Miez Marple und die Kralle des Bösen (eBook)

Roman

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(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
224 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-28861-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Miez Marple und die Kralle des Bösen - Fabian Navarro
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In einer Stadt, die vor die Hunde geht, willst du keine Katze sein.
»Wie gebannt bin ich Miez Marple durch eine Katzen-Parallelwelt gefolgt, die so kreativ und besonders ist, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte!« Jasmin Schreiber

Aus gutem Grund hat Katzendetektivin Miez Marple beschlossen, das komfortable Leben einer Wohnungskatze zu führen. Wäre da nicht ihr guter Freund Kater Watson, der bei seinen Ermittlungen gegen die Betreiber eines Katzengras-Onlineshops auf ein haarsträubendes Verbrechen gestoßen ist und nun in Schwierigkeiten steckt: in einer Zelle der Katzenpolizei. Als Mordverdächtiger. Schon zwitschern es die Vögel von den Dächern und auch die Bellt-Zeitung berichtet: Miez Marple ermittelt! Wird es der flauschigen Detektivin gelingen, Watson zu retten und die Stadt davor zu bewahren vor die Hunde zu gehen?

Fabian Navarro, geboren 1990 in Warstein, ist Autor, Slam-Poet und Kulturveranstalter und lebt in Wien. Seine Katzenkrimis um die smarte Katzendetektivin Miez Marple erscheinen im Goldmann Verlag.

EINS


Tiefschwarze Wolken schoben sich vor den Mond wie eine Katze vor einen Monitor, an dem dringend gearbeitet werden musste. Vereinzelt blinzelten Hochhausfenster in die Nacht. Der Oktoberwind scheuchte Plastiktüten durch die Gassen, als wären sie ängstliche Mäuse.

Während die Menschen sich in ihren Betten zusammengerollt hatten, leckte sich Kater Watson die feuchten Laubreste von den Tatzen. Der Geschmack erinnerte ihn an das Futter im Tierheim. Er seufzte. Seit Monaten verfolgte er die Spur eines Drogenrings, der auf www.checkmynip.com illegale Substanzen wie Katzengras und Baldrian feilbot. Über ein Mitglied des Chaos Cat Computer Clubs hatte er eine Liste von Adressen erhalten, die möglicherweise im Zusammenhang mit einigen größeren Transaktionen standen. Watson vermutete, dass es sich hierbei um Kleinganoven handelte. Trittbrettfahrer, die versuchten, einen Krümel vom Kuchen des florierenden Drogenhandels zu ergattern. Er hoffte, dass zumindest einer von ihnen singen würde. Leider hatten sich die letzten drei Adressen – ein Lagerhaus im Industriegebiet, ein verlassenes Fitnessstudio und ein baufälliges Bürogebäude – als Sprung ins Leere erwiesen. Er hatte bewusst zunächst die Orte überprüft, die von den Menschen gemieden wurden. Nun observierte er das Grundstück in der Felinenallee 34. Es war das erste Wohnhaus auf seiner Liste, und die Gegend war bemerkenswert. Das Sommerfellviertel thronte auf einem Hügel im Nordwesten der Stadt. Bei Tag fielen hier die Herbstsonnenstrahlen durch rotgoldene Baumkronen auf aristokratische Altbauten, und die Gehsteige schimmerten immer wie geschleckt. Hier fraß man kein Whiskas. Hier waren ganze Küchenteams für die Samtpfoten der Reichen und Schönen abgestellt. Viele der hier wohnenden Menschen waren so reich, dass sie es vorzogen, ihren Reichtum hinter Mauern zu verstecken. Wer hier lebte, konnte wortwörtlich auf den Rest der Stadt hinabsehen.

Watson ließ seinen wachsamen Blick über die grauen Großstadtviertel schweifen. Er sah die Neonschilder auf den Dächern der Hochhäuser, lauschte dem nächtlichen Verkehrstreiben und beobachtete, wie der Nebel in der Ferne die letzten Kräne des Hafens schluckte. In den letzten Jahren hatte sich die Stadt verändert. Der Ton der Straße war merklich rauer geworden, die Stimmung aufgeheizt. Bandenkriege, Drogenhandel, aufbrandende Gewalt: Die Polizei kam kaum noch hinterher. Wollte es vielleicht auch gar nicht. Watson wusste, dass seine Arbeit nur ein kleines Sandkorn auf einem großen Haufen Scheiße war, doch irgendetwas musste er tun.

