Geschichten vom Mitananda (eBook)
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99125-984-8 (ISBN)
Karin Siakkos war viele Jahre lang selbst Lehrerin an privaten und öffentlichen Schulen im In- und Ausland. Sie ist Mutter von vier Kindern im Alter zwischen sechs und sechzehn Jahren, die sich fernab von vorgegebenen Lehrplänen frei und selbstbestimmt bilden und begleitet diese beziehungs- und bedürfnisorientiert. Sie betreibt mit ihrem Mann Niko und den Kindern den MITANANDA H.O.F., einen über dreihundert Jahre alten Bauernhof in der Südsteiermark, den sie liebevoll in Handarbeit restaurieren und zu einem Begegnungs- und Infozentrum für naturnahes, lebenslanges Lernen und Wachsen um- und ausbauen. Teil des Projektes ist ein großer Selbstversorgergarten, Tiere, Werkstätten, Gästebetrieb, Veranstaltungsorganisation, ein Keramik-Hofladen und die KREATIVwerkstatt, in der sie mit Menschen aller Altersstufen deren Schöpferkraft wieder entdeckt. Seit 15 Jahren engagiert sich Karin Siakkos für selbstbestimmte Bildung, schreibt Artikel und Buchbeiträge, hält Vorträge und organisiert Veranstaltungen zum Thema im In- und Ausland.
Die Geschichte mit der Liebe auf den ersten Blick
Als ich Niko kennenlernte und alles begann
Als in meinem ersten Schuljahr in der South Bronx in NYC endlich die Osterferien vor der Tür standen, passierten ein paar für mich lebensverändernde Dinge. Zuerst kamen mich meine Eltern in New York besuchen und erlebten ihre Tochter als Lehrerin in einer der brutalsten Schulen der Stadt. Kurz nach ihrer Abreise flog auch mein damaliger Freund zurück nach Deutschland. Wir verabschiedeten uns mit den Worten: „Wir werden schauen, wie's weitergeht“.
Er wollte noch einmal in die Schule gehen und ich war mir sicher, dass ich meine zwei Jahre in NYC irgendwie herum biegen würde. Zurück vom Flughafen, in meiner leeren Wohnung, war ich wider Erwarten erleichtert, dass er weg war.
Ich hatte erwartet, dass ich von Liebeskummer geplagt meine Ferientage trauernd und zurückgezogen verbringen würde. Alle meine Kollegen und meine Freunde waren in Richtung Florida oder der Karibik aufgebrochen. Nur ich hatte es nicht geschafft, mein erstes selbst verdientes Geld so einzuteilen, dass ich in den freien Tagen auf Urlaub fahren konnte.
Ich war verwirrt, pleite, sauer auf die Welt und mich selbst. Also zog ich mich in mein Zimmer zurück, um zu schmollen. So hatte ich mir meine Zeit in New York nicht vorgestellt. Ich fiel in ein tiefes Loch und hatte zum allerersten Mal in meinem ganzen Leben unbändiges Heimweh. Ich sehnte mich nach einem Zuhause. Nach Vertrautem. Nach Sicherheit.
Also beschloss ich, auf einer Online-Plattform nach Menschen in der Umgebung zu suchen, die Deutsch sprachen. Ich wollte mich mit jemandem austauschen, der dieselbe Sprache spricht. Ein bisschen chatten, harmloses Geplänkel zur Ablenkung.
Ich fand drei Menschen, die meinen Suchkriterien entsprachen und schrieb sie alle mit denselben vor Selbstmitleid triefenden Zeilen an. Postwendend kam eine Antwort. Von Niko. Anstelle sein Mitgefühl auszudrücken oder auf mein Gejammer einzugehen, schrieb er bloß: Ruf mich an. Nummer. Niko.
Ich ärgerte mich über so viel Frechheit. Was glaubte der eigentlich, wer er war? Ich ging auf seine Profilseite und sah mir das Foto an. Irgendetwas schoss in mich wie ein Blitz. Dabei war der so gar nicht mein Typ. Auf dem Bild trug er ein geschmackloses „Muskelshirt“, das seine breite Brust und die damit einhergehende Behaarung zur Schau stellte. Im Hintergrund war ein Gorilla zu erkennen, mit aufgerissenem Maul, in Drohgebärde. Heute weiß ich, dass es bei einer Tour durch die Universal Studios aufgenommen worden war.
