Das Marzipan-Schlösschen (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
512 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-26563-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Marzipan-Schlösschen - Romy Herold
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Zwischen Selbstbestimmung und Etikette findet eine junge Marzipan-Bäckerin im Lübeck der 20er-Jahre ihren Weg.
Lieblich-süß mit zartem Mandelaroma und einem Hauch von Rosenwasser - Marzipan! Es ist aber nicht nur die köstliche Masse mit Biss, die Dora Hoyler 1921 nach Lübeck lockt. Seit ihr Vater die Familie verschuldet in der schwäbischen Heimat zurückgelassen hat, ist die norddeutsche Hansestadt auch Doras letzte Hoffnung auf Arbeit. Sie erhält eine Anstellung im Süßwarenladen ihrer Tante und lernt dort kunstvolle Kreationen aus Marzipan zu formen. Ihr Talent versetzt ganz Lübeck in Aufruhr und erregt bald auch die Aufmerksamkeit von Johann Herden, dem Erben einer bekannten Marzipan-Dynastie. Dora verliebt sich in ihn, doch das Zuhause der wohlhabenden Fabrikantenfamilie - das malerische Schlösschen oberhalb der Trave - entpuppt sich als Hort dunkler Geheimnisse ...

Romy Herold ist das Pseudonym der Autoren Eva-Maria Bast und Jørn Precht.
Eva-Maria Bast ist Journalistin, Autorin mehrerer Sachbücher, Krimis und zeitgeschichtlicher Romane. Für ihre Arbeiten erhielt sie diverse Auszeichnungen, darunter den Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Jørn Precht ist Professor für Storytelling an der Stuttgarter Hochschule der Medien sowie preisgekrönter Drehbuchautor für Kino- und Fernsehproduktionen. Er hat zahlreiche Sachbücher und historische Romane verfasst, sein Debütroman wurde mit dem Literaturpreis HOMER prämiert.
Auch unter dem Namen Charlotte Jacobi schreiben Eva-Maria Bast und Jørn Precht seit einigen Jahren sehr erfolgreich historische Familiensagas - darunter »Die Douglas-Schwestern« - und eroberten mehrfach die SPIEGEL-Bestsellerliste.

Prolog
Juli 1914


Lieblich-süß und leicht bitter zugleich, zartes Mandelaroma, ein Hauch von Rosenwasser … Mit geschlossenen Augen ließ die zehnjährige Dora Hoyler die weiche Masse sanft auf der Zunge zergehen. Wie aufregend neuartig das schmeckte – und wie köstlich!

Nach diesem Genusserlebnis sah das blond gelockte Mädchen in das erwartungsvolle Gesicht seiner Tante Ingeline Christof­fersen, die alle nur Iny nannten. Obwohl sie bereits jenseits der dreißig war, hatte die etwas mollige Süßwarenverkäuferin sich ihren mädchenhaften Charme bewahrt. Sie wirkte fast wie ein Beifall heischendes Kind, als sie nun drängelte: »Sag schon! Magst du ihn?«

»Mehr davon!«, bat Dora schwärmerisch. »Er ist wunderbar!«

Iny reichte ihrer Nichte lächelnd ein weiteres Stück Marzipan, und die schob es sich sogleich in den Mund.

»Nicht zu fassen, dass du ihn nicht kanntest«, meinte Iny. »Du hast wirklich etwas verpasst.«

Heute war der 28. Juli 1914 und der Tag, an dem Dora zum ersten Mal in ihrem Leben jene Köstlichkeit probierte, die aus Mandeln hergestellt wurde. In ihrem Heimatdorf am Fuße der Schwäbischen Alb gab es so etwas nicht. Das Mädchen war wie verzaubert vom Geschmack des gelblichen Breis, der sich von den übrigen süßen Naschereien hier im Laden ihrer Tante an der Lübecker Holstenstraße unterschied: »Der Marzipan schmeckt nicht sooo süß, aber ich weiß nicht, wie genau.«

»Das liegt daran, dass die Masse zum größten Teil aus blanchierten und geschälten Mandeln besteht, und deshalb ist er leicht bitter. Nur die Hälfte darf aus Zucker bestehen«, erklärte die Tante. »Der hier enthält sogar neun Zehntel Mandelmasse und nur ein Zehntel Zucker. Deshalb ist er so gelblich. Je weißer der Marzipan, desto mehr Zucker enthält er.«

»Ist er eine ganz neue Erfindung von euch?«, fragte Dora.

