Die Schwestern vom Ku'damm: Ein neuer Morgen (eBook)

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2021 | 1. Auflage
480 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00753-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Schwestern vom Ku'damm: Ein neuer Morgen -  Brigitte Riebe
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Der vierte Teil der erfolgreichen Ku'damm-Reihe von Bestsellerautorin Brigitte Riebe Berlin, 1966: Die geteilte Stadt ist ebenso im Umbruch wie das Modekaufhaus Thalheim am Ku'damm. Die Jugend rebelliert, die Röcke werden kürzer, doch Chef-Designerin Miriam Feldmann hat alle Mühe, Kaufhaus-Patriarch Friedrich davon zu überzeugen, dass die Frauen nun Knallfarben statt Pastell tragen wollen. Wenigstens ihr Privatleben läuft in gewohnt ruhigen Bahnen. Ihren Platz in der Familie Thalheim hat sie gefunden, Adoptivtochter Jenny wächst zu einer klugen jungen Frau heran. Als Miriam, die nie eigene Kinder bekommen konnte, mit Anfang vierzig schwanger wird, ist plötzlich auch ihr eigenes Leben im Umbruch. Dann begegnet sie einem Mann wieder, den sie im Krieg kennenlernte. Die Begegnung führt sie zu den dunkelsten Stunden ihres Lebens zurück ... Alles wird anders: die Thalheim-Schwestern und ihr Kaufhaus im Berlin der Swinging Sixties.

Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte lebendig werden lässt. Ihre Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.

Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte lebendig werden lässt. Ihre Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.

1


Berlin, Herbst 1966

Was für ein grandioses Chaos!

Wohin sie auch schaute – nichts als Kartons, Kartons und noch einmal Kartons. Erschöpft ließ Miriam Feldmann sich auf die unterste Treppenstufe sinken. Bis in die Abendstunden hatte die Umzugsfirma Engert den gesamten Hausstand aus der Charlottenburger Wohnung zum neuen Zuhause in der Eichenallee transportiert; es war längst dunkel, als der Lastwagen die Einfahrt endgültig verließ. Ein paar Gläser waren zu Bruch gegangen, ein Sofabein hatten sie aus Versehen abgeknickt, einen Lampenschirm zerdeppert. Vermutlich würden noch weitere Schäden auftauchen, wenn alles erst einmal vollständig ausgepackt war. Im Großen und Ganzen jedoch war diese aufwändige Aktion erstaunlich reibungslos verlaufen. Die wertvollsten Dinge aus ihrem Besitz hatte sie den hemdsärmeligen Männern natürlich nicht anvertraut – vor allem nicht den alten Koffer, der für sie einmal die ganze Welt bedeutet hatte.

Jetzt war das Gröbste geschafft; mit dem Einräumen würde Miri dann morgen richtig durchstarten. Rike, gute Freundin und älteste Schwester in einer Person, hatte versprochen, sie dabei zu unterstützen. Dank ihrer methodischen, zupackenden Art konnten sie sicherlich schnell vorankommen, da durfte Miri sich jetzt guten Gewissens ein paar Takte Ruhe gönnen. Ihr Mann hatte schon vor Stunden ins Lokal aufbrechen müssen, weil im Schanigarten ein festliches Verlobungsessen in großer Runde anstand, das die Anwesenheit des Chefs dringend erforderte. Jenny schlief endlich unter dem Dach auf ihrer neuen Jugendliege.

Miri hatte sich zunächst dagegen gesträubt, ins Westend zu ziehen, weil sie nicht in einem dieser Protzhäuser leben wollte, wie sie die schnieken Villen ringsherum gern spöttisch nannte, doch die alte Wohnung war auf Dauer unbestreitbar zu eng. Jenny hatte gemault und sich ein größeres Zimmer gewünscht, weil sie nun doch schließlich ein Teenager war. Letztendlich hatten Miri die Argumente ihres Mannes überzeugt: Schani hatte für einen kürzeren Weg zum Restaurant plädiert, damit ihm zwischen Mittags- und Abendgeschäft mehr Zeit zum Ausruhen blieb. Außerdem hatten Jenny und er sich bereits bei der ersten Besichtigung in die ramponierte Doppelhaushälfte mit dem verwunschenen Gärtchen verliebt, während Miri trotz des günstigen Kaufpreises zunächst zurückhaltend geblieben war. Eine demente Katzenliebhaberin hatte dort über Jahre mit Dutzenden halb verwilderten Samtpfoten gehaust und für reichlich Dreck und schauerlichen Gestank gesorgt, was den Preis für das Anwesen nach unten gedrückt hatte.

