Die Tochter des Gerbers (eBook)

Historischer Roman
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2022 | 1. Auflage
608 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-29159-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Tochter des Gerbers -  Anne Jacobs,  Hilke Müller
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Sie war stolz und schön. Ihr Widerstand wurde gebrochen. Doch sie hörte nie auf, um ihr Glück zu kämpfen ...
Die junge Arlette scheint das Glückskind der Gerberfamilie Fulbert zu sein. Sie ist nicht nur ungewöhnlich hübsch, sondern zudem klug und ehrgeizig. Doch als sie von einem Adeligen vergewaltigt und schwanger wird, fällt sie tief. Sie wird als Hure verschrien und mit Verachtung gestraft. Beschämt weist Arlette den Annäherungsversuch eines jungen Ritters ab, der sie bewundert. Noch ahnt sie nicht, dass Herluin de Conteville in einigen Jahren ihr Ehemann und die große Liebe ihres Lebens sein wird. Auch wenn ihr berühmtester Sohn, Wilhelm der Eroberer, von einem anderen stammt: von Robert, dem Herzog der Normandie ...
Mitreißend, opulent, faszinierend - die Bestsellerautorin der »Tuchvilla-Saga« entführt Sie als Hilke Müller ins Mittelalter.

Anne Jacobs veröffentlichte unter anderem Namen bereits historische Romane und exotische Sagas. Mit »Die Tuchvilla« gestaltete sie ein Familienschicksal vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte und stürmte damit die Bestsellerliste. Nach ihrer ebenfalls sehr erfolgreichen Trilogie um »Das Gutshaus«, die von einem alten herrschaftlichen Gutshof in Mecklenburg-Vorpommern und vom Schicksal seiner Bewohner in bewegten Zeiten erzählt, legt Anne Jacobs nun den fünften Band der »Tuchvilla«-Saga vor.

Herbst 1025


Über Nacht hatte der Teufel seinen kalten Atemhauch auf das Land geblasen, so dass die Gräser gefroren und die Zweige an Büschen und Bäumen zu kristallenem Gespinst geworden waren. Immer noch tobten sich die Dämonen am Himmel aus, trieben die Wolken wie ein Rudel grauer Wölfe zum Horizont und mischten winzige, spitze Eisnadeln in den Wind, um Mensch und Tier zu plagen.

Ein einsames Gespann folgte dem holprigen Weg, der durch Waldstücke, Wiesen und Äcker zur Stadt Falaise führte. Weiße Atemwolken flatterten aus den Nüstern der Stute. Die beiden jungen Menschen, die vorn auf dem beladenen Karren hockten, hatten sich dicht aneinandergedrängt und die wollenen Mäntel fest um sich gezogen.

»Da schau, Arlette!«

Die Stimme des Jungen klang rau und kippte vor Aufregung. Mit ausgestrecktem Arm wies er auf den nahen Wald, wobei sich sein Mantel öffnete und der eisige Wind für einen Moment Gelegenheit hatte, unter den groben Stoff zu fahren.

Ein Raubvogel hatte sich von einer Eiche am Waldrand gelöst, stieß mit wenigen, kräftigen Flügelschlägen herab und strich dann wie ein schwarzer Schatten über das gefrorene Gras. Sein Flug war rasch und gleichmäßig – der Jäger hatte sein Opfer genau im Blick.

»Ein Habicht«, flüsterte Walter seiner Schwester zu. »Schau, wie der Hase flitzt! Gleich hat er ihn.«

Der Räuber schwebte so dicht über der Wiese, dass seine gezackten Flügelenden fast die Spitzen der Gräser berührten. Eine Windböe zerrte an seinem Federkleid, riss seinen Körper für einen Moment empor und zwang ihn, erneut auf Pirschflug zu gehen.

»Verdammt! Er hat ihn verfehlt!«, rief Walter enttäuscht und stellte sich trotz des Geruckels in dem fahrenden Karren auf.

Der Hase flüchtete in wilder Panik quer über die Wiese, narrte seinen Verfolger mit mehreren Haken, doch kurz bevor er ein rettendes Holundergebüsch erreichte, hatte der Raubvogel ihn eingeholt und stieß auf ihn herab. Hase und Vogel bildeten für einen Augenblick ein zappelndes Knäuel, man hörte einen schrillen, klagenden Schmerzenslaut, dazu das pfeifende Kreischen des Vogels.

