Die Heilerin (eBook)
266 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7534-5045-2 (ISBN)
Deutsch brasilianischer Autor geboren im Jahr 1960 in der Großstadt Sao Paulo im Süden Brasiliens, schreibt seit 1996 kurze Geschichten, Sachbücher und Romane. Paul Riedel beendete seine erfolgreiche Karriere in der IT und Datenbanken im Jahr 2010 und seitdem widmet er sich seiner Kunst und sozialen Einsätzen. Seine Romane sind meistens im Bereich Thriller Mystery und seine Fantasie ist sehr vielfältig.
Durch mich
zu
wandellosen Bitternissen,
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„Noch fünfzehn Minuten“, kündigte ein Helfer aus der Regie im Lautsprecher an.
„Ich habe Agnes bereits zweimal angerufen, und sie beantwortet nicht“, teilte Vardan mit.
Ein Kollege im Home-Office bekam mit, dass ein Mann namens Heinrich Bergstrom sich an der Reichenbachbrücke umbrachte.
„Sind alle verrückt geworden?“, fragte sich Vardan.
„Ich bin bereits fertig und werde ohne Fehler die Nachrichten vortragen.“ Tinu versuchte, jedem im Raum klarzumachen, dass sie nicht beabsichtigte, diese Chance zu versäumen, sich vor den Kameras zu platzieren.
Tinu trug grundsätzlich eine Perücke, da sie der Ansicht war, dass ihre eigenen Haare zu dünn und widerspenstig seien.
„Lese die Beiträge laut vor und merke dir, wie man die Namen der Politiker und Ärzte ausspricht. Du hast neulich ziemlich daneben abgelesen“, warnte Vardan und setzte einen hörbaren Akzent auf das letzte Wort.
„Ich kann das ohne Probleme. Manche Aussprachen sind auch regional bedingt“, versicherte Tinu in einem Versuch, kultivierter zu klingen, als man ihr zugestehen würde. In der Branche keine Seltenheit und Vardan mied, die Augen zu rollen.
„Letztes Mal hast du Doktor Faucet anstatt Fauci gesagt“, erinnerte er sie und betonnte dabei den Endbuchstaben des Namens.
„Immerhin fanden meine Follower das witzig, und so viele Reaktionen haben wir in den letzten Jahren nicht gehabt. Ich kam sogar in einige Zeitungen“, prahlte Tinu über ihre Wirkung in den Medien und schnippte mit ihren zierlichen Fingern.
Vardan überhörte die sinnlose Entschuldigung für ihren Mangel an Bildung. Er wendete sich von ihr ab und lief zu seinem Platz im Studio.
Bevor er seinen Sessel erreichte, meldete sein Handy eine SMS.
„Ich habe länger für mein Interview gebraucht, als ich mir vorgenommen hatte. Tinu kann mich heute vertreten“, teilte Agnes mit.
„Das hat sie nie zuvor getan“, stellte Vardan gedanklich fest.
„Tinus Make-up sieht scheiße aus. Deine Augenbrauen wirken wie zwei Eisenbalken“, schrie der Mitarbeiter vom Regiepult.
„Anneliese ist nicht da. Ich muss noch meinen Followern mitteilen, dass ich heute live zu sehen bin“, entschuldigte sie sich und tippte wie ein Roboter in ihr Handy ein.
„Setz dich in die Maske. Ich mache das für dich“, sagte der Mitarbeiter genervt.
Die Diskussion lief weiter, und er belegte seine Erfahrung mit der Tatsache, dass er drei Schwestern habe. Tinu schmollte und erklärte, wie das neue Augenbrauendesign von Amphora konzipiert wurde. Dem wurde abrupt mit barschen Worten ein Ende gesetzt.
„Halt die Klappe und reduziert die Beleuchtung. Wir haben heute keinen Make-up-Artist im Studio. Und noch so eine Bemerkung, dann bekommen wir einen freien Platz in Regie und Moderation“, drohte Vardan genervt.
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Die Praxis im Zentrum Münchens war menschenleer. Dr. Hille saß vor seinem Computer. Ein Kollege schickte ihm eine E-Mail.
Hallo Julian,
Herr Bergstrom, der Krebspatient hat sich vor zwei Tagen das Leben genommen. Die Polizei hat mich kontaktiert. Er sprang über die Brücke im Glockenbachviertel. Das war gestern in den Nachrichten.
Ich teile Dir dies nur mit, weil Du Bedenken über seine geistige Verfassung geäußert hast, und scheinbar hattest Du Recht. Seine Positive-Gedanken-Therapie hat ihm nicht sonderlich geholfen.
Es ist traurig, dass er nicht bei mir Hilfe gesucht hat.
Viele Grüße
Karl Silva
Doktor Hille ballte die Faust und drückte seine Finger dabei so hart zusammen, dass er merkte, wie das Blut in den Handtellern pulsierte.
„Positive-Gedanken-Therapie. Was für ein Schwachsinn“, urteilte Doktor Hille. Er leitete diese E-Mail mit einem Anhang an die Redaktion von Semper-TV und hoffte, dass man seine Meldungen nun mehr beachten würde.
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Vardan las den verspäteten Bericht von Agnes Besuch bei einer Frau Kaschewski und bemerkte, dass sie anders wie gewöhnlich, rasch und unsorgfältig schrieb, was gar nicht ihre Art war. Sie war nicht erzürnt über Tinus Vertretung in ihrer Sendung, und sie kam nicht zum Studio.
„Mädel, du schwächelst“, überlegte Vardan nach der Aufzählung.
