Anna übersehen hatte. »Touristen müssen oben parken und den Fußweg nehmen.«

»Ich bin aber Anwohnerin«, erklärte Anna. »Ich …«

»Ferienwohnungen gelten nicht«, fiel der Alte ihr ins Wort. »Touristen parken oben.«

Anna beschloss, sich aus ihrer unterlegenen Position zu befreien, löste den Gurt und öffnete die Tür. Als sie ausgestiegen war, überragte sie den Alten zwar um einiges, aber er wirkte deshalb nicht weniger angriffslustig. Die krummen Schultern waren immer noch wuchtig, früher war er bestimmt ein kraftvoller Mann gewesen, und sein runzliges, wettergegerbtes Gesicht ließ auf ein Leben in der Natur schließen.

»Ich bin keine Touristin, sondern Anwohnerin«, begann Anna erneut. »Die neue Besitzerin vom Haus Fishergirl’s Luck.« Sie setzte ein Lächeln auf und streckte dem Mann die Hand hin. »Schön, Sie kennenzulernen, Mr …«

Er wich zurück, als hätte sie ihm etwas Ekelhaftes hingehalten, und musterte Anna mit angewidertem Blick von Kopf bis Fuß. »Sie?«, knurrte er. »Sie sind das?«

»Ich … ja. Mein Name ist Anna Campbell. Ich …«

Zu ihrer Bestürzung wandte der Mann sich ab und spuckte auf den Boden. »Diese elende Bude«, wetterte er. »Der alte Robbie hätte sie dem verfluchten Meer überlassen sollen.« Und damit humpelte er davon, schneller, als Anna es angesichts seines Alters für möglich gehalten hätte.

»Warten Sie«, rief sie ihm nach. »Bitte, ich möchte hier keinen schlechten Start. Können wir uns nicht noch kurz unterhalten?«

Doch der Alte blieb nicht stehen. Anna blickte ihm betroffen nach und lehnte sich ans Auto. Sie fühlte sich schwächlich. Keine fünf Minuten war sie hier, und schon hatten sich ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Crovie war kein paradiesischer Zufluchtsort, im Gegenteil: Sie war hier unerwünscht. Ihr wurde flau im Magen, und sie atmete in tiefen Zügen die feuchte salzige Luft ein. Über ihr segelten kreischende Möwen, und Anna kam es vor, als würden die Vögel sie auslachen.

Und sie haben recht, dachte sie. Was hast du dir nur dabei gedacht? Wieso bist du nicht ins Ausland gezogen, wie Cathy dir geraten hat? Du hättest in Italien oder Spanien, irgendwo im warmen Süden, ein Haus mieten können. Wieso hier, um alles in der Welt? Und weshalb warst du auch noch so blöd, das Haus zu kaufen? Warum nur?

Schließlich richtete Anna sich auf und betrachtete das Dorf. Es bestand aus einer einzigen Reihe von Häusern auf einem leicht gebogenen Uferstreifen unterhalb der mit Gras bewachsenen Klippen. Vor den Häusern gab es keine Straße, nur einen schmalen Betonweg. Bei Sturm wurden unvorsichtige Fußgänger schon mal von Brechern ins Meer geschwemmt, hatte Anna gelesen, und bei Flut war dieser Weg oft unpassierbar. Das war Anna außergewöhnlich und romantisch vorgekommen, doch jetzt wurde ihr klar, dass nur Ersteres zutraf. Die Fassade der meisten Häuser befand sich seitlich, nicht Richtung Ozean. Schutz vor den Elementen war hier wichtiger als eine spektakuläre Aussicht.

Anna hatte sich das kleinste Haus von ganz Crovie gekauft. Sie konnte es von ihrem Standpunkt aus sehen. Es kehrte dem Meer den Rücken zu, schien kaum mehr als ein Steinschuppen zu sein. Der Eingang war den hinteren Häusern und den Klippen zugewandt, und die furchterregende Straße war der einzige Weg zu ihrem neuen Zuhause, das sie sich, ohne es jemals besichtigt zu haben, zugelegt hatte – weil sie es nicht einmal einen Tag länger in Geoffs Luxuspenthouse in Kensington ausgehalten hätte.

»Du bist so was von blöd, Anna«, murmelte sie vor sich hin. »So unfassbar dumm.«

Aber es half alles nichts, jetzt konnte sie nur losgehen und sich die Schlüssel zu ihrem neuen Domizil abholen. Anna schloss den Wagen ab, atmete noch einmal tief durch und marschierte los.