Ich konnte nicht aufhören, auf dieses Foto zu starren, heiß und kalt durchliefen mich die Schauer. Ich versuchte mich zu beruhigen und mir einzureden, dass das nur Phantastereien von kleinen Mädchen waren. Schließlich war ich doch glücklich vergeben - oder nicht?
Ich kämpfte mit mir selbst, ob ich ihn wirklich anrufen sollte. Aber die Neugier siegte. Wir haben drei Stunden miteinander telefoniert. Ich amüsierte mich über seinen Berliner Einschlag, wenn er sprach. Er brachte mich zum Lachen. Bis er sagte, dass er mich doch abholen kommen könnte, denn wir sollten doch besser gleich persönlich weiter machen und zusammen ausgehen. Er hätte Theaterkarten und bräuchte meine Adresse.
Wieder war ich brüskiert. Ich konnte doch nicht so einfach einen wildfremden Mann zu meiner Wohnung bestellen. Er fragte mich, ob er mir seinen Pass einscannen sollte, damit ich sicher sein kann, dass er die Wahrheit spricht. Ich war so unglaublich aufgeregt und hatte keine Ahnung warum.
Ich gab nach, gab ihm meine Adresse (von der er bis heute behauptet, es wäre die falsche gewesen) und begann mich „ausgehfein“ zu machen - schließlich war ich seit Tagen im Pyjama herumgelungert. Ich malte mir aus, wie es sein würde, wenn er direkt vor mir stünde - würde er im richtigen Leben den gleichen Effekt auf mich haben, den sein Foto hatte?
Nervös ging ich in der Küche auf und ab und schaute runter auf die Straße nach einem Anzeichen eines Autos, das Hausnummer suchend um den Block zog. Nichts geschah außer die übliche Geräuschkulisse von Basketball spielenden Jugendlichen und indiskret fluchenden Nachbarn untermalt mit Polizeisirenen.
Ich war nah dran, mich wieder auszuziehen, denn ganz offensichtlich hatte er mich versetzt. Schade, sollte wohl nicht sein, dachte ich. Ganze eineinhalb Stunden nach dem abgesprochenen Zeitpunkt, klingelte es dann doch noch an der Tür. Fürs Theater war es nun wohl zu spät.
Seufzend schloss ich die Wohnungstür ab und fuhr mit rasendem Herzen im Lift die vier Stockwerke hinunter. Auf dem Weg zur Haustür sah ich seinen dunklen Umriss hinter den Glasscheiben. Was tat ich denn da? War das nicht einfach nur dumm und obendrein gefährlich? Was wusste ich denn von diesem Kerl?
Es half nichts, ich zog die Türe auf und da grinste mich ein gutaussehender, in einen schweren, schwarzen, nicht besonders modernen Ledermantel gekleideter südländisch anmutender Typ an. „Wollen wir losstarten?“, fragte er, ohne seine unglaubliche Verspätung auch nur in einem Nebensatz zu erwähnen. Mir verschlug es die Sprache - und das kommt nicht oft vor.
Mit zitternden Knien und einem Magen, der Achterbahn fuhr, bewegte ich mich an seiner Seite auf sein Auto zu. Ich traute meinen Augen nicht: Es sah aus wie das perfekte Zuhältergefährt. Breite Spoiler, Rennstreifen und im Inneren eine bunt blinkende Beleuchtung. In welchem Film war ich da gelandet?
Ich weiß, ich weiß, jetzt Sätze zu schreiben, wie: Er hatte eine Wirkung wie ein Magnet auf mich. Oder: Zitternd konnte ich nicht anders, als meinem Helden zu folgen - all das war purer Kitsch. Und doch ist es so passiert.
Ich stieg also in dieses Unding an Automobil und wir fuhren los in Richtung Downtown. Keine zwei Minuten später hatte ich es bereits bereut. „Stopp!“, schrie ich, „Lass mich aussteigen, ich will hier raus.“ Niko hatte es geschafft, mich innerhalb von wenigen Sekunden vollkommen auf die Palme zu bringen. Wir fingen praktisch sofort nach unserer ersten Begegnung an zu streiten - und haben bis heute damit nicht aufgehört. Schelmisch meinte er: „Sicher nicht, es wird ja gerade erst interessant.“
Damit machte er mich nur noch wütender. Gleichzeitig sagte eine Stimme in mir: „Endlich ist da jemand, den du nicht sofort um den kleinen Finger wickelst.“ Übrigens hat meine Mutter Jahre später über Niko das Gleiche gesagt, um kurz darauf zu realisieren, dass sie das mit ihm aber auch nicht machen konnte...
