Die Erpressung (eBook)

Roman
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2022 | 1. Auflage
432 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491518-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Erpressung -  Javier Cercas
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Aus der Abgeschiedenheit der Terra Alta ins politische Herz Barcelonas. Melchor Marín auf der Spur eines Erpressers Aus der Abgeschiedenheit der Terra Alta kehrt Melchor Marín ins hitzige Leben Barcelonas zurück. Als die Bürgermeisterin der Metropole auf schamlose Weise erpresst wird, droht ein politischer Skandal. Melchor ermittelt mit seinem unbeugsamen Sinn für Gerechtigkeit gegen einen mysteriösen Täter, dessen Absicht unklar bleibt. Seine Suche führt zu den Wortführern der katalonischen Unabhängigkeit, wo Zynismus, Skrupellosigkeit und hemmungslose Gier herrschen. Und völlig unerwartet sieht er sich mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert. Dieser fesselnde und wilde Roman führt in die Hinterzimmer der Macht und ist ein wütendes Plädoyer gegen Korruption und Populismus.

Javier Cercas, geboren 1962 in Ibahernando in der spanischen Extremadura, lebt als Schriftsteller, Publizist und Universitätsdozent in Girona. Mit seinem Roman »Soldaten von Salamis« wurde er international bekannt. Heute ist sein Werk in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Für »Der falsche Überlebende« (S. Fischer 2017), erhielt er u.a. den Prix du livre européen 2016 und den chinesischen Taofen-Preis 2015 für das beste ausländische Buch. Sein Roman »Terra Alta« wurde mit dem Premio Planeta 2019 ausgezeichnet. Zuletzt erschienen »Die Erpressung. Terra Alta 2« (2022) und der abschließende Band der Terra-Alta-Trilogie »Blaubarts Burg« (2023).

Javier Cercas, geboren 1962 in Ibahernando in der spanischen Extremadura, lebt als Schriftsteller, Publizist und Universitätsdozent in Girona. Mit seinem Roman »Soldaten von Salamis« wurde er international bekannt. Heute ist sein Werk in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Für »Der falsche Überlebende« (S. Fischer 2017), erhielt er u.a. den Prix du livre européen 2016 und den chinesischen Taofen-Preis 2015 für das beste ausländische Buch. Sein Roman »Terra Alta« wurde mit dem Premio Planeta 2019 ausgezeichnet. Zuletzt erschienen »Die Erpressung. Terra Alta 2« (2022) und der abschließende Band der Terra-Alta-Trilogie »Blaubarts Burg« (2023). Susanne Lange lebt als freie Übersetzerin bei Barcelona und in Berlin. Sie überträgt lateinamerikanische und spanische Literatur, sowohl klassische Autoren wie Cervantes als auch zeitgenössische wie Juan Gabriel Vásquez, Javier Marías oder Javier Cercas. Zuletzt wurde sie mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ausgezeichnet.

[...] wie Cercas die Abgründe der katalanischen High Society aufzeigt, ist absolut lesenswert.

Die gekonnte Mischung aus Erfundenem und scharf beobachteter Gesellschaftsanalyse macht den großen Lektürereiz dieses elegant bis deftig geschriebenen Romans aus.

Ein spannendes und wütendes Buch.

gute[r] Kriminalroman

[...] überaus spannend zu lesen.

Das ist Existenzialismus in Krimi-Form.

Melchor platzte in das Lokal, bahnte sich einen Weg zur Theke, setzte sich auf einen Hocker und bestellte Whisky. Der Barkeeper starrte ihn an wie einen Außerirdischen.

»Was willst du hier?«, fragte er.

»Keine Angst«, entgegnete Melchor. »Ich bin nicht auf dem Kriegspfad.«

»Auf dem Kriegspfad?«

»Nein. Bekomm ich nun den Whisky?«

Der Barkeeper ließ sich Zeit mit der Antwort.

»Pur oder mit Eis?«

»Pur.«

Es war nach drei Uhr morgens, das Lokal aber noch gut besucht. Unter Garben von Stroboskoplicht tanzten ein paar Frauen nackt oder halb nackt auf einem erleuchteten Laufsteg, der quer durch den Hauptsaal verlief, und wurden von Männern mit gierigen Blicken taxiert. Hier und da warteten andere junge Frauen allein, paarweise oder in Grüppchen auf die letzten Kunden. Oder auf das Ende der Nacht. Über die Lautsprecher erklang Like a Virgin, der alte Madonna-Song.

»Das gibt’s doch nicht«, hörte Melchor hinter seinem Rücken.

Während der Barkeeper ihm den Whisky eingoss, setzte sich der Mann, der da gesprochen hatte, neben den Polizisten. Er war ein dunkel gekleideter mulato, kahl und stämmig, mindestens zwei Meter groß. Melchor nahm einen großen Schluck, und der andere zeigte auf das Glas.

»Hast du die Cola aufgegeben?«

»Ja«, sagte Melchor. »Zur Feier des Tages.«

Der Mann zeigte zwei Reihen blitzend weißer Zähne.

