Johannes Kepler (eBook)

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2021 | 1. Auflage
176 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01258-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Johannes Kepler -  Mechthild Lemcke
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Johannes Kepler (1571-1630), berühmt als Astronom und Mathematiker, war von Haus aus Theologe; seine Interessen umfassten aber auch Philosophie, Geschichte, Physik, Meteorologie und Astrologie. Auf der Suche nach den Gesetzen kosmischer Harmonie fand er, mit Hilfe der Beobachtungen Tycho Brahes, drei Planetengesetze, die seinen Namen tragen. Seiner Zeit voraus, setzte er das heliozentrische Weltbild des Kopernikus durch und erkannte die wahren Dimensionen des Sonnensystems, blieb jedoch befangen in der Vorstellung eines endlichen, von Gott geschaffenen Kosmos. Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Mechthild Lemcke, geb. 1951, lebt und arbeitet nach Studien in Philosophie, Geschichte und Literaturwissenschaften als freie Autorin in Frankfurt am Main. Veröffentlichungen: Hegel in Tübingen (Tübingen 1984, mit Christa Hackenesch); Jugendlexikon Philosophie (Reinbek 1988, mit H. Delf, J. Georg-Lauer, C. Hackenesch)

Mechthild Lemcke, geb. 1951, lebt und arbeitet nach Studien in Philosophie, Geschichte und Literaturwissenschaften als freie Autorin in Frankfurt am Main. Veröffentlichungen: Hegel in Tübingen (Tübingen 1984, mit Christa Hackenesch); Jugendlexikon Philosophie (Reinbek 1988, mit H. Delf, J. Georg-Lauer, C. Hackenesch)

Kindheit und Ausbildung


Als Johannes Kepler am 27. Dezember 1571 – am Tag des heiligen Johannes, der ihm den Namen gab – in Weil der Stadt zur Welt kam, war Kopernikus bereits 28 Jahre tot. Die lutherische Familie, in die Johannes hineingeboren wurde, gehörte zu den Neureichen der kleinen freien Reichsstadt, die an die 1000 Einwohner zählte und vorwiegend von Katholiken bewohnt wurde. Das Weil der Stadt umgebende Herzogtum Württemberg wurde seit 1534 protestantisch regiert. Da Weil der Stadt damals weder einen protestantischen Pfarrer noch eine evangelische Kirche besaß, steht zu vermuten, dass Johannes Kepler in der örtlichen katholischen Kirche getauft wurde. Dafür sprechen die zahlreichen Äußerungen Keplers, er sei Mitglied der katholischen – im Sinne von allgemeinen – Kirche.

Kepler berichtet, er sei als Siebenmonatskind zur Welt gekommen. Mutmaßungen, die diese Auskunft in Zweifel ziehen und von einer durch Schwangerschaft erzwungenen, nicht standesgemäßen Ehe sprechen, mögen plausibel klingen, lassen sich aber heute kaum erhärten. Der schwere Stand, den Keplers Mutter im Haus ihrer Schwiegereltern hatte, und der unglückliche Verlauf ihrer Ehe mögen jedoch für diese Vermutung sprechen.

Keplers Eltern hatten am 15. Mai 1571 in Weil der Stadt geheiratet. Der Vater, Heinrich Kepler (geb. 19.1.1547), war das vierte, aber älteste überlebende Kind des Bürgermeisters von Weil der Stadt, Schankwirts und Handelstreibenden Sebald Kepler und seiner Frau Katharina. Die Mutter, Katharina Guldenmann (geb. 8.11.1547), war die Tochter des Gastwirts und Bürgermeisters von Eltingen, Melchior Guldenmann, und seiner Frau Margarethe. Katharina Guldenmann war nach dem frühen Tod ihrer Mutter bei einer Base in Weil der Stadt aufgewachsen und hatte wohl gelegentlich in der Gastwirtschaft «Zum Engel» ihres späteren Schwiegervaters ausgeholfen.

Heinrich Kepler hatte im väterlichen Geschäft mitgearbeitet und war dabei in einen handgreiflichen Streit um einen Stoffkauf verwickelt worden, der vor dem Rat geschlichtet werden musste. Nach seiner Eheschließung begann er ein eigenes Handelsgeschäft. Die Jungvermählten wurden mit einer beträchtlichen Mitgift ausgestattet und zogen in das Haus der Familie Kepler, das an einer Ecke des Weil der Städter Marktplatzes lag und liegt. Das damalige Haus fiel Ende des Dreißigjährigen Krieges einem Brand zum Opfer; man vermutet, dass es auf den alten Fundamenten in wenig veränderter Form wieder aufgebaut wurde.