Er wandte sich dem massiven Tor zu, das ihm den Blick auf das Anwesen verwehrte. Doch vor der hohen Gartenmauer stand ein Baum, dessen Zweige über die Mauer reichten. Vom Baum aus konnte er in einiger Entfernung die erleuchteten Fenster einer neoklassizistischen Villa erahnen. Routiniert wich Watson dem Blickfeld der Sicherheitskameras aus und überwand die Mauer. Im Vorgarten machte er einen Bogen um den Rasensprenger, erreichte die mit Efeu begrünte Fassade und begann daran hochzuklettern. Mühelos fanden seine Krallen Halt. Schon spähte er durch das Fenster im Erdgeschoss. Der Raum war vollgestopft mit Technik: Schaltpulte, Tastaturen mit LED-Beleuchtung, Filmscheinwerfer und Kameras. An den Wänden hingen gerahmte Schallplatten, Urkunden und ein Porträt, das ihn überrascht aufschnurren ließ: Aus dem Halbdunkel lächelte ihn das Konterfei von Florian Silberschweif an. Watson schnaubte. Er hasste diesen schmierigen Kater, der mit seiner Schlagermusik einen viralen Hit nach dem anderen landete. Die Single Ein Fell für eine Nacht war über eine Million Mal im Internet angeklickt worden. Silberschweif war beliebt bei den Menschen, die ihn aus »BEAUTIFUL CAT SINGS (Original Video)«, einem äußerst populären Katzenvideo, kannten. In der Welt der Katzen aber, wo man seinen Gesang verstand, war er ein Star. Sein Produzent drehte alle paar Wochen einen neuen Clip mit ihm. Sie gingen sogar zusammen auf Tour und traten in Shows vor zehntausenden Zweibeinern auf, die sich prächtig über den Kater amüsierten. Manchmal gab Silberschweif auch Konzerte für Katzen. Bei diesen spazierte er von Hausdach zu Hausdach und jaulte seine infantilen Texte auf so eindringliche Weise, dass es unmöglich war wegzuhören. Jedes Kätzchen kannte Silberschweif. Wenn er wirklich in die Drogensache verwickelt war, war das eine Riesensauerei.

Der Fall begann, interessant zu werden.

Watson untersuchte den Fensterrahmen und entdeckte die Alarmanlage. Hier kam er nicht ohne Weiteres hinein, also setzte er seine Kletterpartie fort. Im ersten Stock hatte er mehr Glück, ein Fenster stand offen. Ein beißender Dunst entströmte dem Raum und fraß sich durch die angenehmen Düfte des Herbstes. Er erkannte dieses widerwärtige Gemisch auf Anhieb: Pink-Peach-Bubblegum-Badebomben waren bei den Menschen derzeit in Mode.

Wasser plätscherte. Watson warf einen Blick in den Raum, konnte aber nicht viel erkennen. Dann vernahm er das zufriedene Geräusch eines Menschen, der sich in eine Badewanne legt. Schnell zog sich Watson zurück und drückte sich zwischen die Efeuranken. Allein der Gedanke an ein Vollbad in dieser olfaktorisch überladenen Tunke ließ ihn erschaudern: Was hatten diese Zweibeiner nur immer mit ihrem Wasser? Aber was wollte man auch erwarten von Wesen, die den größten Teil ihres Fells auf dem Kopf trugen?

Plötzlich witterte Watson, dass noch jemand im Raum war. Ein anderer Kater! Er roch nach Fisch, Hafen und Niedertracht. Das konnte unmöglich Silberschweif sein. Eine Weile blieb es drinnen ruhig, bis auf einmal ein grässlicher Lärm die Stille durchbrach. Es klang nach einem dieser entsetzlichen Staubsauger. Es folgten ein Platschen und ein Schrei. Watson sah den Duschvorhang mitsamt Stange herunterkrachen und blickte in das schmerzverzerrte Gesicht eines jungen Mannes. Dieses zog Grimassen, die Watson noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Die Augen quollen aus ihren Höhlen und waren blutunterlaufen. Unwillkürlich spannte Watson die Muskeln an und krallte sich fester in die Efeuranken. Er spürte, wie sich ihm das Fell sträubte. Auf der anderen Seite der Straße erspähte er eine Polizeikatze auf Streife. Sie trug eine der niedlichen Polizeimützen, über die er sich immer lustig zu machen pflegte. Die erniedrigende Verkleidung, die Menschen ihren Katzen zum Spaß überzogen, war inzwischen tatsächlich die offizielle Uniform der Katzenpolizei geworden.

