Die Radioschwestern (eBook)

Klänge einer neuen Zeit - Roman. Liebe, Freundschaft und große Träume in den Goldenen Zwanzigern

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
432 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-28154-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Radioschwestern - Eva Wagendorfer
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Drei starke Frauen und ihr mutiger Weg in eine neue Zukunft
Frankfurt, 1927: Ihre Zukunft ist das Radio - da sind sich Gesa, Inge und Margot sicher. Die Freundinnen haben eine Stelle bei einem neu gegründeten Radiosender ergattert und träumen nun von einer glänzenden Karriere. Gesa möchte Hörspielsprecherin werden, die lebenshungrige Inge als berühmte Sängerin die Bühnen der Welt erobern, und Margot möchte endlich als Cellistin von ihren männlichen Kollegen im Rundfunkorchester anerkannt werden. Denn obwohl eine kreative Aufbruchsstimmung in der Luft liegt, müssen die jungen Frauen gegen alte Konventionen ankämpfen. Unterstützung bekommen sie vom neuen Intendanten, zu dem sich Gesa immer mehr hingezogen fühlt. Voller Tatendrang blicken die Freundinnen in die Zukunft, um ihren gemeinsamen Traum wahr werden zu lassen: Endlich frei und glücklich zu sein!

Drei Freundinnen, die trotz aller Widrigkeiten das Leben und die Liebe feiern - die große Saga geht weiter:
Band 1: Die Radioschwestern - Klänge einer neuen Zeit
Band 2: Die Radioschwestern - Melodien einer neuen Welt

Eva Wagendorfer ist das Pseudonym einer erfolgreichen Autorin. Sie wuchs in Passau auf und studierte in Regensburg. In ihren Romanen verarbeitet sie gern Stoffe mit historischem Hintergrund, die von starken Frauenfiguren getragen werden. Die »Radioschwestern-Saga« wurde inspiriert durch ein altes Rundfunkgerät, das sich seit vier Generationen im Familienbesitz befindet - und noch immer im Einsatz ist.

GESA


Frankfurt, April 1927


Radionachrichten 1927:

»Die Ostpreußin Hildegard Kwandt wird als erste Frau im Berliner Sportpalast zur Miss Germany gekürt.«

Die unterlegenen Damen machten ihrem Unmut darüber derart rüde Luft, dass eine berichtende Zeitung forderte, künftige Kandidatinnen auch charakterlich zu bewerten. Hildegard Kwandt nutzte die Gunst der Stunde, sie lief bei Modenschauen, wurde Fotomodell und reiste in die USA. Erinnerungsstücke an ihre Wahl zur Miss Germany bewahrte sie zeitlebens auf.

Im Laden an der Ecke Karlsplatz hing ein Plakat der Tiller Girls. Die langbeinigen Tänzerinnen glichen einander wie ein Ei dem anderen mit den einheitlichen schwarzen Bubikopffrisuren, in ihren knappen Kostümen und natürlich der Pose, die sie einnahmen. Momentan gastierte die englische Truppe mit ihrer Revue drüben im Schumanntheater. Gesa Westhof bezweifelte, dass die Kundschaft des Ladens Geld für Revuetheaterkarten übrighatte, aber es war nett von der Eigentümerin Frau Zurcher, Reklame dafür zu machen. Auch Gesa selbst hätte sich die Aufführung liebend gern angesehen, allein sie war diesen Monat ein wenig knapp bei Kasse.

Über dem Eingang stand in altmodischen schwarzen Lettern an der abblätternden Fassade: Kolonialwaren Zurcher. Genau genommen entsprach das nicht mehr den Tatsachen. Arg gebeutelt durch Krieg und Wirtschaftskrise, hatte die Familie das Geschäft verkleinern müssen, wie die Inhaberin noch Jahre später nicht müde wurde, in jeder passenden oder unpassenden Situation zu erzählen. Statt ausländischer Waren und Feinkost gab es nur mehr einen Kaffeeausschank mit Imbisstheke und einen Zeitungsverkauf. Im Schaufenster hatte Frau Zurcher zwei Stehtische aufgestellt, an denen das Erstandene gleich verzehrt werden konnte.

»Stühl gibt’s keine«, hatte sie Gesa, die regelmäßig dort einkaufte, einmal erklärt. »Ich bin ja net dabbisch. Die Leut solle ihre Kaffee im Stehe trinke und nachher wieder gehe. Desdeweesche verkauf ich viel mehr und hab die Bagasch net dauernd hier drin.«

Sie war eine auffallend kleine, untersetzte Frau Ende fünfzig, mit grauen Haaren, die sie streng zu einem Nackenknoten steckte. Stets in eine Kittelschürze gekleidet, war sie die Seele des Geschäfts. Ihre vielen Lachfältchen verrieten, dass sie keineswegs so unwirsch war, wie sie vorgab.