Die häuslichen Verhältnisse werden als außerordentlich spannungsgeladen geschildert. Insbesondere scheint es zwischen Katharina, der Mutter Heinrichs, und ihrer Schwiegertochter – ebenfalls Katharina – zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen zu sein. Auch das Verhältnis der beiden jungen Eheleute war wohl nicht das beste. Mit seltener, astrologisch begründeter Distanz charakterisiert Kepler im Alter von 25 Jahren seine Verwandten: Seinen Großvater Sebald schildert er als jähzornig, starrköpfig, seine Miene verriet Sinnlichkeit. Das Gesicht war rot und ziemlich fleischig; der Bart verlieh ihm ein gewichtiges Aussehen, seine Großmutter Katharina als sehr unruhig, gescheit, lügnerisch, aber eifrig in religiösen Dingen, schlank, von hitziger Natur, lebhaft, ewige Verursacherin von Verwirrungen, neidisch, gehässig, heftig, nachtragend. Von seinem Vater berichtet er, daß er Saturn im Gedrittschein zum Mars habe, der aus ihm einen lasterhaften, schroffen und händelsüchtigen Menschen gemacht habe, und von seiner Mutter, sie sei klein, mager, dunkelfarbig, schwatzhaft, streitsüchtig und von unguter Art gewesen.

Möglicherweise um der häuslichen Misere zu entfliehen ließ sich Heinrich Kepler von Herzog Albas Werbern zum Feldzug der spanischen Habsburger gegen die aufständischen Niederlande verpflichten. Der Kriegsdienst hatte in der Familie Kepler, wenn man der Familienfama glauben darf, Tradition: Bereits im 15. Jahrhundert hatten zwei Vorfahren der Keplers, Friedrich und Konrad Kepler, in Kriegsdiensten gestanden und waren anlässlich der Krönung Kaiser Sigismunds 1433 in Rom geadelt worden. Durch Dürftigkeit seien seine Vorfahren jedoch, wie Kepler sagt, zu Kaufleuten und Handwerkern herabgesunken und verzichteten daraufhin auf das Führen des Adelstitels. Auch von Keplers Urgroßvater Sebald, der 1522 von Nürnberg nach Weil der Stadt übersiedelte, und von dessen Söhnen heißt es, sie hätten kaiserlichen Kriegsdienst geleistet. Sichtbares Zeichen des ehemaligen Adelsstandes war ein Wappen, das einen blonden Engel im Schilde führte. Dieses Wappen wurde in der Familie von Generation zu Generation weitergegeben. Im Februar 1563 baten die Brüder Sebald, Adam, Daniel und Melchior Kepler Kaiser Maximilian II. um die Bestätigung ihres Wappens, was ihnen im Juli 1564 gewährt wurde.

Heinrich Kepler zog also – sehr wahrscheinlich 1573 – in die Spanischen Niederlande, um auf katholischer Seite gegen die calvinistischen Aufständischen zu kämpfen. Der Hass zwischen Lutheranern und Calvinisten mochte der Grund dafür gewesen sein, dass der protestantische Herzog von Württemberg Herzog Alba erlaubt hatte, in seinem Land Söldner zu werben. Heinrich Kepler blieb auch nach der Abberufung Herzog Albas (1573) als Söldner in spanischen Diensten.

Katharina Kepler brachte am 12. Juni 1573 ein zweites Kind – Heinrich – zur Welt. Ob zu diesem Zeitpunkt der Vater Heinrich Kepler noch in Weil der Stadt war, ist ungewiss. Nachdem ihr Mann in den Krieg gezogen war, erkrankte Katharina Kepler an der Pest, die sie jedoch überwand. (Es ist unklar, ob die Erkrankung in die Zeit der Schwangerschaft oder in die Zeit nach der Niederkunft fällt. Heinrich litt jedenfalls zeitlebens an Epilepsie.)