Sie berichtete, dass Frau Kaschewski und die verstorbene Gorny, die am Protest gegen die Corona-Einschränkungen teilnahmen, nur Esoterikerinnen sind. Sie sind überzeugt, mit Heilsteinen und anderen unkonventionellen Methoden eine Kur gegen das Virus gefunden zu haben. Sie waren weiterhin der Ansicht, dass dieser Schutz, den sie von ihrer Heilerin bekommen hatten, an die ganze Welt zu übermitteln wäre. Dies würde ihrer Meinung nach die Epidemie beenden. Der ungewöhnliche Name Fenja wurde erwähnt.
„Kein Wort darüber warum sie den Termin beinahe verpasst hätte“, überlegte Vardan.
Er durchsuchte die Social-Media-Beiträge des Studios. Dabei las er weitere Kommentare, die zwischen unkontrolliertem Hass bis zu wenig positiven Rückmeldungen zu Tinus Arbeit variierten. Ihre Follower sprachen wohlwollende Ermutigungen aus. Verschwörungstheoretiker lobten ihre selbstlose Haltung zur Wahrheit. Dies löste einiges Gelächter bei Semper-TV aus.
„Das sind bestimmt ihre Follower“, verstand er.
Seine Aufgabe umfasste nicht allein, diese Kommentare zu beantworten, aber sie halfen ihm zu entscheiden, wie er neue Zuschauer erreichen könnte. Wie es schien, gab es zwischen dem Pro-Lager und den Gegnern der Vorsichtsmaßnahmen der Regierung einiges zu besprechen.
Vardan wurde aufmerksamer, als er eine neue E-Mail von Doktor Hille las. Das akustische Signal für den Eingang der Nachricht war so eingestellt, dass es klang wie die Explosion einer Bombe. Dort teilte der Verfasser mit, dass ein Mann sich vor drei Tagen umgebracht habe. Er behauptete weiter, dass der Selbstmörder sowie zwei Frauen in den letzten drei Monaten Opfer einer Welle von Fehlinformationen sogenannter Heiler der Esoterikszene seien.
Vardan erinnerte sich, dass er etwas darüber in Agnes Mitteilung gelesen hatte.
„Ach ja. Beide Frauen von der Leopoldpark-Demo waren ebenfalls Esoterikerinnen.“
Doch so viele waren in dieser Szene, und München bot sogar jedes Jahr eine Esoterik-Messe. Was bewies, dass die Anzahl der Anhänger groß war, das Geschäft lief bestens.
„Kjell ist wieder nicht da, wo er sein sollte.“
Er schickte Gerold und Agnes eine E-Mail und bat ihn, sich den Toten anzuschauen und Informationen einzuholen. Er möge sich die Sorgen von Doktor Hille einmal anhören.
„Das wird sich in den lokalen Nachrichten gut machen.“
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Gerold las die E-Mail von Vardan und schmunzelte.
„Warum schickst du nicht dein junges Mädchen auf die Straßen? Ich bin älter und erfahrener für die Moderation. Vor allem ist es momentan zu kalt draußen für einen reifen Mann. Willst du dich meiner entledigen, indem ich an einer Lungenentzündung sterbe?“, forderte er Kjell empört heraus.
Von der anderen Seite der Leitung kam ein tiefer Seufzer. Kjells Augen rollten zur Decke.
„Schnaub nicht, wenn ich mit dir rede. Ich höre dich, Junge.“ Seine Stimme war belegt, und er versuchte, Gerold mit den richtigen Worten zu erklären, dass er trotz seiner langjährigen Tätigkeit ein Mitarbeiter des Studios war und seinen Anweisungen unterstand.
„Sei froh, dass alle anderen in Quarantäne oder Kurzarbeit sind. So kannst du wirklich zeigen, dass du immer noch das beste Pferd im Stall bist.“ Diese Manipulationstaktik hatte Kjell in einem Management-Seminar gelernt.
Da eine bemerkbare Pause im Gespräch entstand, hatte er wohl die richtige Wortwahl getroffen. Er rechnete aber mit weiteren Forderungen.
Gerold war bekannt für seine Erpressungsversuche. Seine nicht selten unerfüllbaren Wunschlisten waren berüchtigt.
„Aber Agnes soll nichts davon erfahren. Ich will nicht, dass sie ihre Nase in meine Arbeit steckt. Du kennst sie. Vardan soll auch lernen, dass ich für dich arbeite und nicht für ihn.“ Am Ende jeden Satzes grunzte Kjell Zustimmung und wartete auf eine Gelegenheit, das Gespräch zu beenden.
„Was hast du die ganze Zeit auf Agnes einzuhacken? Sie macht ihre Arbeit, und du kümmerst dich um deine Sache. Ich bin auch über das Projekt mit Vardan informiert, und gerade jetzt in dieser Pandemie ist es eine Chance für dich. Eine Ermittlung über alternative Heilmethoden, Betrüger und Verschwöhrungsstifter. Du bekommst einen eigenen Platz in der Sendung. Dieser Doktor Hille hat uns bereits mehrfach angeschrieben, und er scheint sogar Beweise zu haben. Agnes würde nicht zweimal darüber nachdenken. Wenn du dies nicht machen...
Erscheint lt. Verlag | 23.3.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Historische Kriminalromane | |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror | |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Betrüger • Esoteriker • Heilkunst • heilversprechen • Reportage |
ISBN-10 | 3-7534-5045-6 / 3753450456 |
ISBN-13 | 978-3-7534-5045-2 / 9783753450452 |
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