Zeiten der Sehnsucht (eBook)

Die Mallorca-Saga - Roman
eBook Download: EPUB
2022
560 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-27172-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zeiten der Sehnsucht - Carmen Bellmonte
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Die Geschichte der Familie Delgado geht weiter
Mallorca 1929: Nur mit größten Anstrengungen gelingt es den Delgados, sich über Wasser zu halten. Antonia und ihr Mann haben auf Kuba ein florierendes Geschäft aufgebaut. Antonias Bemühungen, ihre Familie zu sich zu holen, bleiben jedoch fruchtlos. Und auch auf Kuba zieht ein Sturm auf: Die Mafia gewinnt immer größeren Einfluss, Antonia muss sich entscheiden: Freiheit oder Sicherheit. Ihre Schwester Carla kämpft unterdessen auf Mallorca mit ihren Dämonen, und Bruder Leo verstrickt sich in heikle Machenschaften, die den Graben zwischen ihm und seiner Familie weiter verstärken.

Hinter Carmen Bellmonte stehen die Autorinnen Elke Becker und Ute Köhler. Zusammen bringen sie 35 Jahre Inselerfahrung auf Mallorca mit. Die beiden sind seit über zehn Jahren befreundet, lieben das Reisen und guten Wein und schreiben beide Bücher, die auf ihrer paradiesischen Balearischen Insel spielen. So lag es nahe, sich zusammenzutun und all ihre Vorlieben in einer großen epischen Geschichte zu vereinen.

1

Kuba, Herbst 1927

Das Meer glitzerte in der Herbstsonne, und die Silhouette der alten Festung Castillo de los Tres Reyes del Morro wirkte wie gemalt vor dem azurblauen Herbsthimmel. Antonia bereitete der Spaziergang Mühe, und dennoch genoss sie die milde Luft. Sie schob den Kinderwagen mit Rodrigo an der alten Küstenstraße entlang. Der im Norden Havannas gelegene Malecón bezauberte sie immer wieder. Wie prachtvoll die Gebäude in den unterschiedlichen Pastellfarben waren. Alles leuchtete auf dieser Insel farbenfroh. Vor allem die Kleidung der kubanischen Frauen. Einen prunkvolleren Straßenzug als den Malecón kannte Antonia nicht.

Der Gedanke an ihre erste Verabredung mit Federico zauberte ein Lächeln in ihr Gesicht. Die Kutschfahrt auf dieser Prachtstraße zu dem edlen Restaurant mit den erlesensten Speisen, die sie je gekostet hatte.

Die Zeiten änderten sich.

Sie war mit Federicos viertem Kind schwanger und sorgte sich um die Zukunft.

Der Blick auf die Uhr mahnte sie, sich auf den Weg nach Hause zu begeben. Federico gehörte die Zigarrenfabrik, in der sie auch ihren separaten Wohnbereich hatten, und er wollte ihnen beim Mittagessen Gesellschaft leisten.

Antonia spazierte durch die verwinkelten, kleinen Gassen nach Hause. Die meisten Häuser verfügten über mit kunstvollen Fresken verzierte Balkone. Auch die Rundbögen in der unteren Etage spendeten in den heißen Sommermonaten angenehmen Schatten.

So gerne sie auf Kuba lebte, so sehr vermisste sie ihre Familie auf der anderen Seite der Welt. Ihre Mutter kannte keines ihrer Enkelkinder, und ihre Kinder wiederum niemanden aus ihrer Familie. Mallorca lag weit entfernt. Mehr als regelmäßiger Briefverkehr blieb nicht. Ob es irgendwann die Möglichkeit gäbe, mit ihnen über ein Telefon zu sprechen? Ein verwegener Gedanke, aber ein schöner. Bis vor einigen Jahren hätte sie sich auch nicht vorstellen können, Musik aus einem Radiogerät zu hören.

Rodrigo greinte. »Du hast also auch Hunger?« Sie strich ihm über die pausbäckige Wange. »Wir sind gleich zu Hause.«

Die Fabrik lag in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Federico hatte beim Kauf des Gebäudes sehr weise entschieden. So mussten die Tabakblätter nach der Ernte nicht erst umständlich durch halb Havanna transportiert werden. Ein paar Ochsenkarren fuhren die Ladung die wenigen Häuser weiter in die Fabrik, was Kosten und Zeit sparte. Die guten Zeiten waren vorbei, seitdem der American Trust jedes Tabakfeld an sich riss, das er bekommen konnte. Allen anderen Fabrikanten legten sie Steine in den Weg. Antonia konnte kaum noch zählen, wie viele Angebote dieser schmierige García ihnen bereits für eine Übernahme unter- breitet hatte.

