Dietrich Bonhoeffer (eBook)

Auf dem Weg zur Freiheit

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
352 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-76837-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dietrich Bonhoeffer - Wolfgang Huber
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Dietrich Bonhoeffer gehört zu den wirkmächtigsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Sein Widerstand gegen Hitler hat weltweit Protestbewegungen gegen Unterdrückung und Ungleichheit inspiriert. Seine Briefe aus der Haft wurden als Neubeginn der Theologie verstanden. Wolfgang Huber stellt Bonhoeffers Denken in den Mittelpunkt seines wunderbar prägnanten Porträts und macht deutlich, warum die mutigen Entscheidungen des Ausnahme-Theologen auch heute Ansporn sein können.

Im Juni 1939 wurde Dietrich Bonhoeffer in New York eine Stelle angeboten, doch der junge Theologe entschied sich gegen das Exil. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs kehrte er nach Berlin zurück, um für ein besseres Deutschland zu kämpfen. Es folgten Zeiten der Konspiration, Camouflage, Gefangenschaft, Einsamkeit und Zuversicht trotz allem. Wolfgang Huber macht deutlich, warum Bonhoeffers meistgelesene Schriften - insbesondere die 'Ethik' und 'Widerstand und Ergebung' - nur unter diesen existentiellen Bedingungen entstehen konnten. Die kühnen Neuansätze des großen «unvollendeten» Theologen, der am 9. April 1945 auf Hitlers persönliches Geheiß hingerichtet wurde, ermutigen bis heute Menschen zum konsequenten Glauben und Handeln - gerade angesichts weltweiter Not und um sich greifender Gewalt, ungewisser Zukunft und Gefahren für die Demokratie.

Wolfgang Huber, Professor für Theologie in Berlin, Heidelberg und Stellenbosch (Südafrika), war u.a. Vorsitzender des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland und Mitglied des Deutschen Ethikrats. Er engagiert sich im Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik sowie in der Global Perspectives Initiative und wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Max-Friedländer-Preis, dem Karl-Barth-Preis und dem Reuchlin-Preis. Wolfgang Huber gehört zu den souveränsten Bonhoeffer-Kennern und hat die Neuausgabe der Dietrich Bonhoeffer Werke federführend mitverantwortet.

2. Bildungswege


Die Familie als Bildungsort


Eine Familie mit acht Kindern bildet einen eigenen Bildungskosmos. Der Altersabstand zwischen dem ältesten Bruder Karl-Friedrich und der jüngsten Schwester Susanne betrug zehn Jahre – dicht genug, um gemeinsam aufzuwachsen, miteinander zu spielen und mühelos voneinander zu lernen. Darüber hinaus schloss diese Familie die Schule von vornherein mit ein. Die aus einer Theologenfamilie stammende Mutter, Paula Bonhoeffer, hatte in ihrer Jugend durchgesetzt, dass sie eine Ausbildung zur Lehrerin durchlaufen und mit dem Examen abschließen konnte. So war sie darauf vorbereitet, ihre Kinder zusammen mit Gleichaltrigen aus befreundeten Familien im eigenen Haus zu unterrichten, in dem dafür ein besonderes Schulzimmer eingerichtet wurde. Dies war möglich, weil es im Deutschen Reich bis 1919 zwar eine Unterrichtspflicht, aber keine Schulpflicht gab. Jahr für Jahr bestanden ihre Schülerinnen und Schüler die erforderlichen staatlichen Prüfungen mit Bravour. Die intensive Förderung im Elternhaus ermöglichte es den Kindern, Klassen zu überspringen und die Schule früher als andere hinter sich zu lassen; auch Dietrich absolvierte das Abitur bereits kurz nach seinem siebzehnten Geburtstag. Auch den Religionsunterricht übernahm die Mutter für drei Jahre selbst; zu der eher agnostischen Haltung des Vaters bildete ihre undoktrinäre Frömmigkeit einen wichtigen Gegenpol.

