True Story - Kate Reed Petty

True Story (eBook)

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
448 Seiten
Ecco Verlag
978-3-7530-5008-9 (ISBN)
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»Wir müssen es als erfunden hinstellen, klar (wir wissen ja beide, wie gefährlich es ist, die Erzählung einer Frau als wahr zu verkaufen).«

Nach einer Highschool-Party fahren zwei Sportler ein Mädchen, Alice, nachhause. Sie ist betrunken und hat das Bewusstsein verloren. Bald breiten sich in der Kleinstadt Gerüchte aus. Die beiden Sportler brüsten sich mit ihrer 'Eroberung', beteuern dann aber ihre Unschuld, als die Polizei zu ermitteln beginnt. Irgendwann glätten sich die Wogen wieder, aber bei einigen Menschen haben die Ereignisse unwiderrufliche Spuren hinterlassen. Alice erinnert sich an nichts, aber die Nacht und die Gerüchte darüber zerstören ihr Leben. Auch Nick, der beobachtet hat, was passiert ist, wird die Nacht nie vergessen. Fast zwei Jahrzehnte lang versucht Alice, sich ihre eigene, von Männern ausgelöschte Geschichte zurückzuerobern. Dann endlich erhält sie die Gelegenheit, mehr über die Nacht zu erfahren, aber traut sie sich, diese zu ergreifen?


»Ein fesselndes Debüt, das Genregrenzen sprengt.« New York Times

»Eine kraftvolle, zum Nachdenken anregende Untersuchung darüber, wie das Manipulieren von Geschichten ganze Leben prägen kann.« Guardian

»Ein beeindruckendes Debüt- und eine originäre literarische Verarbeitung von sexualisierter Gewalt.« Bücher Magazin

»Kate Reed Petty spielt in ihrem beeindruckenden Romandebüt virtuos mit den verschiedenen Genres von Horror bis Psychotriller.« Münchner Merkur



Kate Reed Petty lebt in Baltimore, Maryland. Sie hat für ihr Schreiben bereits zahlreiche Preise und Stipendien erhalten. Ihre Kurzgeschichten sind in diversen Zeitschriften erschienen. »True Story« ist ihr Debütroman.

Im Herbst unseres letzten Highschool-Jahres wurde mein Kumpel Max Platt festgenommen, weil er einen Laserpointer auf ein Flugzeug gerichtet hatte. Wir wussten nicht mal, dass das illegal war. Es war eine von den harmlosesten Sachen, die Max überhaupt jemals gemacht hatte, und es war köstlich zu sehen, dass er ausgerechnet dafür solchen Ärger bekam. (Das war noch ein paar Monate vor dieser ganzen Sache mit dem Mädchen von der Privatschule.)

Wir waren natürlich gerade bei Denny’s, als wir von der Geschichte erfuhren. Denny’s war fest in den Händen unseres Lacrosseteams. Aber an diesem Abend waren nur Max und ich und mein alter Kumpel Richard Roth drin.

Ich mach das seit August, sagte Max. Er schwänzte die Schule, ging auf eine ungenutzte Wiese hinter dem Hörsaal und legte sich aufs sandige Gras. Dann richtete er das rote Licht in den Himmel, wobei er es langsam vor und zurück bewegte. Wie das Bat-Signal.

Im Ernst?, fragte Richard.

Es wurmte mich immer, wie Richard sich so leicht von Max beeindrucken ließ. Also sagte ich: Aber warum, Batman? Was soll das Ganze überhaupt?

Macht die Piloten gaga, erwiderte Max.

Max tat vieles, was wir auch gern gemacht hätten, aber uns einfach nicht trauten. Was jedoch an dieser Nummer so toll sein sollte, hab ich persönlich nie nachvollziehen können.

Er erzählte die Geschichte noch mal beim Training. Die Geschichte wirkte besser, wenn wir alle zuhörten. Max stand auf und machte den Polizisten nach, der ihn erwischt hatte: »Was machst du denn da?«, sagte er in breitestem Südstaatenakzent. Er watschelte herum und hielt dabei die Arme seitlich vom Körper abgespreizt, als wäre er zu dick, um sie einfach an den Seiten herabsinken zu lassen.

»Ich bin ausgerutscht und hingefallen«, rief ich, erzählte Max weiter. Oder ich versuchte zu rufen, keine Ahnung, ich war so was von high, echt. Ich hab meine Hände über den Kopf gehalten, die fühlten sich an wie Gelee, als würde ich sie durch Gelee bewegen.

