Die wundersame Reise der Bienen (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022
400 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-26516-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die wundersame Reise der Bienen - Katja Keweritsch
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Anna hat ihren Urlaub an der sonnigen Côte d'Azur gerade beendet und will zurück nach Hamburg reisen. Als sich die Türen des Flugzeugs schließen, hat sie eine Panikattacke und verlässt fluchtartig die Maschine. Wie soll sie jetzt nach Hause kommen? Bus und Bahn scheiden aus, denn auch dort wäre sie eingesperrt und könnte nicht jederzeit aussteigen. Schließlich registriert sie sich bei der Mitfahrzentrale - und lernt Harm kennen. Er ist auf dem Rückweg von Südfrankreich nach Kiel. In seinem Gepäck: Bienenköniginnen. Er nimmt Anna mit und gemeinsam machen sie sich auf zu einem emotionalen Roadtrip, der völlig anders endet als erwartet.

Katja Keweritsch ist Ethnologin und Journalistin. Sie ist in einem friesischen Dorf aufgewachsen, von dem aus es sie schon früh in die Welt zog. Neben Köln und Hamburg studierte sie in Los Angeles und lebte zeitweise in Mumbai und auf Sansibar. Heute wohnt sie mit ihrer Familie an der Elbe. In ihren Romanen »Die wundersame Reise der Bienen« und »Agnes geht« schreibt sie über die Liebe und darüber, wie wichtig es ist, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse nicht aus den Augen zu verlieren.

Trotzig kauerte das alte Steinhaus am Ufer der Banquière. Der Mistral hatte immer wieder an den groben Quadern der Mauern geleckt und ihnen im Lauf der Jahre eine geradezu skulpturale Struktur geschenkt. Zusammen mit den bemoosten Tonziegeln, den blauen Fensterläden und all der Patina schien das Haus wie natürlich aus dem fruchtbaren Boden der Côte d’Azur zu wachsen.

Harm beobachtete einen Esel, der mürrisch blökend über das Grundstück jenseits des Flusses trottete. Neben den träge plätschernden Wellen des Wassers und einem zaghaften Rauschen in den Pinien durchbrach er als Einziger die verschlafene Stille – vielleicht abgesehen vom gelegentlichen Knattern eines Quads oder Treckers, der mit eindeutig überhöhter Geschwindigkeit die steilen Kurven von Tourrette-Levens schnitt.

Die Kirchenglocken läuteten. Metallisch und hohl, als sei beim Guss der Glocke die Bronze ausgegangen. Halbzeit, dachte Harm. Die Mitte des Tages. Und auch der Wendepunkt seiner Reise. Nach dem langen Weg von Kiel durch Deutschland über Österreich, die Schweiz und Italien bis hierher nach Südfrankreich würde ihn seine Bienenmission nun stetig zurück in Richtung schleswig-holsteinischer Heimat führen. Den ersten Teil der Königinnen hatte er ausgeliefert. Nun folgten die französischen Stationen.

Harm fühlte ein hohes Maß an Dankbarkeit in sich. Nie hätte er erwartet, auf so viel Güte und Gastfreundschaft zu stoßen. Imker waren schon ein erstaunliches Volk. Mit welcher Sanftheit sie die Bienen entgegennahmen, wie sehr sie die Gründe dieser persönlichen Übergabe wertschätzten. Selbst Gérard, dieser Berg von einem Mann, der im Gras neben ihm döste, hätte die Bienenkönigin in ihrem kleinen Holzkäfig am liebsten mit seinen tätowierten Pranken gestreichelt – gleich nachdem er Harm bei der Begrüßung um den Hals gefallen und ihm mit tränenerstickter Stimme sein Mitgefühl ausgedrückt hatte.

Harm nippte am Rotwein. Er mochte den pelzigen Geschmack auf der Zunge, die angenehm warmen Strahlen der Junisonne in seinem Gesicht, die kühlen Wasser der Banquière um seine Füße. Natürlich konnte diese Reise ihn nicht glücklich stimmen, das hatte er auch gar nicht erwartet. Aber er war zur Ruhe gekommen. Das Gefühl des Getriebenseins hatte er irgendwo auf der Autobahn überholt und abgehängt. Inzwischen hoffte er sogar, so etwas wie Frieden in sich zu finden, wenn alles erledigt wäre. Er gönnte sich einen kräftigen Schluck und den luxuriösen Versuch, einige Augenblicke lang an rein gar nichts mehr zu denken. Gérard, der mindestens drei Gläser Rotwein in kühnem Tempo geleert hatte, gab sich einer ähnlichen Taktik hin, stieß im Schlaf allerdings ab und an prustende Gurgellaute aus. Eine milde Brise trug den betörenden Duft des Lavendels hinunter ans Ufer, und Harm beobachtete, wie sich die Sonnenstrahlen in einem kleinen Regenbogen über dem Wasser brachen. Er wackelte mit den Zehen und schien dabei flüssiges Gold auf seiner Haut zu verteilen.