Das letzte, der Straße am nächsten gelegene Gebäude war gar kein Wohnhaus, stellte sie verwundert fest. An der weiß gestrichenen Giebelseite, die schon etwas schmuddelig wirkte, war in großen grauen Buchstaben die Aufschrift Crovie Inn zu lesen. In den Fenstern hingen noch Speisekarten, doch das Gasthaus schien schon länger geschlossen zu sein. Anna fragte sich, wo der nächste Pub sein mochte. Vermutlich in Gardenstown, dem benachbarten Küstendorf in der großen Bucht des Moray Firth, an der auch Crovie lag. Als Anna sich jetzt umdrehte, konnte sie Gardenstown am anderen Ende des steinigen Strandes erkennen. Die Häuser der Ortschaft waren zahlreicher als in Crovie und schmiegten sich in die Nischen zwischen den Klippen. Der Hafen war zwar nicht groß, konnte aber immerhin als solcher bezeichnet werden. In Crovie gab es nur eine Mole mit Anlegestellen für ein paar Boote. Im Moment lag dort lediglich eine betagte Holzjolle vertäut, die auf Felsen hockend die Rückkehr der Flut erwartete.

Kein Wunder, dass die meisten Gebäude Ferienhäuser sind, dachte Anna. Wer ist denn schon so verrückt, freiwillig hier zu leben? Selbst jetzt, bei strahlendem Sonnenschein und Ebbe, wirkte das Dorf nicht gerade einladend; faszinierend schon, aber nur für einen Ferienaufenthalt, nicht auf Dauer. Anna hatte auch gelesen, dass die Ansiedlung während der sogenannten Clearances entstanden war, als im achtzehnten Jahrhundert die Bewohner der Highlands zugunsten der Schafzucht von Gutsherren vertrieben worden waren. Die ersten Menschen, die sich in Crovie niedergelassen hatten, waren also notgedrungen hierhergekommen. Es war einer der wenigen Orte, für den die Engländer keine Verwendung gehabt hatten. Aus der Ferne hatte Anna sich eingebildet, der Ort sei eine Art Symbol für die Widerstandskraft der Unterdrückten. Aber für welche Haltung genau, wusste sie selbst nicht ganz. Schlauheit? Kühnheit? Hoffnung? Oder war es ihr nur so vorgekommen, weil sie in diesem Moment einfach keine Alternative gehabt hatte?

Nur blöd, dachte sie erneut. Einfach idiotisch.

Und dann fand sie sich auf einmal vor ihrem Haus wieder. Genau wie die kleine Ortschaft hatte sie der Name anfänglich in Begeisterung versetzt. Er stand auf dem Briefkasten unter einem kleinen Fenster links von der Eingangstür: The Fishergirl’s Luck. Die Tür war in einer heiteren himmelblauen Farbe gestrichen, die aber in der salzigen Meeresluft abzublättern begann.

Anna starrte auf den Eingang zu ihrem neuen Zuhause. Auf der Website des Maklers hatte sie Bilder der Innenräume gesehen, konnte sich aber nur noch an eine schmale Holztreppe zu einem Raum unterm Dach erinnern, in dem höchstens ein Bett für eine Person Platz fand. Und an ein Flair von Gemütlichkeit, das aber vielleicht durch raffinierte Fotos erzeugt worden war. Angesichts der Größe des Hauses konnte sich im Erdgeschoss nur ein einziger Raum befinden. Fishergirl’s Luck war wirklich kaum mehr als ein Schuppen, hatte wahrscheinlich früher als Lager oder Ähnliches gedient.

Sie rief sich zur Vernunft. Das Haus hatte fließend Wasser, Strom und eine Dusche, um Himmels willen, es war schließlich keine Bruchbude. Von außen wirkte es dürftig, konnte aber innen ganz anders sein. Und die abblätternde Farbe an der Tür war nun wirklich unwichtig. Anna sagte sich, dass sie vermutlich viel zu lange in Vorzeigeräumen gelebt hatte, in teuren und stilvollen, aber charakterlosen Apartments.

Anna holte tief Luft und klopfte dann energisch an die Tür. Die Post vom Makler hatte einen Brief vom Hausbesitzer enthalten, in dem er schrieb, er werde ihr den Schlüssel persönlich aushändigen. So etwas wäre in London nicht passiert, aber erstens war sie hier nicht in London, und zweitens hatte Anna keinerlei Erfahrungen mit Immobilienkäufen. Das war Geoffs Domäne gewesen. Während er stetig berühmter wurde, war Anna mit ihm über...

Erscheint lt. Verlag 22.6.2022
Übersetzer Sibylle Schmidt
Sprache deutsch
Original-Titel The House Beneath the Cliffs
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Aberdeenshire • crovie • Delfine • Dorfleben • Essen • feelgood • Fischerdorf • Fischerhütte • Flut • gamrie • gardenstown • Kind • Klimawandel • Kochen • Kulinarisch • Liebe • Liebesgeschichte • lunchclub • Meer • Moray Firth • Neuanfang • Patchworkfamilie • pop-up restaurant • Profikoch • Profiköchin • Restaurant • Schottland • Schwanger • Sehnsuchtsort • Selbstbestimmt • Selbstermächtigung • sharon gosling • Starke Frau • Sturm • the house beneath the cliffs • Trennung • Unabhängig • Unwetter • Urlaub • Urlaubslektüre • Wale • Zweite Chance
ISBN-10 3-8321-8240-3 / 3832182403
ISBN-13 978-3-8321-8240-3 / 9783832182403
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