Wir nickten alle, als wüssten wir, was er meinte. Als wären wir alle schon mal zu high gewesen, um unsere Arme hochzuheben. Dabei wusste ich ganz genau, dass ein paar von diesen Typen noch nie geraucht hatten.

Und der Bulle so: »Komm mal hier rüber, Freundchen. Nimm die Arme runter.« Ich lass meine Schale einfach im Gras stehen, er hat überhaupt nicht genauer nachgeschaut, zu faul, um dreißig Meter zu laufen, sagte Max. Der hatte echt keine Ahnung.

Wir lachten uns alle kaputt, als wir die Geschichte hörten. Der Bulle hatte keine Ahnung gehabt, dass Max high war! Wir schüttelten die Köpfe.

Bullen sind so scheißblöd, sagte ich. Alle lachten.

Aber am nächsten Montag erschien Max nicht zum Training. Er war suspendiert worden. Unser Trainer erzählte uns, dass die Sache mit dem Laserpointer tatsächlich eine Straftat war. Darauf stand ein Bußgeld bis zu zweihundertfünfzigtausend Dollar und bis zu fünf Jahren Haft. An dem Tag waren wir alle superschlecht drauf. Die Landesmeisterschaften waren schon in acht Monaten. Wir überlegten, ob Max dann wohl im Gefängnis sitzen würde. Wir überlegten, ob er dem FBI stecken würde, dass wir alle Gras rauchten. Eine Weile konnten wir über nichts anderes reden, wenn wir nervös unsere Runden auf dem Sportplatz drehten.

Aber am Ende ist nichts richtig Schlimmes passiert. Wir waren erst siebzehn. Und Max’ Dad war Wirtschaftsprüfer, also kannte er wahrscheinlich einen guten Anwalt. Max musste nicht mal gemeinnützige Arbeit leisten. Er bekam eine Bewährungsstrafe und musste sich ein Jahr lang jeden Monat bei einem Polizisten melden. Das war’s dann auch schon. Das einzig andere war, dass er sich vor der ganzen Schule hinstellen und eine Rede darüber halten musste, wie gefährlich Laserpointer sind. Das war natürlich zum Totlachen.

Sprecht mir nach: Passt auf, wo ihr euren Laserpointer hinsteckt, sagte Max und deutete mit dem Daumen übers Podium wie Bill Clinton. Und alle im Hörsaal sprachen ihm nach: PASST AUF, WO IHR EUREN LASERPOINTER HINSTECKT.

Mr. Kaminsky, der Englischlehrer, versuchte einzuschreiten – Danke, Max, das reicht jetzt … – aber die ganze Schule deklamierte weiter im Singsang: PASST AUF, WO IHR EUREN LASERPOINTER HINSTECKT! PASST AUF, WO IHR EUREN LASERPOINTER HINSTECKT!

Am Ende brauchte es zwei Ordner, um die Menge wieder zum Schweigen zu bringen, während Max die ganze Zeit grinsend auf der Bühne stand. Wir saßen in der letzten Reihe und jubelten ihm zu. Wir wussten ja, dass er jetzt wieder bei uns war.

Das Dumme war nur, nun war er vorbestraft, also durfte er sich nicht noch einmal erwischen lassen. Aber wir glaubten nicht, dass das ein Problem werden würde. Wenn wir bei einer tatsächlichen Straftat den Kopf aus der Schlinge ziehen konnten, würden wir das überall schaffen.

Ich schaffte es schon im zweiten Highschooljahr, für die Schulmannschaft zu spielen, ein Jahr vor Max. Richard und ich waren ins Lacrossetrainingslager gefahren, und wir waren ziemlich gut. Nur zwei andere aus unserer Stufe hatten es ebenfalls in die Schulauswahl geschafft: Ham Tierney und Alan Byron.

Wir vier bekamen in der ersten Woche Bescheid, das Training war gleich nach der letzten Stunde am Freitag. Wir hatten nur eine halbe Stunde zwischen der letzten Unterrichtsstunde und dem Training. Das war nicht viel. Und man bekam fünfzehn Liegestützen für jede Minute aufgebrummt, die man zu spät im Training erschien. Ich hatte es nicht so mit Liegestützen, alles, was über zehn Stück hinausging, war eine Demütigung für mich, also vermied ich es einfach, mich jemals zu verspäten. Ich ging nach der Chemiestunde immer geradewegs in die Umkleide.