»Sag bloß«, entgegnete er. »Und was feierst du? Dass der Richter uns recht gegeben hat und ihr mit nacktem Arsch dasteht?«

»Recht hat euch der Richter nicht gegeben, Trottel«, korrigierte Melchor. »Er hat bloß gesagt, es fehlen Beweise gegen euch. Aber keine Sorge, ich finde schon welche. Noch einen Whisky.«

Der Barkeeper, der sich nicht entfernt hatte und die Flasche noch immer in der Hand hielt, goss nach. Der andere lächelte weiter, drehte sich auf dem Hocker, bis er mit dem Rücken zur Theke saß, stützte die Ellbogen darauf und musterte die Tänzerinnen auf dem Laufsteg. Melchor nahm einen weiteren Schluck.

»Weißt du, warum ich den Laden hier so mag?«, fragte er herausfordernd.

Der Mann entgegnete nichts. Melchor führte wieder das Glas zum Mund.

»Weil er mich an meine Kindheit erinnert«, sagte er, nachdem er getrunken hatte. »Meine Mutter war eine Nutte, weißt du. Also bin ich in solchen Läden aufgewachsen, umgeben von Nutten wie ihr und von Zuhältern wie dir. Und das feiere ich: die Heimkehr.«

Der Madonna-Song ging zu Ende, und das Lachen des Mannes neben ihm dröhnte durch die zunehmende Stille im Bordell. Madonna wurde rasch von Rosalía abgelöst, und zwei, drei Frauen machten sich auf, zwischen den Kunden und ihren Kolleginnen zu tanzen. Der Mann legte seine Pranke auf Melchors Schulter.

»So hab ich’s gern, Bulle«, sagte er. »Man muss verlieren können.« Er stand auf, zwinkerte dem Barkeeper zu und sagte, auf Melchor deutend: »Geht aufs Haus.«

Melchor trank weiter, ohne von seinem Glas aufzublicken, und obwohl die Frauen ihn alle kannten, kam keine zu ihm. Als er den dritten Whisky bestellte, setzte sich doch eine neben ihn: Spanierin, braun gebrannt, schon älter und füllig, im schwarzen Bustier, aus dem die Brüste hervorsahen. Sie legte ihm eine Hand in den Nacken und bestellte ein Glas Cava. Der Barkeeper warnte Melchor:

»Die Drinks der Mädchen gehen nicht aufs Haus.«

Melchor nickte, und der Barkeeper goss der Frau ihren Cava ein. Sie tranken und warteten ab, bis der Barkeeper sich entfernt hatte. Als er am anderen Ende der Theke beschäftigt war, fragte Melchor:

»Ziehen wir’s durch?«

»Natürlich«, sagte sie.

»Sicher?«, fragte Melchor. »Wenn sie uns erwischen, sieht’s übel für dich aus.«

Die Frau setzte eine gleichgültige Miene auf.

»Ich mach mir nicht ins Hemd, Kleiner.«

Melchor nickte, ohne sie anzusehen.

»Also gut«, sagte er. »Warten wir noch kurz. Wenn ich auf dem Weg nach oben bin, gehst du zu ihnen. Du lässt die Tür offen und sagst, ich komme gleich.«

»Die haben ganz schön Schiss. Soll ich bleiben, bis du da bist?«

»Nein. Beruhige sie. Sag ihnen, es passiert schon nichts. Sag, ich bin gleich da. Und dann öffnest du die anderen beiden Türen, die zum Balkon, und gehst nach Hause oder kommst hierher zurück. Nein, geh besser nach Hause.« Er hielt kurz inne. »Alles klar?«

»Ja.«

Melchor nickte wieder, doch diesmal sah er sie an.

»Sei vorsichtig«, sagte sie.

»Du auch.«

Die Frau ließ das halb volle Glas auf der Theke stehen und entfernte sich.

Melchor trank weiter, sprach mit niemandem außer dem Barkeeper, ging nicht einmal pinkeln. Als das Lokal fast leer war, tauchte der Mann von vorhin wieder auf und lächelte verärgert bei Melchors Anblick.

»Immer noch hier?«, fragte er.

»Beim sechsten Whisky«, antwortete der Barkeeper für ihn. »Schade, dass es keine Cola war. Dann wär er jetzt tot.«

»Ich muss zu deinem Chef«, verkündete Melchor.

Der andere runzelte die Stirn; sein Lächeln war mit einem Mal fort, verschlungen vom violetten Polster der Lippen.

»Der ist nicht da.«

Melchor schnalzte.

»Hältst du mich für blöd? Natürlich ist er da. Der geht erst, wenn ihr schließt: nicht dass ihr mit der Kasse durchbrennt.«

Der Mann musterte ihn mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen.

»Was willst du vom Chef?«

»Geht dich nichts an.«

»Klar geht mich das an.«

»Er sagt, er ist nicht auf dem Kriegspfad«, schaltete sich der Barkeeper ein.

Der Blick des Mannes sprang vom Barkeeper zu Melchor und von Melchor zum Barkeeper, der schließlich mit den Schultern zuckte.

»Ich will mich bei ihm entschuldigen«, sagte Melchor. »Der Prozess. Der ganze Ärger. Du weißt schon.«

Der andere schien sich zu entspannen.

