Die Panne (eBook)
192 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61231-8 (ISBN)
Friedrich Dürrenmatt wurde 1921 in Konolfingen bei Bern als Sohn eines Pfarrers geboren. Er studierte Philosophie in Bern und Zürich und lebte als Dramatiker, Erzähler, Essayist, Zeichner und Maler in Neuchâtel. Bekannt wurde er mit seinen Kriminalromanen und Erzählungen ?Der Richter und sein Henker?, ?Der Verdacht?, ?Die Panne? und ?Das Versprechen?, weltberühmt mit den Komödien ?Der Besuch der alten Dame? und ?Die Physiker?. Den Abschluss seines umfassenden Werks schuf er mit den ?Stoffen?, worin er Autobiografisches mit Essayistischem verband. Friedrich Dürrenmatt starb 1990 in Neuchâtel.
Friedrich Dürrenmatt wurde 1921 in Konolfingen bei Bern als Sohn eines Pfarrers geboren. Er studierte Philosophie in Bern und Zürich und lebte als Dramatiker, Erzähler, Essayist, Zeichner und Maler in Neuchâtel. Bekannt wurde er mit seinen Kriminalromanen und Erzählungen ›Der Richter und sein Henker‹, ›Der Verdacht‹, ›Die Panne‹ und ›Das Versprechen‹, weltberühmt mit den Komödien ›Der Besuch der alten Dame‹ und ›Die Physiker‹. Den Abschluss seines umfassenden Werks schuf er mit den ›Stoffen‹, worin er Autobiografisches mit Essayistischem verband. Friedrich Dürrenmatt starb 1990 in Neuchâtel.
Leichte Schlagermusik. Ein fahrendes Automobil.
TRAPS
Dieser Wildholz! Der soll was erleben. Junge, Junge! Rücksichtslos gehe ich nun vor, rücksichtslos. Dem drehe ich mal den Hals um. Wird sich wundern. Unnachsichtlich! Kein Pardon, keine Gnade. Nee. Mir nicht. Meint wohl, ich sei bei der Heilsarmee. Fünf Prozent will er mir abkippen. Fünf Prozent! Ich rieche den Braten. Zum Glück, daß es mit Stürler klappte. Das ist ein Gewinnchen, den habe ich schön hereingelegt. – Nanu, was ist denn auf einmal mit dem Wagen los?
Wagengeräusche.
TRAPS
Steht. Nichts zu machen. Wenigstens eine Garage in der Nähe. He, Sie da!
GARAGIST
Was ist denn mit Ihrem Studebaker los?
TRAPS
Weiß der Teufel. Wollte eben diese kleine Steigung nehmen, da rührt er sich nicht mehr von der Stelle.
GARAGIST
Lassen Sie mich mal sehen.
Hantierungen.
GARAGIST
Aha. – Sehen Sie?
TRAPS
Tatsächlich! Scheint eine größere Reparatur zu geben.
GARAGIST
Meine ich auch.
TRAPS
Bis wann bringen Sie den Wagen in Ordnung?
GARAGIST
Morgen um sieben können Sie ihn holen.
TRAPS
Morgen erst?
GARAGIST
Es ist schließlich sechse abends.
TRAPS
Weit bis zum Bahnhof?
GARAGIST
Eine halbe Stunde.
TRAPS
Kann man im Dorf übernachten?
GARAGIST
Fragen Sie im ›Bären‹ nach.
TRAPS
Na gut. Nimmt mich nur wunder, was der Motor wohl hat. Was verstehe ich schon davon. Garagisten ist man ausgeliefert wie einst den Raubrittern. Der ›Bären‹. Der Dicke da ist wohl der Wirt?
Harmonikaklänge. Festlärm.
TRAPS
Zimmer frei?
WIRT
Tut mir leid. Alles besetzt. Der Kleinviehzüchterverband tagt.
TRAPS
Noch andere Gasthöfe im Dorf?
WIRT
Auch von den Kleinviehzüchtern besetzt. Doch gehen Sie mal zu Herrn Werge in der weißen Villa, die Dorfstraße geradeaus und dann links, der nimmt Gäste.
Die Handharmonikaklänge verwehen langsam.
TRAPS
Hätte doch den Zug nehmen sollen. Aber der fährt erst in einer Stunde, und dann müßte ich zweimal umsteigen. Zu faul dazu. Und den Wagen müßte ich morgen trotzdem holen. Das Dorf scheint angenehm zu sein. Kirche, Dorfeiche, Einfamilienhäuschen, wohl von Rentnern und pensionierten Beamten aus der Stadt, Bauernhäuser, solide, proper, sogar die Misthaufen sorgfältig geschichtet. Die Mühe, die sich die Leute geben.
Muhen. Glockengebimmel.
TRAPS
Kühe. Das auch noch. Eben auf dem Lande. Schöner Sommerabend, die Sonne noch hoch am Himmel, morgen der längste Tag. Vielleicht gibt es was zu erleben, manchmal ganz nette Mädchen anzutreffen in so einem Nest, eine Luise, eine Kathrine, wie neulich in Großbiestringen, war eine tolle Nacht, Evchen hieß sie. Die Villa, von Buchen und Tannen umgeben, ein größerer Garten davor, na schön, gegen die Straße hin Obstbäume, Gemüsebeete, überall Blumen. Komisch, daß die hier Gäste nehmen, scheint eine Art Pension zu sein. Leute, die Moneten bitter nötig haben.
Das Knarren einer Gartentüre.
TRAPS
Niemand zu sehen. Kieswege. Hallo!
RICHTER
Was wünschen Sie?
TRAPS
Herr Werge?
RICHTER
Bin ich.