Wir verbrachten einen unterhaltsamen, lustigen Abend zusammen. Er zeigte mir ein paar Bars und schlussendlich landeten wir in einem ein bisschen heruntergekommenen Kellerlokal, wo alte oder aspirierende Broadway-Stars die bekannten „Hadern“ zum Besten gaben. Wir lachten viel.
Irgendwann in den frühen Morgenstunden sind wir zurück zum Auto marschiert. Niko hat versucht, seinen Arm um mich zu legen. Laut protestierend nahm ich ihn von meiner Schulter. Von hinter uns kamen Stimmen, die lachend behaupteten, wir würden so verliebt wirken, wir wären sicherlich ein frisch verheiratetes Ehepaar. „Nein, wir kennen uns erst seit heute Nachmittag.“, sagte ich lachend, aber bestimmt. „Ja, sicher.“, kam die ungläubige Antwort.
Er hat mich wie ein Gentleman nach Hause gebracht, wir haben uns formell verabschiedet und ich bin in meine dunkle Wohnung zurück geschlichen. Den ganzen Abend über hatte er mir überall die Türen aufgehalten, war unglaublich höflich und zuvorkommend. Ich fragte ihn, ob er das immer so machen würde, wenn er ein Mädel „aufreißt“. Kopfschüttelnd und darüber selbst ein bisschen verwundert, sagte er: „Noch nie.“
Am kommenden Tag rief mich eine Freundin von ihrem Urlaub an. Ich hatte ihr von meinem „Abenteuer“ während meiner langen Wartezeit am Vortag erzählt. Sie wollte wissen, wie's gelaufen sei. Ich sagte: „Gut, wir hatten super viel Spaß und einen echt lustigen Abend. Es hat mir gut getan, raus zu kommen. Aber er ist so überhaupt nicht mein Typ, außerdem hab' ich ja einen Freund. Wir werden uns nicht wiedersehen.“
Ich glaube, ich habe auch damals schon selbst nicht daran geglaubt, dass wir uns nicht mehr wiedersehen würden. Die Intensität dieses Gefühlstaumels war mir schlichtweg unheimlich. Die kommenden Tage hat mich Niko mit Anrufen „bombardiert“, bis ich endlich zugestimmt habe, dass wir uns wiedersehen. Wir haben uns ein paar Mal getroffen, einmal bin ich mit der Fähre zu ihm nach Staten Island gefahren. Dort sind wir bei stürmischem Wetter am Strand entlang spaziert. In diesem Moment konnte ich ihn sehen, wie er als kleiner Junge ausgesehen hatte, ich erkannte auch den alten Mann in ihm. Alles war gleichzeitig und unendlich da, die Zeit hatte sich aufgelöst. Alles, was ich wollte, war zusammen zu sein. Gemeinsam, geborgen, endlich zuhause angekommen.
Mir wurde klar, dass ich reinen Tisch mit meinem Freund in Deutschland machen musste und rief ihn an. Das schlechte Gewissen hatte mich gequält, obwohl Niko und ich uns noch nicht einmal geküsst hatten. Ich glaube, es war keine allzu große Überraschung für meinen Exfreund. Niko meinte dazu nur ganz pragmatisch: Wäre es die große Liebe, dann wäre er jetzt bei dir und nicht am anderen Ende der Welt.
Niko hingegen eröffnete mir, dass er allen seinen (!) Affären kurz und bündig mitgeteilt hätte, dass er jetzt fix vergeben sei. Das beeindruckte mich, schließlich kannten wir uns erst ein paar Tage und es war noch nichts weiter zwischen uns passiert. Wir hatten uns einem gemeinsamen Commitment hingegeben, ohne es zu wissen.
Von Anfang an wusste ich, dass ich mich auf Niko immer verlassen konnte. Bewiesen hat er mir das, als er mit seinen - übrigens...
Erscheint lt. Verlag | 12.5.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
ISBN-10 | 3-99125-984-2 / 3991259842 |
ISBN-13 | 978-3-99125-984-8 / 9783991259848 |
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Größe: 824 KB
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