Später traten Käthe Horn und ihre Schwester Maria als Erzieherinnen neben die Mutter. Formalisierter Unterricht und Lernen im Alltag bildeten eine Einheit. Von der Mutter selbst hieß es, das Menschliche sei ihr wichtiger gewesen als das Naturwissenschaftliche. Doch diese Welt war durch den Vater, den ältesten Bruder Karl-Friedrich, der ein renommierter Physikochemiker wurde, oder die Schwester Christine, die sich schon im Alter von dreizehn Jahren zum Studium der Zoologie entschloss, sehr präsent. Der schulische Bildungsgang war indessen humanistisch geprägt. Das große Latinum war auch für das naturwissenschaftliche Studium erforderlich. Dietrich Bonhoeffer, der wie seine Schwester Christine schon mit dreizehn Jahren wusste, was er studieren wollte, konnte bereits auf dem Gymnasium neben dem Lateinischen auch die beiden anderen für das Theologiestudium erforderlichen alten Sprachen, Griechisch und Hebräisch, lernen. Zunächst besuchte er das Friedrichswerdersche Gymnasium, seit Ostern 1919 das Grunewald-Gymnasium (die spätere Walther-Rathenau-Oberschule). Die Jugendlichen wuchsen in einer Atmosphäre auf, die zur Ritterlichkeit anhielt. Emmi Delbrück, die später mit Dietrichs Bruder Klaus verheiratet war, erlebte diese Haltung so: «Ich glaube, dass die Erziehung der Söhne in den Familien, in denen der Widerstand aufkam, die Erziehung, schon auf dem Schulhof selbstverständlich den Schwachen vor dem Brutalen zu schützen, es ihnen später unmöglich machte, staatlich sanktioniertes Verbrechen mit anzusehen und sich aufs Abwarten zu verlegen. Nichts galt damals als schändlicher, als sich ‹unritterlich› verhalten zu haben; so nannte man das.» (E. Bonhoeffer 2005: 22)

Eine mögliche Alternative zum Studium der Theologie wäre für Dietrich die Musik gewesen. Schon jung erwies er sich als ein hervorragender Pianist; auch eigene Klavierbegleitungen zu gemeinsam gesungenen Liedern gingen ihm leicht von der Hand. In der kurzen Zeit zwischen dem Sommer 1919 und dem Frühjahr 1920, in der er zu einer Pfadfindergruppe gehörte, kamen ihm seine musikalischen Fähigkeiten zugute. Die Idee eines Musikstudiums wurde erwogen, konnte sich jedoch gegenüber dem Vorhaben des Theologiestudiums nicht behaupten. Dieser Plan stieß in der Familie keineswegs auf einhellige Zustimmung, wurde jedoch von der Mutter deutlich erkennbar unterstützt. Sie las theologische Bücher, die ihm wichtig waren. Bonhoeffers erste Predigt, die er im Alter von neunzehn Jahren in Stahnsdorf südlich von Berlin hielt, schrieb sie mit eigener Hand ab und arbeitete dabei alle Korrekturen des Predigers ein (9: 485–491).

Nietzsche und andere Schulmänner


Früh entwickelte der Schüler ein ausgeprägtes literarisches Interesse; Theodor Fontanes Stechlin las er im Alter von vierzehn Jahren. Schon im Gymnasium wurden auch seine philosophischen Neigungen gefördert. Der Deutschlehrer Martin Havenstein war bereits zu Bonhoeffers Schulzeit als profilierter Nietzsche-Kenner bekannt. Er hatte Philologie, Philosophie und Theologie studiert und sich zu einem engagierten Pädagogen entwickelt (vgl. Hammerstein 1988; zum Lebenslauf 330 f.). Im Jahr 1906 hatte er Nietzsche gegen den Vorwurf verteidigt, ein «Jugendverderber» zu sein. 1921 veröffentlichte er in einer Festschrift für Elisabeth Förster-Nietzsche, die Schwester des Philosophen, einen Essay über Nietzsche als Erzieher, in dem seine Faszination durch das viel gelesene Nietzsche-Buch Ernst Bertrams (1918, 2. Aufl. 1922) deutlich zu erkennen ist. Bertram gehörte dem Kreis um Stefan George an, war aber zugleich mit Thomas Mann befreundet. Seine Nietzsche-Verehrung trug unverkennbar völkische und elitäre Züge. Auch Havenstein huldigte solchen Vorstellungen; er war davon überzeugt, dass der Pädagoge ein Führer zu sein habe. Als Bonhoeffer sich am 1. Februar 1933 in einem Rundfunkvortrag mit der Gestalt des Führers auseinandersetzte, wird er sich an das «Führen der Jugend» erinnert haben, das ihm in der Gestalt seines Lehrers begegnet war (12: 242–260). Die Orientierung an dieser Aufgabe charakterisierte nach Havensteins Auffassung auch den Erzieher Nietzsche selbst, der nach Meinung von Bonhoeffers Lehrer genau dadurch aller zeitgenössischen pädagogischen Literatur haushoch überlegen war. Die Erziehungsvorstellung Nietzsches zeigte für Havenstein ihre Modernität gerade darin, dass sie Wissen oder Denken nicht als einen Selbstzweck ansah, sondern der Entfaltung der Persönlichkeit unterordnete. «‹Wirf den Helden in deiner Seele nicht weg!› das ist die Mahnung, die dem, der Nietzsche wirklich kennt, aus allen seinen Schriften zuerst und am stärksten entgegenschallt.» (Havenstein 1921: 101)