Auf der anderen Seite des Flusses zog etwas an den Schilfstängeln, die sich zwischen einigen Astern ans Wasser gedrängt hatten. Harm kniff die Augen zusammen. Er hatte einen Fisch in Verdacht, eine Forelle vielleicht oder einen Hecht. Das Ruckeln und Zupfen hörte nicht auf. Jetzt spritzte Wasser, und Harm glaubte, eine Flosse erkannt zu haben. Er stellte sein Glas zurück auf das Tablett und glitt langsam das steinige Ufer hinab ins kühle Wasser. An dieser Stelle reichte die Banquière bis knapp über seine Knie. Harm spürte, wie das Wasser gemächlich zwischen seinen Beinen hindurchströmte und die Waden streichelte, wie seine Shorts sich vollsogen. Er balancierte über die glitschigen, glatt geschliffenen Steine am Grund. Das Schilf zuckte noch immer. Inzwischen erkannte er, dass sich ein Netz zwischen den Halmen verfangen hatte, feinmaschig und grün, so wie sie es hier in der Gegend bei der Olivenernte einsetzten.

Mit einem weiteren großen Schritt erreichte er das andere Ufer. Das Netz hatte sich in Ästen verfangen, die im Wasser trieben. Zudem hing es an einem Stein fest. Harm zog vorsichtig und hielt plötzlich eine Forelle in der Hand. Zu klein, um geangelt zu werden. Zu jung, um an diesem Müll zu verrecken. Er fischte sein Taschenmesser aus der Hosentasche, zerschnitt das Netz und entließ den Knirps in sein Element. Dann zog er kräftig, zerrte und riss an den Enden des Netzes, klaubte die Äste zusammen und trug das Bündel zurück ans Ufer. Wenn man überlegte, wie viele Hunderte von Kilometern an Netzen jährlich während des Fischfangs auf hoher See verloren gingen und fortan als Geisternetze die Ozeane vermüllten und Fische qualvoll verenden ließen, war dies sicher nicht einmal der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Aber ein kleiner Glücksgriff für eine junge Forelle.

»Papa!«

Harm sah auf. Ein Junge wetzte vom Walnussbaum auf der anderen Seite des Hauses auf sie zu. Harm schätzte ihn auf etwa acht Jahre. Er fuchtelte mit den Armen und schien sehr aufgeregt zu sein.

»Papa!«

Harm wuchtete das Bündel seiner guten Tat ans Ufer und rüttelte an Gérards Bein.

Der Junge rief jetzt lauter. »Papa!«

Gérard schlug die Augen auf und blinzelte benommen. »Oui, oui … de quoi?« Er wälzte sich umständlich über seinen umfänglichen Bauch auf die Knie. Der kleine Junge stolperte japsend in seine Arme.

»Papa! Bienen, ein ganzer Schwarm, es sind unglaublich viele, ich habe sie gerade gesehen, sie sitzen vorne im Olivenbaum, um den großen Ast und am Stamm, es sind so viele, Papa, sie …«

Der Junge erzählte in einem derart halsbrecherischen Tempo, dass Harm schmerzlich bewusst wurde, wie viel Rost sein bilingual erworbenes Französisch angesetzt hatte.

»Ein Bienenschwarm?« Gérard unterbrach den Redefluss seines Sohnes. »Wirklich? Wo kommt der denn her?« Er rieb sich die Augen und klopfte mit den Fingern gegen seine Wangen. »In Ordnung. Los, Olivier! Hol eine Kiste aus dem Schuppen. Wir treffen uns vorne.«

Gérard sprang mit einer Behändigkeit auf die Füße, die Harm ihm nicht zugetraut hätte.