TRAPS
Mein Name ist Traps, Alfredo Traps!
RICHTER
Erfreut.
TRAPS
Es wurde mir gesagt, man könne bei Ihnen übernachten. Habe eine Panne.
RICHTER
Kann man.
TRAPS
Wieviel verlangen Sie denn?
RICHTER
Nichts.
TRAPS
Nichts? Na, hören Sie mal. Sie scheinen wohl der Weihnachtsmann höchstpersönlich zu sein?
RICHTER
Treten Sie näher. Kommen Sie in die Veranda.
Stimmen.
STAATSANWALT
Da ist ja einer. Höchste Zeit!
VERTEIDIGER
So ein Dusel! Scheint ein Fabrikant zu sein.
STAATSANWALT
Unsinn, ein Geschäftsreisender.
PILET
Fein.
TRAPS
Oh, ich störe wohl.
RICHTER
Sie stören gar nicht. Ich bin allein, mein Sohn befindet sich in den Vereinigten Staaten, da bin ich froh, hin und wieder einen Gast zu beherbergen.
TRAPS
Aber Sie haben ja schon Gäste.
RICHTER
Freunde. Pensioniert, wie ich selbst. Hergezogen ins Dorf des milden Klimas wegen. Halten einen kleinen Herrenabend ab, mit Abendessen. Ich lade Sie ein, mitzumachen.
TRAPS
Mitmachen? So eine Gastfreundschaft gibt es doch überhaupt nicht mehr. Ist ja wie im Märchen.
RICHTER
Darf ich vorstellen: ein pensionierter Staatsanwalt –
STAATSANWALT
Mein Name ist Zorn.
TRAPS
Sehr erfreut.
RICHTER
Ein pensionierter Rechtsanwalt –
VERTEIDIGER
Gestatten: Kummer.
TRAPS
Habe das Vergnügen.
RICHTER
Herr Pilet.
TRAPS
Angenehm.
PILET
Fein.
RICHTER
Das ist Herr Traps, Simone. Er übernachtet hier.
SIMONE
In welchem Zimmer denn, Herr Werge?
RICHTER
Aber Simone, das müssen wir doch erst herausbringen.
SIMONE
Verstehe.
RICHTER
Unsere Gäste, Herr Traps, kommen nämlich je nach ihren Eigenschaften in das hierzu bestimmte Zimmer.
TRAPS
Originelle Idee.
RICHTER
Wünschen Sie etwas Vermouth?
TRAPS
Gerne.
RICHTER
Mit einem Schuß Gin?
TRAPS
Ich weiß gar nicht, womit ich dies alles verdient habe.
RICHTER
Sie erweisen uns nämlich durch Ihren Besuch einen Dienst.
TRAPS
Einen Dienst?
RICHTER
Sie können mitspielen.
TRAPS
Gerne. Was ist es denn für ein Spiel?
Verlegenes Lachen.
VERTEIDIGER
Ein etwas sonderbares Spiel.
TRAPS
Verstehe – die Herren spielen um Geld – da bin ich mit Vergnügen dabei.
STAATSANWALT
Nein – das ist nicht unser Spiel.
TRAPS
Nicht?
Verlegenes Lachen.
RICHTER
Es besteht darin, daß wir des Abends unsere alten Berufe spielen.
TRAPS
Ihre alten Berufe.
STAATSANWALT
Wir spielen Gericht.
TRAPS lacht
Direkt unheimlich.
RICHTER
Im allgemeinen nehmen wir die berühmten historischen Prozesse durch, den Prozeß Sokrates, den Prozeß Jesus, den Prozeß Jeanne d’Arc, den Prozeß Dreyfus, auch den Brand des Reichstagsgebäudes neulich, oder laden verschiedene geschichtliche Persönlichkeiten vor.
VERTEIDIGER
So haben wir gestern Friedrich den Großen für unzurechnungsfähig erklärt und in Gewahrsam genommen.
TRAPS
Das ist ja wirklich ein eigenartiges Spiel.
PILET
Fein, nicht?
STAATSANWALT
Am schönsten ist es natürlich, wenn wir am lebenden Material spielen.
TRAPS
Kann ich mir denken.
RICHTER
Deshalb haben denn Gäste hin und wieder die Freundlichkeit, sich uns zur Verfügung zu stellen.
TRAPS
Das versteht sich doch von selbst.
RICHTER
Sie brauchen aber nicht mitzuspielen, mein lieber Herr Traps.
TRAPS
Natürlich spiele ich mit.
RICHTER
Einen Whisky oder einen Wodka?
TRAPS
Whisky.
VERTEIDIGER
Zigarette?
TRAPS
Danke schön.
VERTEIDIGER
Feuer?
TRAPS
Habe selber. Dunhill. Geschenk von meiner Frau.
STAATSANWALT
Was nun Ihre Rolle betrifft, sehr geehrter Herr Traps, so ist sie nicht schwer zu spielen, jeder Stümper ist dazu fähig.
TRAPS
Da bin ich aber neugierig.
RICHTER
Den Richter, den Staatsanwalt und den Verteidiger haben wir schon, es sind dies ja auch Posten, bei denen eine Kenntnis der Materie und der Spielregeln notwendig ist. Nur die...
Erscheint lt. Verlag | 26.5.2021 |
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Verlagsort | Zürich |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
Schlagworte | Autopanne • Bestseller • Essen • Gericht • Handlungsreisender • Kriminalgeschichte • Richter • Schlemmerei • Schweizer Autor • Schweizer Literatur • Villa |
ISBN-10 | 3-257-61231-1 / 3257612311 |
ISBN-13 | 978-3-257-61231-8 / 9783257612318 |
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