»Klar. Find ich gut. Aber dafür musst du nicht extra zu ihm. Ich geb’s weiter. Entschuldigung angenommen.«

»Ich will ihm auch einen Vorschlag machen.«

Der andere wurde wieder misstrauisch.

»Was für einen Vorschlag?«

»Das werd ich dir grad auf die Nase binden.«

»Dann vergiss das mit dem Chef.«

»Wie du willst. Aber es ist ein guter Vorschlag, er wird ihn interessieren.« Er blickte zum Barkeeper und fügte hinzu: »Er hört bestimmt nicht gern, dass du mich daran gehindert hast, ihm davon zu erzählen.«

Der Mann kam offenkundig ins Grübeln; er warf wieder einen Blick zum Barkeeper, dann einen prüfenden auf Melchor, entfernte sich nach ein paar Sekunden, nur so weit, um telefonieren zu können, ohne gehört zu werden. Dann winkte er widerwillig dem Polizisten, er solle ihm folgen.

Sie überquerten die verlassene Tanzfläche, gingen über eine enge Treppe zwei Stockwerke hinauf, dort öffnete er eine Tür und ließ Melchor zuerst eintreten. Er befand sich im Büro des Chefs, der bei seinem Anblick nicht aufstand, ihm auch nicht die Hand gab. Der Mann saß hinter einem klapprigen Tisch, darauf gut sichtbar die leeren Hände, in den Augen ein spöttischer Glanz.

»Warum hast du nicht gesagt, dass du hier bist?«, fragte er und deutete auf einen Stuhl ihm gegenüber. »Ich wäre nach unten gekommen, um dich zu begrüßen.«

Melchor setzte sich nicht. Der Chef gab sich mit seinem Aussehen sichtlich Mühe, er war um die fünfzig, das Haar gegelt, der grau melierte Bart gepflegt, die Hände schwer von Ringen; er war hemdsärmelig, trug Hosenträger und über der Brust eine silberne Kette mit großem Goldmedaillon. Er hieß Eugenio Fernández, aber aus unerfindlichem Grund nannte ihn alle Welt Papa Moon.

»Ich höre, du willst dich entschuldigen«, fügte er hinzu. »Und ertränkst deinen Kummer im Whisky. Recht so. Ich hatte dich gewarnt, dass du dich aufs Glatteis begibst. Das ist der Vorteil, wenn man in einer Demokratie lebt, Kleiner: Hier sind wir alle unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist. Sogar ich, der ich keine Bücher lese wie du. Aber so weit reicht’s noch. Willst du dich nicht setzen?«

Melchor antwortete nicht. Papa Moon warf Melchors Begleiter einen fragenden Blick zu, der zuckte hinter dem Polizisten mit den Schultern. Das Zimmer wurde durch die Schreibtischlampe und eine Stehlampe hinter ihm in ein schwaches Licht getaucht. In die Wand, dem Schreibtisch gegenüber, war ein Plasmabildschirm eingelassen, auf dem ganz leise ein Basketballspiel der NBA lief.

»Du sagst gar nichts?«, bemerkte Papa Moon.

»Ich will dir etwas vorschlagen«, sagte Melchor schließlich.

»Das hat mir Samuel schon erzählt.« Papa Moon drehte sich ein wenig auf dem Stuhl und breitete freundlich die Arme aus. »Ich bin ganz Ohr.«

Melchor wandte sich kurz zu dem anderen, dann wieder zum Chef.

»Keine Sorge.« Papa Moon wollte ihn beruhigen. »Du kannst offen reden, Samuel ist vertrauenswürdig.«

Melchor wandte den Blick nicht von Papa Moon, der nach ein paar Sekunden seufzte und seinen Gorilla mit einer leichten Kopfbewegung fortschickte. Der zögerte einen Moment und durchsuchte Melchor dann, der ihn gewähren ließ. Er trug keine Waffe bei sich, hatte nur zwei Handschellen in der Tasche. Dann fragte Samuel:

»Sind Sie sicher, Chef?«

Papa Moon nickte.

»Geh schließen«, befahl er. »Ich komme gleich runter.«

Widerwillig verließ der Schläger das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

»Gut.« Der Chef lehnte sich zurück. »Schieß los.«

Melchor machte zwei Schritte vorwärts, stützte die Fingerknöchel auf den Schreibtisch und beugte sich über die Tischplatte, kam Papa Moon so nahe, als wollte er ihm etwas zuflüstern.

»Es geht um die Mädchen«,...

Erscheint lt. Verlag 27.7.2022
Reihe/Serie Terra-Alta-Trilogie
Übersetzer Susanne Lange
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anspruchsvolle Literatur • Barcelona • Bürgermeisterin • El proces • Erpressung • Independencia • Katalonien • Korruption • Mafia • Melchor Marín • Politik • Populismus • Rathaus • Sexvideo • Terra Alta • Unabhängigkeit • Vergewaltigung • Vetternwirtschaft • Video
ISBN-10 3-10-491518-0 / 3104915180
ISBN-13 978-3-10-491518-0 / 9783104915180
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