Heilige Schrift I (eBook)
912 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491559-3 (ISBN)
Wolfram Lotz, geboren 1981 in Hamburg, wuchs im Schwarzwald auf. Er studierte Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaft in Konstanz und Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2011 gewann er mit DER GROSSE MARSCH u.a. den Kleistförderpreis und den Publikumspreis des Berliner Stückemarktes. In der Kritikerumfrage von Theater heute wurde er zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Nach dem Erfolg von EINIGE NACHRICHTEN AN DAS ALL erhielt er 2012 den Dramatikerpreis des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft und 2013 den Kasseler Förderpreis für Komische Literatur. DIE LÄCHERLICHE FINSTERNIS wurde 2015 zum Berliner Theatertreffen und zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Im selben Jahr erhielt Wolfram Lotz den Nestroypreis für das Beste Stück und wurde in der Kritikerumfrage von Theater heute zum Dramatiker des Jahres gewählt.
Wolfram Lotz, geboren 1981 in Hamburg, wuchs im Schwarzwald auf. Er studierte Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaft in Konstanz und Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2011 gewann er mit DER GROSSE MARSCH u.a. den Kleistförderpreis und den Publikumspreis des Berliner Stückemarktes. In der Kritikerumfrage von Theater heute wurde er zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Nach dem Erfolg von EINIGE NACHRICHTEN AN DAS ALL erhielt er 2012 den Dramatikerpreis des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft und 2013 den Kasseler Förderpreis für Komische Literatur. DIE LÄCHERLICHE FINSTERNIS wurde 2015 zum Berliner Theatertreffen und zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Im selben Jahr erhielt Wolfram Lotz den Nestroypreis für das Beste Stück und wurde in der Kritikerumfrage von Theater heute zum Dramatiker des Jahres gewählt.
In ›Heilige Schrift I‹ steht Alltägliches neben Poetologischem. Ein Glücksfall für die Literatur.
Der Dramatiker Wolfram Lotz hat ein Jahr lang sein Leben mitgeschrieben. [...] Will man das lesen? Man muss!
Der Kraft und dem Charme von Wolfram Lotz' ›Heilige Schrift I‹ kann man sich kaum erwehren, warum sollte man das auch wollen?
Was Wolfram Lotz hier liefert, ist nicht weniger als seine vorsichtige Poetik, die darin besteht, im Schreiben die Welt überhaupt erfahren und verstehen zu können.
Innensichtlich kleiner ist kaum möglich [...] Beflissene und Nostalgiker lesen im Sommer Proust, alle anderen in diesem Jahr Wolfram Lotz.
ein flirrendes Lesevergnügen!
ACHTER AUGUST
ZWEITAUSENDSIEBZEHN
so
jetzt
mal hingeschrieben
–
Vor mir hier Fichten Fichten Fichten
der Wald, beim Blick aus – ja – meinem KINDERZIMMER
Die letzten Tage, als ich mich plötzlich entschieden hatte, hier für diese Form jetzt, für das Jahr, das wir in Frankreich sein werden, auf diesem Dorf, da war sofort klar, dass ich hier also im Schwarzwald schon damit beginnen werde, bei meinen Eltern, in diesen zwei Wochen, vorher
Weil es eher wahrscheinlich und vor allem darum geht: Von L jetzt fort zu sein, von dieser Finsternis dort im letzten Dreivierteljahr
Und schreibend hier jetzt etwas Anderes zu suchen, das Feld zu öffnen
nochmal neu
Nicht für irgendjemanden, sondern jetzt eben nur für mich
aber mit der Möglichkeit der Kommunikation, des Gehörtwerdens, das schon
Für mich, aber dadurch zu den anderen hin