»Er ist noch zu unerfahren!«, murmelte Arlette sachverständig. »Er wird den Hasen nicht halten können.«

Tatsächlich gelang es dem verzweifelten Tier, sich aus den Klauen des Angreifers zu befreien. Eine leuchtend rote Blutspur zog sich im Zickzack über den Raureif und verlor sich am Waldrand. Der Raubvogel schien wenig Lust auf die Verfolgung zu haben, denn er blieb mit offenem Schnabel am Boden hocken. Er zuckte nervös das gesträubte Federkleid, dann flatterte er auf, um sich auf den unteren Ästen eines Apfelbaums von der missglückten Jagd zu erholen.

»Hast du gesehen?«, rief Walter aufgeregt. »Er hat einen Riemen am Fuß.«

»Hmm«, machte seine Schwester und zog an den Zügeln. Die Stute gehorchte nur widerwillig; mit gesenktem Kopf blieb sie stehen, schüttelte den Eisregen aus der Mähne und schnaubte. Hinten auf dem Karren lagen drei frisch abgezogene Rinderhäute, deren Aasgeruch eine Menge Krähen anlockte. Walter musste die Ladung immer wieder mit einem Stecken verteidigen, und auch jetzt waren die ungebetenen Begleiter in der Nähe, lauerten auf dem Weg und in den Bäumen mit gierigen Augen auf die lockende Fracht.

Das Geschwisterpaar saß schweigend nebeneinander, beide dachten das Gleiche. Im bereiften Geäst saß der Habicht, einem dunklen Schattenriss gleich, mit seinem gesträubten Gefieder größer, als er eigentlich war. Deutlich sah man den ledernen Riemen, der von seinem rechten Fuß herunterbaumelte.

»Der ist irgendwo abgehauen …«, murmelte Walter fast unhörbar.

Arlette nickte. Ein solches Tier war einiges wert, man konnte es auf dem Markt anbieten und einen guten Preis damit erzielen. Allerdings musste man höllisch aufpassen, beim Einfangen des Vogels nicht erwischt zu werden. Ganz besonders jetzt, da überall im Land Berittene und ihre Knechte unterwegs waren, denn Herzog Richard sammelte sein Heer, um gegen Chalon zu ziehen.

»Dort drüben im Wald könnten die Jäger sein«, warnte das Mädchen.

Walter schob die Filzkappe aus der Stirn und betrachtete aufmerksam den Waldrand. Schwarze, knorrige Stämme, aus denen nackte, gefrorene Äste staken, standen dort wie eine Reihe alter, weißhaariger Krieger.

»Ach was! Wer will bei dieser Kälte schon jagen! Ich hole ihn herunter, und wir wickeln ihn in deinen Mantel.«

»Aber mach rasch!«

Sie beobachtete, wie er durch das gefrorene Gras zum Apfelbaum hinüberstapfte – ein langbeiniger Storch, der durch einen Teich stelzte. Walter war hoch aufgeschossen in diesem Herbst, der Gewandrock aus braunem Tuch, den die Mutter erst im Sommer für ihn genäht hatte, war zur kurz geworden, und an die Beinlinge hatte Arlette jeweils ein ordentliches Stück Stoff anfügen müssen. Wenn der Wind den Rock hochwehte, sah man die angeflickten Stellen an Walters dünnen Oberschenkeln, was ihm ziemlich peinlich war. Genauso peinlich wie die große Nase, die sozusagen über Nacht in seinem Knabengesicht gewachsen war und die für ein seltsames Ungleichgewicht in seinen noch kindlichen Zügen sorgte.

Der Habicht schien sich nicht weiter an dem Jungen zu stören. Sicher gehörte er einem der Ritter des Grafen Robert, dem jüngeren Sohn des Herzogs. Arlette hatte Robert nur wenige Male im Vorüberreiten gesehen; er war noch jung, aber groß gewachsen, das Gesicht war ihr blass erschienen, die Augen ein wenig vorstehend. Die Leute nannten ihn »Lautmund« und wussten zu berichten, dass er viel schwatzte, aber sein Wort nicht hielt. Auch ging die Rede, dass er viel Geld für kostbare Waffen und Gerätschaften ausgäbe. Falls der Habicht Robert Lautmund gehörte, war er ganz sicher ein wertvolles Tier.

Arlette ließ den Blick noch einmal prüfend über den Wald schweifen, der unter dem unruhigen Himmel seltsam starr wirkte. Kaum ein Zweiglein regte sich im Wind, kein aufflatternder Vogel zeigte an, dass die Jäger dort umherstreiften. Sie band die Zügel der Stute fest und stieg vom Karren, hob das lange Kleid bis zu den Waden hoch und lief zu Walter hinüber.

