Memoiren (eBook)
370 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7541-4283-7 (ISBN)
Johann Most war gelernter Buchbinder und schloss sich der Arbeiterbewegung an. Erst als Sozialdemokrat für die er Reichstagsabgeordeneter war, dann Kommunist, später wurde er Anarchist. Neben sozialistischen Schriften und Zeitschriften veröffentlichte er auch ahteistische Schriften
Johann Most war gelernter Buchbinder und schloss sich der Arbeiterbewegung an. Erst als Sozialdemokrat für die er Reichstagsabgeordeneter war, dann Kommunist, später wurde er Anarchist. Neben sozialistischen Schriften und Zeitschriften veröffentlichte er auch ahteistische Schriften
VI.
Als ich raeinen „Lehrbrief" in der Tasche hatte, fühlte ich mich nicht übel als „freier Mann" und aus voller Brust rang es sich durch die Schwadronierritze: „Hinaus in die
Ferne!" Weg von dem Schauplatz stiefmütterlicher Abfütterung und lehrmeisterlicher Stockhiebe — Flucht von einer „Heimath", die ich hasste! Sofort bewarb ich mich
um ein „Arbeitsbuch", ohne welches damals kein , Handwerksbursche" von Ort zu Ort sich bewegen konnte, während es andererseits Vorschriften enthielt, die bei genauerer Besichtigung humorverderbend wirken mussten.
Da dieselben gleichzeitig zur Charakteristik der damaligen Polizeiverhältnisse und der Klassenlage der Arbeiter dienten, lasse ich im Nachstehenden einen Extrakt daraus
folgen:
„Die betrügliche Verfertigung oder Verfälschung eines Arbeitsbuches, wie auch der wissentliche Gebrauch eines solchen gefälschten Arbeitsbuches wird mit Gefängniss von drei Monaten bis ein Jahr bestraft. Auch Handlungen dieser Art, bei welchen sich das obige Merkmal nicht findet, unterliegen polizeilicher Ahndung!! In den Fällen, wo die oben bezeichneten Handlungen in ein schwereres Vergehen oder Verbrechen übergehen, kommen die hierüber im Strafgesetzbuche enthaltenen Bestimmungen zur Anwendung. — Gesetz vom 11. September 1825, Gesetzblatt vom Jahre 1825, S. 52 f.
* * *
Die Gesellen sind im Allgemeinen verpflichtet, an allen gewöhnlichen Wochentagen ohne Ausnahme der abgewürdigten Feiertage, die festgesetzten Stunden zu arbeiten, dem Meister Achtung zu beweisen und seinen Anordnungen in Bezug auf die aufgetragenen Arbeiten und auf die häuslichen Einrichtungen Folge zu leisten.
Das Feiern der sogenannten blauen Montage und das Arbeiten für eigene Rechnung bleibt den Gesellen durchaus Verboten. Gegen Meister, welche dieses dulden, wird mit
Strafe eingeschritten.
* * *
Die Gesellen können die Arbeit ohne vorgängige Aufkündigung verlassen, wenn sie von dem Meister thätlich misshandelt wurden, derselbe den versprochenen Lohn oder die
sonstigen Gegenleistungen ohne genügenden Grund vorenthält; ferner, wenn sie durch schwere Krankheit zur Fortsetzung der Arbeit unfähig werden; endlich wenn schwere
Krankheit oder der Tod eines der Eltern den Austritt erfordert.
Gegen Handwerksgesellen, welche ausser den in § 28 angeführten Fällen aus dem Dienste gehen, oder nach § 27 entlassen werden, hat neben geeigneter Bestrafung auch eine fortgesetzte Polizeiaufsicht — nach Umständen die Verweisung in die Heimath einzutreten.
Gesellen, welche sich der Arbeit an den dazu bestimmten Tagen entziehen, sind augenblicklich in die Werkstätte zurückzuschaffen und zu bestrafen.