Davon war zum Glück inzwischen nichts mehr zu riechen. Eine Armee von Handwerkern hatte über Monate emsig gewerkelt, um alle unliebsamen Spuren zu beseitigen – und mehr als das: Das Dachgeschoss war ausgebaut, die gesamte Elektrik auf den neuesten Stand gebracht. Es gab eine kiwigrüne Einbauküche mit geräumigem Kühlschrank, überall waren die Wände frisch gestrichen, die Sanitärräume modern verfliest und im ganzen Haus die Böden neu verlegt. Nur die alten Holzstufen knarzten noch bei jedem Tritt, als hätten sie viele Geheimnisse zu erzählen. Alles war hell, freundlich und mittlerweile so wohnlich, dass sogar Miri sich mit dem neuen Anwesen anzufreunden begann.

War sie das ihren Liebsten nicht schuldig?

Mann wie Adoptivtochter konnten ja schließlich nichts dafür, dass für sie jeder Wohnungswechsel ein Graus war. Einen vertrauten Ort aufzugeben, fühlte sich für Miri an, als würde ihr erneut der Boden unter den Füßen weggezogen. Dann stiegen die alten Schreckensbilder in ihr auf, die sie sonst erfolgreich wegdrängen konnte. Aber wer sich wie sie unter dem Naziregime als Flitzer zwei endlose Jahre in geheimen Kammern, abgelegenen Bauernhöfen oder Lauben hatte verstecken müssen, in der ständigen Angst, gefasst, deportiert und getötet zu werden, konnte sich nicht mit einem Fingerschnipsen in neuen vier Wänden einleben.

Schani wusste mittlerweile, was sie in jener Zeit ohne festen Wohnsitz durchgemacht hatte; sie hatte es ihm nach und nach in langen, meist nächtlichen Gesprächen anvertraut, beschützt und ermutigt durch seine tröstliche Nähe. Er hatte oft dabei geweint, in gleichem Maß berührt wie beschämt, dass er selbst von solchen Qualen verschont geblieben war.

«Jetzt liebe ich dich noch mehr, Miri. Und ich bin glücklich, mich vor unserer Heirat zum Judentum bekannt zu haben.»

Sie musste lächeln, als sie daran dachte.

Was für ein Schatz er doch war!

Nach einer ersten herben Liebesenttäuschung, an der sie lange hatte kauen müssen, hatte ihr das Schicksal mit Schani genau den richtigen Mann beschert. Er liebte sie ohne Wenn und Aber, stand in allen Situationen zu ihr. Vielleicht prickelte es nicht mehr so ganz wie am Anfang ihrer Beziehung, dafür war im Lauf der gemeinsamen Ehejahre ein Gefühl tiefer Freundschaft dazugekommen. Ab und zu sehnte Miri sich heimlich doch nach etwas mehr «Feuer», aber diese Anwandlungen verflogen auch wieder rasch. Wichtig war, dass es Schani gutging und er sich wohl fühlte. Wenn es nun mit diesem Umzug in seinem arbeitsreichen, oftmals stresserfüllten Alltag etwas leichter für ihn wurde, hatte er sich das redlich verdient.

Ein wenig mehr Gelegenheit zum Atemholen würde auch ihr nicht schaden, denn dazu war zuletzt reichlich wenig Zeit gewesen. Die privilegierte Stellung, die das Modehaus Thalheim am Ku’damm über Jahre innegehabt hatte, begann empfindlich zu bröckeln, seitdem überall in den Seitenstraßen trendige kleine Modeboutiquen wie Pilze aus dem Boden schossen. Die Laufkundschaft wurde spärlicher; ohnehin ging die Zahl der Berlintouristen generell zurück. Noch kamen die Stammkundinnen zum Glück, aber auch sie wurden wählerischer, wollten jüngere und individuellere Mode haben, vor allem jedoch wollten sie nach dem allerletzten Schrei gekleidet sein.

Friedrich Thalheim, Seniorchef des Unternehmens, verstand die Welt nicht mehr: alles bunt, alles laut, alles in ständiger Bewegung; Dinge galten plötzlich als «in» oder «out», Begriffe, über die er nur den Kopf schütteln konnte; jede Saison brachte wieder neue verrückte Trends hervor, denen alle nacheiferten. Zum Glück hatte er seine vier Töchter, von denen jede für einen anderen Bereich im Modekaufhaus zuständig war: Rike für die Zahlen, Silvie für Werbung und Presse, Flori für Fotografie – und sie selbst, Miri, für Personal und als Chefdesignerin. Hatte sie noch vor wenigen Jahren vor allem mit exklusiven Abendroben gepunktet, getragen von Filmstars und den Gattinnen der Politprominenz bei festlichen Anlässen, so entwarf sie nun vor allem schicke Alltagsmode, die so angesagt war, dass auch die jungen Frauen danach griffen.