Ihre Tante lachte. »Nein, diese Leckerei genießen die Menschen schon seit vielen Jahrhunderten. Obwohl Mandeln im Mittelalter sehr teuer waren, gab es Marzipan angeblich schon damals. Vor gut fünfhundert Jahren ging in Venedig eine schlimme Hungersnot zu Ende. Die Bewohner haben damals aus Dankbarkeit dem Heiligen Markus ein Brot aus Mandeln geweiht: das marci panis – Brot des Markus. So erzählt man es sich wenigstens.«

»Da gibt es aber auch andere Legenden«, mischte sich mit seiner rauen Stimme Onkel Einar in das Gespräch, Inys Mann. Der blonde Zuckerbäcker war Anfang dreißig und stammte ursprünglich aus Kolding in Dänemark; jetzt war er gerade damit beschäftigt, frische, herrlich duftende Krapfen in die Körbe hinter der Verkaufstheke zu legen. »Demnach stammt Marzipan nicht aus Italien, sondern aus Persien. Er hat sich sowohl ins ferne Indien verbreitet als auch gen Westen. Im Mittelalter brachten ihn die Araber nach Europa, zunächst führte der Weg über Spanien. Da wurde er recht beliebt. Der Mazapán de Toledo ist auch heute noch eine der berühmtesten Sorten überhaupt. Aber viele Länder haben ihre eigene Marzipan-Stadt. Heute ist er wirklich in aller Welt bekannt.«

»Außer in Notzingen«, entgegnete Dora lächelnd, die mit ihren Eltern in einer Bauerngemeinde gut dreißig Kilometer südöstlich von Stuttgart wohnte, wo nicht mehr als tausend Seelen lebten. Beim Bäcker in Kirchheim unter Teck, der nächstgelegenen größeren Stadt, hatte Dora bisher noch keinen Marzipan entdeckt. Das mochte jedoch daran liegen, dass ihr Vater Gerhard als einfacher Arbeiter in einer Kunstdruck-Papierfabrik nicht viel Geld verdiente und sich die Familie außer Brot kaum Gebäck leisten konnte – und sogar das buk ihre Mutter oft selbst im Backhäusle ihres Dorfes. Doras Reise mit ihrer Mutter in deren Heimatstadt Lübeck war nur möglich, weil ihr Vater ein stattliches Sümmchen beim Kartenspiel gewonnen hatte. Gerhard hatte sie seiner Gattin Hedwig zum dreißigsten Geburtstag geschenkt. Er musste natürlich in der Papierfabrik schaffen, da hatte zu ihrer großen Freude Dora die Mutter begleiten dürfen. Der erste Teil der Zugfahrt hatte den gesamten gestrigen Tag in Anspruch genommen. Mutter und Tochter Hoyler waren schließlich in einer Pension in Göttingen eingekehrt, bevor es heute früh weiter nach Lübeck zu Hedwigs Schwester und deren Mann ging. Im Augenblick war Doras Mutter unterwegs, um ihre Nichte Babette von der Schule abzuholen, Hedwig wollte das Mädchen überraschen. Als nun ein gleißender Blitz den Laden erhellte und unmittelbar darauf ein erschreckend lauter Donnerschlag ertönte, sah Dora besorgt durch das Schaufenster hinaus auf die Holstenstraße.

»Hoffentlich kommen Babette und Mama bald«, sagte sie. »Bestimmt fängt es gleich an zu regnen.«

Ihr Blick begegnete dem eines strohblonden Jungen in ihrem Alter, der draußen stand und sehnsüchtig auf die Süßwaren im Schaufenster sowie in den Bonbongläsern im Ladeninneren starrte. Er wirkte abgemagert, und seine Kleidung ließ keinen Zweifel daran, dass er sich wahrscheinlich keine der Leckereien hier leisten konnte. Es schien, als fühle er sich von Dora ertappt, denn obwohl sie ihm freundlich lächelnd zuwinkte, verschwand er rasch aus ihrem Sichtfeld. Just in diesem Augenblick begann es draußen wie aus Eimern zu gießen, doch zu ihrer Erleichterung sah sie nun zwei Gestalten mit Regenschirmen auf den Laden zuhasten. Dora eilte zur Tür und riss sie auf, um ihre Mutter und das braunhaarige Mädchen hereinzulassen. »Mama! Babette!«, rief sie erfreut.

Die strahlende Tochter der Christof­fersens fiel ihrer Cousine um den Hals. »Dora, was für eine schöne Überraschung, und wie hübsch du geworden bist.«

Dieses Kompliment traf aber auch auf Babette zu. Das erste Mal hatte Dora ihre Base gesehen, als sie mit deren Mutter zu Besuch nach Schwaben gekommen war. Damals war Babette noch eine etwas pummelige Neunjährige gewesen, erinnerte sich Dora, was ihrer Begeisterung für die fröhliche Cousine jedoch keinen Abbruch getan hatte. Die beiden Mädchen waren auf Anhieb ein Herz und eine Seele gewesen und hatten einander in den letzten drei Jahren häufig geschrieben. Es war ihr schwergefallen, der Brieffreundin nichts von dem bevorstehenden Besuch in Lübeck zu verraten.