An diesem Tag grübelte ich gerade über etwas nach, was ein Mädchen zu mir am Ende der Stunde gesagt hatte. Sie hatte gesagt: Nick, für einen Typen hast du ganz schön hübsche Haare. Ich begriff nicht, warum sie das gesagt hatte. Wir standen einfach an unseren Schultischen, packten unsere Sachen zusammen, und dann, völlig aus heiterem Himmel, sagte sie das. Aber sie sagte es total nett. Vielleicht hatte sie es ja als Kompliment gemeint, und ich hätte sie fragen sollen, ob sie mit mir ausgehen will. Doch vielleicht war sie ja auch bloß sarkastisch und wollte mich beleidigen, und ich hätte erwidern sollen, dass meine Haare genauso hübsch wie mein Schwanz wären, und dann hätte ich sie fragen müssen, ob sie mit mir ausgehen will. Der Punkt ist: Ich hatte versagt.

Darüber grübelte ich nach, als ich die Tür zu den Umkleiden öffnete und ungefähr sechs von den Elft- und Zwölftklässlern auf den Bänken sitzen sah. Das war seltsam. Normalerweise war ich der Einzige, der so früh da war. Ich ließ die Tür hinter mir zufallen. Dann befiel mich auf einmal ein ganz komisches Gefühl. Ich hatte so eine Vorahnung, dass ich mich aus dem Staub machen sollte. Doch sie waren schon aufgestanden. Sie packten mich, und im nächsten Augenblick lag ich schon am Boden.

Als Lacrossespieler ist man es gewohnt, unter viel Gewicht zu liegen. Nach jedem Tor springen wir alle auf einen Haufen, um es zu feiern. Sogar im Trainingslager, wo die Tore ja egal sind, haben wir das gemacht. Im ersten Moment erschrickt man, wenn man so ein schweres Gewicht auf sich spürt, man fühlt sich, als würde man ertrinken. Aber man gewöhnt sich dran. Ich war es schon gewohnt. Es war sogar ein vertrautes Gefühl. Das half mir, ruhig zu bleiben. Ich atmete einfach weiter und versuchte ganz cool zu sein.

Einer von den älteren Spielern setzte sich rittlings auf meinen Brustkorb, ein anderer hielt meine Beine fest, und einer zog mich an den Haaren. Mit diesen langen Haaren bist du einfach zu hübsch, meinte einer.

Ich überlegte, ob ich wirklich so hübsch war. Zwischen dem Mädchen im Chemiesaal und jetzt dem Team fragte ich mich, ob die Leute mir das bis in alle Ewigkeit erzählen würden.

So hübsch, dass sie mich richtig in Fahrt bringt, sagte jemand, und dann lachten alle. Ich war sauer, wollte aber nicht wie ein Arschloch rüberkommen. Ich hoffte, dass man mir nicht ansah, wie sauer ich war. Der Typ, der auf meinem Brustkorb saß, zog seinen Schwanz über den Bund seiner Shorts. Ich geriet in Panik, aber blieb ganz still liegen. Ich wusste, solange ich keinen Widerstand leistete, würde ich das Ganze rasch hinter mir haben, und dann würden sie mich in Ruhe lassen. Ein Surren ertönte. Schön stillhalten, meine Hübsche, sagte jemand. Ich würde jetzt ungern abrutschen.

Auf einmal begriff ich, was das Mädchen im Chemiesaal gemeint hatte. Sie hatte überhaupt nichts gemeint. Sie hatte das bloß gesagt, weil das Lacrosseteam ihr das aufgetragen hatte. Sie hatten sie angestiftet, um mich vorzubereiten. Das gehörte zum Ritual. Jetzt schrien und lachten sie alle, und der ältere Spieler, der immer noch auf meiner Brust saß, wedelte mit seinem Schwanz herum. Er war natürlich schlaff, wir waren ja nicht schwul. Ich machte die Augen zu, als er damit vor meinem Gesicht herumwedelte, und ließ meinen Mund geschlossen. Ich dachte an die Tatsache, dass dieses Mädchen mich niemals angesprochen hätte, wenn ich nicht Teil des Teams gewesen wäre, und dass sie im Grunde überhaupt nichts wirklich gesagt hatte. Sie war nur die...

Erscheint lt. Verlag 26.10.2021
Übersetzer Wibke Kuhn
Sprache deutsch
Original-Titel True Story
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Belletristik • Bücher romane • Bücher Thriller • Feminismus • Highschool • Horror • Literatur • Missbrauch • Roman • Sexueller Missbrauch • Thriller • Thriller Buch • Thriller Bücher • Thriller Roman • Vergewaltigung
ISBN-10 3-7530-5008-3 / 3753050083
ISBN-13 978-3-7530-5008-9 / 9783753050089
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