An diesem Morgen kaufte Gesa zwei Rosinenbrötchen, die Frau Zurcher in eine Dutt, eine Papiertüte, steckte. Im Zeitungsständer an der Wand gab es neben den obligatorischen Frankfurter Nachrichten auch diverse Blätter und Zeitschriften aus der Hauptstadt. Gesa nahm eine illustrierte Zeitung. Auf dem Titelblatt prangte das Bild einer jungen Frau, die mit Absatzschuhen und Badeanzug im Sand saß und einen Blumenstrauß in Händen hielt. Abenteuerliche Komposition, dachte Gesa. Die Bildunterschrift lautete: Beginn des Freiluftlebens. Aufnahme der Siegerin in einem Badeschönheitswettbewerb.

Gesa blätterte die Zeitschrift auf. Seite drei brachte einen großen Artikel samt Fotografie über den Besuch des französischen Präsidenten Gaston Doumergue bei König George in London.

»Wenn du’s lesen willst, musst du’s bezahlen, Kindsche«, mahnte Frau Zurcher. »Die zwanzig Pfennig Schodder für das Blättle wirste doch wohl haben.«

Gesa kaufte auch noch die Illustrierte und machte sich auf den Rückweg zur Wohnung ihres Freundes, die in der Gasse nebenan lag.

Die alleinstehende Frau im Erdgeschoss hatte ein Fenster geöffnet und schaute im Bademantel hinaus auf die Straße.

»Na, wieder beim Herrn Schriftsteller übernachtet, das Fräulein?«, rief sie provokant, als Gesa sich näherte. Sie zog eine Haarnadel aus ihren zum Trocknen gesteckten Wellen und klemmte sie an den Stummel der Zigarette, die sie rauchte. Die paar Extra-Paffer, die sie auf diese Weise gewann, hatten im Lauf der Zeit Haut und Härchen um ihre Lippen gelborange gefärbt. Zu viel Tabak machte gewiss nicht schön.

»Guten Morgen. Was für ein sonniger Tag heute, nicht wahr?« Gesa ließ sich ihre Heiterkeit nicht verderben.

Oben angekommen, stellte sie fest, dass ihr Freund das Bett verlassen hatte und in Unterwäsche am Tisch saß und schrieb.

»Khasana Lippenstift – macht jede Frau jünger, frischer, schöner.« Er rollte mit den Augen, während er deklamierte, was Gesa zum Lachen brachte. Wenn er sich aufregte, kam Willi ihr immer vor wie ein schmollender Junge.

»Was denken sich die Leute eigentlich dabei, von mir einen Reklametext für weiblichen Gesichtsaufputz zu erwarten?« Er warf den Bleistift auf den Tisch.

Um ihn bis zum Ende nutzen zu können, steckte eine Hülse aus Metall daran, die sich beim Aufprall löste und scheppernd zu Boden fiel.

Gesa hob sie auf und reparierte das Schreibutensil. »Verletzt es deine Würde als Schriftsteller, einen Werbeauftrag anzunehmen?« Grinsend wich sie einem zerknüllten Blatt Papier aus, das Willi in ihre Richtung warf. Auch er schmunzelte nun. 

»Es ist nicht grundsätzlich verwerflich, für Geld zu arbeiten, weißt du? Das müssen die meisten von uns.« Sie fuhr ihm liebevoll durchs Haar und dachte daran, dass sie selber gleich zur Arbeit musste. Ein Umstand, der sie glücklich machte. Gesa freute sich jeden Tag darüber, Teil des überschaubaren Kreises von Radiomenschen zu sein, die für den Südwestdeutschen Rundfunk tätig waren. Heute jedoch ganz besonders, denn die erste Probe für ein brandneues Hörspiel stand an. »Hat dich nicht ein Freund an Khasana empfohlen? Sie zahlen gut, das ist doch was.«

»So was interessiert mich nicht.«

»Sollte es aber. Schau mal.« Sie blätterte die Berliner Illustrierte durch. »Allein hier drin sind drei Khasana-Annoncen. Eine für Coldcream, eine für Puder und eine für Wangenrot. Die Firma investiert fleißig in Reklame, da werden sicher noch mehr Aufträge reinkommen.«

Gut gelaunt gab Gesa ihrem Freund den Bleistift zurück. Anstatt weiterzuschreiben, steckte der sich erst einmal eine Zigarette an, inhalierte tief und stieß den Rauch in einer dicken Wolke aus, die sich zwischen ihnen ausbreitete, wo sie in der Luft stehen blieb. Wohin sollte sie sich auch verziehen, in diesem winzigen Kabuff? Ein schmales Bett beanspruchte den Großteil des Raumes, dann gab es ein Tischchen unter dem Fenster, an dem Willi arbeitete, und einen einzigen Stuhl, auf dem er saß. In der Ecke stand ein Schrank, dessen abblätterndes Ockergelb den Blick darauf freigab, dass er zuvor rot und davor himmelblau gewesen war. 