So wie Schreiben ja immer sein soll, für mich jedenfalls
SELBSTGESPRÄCH BEI OFFENEM FENSTER
dieses merkwürdige Sowohlalsauch
Und deshalb auch die Idee, das hier eventuell doch auch ins Internet zu dingsen
irgendwo, wo es vielleicht nicht aufzufinden ist, aber potentiell doch
Oder dass es später die Freunde lesen können, damit sie wissen: Der sitzt da auf dem Dorf, aber der ist noch da
Heute hat er Brokkoli gegessen
Also: Als Lebenszeichen
Aber natürlich habe ich von diesem technischen Kram HOMEPAGE SERVER DOMAIN gar keine Ahnung, und alles liegt wieder angefangen da, bis wann –
Jetzt wird erstmal hier geschrieben, alles andere, wenn überhaupt, später
jetzt
SCHREIBEN
–
Immer, wenn möglich, vormittags hieran schreiben, neben dem FRANKFURT- und dem HAMBURG-Vortrag vor allem, so hatte ich es gedacht
Und abends, nachts vielleicht noch, neben dem Politiker-Stück, vielleicht, wenn das Stück das überhaupt zulässt
Und natürlich spüre ich sofort ein Bedauern, dass das hier keine EXZESS-Form sein kann, und zugleich denke ich auch: nein, ist genau richtig
Es soll eben keine Anti-Sozial-Form werden, sondern für mich und für die, die um mich herum sind, absolut gut erträglich
Weil O und E das auch nicht zulassen, die brauchen ihre Zeit, GEGEN das Schreiben, und das ist einerseits immer bedauerlich, weil sie den für’s Schreiben ja so wichtigen inneren Ständig-Durchlauf jedes Mal unterbrechen, andererseits aber eben halt aufbrechen zum Leben hin, was ja genau richtig ist –
–
Tobias vom Schauspielhaus will wissen per SMS, wann wir telefonieren können wegen – ach ach ach
Heute nicht, morgen, heute habe ich doch jetzt gerade hier begonnen, Tobias, du verstehst –
Ein bisschen festlich ist das schon auch
–
Für mich ist klar, dass das hier – im Gegensatz zu meinem Schreiben sonst – eine Form sein soll, die es total gut verkraftet, wenn O oder E zur Tür hereinkommen, mit ihrem Kram, ihren Lego-Autos, was auch immer
Das zerreißt mir ja sonst immer den Fluss
Aber hier soll das eben gerade der Modus sein! Nicht das wahnmäßige Reinbegeben in die eigene was, innere, vielleicht: Höhle?
Sondern schreibend noch immer und besonders: wach nach außen – Weitung, Leichtigkeit
Auch und gerade jetzt, wo ja die Gefahr der Verkniestelung in mir so stark ist, nach dem Finster-Wahnsinn in Leipzig mit der Jena-Bewerbung, der ganzen traurigen Zerstörung der Freundschaften
Seltsam, aber es ist klar, dass das jetzt einer Technik bedarf auch, dieses Schreibens, damit ich nicht noch mehr zu einem
–
Das soll auch ein Text sein, der immer mitläuft, damit ich an ihm sehen kann, wo ich zu Eisen werde, wo ich kalt werde, damit ich es merke, bevor es zu spät ist
Ich merke die Gefahr gerade, das war jetzt einfach alles zu viel, da ist in mir was kaputt gegangen, wenn ich das nicht alles bedenke und behandle und besehe, dann geht da wirklich was von mir verloren
–
Tobias: Ja, das geht gut. Bin bis morgen 14 Uhr erreichbar
Gut, also, dann bis morgen!
Danke
–
Heute in der NZZ
FATAL
Interview mit Daniel Kehlmann
er sagt zum Beispiel direkt am Anfang über einen gerade gemachten Schweiz-Urlaub:
Einfach das Gefühl
in den Bergen zu sein
und dieses gute alte Abendland
um sich zu haben
Als Anti-Trump-Beruhigungsgefühl meint er, aber sowas, als Reaktion, sich hier jetzt halt total wohlzufühlen, als Antwort
oh my, bitte nicht
–
Aber in London und New York habe ich lebendiges, originelles Gegenwartstheater erlebt
Was verstehen Sie darunter?