Schon am Eingang wehte ihr der würzige Tabakduft entgegen. Antonia nahm ihren Sohn aus dem Kinderwagen und ließ das Gefährt vor der Zugangstür zu ihrem Wohntrakt stehen. »Wir sind wieder zu Hause!«

Schon hörte sie das Getrappel von Kinderfüßen. Als ihr David und Valentina entgegenrannten, füllte sich ihr Herz mit Liebe. David und Valentina klammerten sich jeweils an einen ihrer Oberschenkel. Zwei Kinder an den Beinen, eines auf dem Arm und ein weiteres in ihrem Bauch machten Antonia bewegungsunfähig. Doch das Gefühl des Glücks, das sie empfand, erfüllte ihre Seele.

»Nun lasst eure Mutter doch los.« Luisa stand lächelnd in der Eingangshalle. »Das Essen ist bereit. Kommt, wascht eure Hände und setzt euch. Ich werde es gleich bringen.«

Antonia legte Rodrigo auf das kleine Sofa in ihrem Zimmer und wusch sich die Hände in ihrer Waschschüssel. Valentina und David standen neben ihr und verspritzten reichlich Wasser.

Die Tropfen auf dem Fußboden mussten von alleine trocknen. Bücken konnte Antonia sich nicht mehr, und ein Tuch auf den Boden werfen, um die Pfützchen aufzuwischen, würde zwar trockene Fliesen bringen, doch wie sollte sie mit ihrem dicken Bauch das Trockentuch wieder aufheben?

Sie nahm Rodrigo auf den Arm, und gemeinsam gingen sie ins Esszimmer, wo Federico am Fenster stand. Seine hochgewachsene Silhouette wirkte wegen der Lichtverhältnisse wie ein Scherenschnitt vor dem sonnendurchfluteten Fenster. Seine kraftvolle Statur ließ ihn jung und dynamisch wirken, wenn sich auch in sein volles Haar die ersten grauen Strähnen einschlichen. Mit den Händen in den Hosentaschen wirkte er nachdenklich. Vielleicht irrte sich Antonia aber auch. »Du bist schon da?«

»Ja.« Federico küsste erst die Kinder und dann Antonia. »Kommt Fernanda später?«

»Ja, warum?«

»Nur so.« Er setzte sich an die Stirnseite. Irgendetwas stimmte hier nicht. Federico verheimlichte etwas vor ihr. Für den Moment ließ sie ihn gewähren.

Luisa servierte den aufgeschnittenen Rinderbraten, dazu Kochbananen und buntes Gemüse. »Vielen Dank, Luisa, das sieht köstlich aus.«

Ihre Haushälterin lächelte und verließ geräuschlos den Raum.

Normalerweise störte Antonia ein schweigsames Essen nicht, doch dieses Mal fühlte sich die Stille bedrückend an. Selbst die Kinder gaben keinen Mucks von sich, aßen artig und verschütteten nichts.

Sie hatten fast fertig gegessen, als Antonia es nicht mehr aushielt. »Was ist los?«

»Der Trust hat mir ein neues Angebot vorgelegt.« Federico spießte ein Stück Fleisch auf. »Und ich werde es annehmen.« Ohne innezuhalten, schob er sich die Gabel in den Mund.

Antonia starrte Federico fassungslos an. »Das wirst du nicht tun«, rief sie, und der Löffel, den sie ihrem Sohn Rodrigo in den Mund hatte schieben wollen, schwebte in der Luft wie ein verharrender Kolibri vor einer Blüte.

David, ihr Fünfjähriger, spitzte die Ohren und hörte auf zu essen. Auch die vierjährige Valentina verzog das Gesicht und schien im Begriff zu sein, wegen Antonias lauter Stimme zu weinen. »Kinder, es ist alles in Ordnung«, versuchte sie die beiden zu beruhigen. »Mamá hat sich nur etwas erschrocken. Esst weiter.« Sie schob den Löffel zwischen Rodrigos geöffnete Lippen, bevor er anfing zu quengeln.

Antonia warf ihrem Mann einen Blick zu, der besagte, dass dieses Thema für sie nur aufgeschoben, aber keinesfalls vergessen war.