Die Beamtin hatte von dem Lärm in der Villa offensichtlich keine Notiz genommen: Sie putzte sich gerade ausgiebig im Schritt. Watson ertrug den Anblick des verrenkten Menschen in der Wanne keine Sekunde länger. Von Panik erfasst, ließ er sich fallen, landete wohlbehalten auf allen vieren auf dem akkurat gestutzten Rasen und rannte los, geradewegs durch die Fontäne des Rasensprengers, vorbei an den antiken Statuen in den Rosenbeeten. In zwei Sätzen überwand er die Mauer und kam neben der Ordnungshüterin zum Stehen. Diese sah ihn verdutzt an, ein Hinterbein über ihrem Kopf.

*

Das Holz im Kachelofen knackte, und durch das Kaminglas konnte man Funken in die Höhe steigen sehen. Gemütlichkeit lag in der Luft. Die Schriftstellerin Agathe Christiansen saß mit zur Seite geneigtem Kopf in ihrem Ohrensessel und schlief. Sie hatte nach dem Aufwachen das Feuer neu entfacht und pflichtbewusst den Napf gefüllt, war dann aber wieder weggedöst. Das Manuskript, an dem sie versucht hatte zu arbeiten, war ihr vom Schoß geglitten, die Blätter hatten sich über die Eichendielen des Wohnzimmers verteilt.

Miez Marple lag in ihrem Korb und putzte sich. Sie hatte schon lange keinen Fall mehr gelöst. Nicht, dass es nicht genug zu tun gab. Im Gegenteil: Die Stadt war ein einziger Moloch, dessen Straßen nach Gesetzlosigkeit und saurer Milch stanken. Jedoch hatte die Polizei ihr mehr als deutlich gemacht, dass sie sich in Schwierigkeiten begab, sollte sie ihre Arbeit fortsetzen. Und da sie sich nicht länger mit korrupten Beamten herumschlagen wollte, hatte sie sich immer mehr zurückgezogen und sich letzten Endes für einen frühen Ruhestand entschieden. Sie entfernte das Detekteischild von ihrer Katzenklappe und ließ diesen kurzen, aber aufregenden Teil ihres Lebens hinter sich. Endlich konnte sie sich ihrer zweiten Leidenschaft – der Lyrik – zuwenden. Ein Hobby, das sie während ihrer aktiven Zeit sträflich vernachlässigt hatte. So saß sie nun in ihrem Korb, den warmen Kamin im Rücken, und schnurrte. Ein gelungener Vers war wie ein raffiniertes Verbrechen: grausam und emotional. Wahre Dichtkunst ließ Verstand und Sinne tanzen und führte einem die eigene Sterblichkeit vor Augen.

Bei jeder neuen Eingebung sprang Miez Marple zu Agathes Laptop, lief über die Tastatur und schrieb so Zeile um Zeile an ihrem Gedicht. Sie genoss dieses Vergnügen, für das sie nun nicht mehr stundenlang im Regen stehen musste, um irgendwelchen Kleinganoven auf die Tatzen zu schauen. Aktuell feilte sie an einem Paraklausithyron: einem Gedicht, welches traditionell vor einer verschlossenen Tür gesprochen wird und an eine Person gerichtet ist, die dem lyrischen Ich die Liebe versagt. Das bisher Geschriebene las sich so und machte ihr ausgesprochen gute Laune:

Warum lässt du mich nicht herein

Bin ich nicht flauschig? Bin ich nicht fein?

Ich schwör, ich hab die Vase nicht zerbrochen

kratz nicht am Sofa, echt, versprochen

Oh ich lieb dich

Oh ich lieb dich

so lange ich dich kenn

dich und...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2022
Reihe/Serie Miez Marple
Miez Marple
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2022 • eBooks • Katzenkrimi • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Neuerscheinung • Neuerscheinung Krimi Thriller • Poetry-Slam • Poetry-Slammer • spannende Bücher • Tierkrimi
ISBN-10 3-641-28861-4 / 3641288614
ISBN-13 978-3-641-28861-7 / 9783641288617
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