»Babettes verdutztes Gesicht, als sie mich vorhin vor der Schule erkannt hat – wunderbar«, berichtete die Mutter. Sie war eine hübsche Frau und hatte ihre Haare zu einem Knoten zusammengebunden. Von ihr stammte die Idee, ihre Nichte lieber zu überraschen. Hedwig Hoyler schüttelte sich kichernd und klappte ihren tropfenden Regenschirm zusammen. »Wat ’n Schietwedder!«

Dora liebte es, wenn ihre Mutter in ihren Heimatdialekt verfiel, das Plattdeutsche. Zu Hause in Notzingen hätte sie freilich niemand verstanden, dort wurde breites Schwäbisch »g’schwätzt«.

Erneut krachte draußen der Donner, und Babette stieß einen erschrockenen Schrei aus, denn der gleichzeitig erfolgte Blitz erhellte eine Gestalt im Eingangsbereich. Erst jetzt bemerkten die Anwesenden, dass ein etwa zehnjähriger Junge hinter den beiden Frauen in den Laden gehuscht war. Er hatte sich seinerseits erschrocken, verharrte mit Angst in seinen Augen nahe bei der Tür. Dora erkannte in ihm jenen Bub, der eben noch vor dem Schaufenster herumgelungert hatte.

»Womit kann man dir denn helfen?«, bellte Einar Christof­fersen, und der Kleine zuckte ängstlich zusammen.

Verschüchtert deutete er auf ein großes Glas mit Sahnebonbons darin.

Iny drängelte sich an ihrem hochgewachsenen Gatten vorbei und wandte sich wesentlich freundlicher an den kleinen Kunden: »Wie viele möchte der junge Herr denn haben?«

»Z… zwei«, stotterte der Junge kaum hörbar und legte ihr mehrere Münzen hin.

Iny packte ihm drei statt zwei Bonbons ein und sagte: »Draußen regnet es ja gerade so furchtbar, hättest du da kurz Zeit, von unserem neuen Marzipan zu probieren? Meine Nichte hat ihn schon für gut befunden, aber zwei Meinungen sind natürlich besser als eine.«

Dora ahnte, dass ihre gutmütige Tante dem offenbar verarmten Jungen etwas Gutes tun wollte.

»I… i… i…« Der Knabe brachte den nächsten Satz nicht heraus und deutete schließlich hilflos auf seine Hosentasche.

»Er meint, er hat kein Geld dafür«, sprach Dora ihre Vermutung aus, um ihn von seinem Stottern zu erlösen.

Der Junge nickte ihr dankbar zu.

»Ach, die Stückchen sind natürlich kostenlos«, stellte Iny rasch klar und reichte ihm eines, das er sich sogleich in den Mund schob.

Onkel Einar schüttelte, grinsend über die Gutmütigkeit seiner Frau, den Kopf und verschwand wieder in seiner Backstube.

Iny sah ihren jungen Kunden fragend an. »Gut?«

Der Knabe nickte anerkennend. »S-s-sehr gut.«

Das Glöckchen an der Ladentür bimmelte, und ein Mann mit Hut, aber ohne Regenschirm trat ein. Er war bis auf die Haut durchnässt und tropfte den gekachelten Fußboden voll.

»Moin«, sagte er.

Dora wunderte sich nicht über seine Wortwahl, sie wusste von ihrer Mutter, dass der plattdeutsche Gruß nicht »guten Morgen« bedeutete, sondern im Norden auch nachmittags und sogar am Abend verwendet wurde.

»Sie wünschen?«, fragte Iny.

»Das da«, knurrte der Fremde, in dessen Gesicht Dora nun eine Narbe bemerkte, die quer über seine linke Wange verlief. Er deutete auf ein Plunderteilchen in der Auslage der Verkaufstheke.

Dora fiel auf, dass der Junge den drahtigen Mann mit zusammengekniffenen Augen beobachtete. Als der Fremde sich bewegte, trat der Knabe einen Schritt zurück. Wachsam, ganz so, als habe er ein gefährliches Raubtier vor sich. Ob er den Kunden...

Erscheint lt. Verlag 20.9.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • Anne Jacobs • Charlotte Jacobi • Debüt • Die Douglas-Schwestern • Die Schokoladenvilla • Die Tuchvilla • eBooks • Eva-Maria Bast • Familiensaga • Frauenromane • Frauenschicksal • Geheimnis • Hansestadt • Historische Romane • Historischer Roman • Jörn Precht • kleine geschenke für frauen • Liebe • Liebesromane • Lübeck • Lüge • Maria Nikolai • Marzipan • Romane für Frauen • Starke Frauen • Taschenbuch Neuerscheinung 2021 • Verrat • Weihnachten • Weihnachtsbuch
ISBN-10 3-641-26563-0 / 3641265630
ISBN-13 978-3-641-26563-2 / 9783641265632
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99