Ihr zweites Kind war noch sehr klein, als sich Katharina 1575 ihrerseits auf den Weg in die Spanischen Niederlande machte, um dort ihren Mann zu suchen und ihn womöglich zur Heimkehr zu bewegen. Ihre beiden Kinder ließ sie in der Obhut einer Vertrauten und ihrer Schwiegereltern in Weil der Stadt zurück. Kurz nachdem die Mutter abgereist war, erkrankte Johannes schwer an den Blattern (Pocken). Trotz zarter Konstitution überstand er die Krankheit, wenngleich nicht unbeschadet. Zurück blieb eine Schädigung der Augen (Vernarbungen führten zu Mehrfachsehen auf einem Auge und zu Kurzsichtigkeit) und der Hände, die wahrscheinlich gelitten hatten, als man dem Kind die Hände band, um es am Aufkratzen der Pocken zu hindern.

Als die Eltern im Spätsommer 1575 nach Weil der Stadt zurückkehrten, war Johannes noch nicht ganz genesen. Heinrich Kepler kaufte kurz darauf im württembergischen Leonberg ein Haus direkt am Marktplatz und übersiedelte mit Frau und Kindern dorthin. Die nächsten vier Jahre wohnte die Familie dort, wenngleich zeitweise ohne Heinrich Kepler, der bereits im darauffolgenden Jahr wieder in die Niederlande zum Kriegsdienst zog.

1577 kam Johannes Kepler nach eigenen Angaben zunächst in den deutschen Lese- und Schreibunterricht und besuchte daraufhin die Leonberger Lateinschule. In Württemberg sollte es nach einer Anordnung Herzog Christophs aus dem Jahre 1559 in jeder Stadt eine mindestens durch drei, insgesamt aber durch fünf Klassen führende Lateinschule geben. Es handelte sich bei dieser – im Rahmen der «Großen Kirchenordnung» verfügten – Regelung um die erste staatlich veranlasste Schulordnung, die sowohl die Anforderungen an die Lehrerbildung als auch den Lehrplan selbst vorschrieb. Herzog Christoph war es auch gewesen, der die Klosterschulausbildung als Vorstufe für das Theologiestudium an dem von seinem Vater Herzog Ulrich 1536 gegründeten Tübinger Stift ins Leben rief. Die Aufnahme in eine dieser Klosterschulen setzte hervorragende Leistungen in den ersten Lateinschulklassen voraus und war geknüpft an das Bestehen des sogenannten Landexamens, das alljährlich in der Woche nach Pfingsten zentral in Stuttgart abgehalten wurde.

Die Ausbildung an den Klosterschulen, die in niedere und höhere Klosterschulen eingeteilt waren, wurde durch ein herzogliches Stipendium finanziert. Diejenigen Schüler, die diesen Ausbildungsweg einschlugen, wie später auch Johannes Kepler, verpflichteten sich, nach abgeschlossenem Theologiestudium in den Dienst der Kirche zu treten. Zweck dieser damals einmaligen Einrichtung war es, dem akuten Mangel an evangelischen Pfarrern, der in den Jahren kurz nach der Reformation herrschte, abzuhelfen.

Doch zurück zu Keplers Schullaufbahn: Der deutsche Lese- und Schreibunterricht wurde in den Räumen der Lateinschule erteilt, entweder vom Kollaborator (Schulgeselle) oder, was in Leonberg vor 1559 üblich war, vom Mesner. Die Lateinschule war in einem ehemaligen Nonnenkloster untergebracht, das nach Reformation und Säkularisierung in den Besitz der Stadt übergegangen war. Wie lange Johannes Kepler den deutschen Unterricht besucht hat, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Man kann aber wohl annehmen, dass er 1578 an die Lateinschule überwechselte, die in der Regel den begüterten und/oder besonders talentierten Schülern vorbehalten blieb.

Aus dem Jahr 1577 berichtet Kepler, seine Mutter habe ihn nachts auf einen Berg geführt, damit er sich den Kometen, der damals...

Erscheint lt. Verlag 14.12.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Astronom • Deutschland • Galileo Galilei • Graz • Keplersche Gesetze • Linz • Logarithmen • Mathematiker • Monografie • Optik • Philosoph • Planetenpositionen • Prag
ISBN-10 3-644-01258-X / 364401258X
ISBN-13 978-3-644-01258-5 / 9783644012585
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