Mehr als diese Unterkunft konnte sich der aufstrebende Literat nicht leisten, und Gesa hatte den Verdacht, er kultivierte ohnehin gern den Nimbus des armen Poeten.

Sein demonstratives Desinteresse an Geld sollte über seine einfache Herkunft hinwegtäuschen, vermutete sie, und dafür hatte sie absolut Verständnis. Willi war in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und früh aus der Enge der heimischen Wohnung geflohen, wild entschlossen, sich allein seinen Weg durchs Leben zu bahnen. Gesa bewunderte ihn für das, was er bisher erreicht hatte. Eigentlich grenzte es an Vermessenheit, bei einem derart bescheidenen Hintergrund Schriftsteller werden zu wollen. Wusste doch jeder, wie brotlos diese Kunst war, wenn man nicht zu den ganz Großen gehörte.

Gesa wollte es ihm gleichtun und ebenfalls das verwirklichen, wofür sie brannte. Dazu ermutigte Willi sie stets, sie schenkten einander gegenseitig Kraft. Vor diesem Hintergrund war es ihr vollkommen klar, warum er seine eigenen vier Wände nicht mit anderen teilen wollte. Das wäre ein Rückschritt gewesen. Er konzentrierte seine gesamte Energie darauf, es als Autor zu etwas zu bringen. Ebenso wie sie alles daransetzte, eine bekannte Rundfunkstimme zu werden. So bekannt, dass es ihr finanzielle Unabhängigkeit ermöglichte. Gesas schlimmste Vorstellung war, nicht frei über ihr Leben bestimmen zu können.

»Wenn man was werden will, muss man Einschränkungen in Kauf nehmen«, sagte Willi immer. »Aber Leute wie wir, Gesa, wir werden es schaffen. Wir sind Macher, keine Jammerlappen. Das habe ich auch gleich in dir erkannt. Du wirst deinen Weg gehen, und wo ich kann, werde ich dich unterstützen, mein Schatz. Wir sind gut füreinander.«

Sie befanden sich mittendrin in einer unglaublich aufregenden Zeit, die Chancen und Möglichkeiten bot, erstmalig nicht nur für die Herren der Schöpfung, sondern ebenso für Frauen. Zumindest für diejenigen, die sich etwas zutrauten. So wie Gesa: Sie beanspruchte nicht mehr und nicht weniger als einen eigenständigen Platz in der Gesellschaft, einen Beruf beim Rundfunk – der ihr ebenso zustand wie den männlichen Kollegen.

Willi war ein leidenschaftlicher Mann, der lebte und liebte, wie er wollte. Abgesehen davon, dass sie ihn herrlich exzentrisch fand, fühlte sich Gesa von ihm verstanden. Zwei Empfindungen, die sie in ihrem Leben bisher vermisst hatte.

Manchmal fragte sie sich allerdings, ob ihr Freund seine Prioritäten richtig setzte. Erst letzten Monat hatte er sich Geld von Gesa geborgt, um die Miete bezahlen zu können. Nun mokierte er sich über eine Aufgabe, die seine chronisch leere Kasse füllen würde und zudem die Aussicht auf Nachfolgeaufträge bot, wenn er sich geschickt anstellte.

»Ich arbeite an einem neuen Werk, das mir den Durchbruch verschaffen wird. Ich habe der Welt was zu sagen. Oberflächliche Reklamesprüche ersticken meine Kreativität. Verstehst du, was ich meine?« Er gestikulierte beim Reden wild mit den Händen, und sie seufzte.

Nachdem Willi die Zigarette in den überquellenden...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2022
Reihe/Serie Die Radioschwestern-Saga
Die Radioschwestern-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1920er Jahre • 2022 • Die Dorfschullehrerin • Die Ruhrpott-Saga • Die Telefonistinnen • Die Wunderfrauen • eBooks • Eva Völler • Familiensaga • Frankfurt am Main • Frauenromane • Fräuleinwunder • Freundschaft • Gisa Pauly • Goldene Zwanziger • Henrike Engel • Historische Romane • historische Romane Bestseller • Hörspiel • Liebe • Netflix • Neuerscheinung • Neuerscheinungen 2022 Bücher • Orchester • Rundfunk • Stephanie Schuster • Wirtschaft
ISBN-10 3-641-28154-7 / 3641281547
ISBN-13 978-3-641-28154-0 / 9783641281540
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