Gegen die Verabredung mehrerer Gesellen zum Austritte aus der Arbeit aus Trotz oder Ungehorsam gegen die Obrigkeit, oder in der Absicht, das Zugestehen einer von ihnen gemachten Forderung zu erzwingen, ist nach Massgabe der bestehenden Strafgesetze unnachsichtlich einzuschreiten.
* * *
1. Jeder Handwerksgeselle, welcher an unerlaubten Gesellen- und andern Verbindungen, Gesellengerichten, Verrufserklärungen und dergleichen Missbräuchen Antheil nimmt, wird nach Massgabe der bestehenden Gesetze und Verordnungen strenge bestraft und nach Abnahme des an die Heimaths-Behörde zu sendenden Arbeitsbuches mit gebundener Reiseroute in seine Heimath gewiesen.
Verordnung vom 14. Januar 1841.
2. Wandernde Handwerksgesellen, welche nicht über vollkommen zureichendes Reisegeld sich ausweisen können, werden zur Rückkehr in die Heimath angehalten.
3. Die Verordnung vom 28. November 1816 Bettler und Landstreicher betr., wird auch auf wandernde Handwerksgesellen angewendet, welche auf dem Bettel oder vagirend betroffen werden, und insbesondere die Heimlieferung solcher Individuen jedesmal verfügt werden.
4. Die während der Wanderschaft wegen Uebertretungen verfügten Strafen sind in das Arbeitsbuch einzutragen.
5. Das Reisen der Handiverks gesellen in die Schweiz ist verboten.
Verordnung vom 2. März 1845.
6. Der allgemeinen Militärkonscription ist jeder Baier unterworfen und zwar in jenem Jahre, in welchem er sein ein und zwanzigstes Lebensjahr zurückgelegt.
Mit dem ersten Januar des darauffolgenden Jahres tritt jeder Konscriptionspflichtige in die Militärpflichtigkeit und hat sich in dem gesetzlichen Termine bei seiner Konscriptionsbehörde zu melden, §§ 5, 6 und 20 des Heers-Ergänzungs-
Gesetzes vom 15. August 1828.
7. Hinsichtlich der Visirung der Arbeitsbücher im Inlande gelten folgende Bestimmungen:
a. Jeder Handwerksgeselle ist verpflichtet beim Antritte der Wanderschaft sein Arbeitsbuch der betreffenden Distriktspolizeibehörde zur Visirung vorzulegen.
Die Distriktspolizeibehörden dürfen den ihnen selbst als ordentlich oder verlässig bekannten oder als solche von zuverlässigen Personen empfohlenen und mit genü-
genden Reisemitteln versehenen Handwerksgesellen beim Antritte der Wanderschaft auf Ansuchen das Visa unmittelbar bis an den Ort, an Welchem sie Arbeitsgele-
genheit erweislich erhalten oder doch wahrscheinlich finden werden, ertheilen.
Bei den zu Fuss Wandernden ist es dem Ermessen der Distriktspolizeibehörden anheimgestellt, die Erholung eines Zwischenvisa an einem von dem Wandernden zu
berührenden Amtssitze vorzuschreiben, falls das vorläufige Reiseziel jedenfalls erst nach vier Tagen erreicht werden kann.
b. Denjenigen Handwerksgesellen, welche beim Antritte der Wanderschaft ein bestimmtes vorläufiges Reiseziel nicht zu bezeichnen vermögen, sondern überhaupt Ar-
beit suchen wollen, darf auf Ansuchen unter geeigneter Berücksichtigung der vorliegenden Aufschlüsse über den Leumund, dann der Reisemittel, des erforderlichen
Reisegepäckes und des ganzen Aeussern des Wandern- den das Visa für zwei bis drei Tagsrouten eitheilt werden.
c. Die Bestimmungen unter Lit. a und b finden gleichmässig Anwendung auf die an einem Orte in Arbeit gestandenen und nunmehr ihre Wanderschaft fortsetzenden Handwerksgesellen.