Der junge Bonhoeffer machte sich das nietzscheanische Lebensgefühl durchaus zu eigen; in einer Ansprache für eine Schülergruppe aus seiner Heimatgemeinde im Berliner Grunewald meinte er in lakonischer Kürze, wer den Zwang mehr liebe als die Freiheit, habe «eine Sklavenseele und die wollen wir doch nicht haben» (9: 491). Nietzsches Abwehr der «Sklavenmoral» wird in der Einführung in den Dekalog, die Bonhoeffer in dieser Ansprache unternimmt, als Gemeingut unterstellt. Nur eine Pflicht, die allen Menschen gemeinsam ist, kann für sich in Anspruch nehmen, keine «Sklavenmoral» zu sein; dies aber ist die Pflicht gegen Gott, der doch der Vater aller Menschen ist (492).

Noch Jahre später, in Bonhoeffers Gemeindevorträgen als Vikar in Barcelona 1928/29, fällt auf, dass er in Nietzsches Umwertung aller Werte, die zu einer Position jenseits von Gut und Böse führt, und sogar in der Rede vom Übermenschen – ganz gegen Nietzsches ausdrückliche Intention – nicht einen dem Christentum feindlichen, sondern einen ihm geradezu adäquaten Sinn entdeckt. Nietzsche befand sich, so urteilt Bonhoeffer, durchaus im Irrtum, wenn er im Übermenschen das Gegenbild des Christen sah. In der Befreiung von der hergebrachten Moral und vom Diktat der öffentlichen Meinung sah Bonhoeffer vielmehr ein Kennzeichen der christlichen Ethik (10: 331). Die eigenständige Rezeption Nietzsches setzte sich bis in die Manuskripte der Ethik und die Briefe aus der Haft fort, wenn auch in der späteren Zeit weit deutlicher durch neue theologische Einsichten gefiltert und geklärt. Da Bonhoeffer nun in der Eröffnung des «Blicks von unten» ein «Erlebnis von unvergleichlichem Wert» sah (8: 38), konnte der Begriff des Übermenschen für ihn keine tragende Bedeutung mehr haben; doch Nietzsches Hinweis darauf, dass eine angemessene ethische Reflexion jenseits von Gut und Böse angesiedelt sei, prägte Bonhoeffers Denken bis zum Schluss.

Auch andere bedeutende Schulmänner gehörten zu Bonhoeffers Lehrern. Hebräisch lernte er von Carl Kappus, der mindestens zwölf Sprachen beherrschte, Mitautor eines bekannten Unterrichtswerks für Latein (Ludus Latinus) war und später zwei Jahrzehnte lang das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in Berlin-Dahlem leitete. In Griechisch unterrichtete ihn Walther Kranz, wie Kappus ein Schüler des berühmten Berliner Altphilologen Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf. Er übernahm 1922 die Verantwortung für die von Hermann Diels begründete Ausgabe der Fragmente der Vorsokratiker, die als...

Erscheint lt. Verlag 18.3.2021
Reihe/Serie Beck Paperback
Zusatzinfo mit 25 Abbildungen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte 20. Jahrhundert • Biografie • Biographie • Camouflage • Dietrich Bonhoeffer • Einsamkeit • Ethik • Gefangenschaft • Glaube • Hinrichtung • Konspiration • Nationalsozialismus • Neuanfang • Religiöse Persönlichkeiten • Theologe • Theologie • unerschütterlich • Widerstand und Ergebung • Wolfgang Huber • Zuversicht
ISBN-10 3-406-76837-7 / 3406768377
ISBN-13 978-3-406-76837-8 / 9783406768378
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