Gut, dass sie so im Fluss war, denn die gesamte Modebranche, inspiriert von Musik, Film und Pop-Art, befand sich in einem rasanten Umbruch, der auch Miri bisweilen leicht atemlos machte. Ein neuer Frauentyp eroberte die Laufstege. Jünger sahen die Damen aus, frecher, selbstbewusster. Vergessen war die Pillbox, das elegante Hütchen, das Jackie Kennedy so populär gemacht hatte; vergessen auch die damenhaften Bleistiftröcke, die eleganten Kastenjacken und die spitzen Pfennigabsatz-Pumps der letzten Jahre! Die Engländerin Mary Quant und der Franzose André Courrèges, der eigentlich studierter Bauingenieur war, hatten mit ihren frechen graphischen Entwürfen neue Maßstäbe gesetzt, denen mittlerweile die gesamte westliche Welt nacheiferte. Die Säume rutschen unaufhaltsam nach oben, der Materialmix wurde kühner, die Farben gewagter, und wer da nicht mithalten konnte, der hatte im Strudel der nimmermüden Konkurrenz bereits verloren. Da kam Miri ein eigenes Atelier im neuen Zuhause gerade recht, fernab vom Trubel des Modehauses, in dem sie ungestört zeichnen und sich neue Kreationen ausdenken konnte.

Doch dazu musste es ihr auch gesundheitlich gut gehen, und das tat es leider schon eine ganze Weile nicht mehr so richtig. Die leidigen Rückenprobleme ihrer Kindheit und Jugendjahre hatten sich zurückgemeldet, und im Unterleib zwickte es nun auch. Sie öffnete den Zipper ihrer Hose und atmete nur noch ganz vorsichtig.

Wenn ihr nur nicht schon wieder speiübel wäre!

Dazu kam dieser merkwürdige Schwindel, der sie ganz konfus machte, seit einigen Wochen litt sie bereits darunter. Vor ein paar Tagen war zusätzlich Zahnfleischbluten aufgetreten. Musste alles am Umzugsstress liegen, der ihr offenbar schwer auf Psyche, Zähne sowie die Peristaltik geschlagen hatte. So aber konnte es nicht weitergehen. Der Zahnarzttermin war bereits für die kommende Woche vereinbart; den Kampf gegen die Übelkeit würde sie sofort aufnehmen. Dazu musste sie nach den Paspertintropfen kramen, die irgendwo in den Kartons für das Badezimmer vergraben waren. Das scheußlich bittere Zeug würde schon dafür sorgen, dass ihr nicht mehr ganz so schlecht war.

Sie war gerade ziemlich wacklig aufgestanden, als eine neuerliche Übelkeitswoge sie zurück auf die Stufe zwang.

Eigentlich kein Wunder, dass sie derart schwächelte. Gegessen hatte sie seit dem Frühstück nichts Ordentliches mehr und bei der ganzen Rennerei treppauf, treppab natürlich auch viel zu wenig getrunken. Beides würde sie nun auf der Stelle nachholen, denn den neuen Kühlschrank hatte Schani, der dafür sorgte, dass stets genug zu essen im Haus war, bereits vorsorglich gefüllt.

Doch zuvor musste der kostbare Koffer an den richtigen Platz. Im zweiten Anlauf schaffte Miri es schließlich in den ersten Stock. Dort lag ihr Atelier, das taubenblaue Wände hatte, weil diese Farbe sie am kreativsten machte. Sie stellte den Koffer...

Erscheint lt. Verlag 14.9.2021
Reihe/Serie Die 50er-Jahre-Reihe
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 60er Jahre • 70er Jahre • Berlin • Das Haus der Träume • Familiensaga • Frauen Roman • Frauenunterhaltung • Geschenk für Frauen • Historischer Roman • Kaufhaus • Ku'damm • kudamm 56 • Kudamm 59 • Mode • Saga • Schwestern • Starke Frauen • Tage der Hoffnung • wunderfrauen • Zeitgeschichte
ISBN-10 3-644-00753-5 / 3644007535
ISBN-13 978-3-644-00753-6 / 9783644007536
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