»Komm.« Er reichte ihm die mächtige Hand mit dem Kronentattoo auf dem Zeigefinger, zog ihn rauf auf das Ufer und rief: »Lass uns Bienen jagen!« Er hieb Harm auf das Schulterblatt, dass er befürchtete, es würde sich vorne auf seinem Brustkorb durchdrücken. Dann trabte er los. Harm stolperte hustend hinter ihm her.

Sie liefen unter den alten Apfelbäumen entlang, umrundeten das Steinhaus, die Hochbeete voller Tomaten und die zwei hölzernen Schuppen, die Gérards Imkerausrüstung beherbergten. In gebührendem Abstand zur ausladenden Krone des Olivenbaums stoppten sie schließlich. Gespannt suchte Harm die graugrünen Blätter ab.

»Sieh an.« Gérard deutete auf einen der knorrigen Äste. »Sie sind schon zur Ruhe gekommen.«

Endlich entdeckte Harm die seltsame Verdickung an der Gabelung einiger Zweige. Ein alter, brauner Stofflappen, den jemand kunstvoll drapiert hatte. Erst bei näherer Betrachtung erkannte er das Wuseln Tausender Bienen, die in einer engen Traube übereinanderher krabbelten.

»Ich verstehe das nicht.« Gérard band seine schulterlangen Haare zu einem Pferdeschschwanz zusammen, damit keine der Bienen sich darin verirrte. »Ich habe die Völker gerade erst kontrolliert und keine Schwarmzelle entdeckt. Natürlich könnten so viele Bienen auf einer Wabe gesessen haben, dass sie die Schwarmzelle verdeckten. Aber, hm … so richtig vorstellen kann ich mir das nicht. Wenn wir sie eingefangen haben, werde ich das überprüfen. Es kann aber natürlich auch ein fremder Schwarm sein, oder sie kommen von nebenan …«

»Du meinst, sie gehören eigentlich Arthur?« Olivier parkte die Schubkarre, in der er einen großen Holzkasten transportierte, neben seinem Vater.

Gérard strubbelte ihm durch die Haare. »Wir werden sehen. Ich führe später mal ein nachbarschaftliches Gespräch mit dem alten Griesgram. So von Imker zu Imker. Jetzt aber fangen wir die kleinen Scheißerchen erst mal ein. Harm, würdest du Olivier helfen, den Kasten unter den Schwarm zu heben?«

»Klar.« Harm lächelte Olivier an. »Kriegen wir hin, oder?«

Olivier nickte begeistert. »Das ist schon der vierte Schwarm, den ich einfange!«

»Ernsthaft?« Harm nickte anerkennend. »Dann musst du gut aufpassen und mich einweisen. Ich bin blutiger Anfänger.«

»Klar.« Olivier lächelte. Er öffnete den Deckel des Holzkastens und hob ihn an der einen Seite an. Harm griff nach den gegenüberliegenden Ecken, und gemeinsam schlichen sie hinter Gérard her, der sich eine Sprühflasche mit Wasser aus der Schubkarre geschnappt hatte.

Je näher sie sich an die Bienen heranpirschten, desto eindringlicher dröhnte das Summen ihrer unzähligen Flügel. Harm konnte jetzt einzelne Tiere erkennen, die in Dutzenden von Schichten übereinanderwimmelten. Gérard zückte die Sprühflasche und bedeckte den Schwarm mit einem zarten Nebel.

»So«, wisperte er, »das sollte reichen, um sie ruhig zu halten. Hebt den Kasten jetzt hoch.«

Harm und Olivier platzierten die Kiste direkt unter den Bienen.

»Gut festhalten«, raunte Olivier.

Harm nickte.

»Alors.« Gérard hob den Arm. Und riss am Ast.

Die Bienentraube purzelte mit einem dumpfen Knall in die Holzkiste. Sofort besprühte Gérard sie mit Wasser.

»Wartet. Ich fege die Übrigen auch noch hinein.«

Mit einem kleinen Handbesen, der Harm bislang gar nicht aufgefallen war, strich Gérard vorsichtig vorne über den Ast. Dann geschah alles sehr schnell.

Gérard...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2022 • Bienen • Bienenkönigin • eBooks • Frankreich • Frauenromane • Imker • Kiel • Lavendelfelder • Liebe auf Umwegen • Liebesromane • mitfahrzentrale • Neuerscheinung • Provence • Roadtrip • Romane für Frauen • Südfrankreich
ISBN-10 3-641-26516-9 / 3641265169
ISBN-13 978-3-641-26516-8 / 9783641265168
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