d. Handwerksgesellen, welche beim Antritte oder bei Fortsetzung der Wanderschaft die unter Lit. a angeführten Voraussetzungen in ihrer Person nicht vereinigen, jedoch aus irgend einem Grunde von der Wanderschaft nicht gänzlich ausgeschlossen werden können, beziehungsweise zur zwangsweisen Verweisung in ihre Heimath nicht geeigenschaftet sind, wird im Falle des Wanderns zu Fuss das Visa nur für kürzere Distanzen ertheilt, und nach Umständen zur Pflicht gemacht, bei
jeder Distriktspolizeibehörde, deren Sitz sie berühren, das Visa zu erholen.
e. Der reisende Handwerksgeselle ist verpflichtet, von jeder beabsichtigten Aenderung seines Reisezieles oder seiner Reiseroute der nächst gelegenen Distriktspolizeibehörde
Anzeige zu machen. Derselbe ist ferner verpflichtet, jede mehr als einen Tag betragende Unterbrechung seiner Reise vor Erreichung des durch das letzte Visa bezeichneten Reisezieles der nächst gelegenen Distriktspolizeibehörde zur Anzeige zu bringen.
f. Abgesehen von den hier bezeichneten Fällen ist der reisende Handwerksgeselle verpflichtet, bei der Distriktspolizeibehörde desjenigen Ortes, auf welchen sein
letztes Visa lautet, behufs der Erlangung des Visas zur Fortsetzung seiner Reise sich zu melden.
8. Gegen eigenmächtige Abweichungen von der Reiseroute oder auffallende nicht gerechtfertigte Verzögerungen der Reise findet strenge Einschreitung statt.
9. Nach der Verordnung vom 12. Juli 1812 wird jeder wandernde inländische Handwerksgeselle, welcher das ihm blos auf das Inland ausgestellte Arbeitsbuch zum Wandern in das Ausland missbraucht oder das ihm auf bestimmte ausländische Staaten beschränkte Wandern unbefugt auch zum Wandern in andere Länder ausdehnen würde, im ersteren Falle mit sechswöchentlichem, im letzteren mit dreiwöchent-
lichem Arreste bestraft.
Wer über die gestattete Zeit im Auslande bleibt, hat ebenfalls eine sechswöchentliche Arreststrafe zu gewärtigen.
* *
Inhaber erhält hiermit die polizeiliche Bewilligung zum Wandern in den deutschen Bundesstaaten bis Ende Oktober 1867, sowie in den k. k. österreichischen Staaten auf die Dauer von drei Jahren mit dem Auftrage von seinem jeweiligen Aufenthaltsorte halbjährig sichere Nachricht anher gelangen zu lassen.
Zugleich wird derselbe auf das Verbot des Eintritts in fremde Kriegsdienste ohne allerhöchste landesherrliche Genehmigung hiermit ausdrücklich aufmerksam gemacht.
Augsburg den 20. April 1863.
Stadtmagistrat.
Der I. Bürgermeister:
Forndran.
* * *
Ausgestattet mit solcher , .Legitimation" und ausgerüstet mit einer mässig bepackten Tasche, zog ich, begleitet bis zum Thore von meinem Vater, der mich mit 1 5 Gulden Reisegeld versehen hatte, am 21. April 1863 zum Städtle hinaus — hinein in eine feindliche Welt, in der ich nun mein ,, Glück" suchen, leider aber nicht finden sollte.
Ich war ein recht kleines, mageres Kerlchen, das knapp 75 Pfund an Gewicht und keine besonders einladende Visage aufzuweisen hatte. Trotz alledem fühlte ich mich „stolz wie ein Spanier" und wanderte fürbass. Schon der Gedanke, jetzt kein buchstäblicher Prügel--Knabe mehr zu-sein, machte mich jauchzen und singen, und der Himmel hing mir voller Bassgeigen.
VII.
Die erste Exkursion führte mich nach Frankfurt am Main, wo ich am 27. April eintraf....
Erscheint lt. Verlag | 15.7.2021 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Anarchismus • Gefängnis • Johann Most • Kommunismus • Memoiren • Sozialismus |
ISBN-10 | 3-7541-4283-6 / 3754142836 |
ISBN-13 | 978-3-7541-4283-7 / 9783754142837 |
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