»Ich mache dir die Leiter, dann kannst du den Ast dort oben erreichen.«

Walter verschmähte die ineinander verschränkten Hände seiner Schwester, suchte sich einen niedrigen Ast und hangelte sich daran in die Höhe. Raureif rieselte auf ihn herab, er blinzelte, doch als er endlich rittlings auf einem breiten Ast hockte, war der weitere Aufstieg ein Kinderspiel. Langsam näherte er sich dem Vogel, der ihn völlig ohne Angst mit gelben Augen musterte. Er war schön und edel, dieser gefiederte Jäger, sandfarben, mit schwarzen Einsprengseln am Bauch, der Rücken dunkler, die dicht befiederten Beine sehr hell und buschig. Es war Walters sehnlichster Wunsch, ein solches Tier zu besitzen, und er zwang sich mühsam zur Ruhe, um die Gelegenheit nicht im letzten Augenblick zu verpatzen.

»Runter! Schnell!«

Der Junge war zu vertieft, um den Sinn der Warnung zu erfassen. Er sah nur, dass der Habicht den Kopf ruckartig drehte und sich anschickte, die Flügel zu öffnen. Wie von selbst schoss seine Hand nach vorn und packte den Riemen. Triumphierend hielt er das Lederband zwischen den Fingern, der Habicht flatterte wild mit den Flügeln, riss ihm fast den Arm ab, so dass er sich mit der freien Hand im Gezweig festklammern musste.

»Ich hab ihn!«, jubelte er.

Dann erst entdeckte er die dunkle Silhouette, die am Waldrand aufgetaucht war. Ein heißer Schreck durchfuhr ihn.

Ein Jäger! Ein kräftiger Kerl im hellblauen, geschlitzten Reiterkleid, das wie ein Kettenpanzer leuchtete, die Beinlinge bunt gestreift und abgefüttert gegen die Kälte. Eine Armbrust hing an seinem Sattel, daneben zwei tote Hasen. Andere Männer folgten ihm, und gleich darauf sprangen mehrere große, braune Hunde aus dem Wald, die lederne Halsbänder mit kleinen Ringen für die Leinen daran trugen.

»Dort drüben auf dem Baum!«, schallte es zu ihnen herüber. Die Hufe der Pferde zogen eine dunkle Spur über die Wiese, als die Jäger herbeisprengten; es waren vier, dann fünf, dann immer mehr Reiter, die Hunde hetzten ihnen voraus, und Arlette war im Nu von der kläffenden Meute umgeben.

Sie hatte vor, den Herren zu erklären, ihr Bruder habe den Habicht gefangen, um ihn zur Burg zu bringen, doch im allgemeinen Tumult war es unmöglich, auch nur ein einziges Wort zu verstehen.

»Heda, lass den Habicht los!«

»Nein, halt ihn fest!«

»Runter mit dir, Bauernlümmel!«

Einer der Reiter fasste nach den langen Beinen des Knaben, es knackte im Gezweig, und im gleichen Augenblick, als Walter wie ein reifer Apfel zu Boden fiel, erhob sich der Habicht mit kraftvollen Flügelschlägen in die Lüfte, begleitet von Flüchen und Gelächter. Einige der Reiter gaben ihren Pferden die Sporen und sprengten dem Habicht nach, andere stiegen aus dem Sattel und näherten sich dem Geschwisterpaar.

»Bleib liegen!«, zischte Arlette ihrem Bruder zu. »Beweg dich nicht! Wenn sie dich für verletzt halten, kommen wir vielleicht davon.«

Walter schien nichts gehört zu haben, denn er richtete sich zum Sitzen auf. Er spürte kaum Schmerz, nur sein Kopf dröhnte, und die Stimme des Jägers klang seltsam dumpf in seinen Ohren.

»Einen Habicht klauen, was? In...

Erscheint lt. Verlag 21.9.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 11.Jahrhundert • 2022 • Adel • Anne Jacobs • eBooks • Frankreich • Gefühl • Gerber • Historische Liebesromane • Historische Romane • Historischer Roman • Leah Bach • Lebensweg • Liebe • Liebesromane • Mittelalter Romane • Neuerscheinung • Normandie • Ritter • Roman • Vergewaltigung • Wiederveröffentlichung • WilhelmderEroberer
ISBN-10 3-641-29159-3 / 3641291593
ISBN-13 978-3-641-29159-4 / 9783641291594
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