Fernanda hatte ihren Besuch nach dem Mittagessen angekündigt. Sie brachte ihren dreijährigen Sohn vorbei, damit die Kinder miteinander spielen konnten. Seit Fernanda mit Enrique verheiratet war, traf sich Antonia mit Federicos Schwester nur noch dreimal die Woche, oder sie verabredeten sich zu einem langen Spaziergang am Malecón. Gemeinsam konnten sie die Kinder beaufsichtigen. Allein traute Antonia sich das in ihrem Zustand nicht mehr zu. Die Autos ängstigten Antonia. Sie könnte den beiden Wirbelwinden nicht hinterherlaufen. Federico hatte nur am Sonntag für solche Unternehmungen Zeit.

Und nun wollte der Mann, der ohne Fehl und Tadel war, einen folgenschweren Fehler begehen. Eine Entscheidung treffen, die für sie beide seit Jahren nicht in Betracht kam.

Natürlich bot der Zusammenschluss der ausländischen Tabakfabrikanten viele Vorteile, doch wenn Antonia eines gelernt hatte in ihrem Leben, dann, dass diese Vorteile es niemals wert waren, sich in eine Abhängigkeit zu begeben.

»Oh, ihr seid noch am Essen?« Fernanda trug ihren Sohn auf dem Arm und sah sie entschuldigend an. »Bin ich zu früh?«

»Nein«, sagte Antonia milde, da sie ihre Kinder nicht noch einmal erschrecken wollte. In ihrem Haus gab es keine lauten Worte. Federico und sie führten eine traumhafte Ehe, eine liebevolle Beziehung, und dazu gehörte auch, dass keiner der beiden jemals die Stimme erhob. Bis gerade eben. »Könntest du nachher auf die Kinder aufpassen? Ich habe etwas mit Federico zu besprechen.«

»Alles in Ordnung?« Fernanda blickte Antonia forschend an. Als Antonia schwieg, nickte ihre Freundin. »Natürlich passe ich auf. Wir gehen in den Patio-Garten, nicht wahr, ihr Süßen?«

David und Valentina rutschten unruhig auf ihren Stühlen. »Dann geht mal los«, entschuldigte Antonia sie vom Tisch und zwinkerte ihnen aufmunternd zu. Fernanda stellte ihren Sohn auf den Boden, hob Rodrigo von Antonias Schoß und folgte den Rabauken, die bereits durch die Tür verschwunden waren.

Als Antonia mit ihrem Mann allein war, legte sie das Besteck beiseite. Der Appetit war ihr vergangen. »Du hast aber noch nicht unterschrieben?«

Federico schüttelte den Kopf. »Solche Entscheidungen treffen wir immer gemeinsam. Das habe ich dir versprochen, und daran halte ich mich. Aber was sollen wir machen? Die Umsätze gehen zurück. Der American Trust regelt fast das komplette Exportgeschäft. Zudem exportiert García den Tabak und lässt die Zigarren im eigenen Land fertigen. Wie man hört, sogar maschinell. Als ob das noch etwas mit den typischen Habanas zu tun hätte, die wir hier in hochwertiger Qualität herstellen.«

»Aus genau diesem Grund dürfen wir nicht nachgeben. Was denkst du, warum sie jährlich unsere Cleopatra anfragen und mit immer noch besseren Angeboten locken? Zudem drängen uns die Amerikaner aus dem Markt. Sie haben fast ein Freudenfest gefeiert, als die Briten wegen des Kriegs ihre Ware in Europa nicht mehr loswurden. Die Wirtschaftslage ist unsicher. Das lässt sich nicht leugnen. Aber geht es uns deshalb schlecht?«

Federico starrte auf den Tisch.

»Verheimlichst du mir etwas?«

»Nein, natürlich nicht«, wandte Federico schnell ein. »Aber wenn sich die Lage noch weiter verschlechtert, könnte es sein, dass wir Luisa entlassen müssen.«

Antonia schnaubte auf. »Dann putze und koche ich eben selbst. Die Firma ist in Ordnung?« Sie betrachtete den Tisch:...

Erscheint lt. Verlag 10.8.2022
Reihe/Serie Die Mallorca-Saga
Die Mallorca-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2022 • Anne Jacobs • Bestseller 2022 • bücher für frauen • Das Gutshaus • eBooks • Erster Weltkrieg • Familiengeheimnis • Familiensaga • Frauenromane • Große Gefühle • Historische Romane • Kuba • Lesetipps zum Verschenken • Liebesromane • Mallorca • Marie Lacrosse • Marie Lamballe • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2022 • Spanien • Spanische Grippe • Weingut • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-641-27172-X / 364127172X
ISBN-13 978-3-641-27172-5 / 9783641271725
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