Stücke, die echte Geschichten erzählen und von Menschen handeln
Danke, Herr Kehlmann, ich danke Ihnen für das Gespräch
Tschüss
–
Hier rauscht der Fluss so laut
–
Weiter an der Notizensammlung für den Hamburg-Vortrag
Weniger schreiben, mehr Ordnung machen, ohne es kleinzuordnen, offen lassen
Das ist die Gefahr, jedes Mal, die Notizen erzählen ja vielmehr in ihrer Wirrheit, und dann müssen sie doch etwas geordnet werden, und das gibt jedes Mal auch diesen Verlust, der mich so deprimiert
Letztlich ist das der Realitätsverlust durch das Erzählen
Behutsam behutsam behutsam, da ist ja eine innere Logik drin, die ganz flirrend ist
Und deshalb hier, in diesem Ding, jetzt ja gerade auch diese Form: alles so, wie es hinkommt, nichts bearbeiten, keine Peinlichkeiten raus, keine nachträglichen Irgendwas rein
TEXT
VERTRAUEN
–
Muss hier jetzt auch rein, dass es regnet?
UNBEDINGT
–
In der Küche gerade
halbe Pflaume stiebitzt
Mein Vater liest den Schwarzwälder Boten
Headline heute:
Miau!
Der 8. August ist der internationale Tag der Katze
So, jetzt aber weiter an HAMBURG
–
O oder E oder beide hauen unten grad auf dem Klavier meiner Mutter rum
ganz wirr und mit größter Freude
Die verstehen was von den Dingen
Genauso will ich es doch hier auch machen, auf diese Art
Ich geh jetzt doch nochmal zu ihnen runter
–
O und E haben das Zimmer unten legomäßig schon KOMPLETTVERWÜSTET
–
E: Wo ist mein Superritter?
Wer?
Mein Superritter
Hier vielleicht, der?
Nein
Der hier?
Nein
–
Als Mathias hörte, dass wir für ein Jahr in dieses Dorf nach Frankreich ins Elsass gehen, hat er gesagt: Oh toll, dann wanderst du bestimmt da so durch die Wälder wie Peter Handke und schaust dir alle Pilze an
Und wie mich da sofort das Grauen überkam, natürlich vor allem vor mir selbst, weil die Gefahr dieser bestimmten Form der – ja, halt eben doch: Verblödung in mir massiv vorliegt
Und das weiß ich ja
Ich habe ja als Naturlyriker angefangen!
So, jetzt steht’s hier, aber bitte: Das muss trotzdem unter uns bleiben
Und jetzt schon hier, die Bäume im Schwarzwald, vor dem Fenster
Und klar habe ich Lust sie zu beschreiben, den Ort
trotz bzw. gerade wegen Verblödungsgefahr
Vielleicht morgen, übermorgen
–
Wie ich vor einigen Tagen glücklicherweise noch in die kleine Kiste mit den wenigen Büchern, die ich mitnehme nach Frankreich, hineingeworfen habe: M.L. Kaschnitz – Beschreibung eines Dorfes
Das war mir plötzlich noch eingefallen
Ein Buch, das zwar unter zahllosen Gesichtspunkten total mufft inzwischen
Das aber trotzdem SO TOLL ist, ein SUPERBUCH
–
Und jetzt, in diesem Moment, Tür auf, Mutter rein, Wolfi, hier, Post, gerade gekommen
Huch, schon da
Hatte ich mir bestellt, vor wenigen Tagen: Handke – Das Gewicht der Welt
(und gerade noch von Handke hier gesprochen ähm geschrieben)
Natürlich in Vorbereitung dieser Sache hier. Gedacht, ohne das geht’s nicht
Bei Handke muss ich zumindest reingucken
Der ist doch immer Referenz und Bezugspunkt, und klar: in all seiner Schrecklichkeit oft
Handke ist ja in den Texten immer so anwesend und zugleich als...
Erscheint lt. Verlag | 27.4.2022 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 2017 • Anspruchsvolle Literatur • Dramatiker • Experiment • Journal • Schreiben • Theater |
ISBN-10 | 3-10-491559-8 / 3104915598 |
ISBN-13 | 978-3-10-491559-3 / 9783104915593 |
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