Philosophie der Antike (eBook)

Von den Vorsokratikern bis Augustinus
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2020 | 2. Auflage
124 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-75175-2 (ISBN)

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Philosophie der Antike -  Christoph Horn
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Die Philosophie der Antike umfasst einen Zeitraum von ungefähr 1100 Jahren. Sie bildet eine der bewegtesten und reichsten Perioden der Philosophiegeschichte überhaupt. Vor den Griechen existierte philosophisches Denken nirgendwo im Mittelmeerraum - vielleicht sogar nirgendwo auf der Welt. Die Einführung liefert einen komprimierten Überblick über die wichtigsten Denker und Schulen der antiken Philosophie.

Christoph Horn ist o. Professor für Praktische Philosophie und Philosophie der Antike an der Universität Bonn.

2. Das fünfte Jahrhundert:
Philosophie in der Blütezeit Athens


Das fünfte Jahrhundert v. Chr. ist diejenige Periode der griechischen Geschichte, die einem zuerst in den Sinn kommt, wenn man von den bedeutenden Leistungen der antiken Kultur spricht. Man denkt dann an die großartigen Bauten auf der Akropolis in Athen, an die athenische Demokratie, an die Meisterwerke der Bildhauerkunst (etwa die Plastiken des Phidias), an die griechische Tragödie und an die Erfindung der Geschichtsschreibung bei Herodot und Thukydides. Zweifellos stehen diese Phänomene untereinander in einem engen Zusammenhang: Sie verweisen alle mehr oder weniger direkt auf die Stadt Athen. Dort ergab sich eine besondere Bewusstseinslage, die man als ‹griechische Aufklärung› bezeichnet hat und die mit den Siegen Griechenlands über die östliche Hegemonialmacht Persien am Beginn des Jahrhunderts zusammenhängt: Im Jahr 490 schlug Athen die persischen Truppen bei Marathon, und im Jahr 480 behielt es bei Salamis nochmals gegen die persische Flotte die Oberhand. Mit der Gründung des delisch-attischen Seebunds avancierte Athen zu einer Großmacht. Die wichtigste politische Figur im Athen des 5. Jahrhunderts ist Perikles; nach ihm bezeichnet man die Epoche als ‹Perikleisches Zeitalter›. Es entfaltete sich ein vielfältiges kulturelles und intellektuelles Leben. Athen galt als das «Zentrum (prytaneion, wörtlich: das Rathaus) der griechischen Weisheit» (Protagoras 337d).

Die Philosophie spielt dabei eine ganz wesentliche Rolle: In Athen erlangte sie zugleich mit der Rhetorik eine zentrale Stellung im allgemeinen Bildungsbetrieb. Dieser nahm einen enormen Aufschwung, weil es in der Demokratie für die mitwirkenden Bürger sehr darauf ankam, ihren Einfluss auf die Politik durch wohlüberlegte und gut formulierte öffentliche Auftritte zu sichern. So boten zahlreiche Lehrer für höhere Bildung, die man ‹Sophisten› nannte, einem breiteren Publikum Unterricht gegen Bezahlung an. Die Sophisten (wörtlich etwa ‹Fachleute›, ‹kompetente Männer›) vermittelten primär praktische Fertigkeiten in Rhetorik und Grammatik, lehrten aber auch Argumentationstheorie, Ethik, Politik und Naturphilosophie. Daneben entwickelten viele von ihnen eigenständige Theorien der Erkenntnis, der Sprache, der Religion und der Metaphysik.

Die philosophisch zentrale Figur des Jahrhunderts ist aber zweifellos Sokrates. Cicero schreibt ihm in seinen Gesprächen in Tusculum (V. 10) die Leistung zu, den markanten Übergang von der Naturphilosophie zur Ethik vollzogen zu haben, der für das fünfte Jahrhundert kennzeichnend ist. Es sei Sokrates gewesen, der «die Philosophie als erster vom Himmel herabgerufen und sie in die Städte gebracht» habe; dabei habe er sie «gezwungen, Untersuchungen über das Leben, die Sitten sowie über Güter und Übel» anzustellen. Aber man sollte sich einerseits bewusstmachen, dass viele sophistische und nicht-sophistische Philosophen, die knapp vor Sokrates und gleichzeitig mit ihm lehrten, ebenfalls an normativen Fragen des guten Lebens, der Moral und der Politik interessiert waren. Man kann sich sogar fragen, ob Sokrates nicht selbst den Sophisten zuzurechnen ist. Andererseits muss man sehen, dass auch die ältere Form von Naturphilosophie im fünften Jahrhundert fortgeführt und verfeinert wurde. Diese Fortführung ist wesentlich davon geprägt, dass die Philosophen auf die monistische Herausforderung des Parmenides reagieren: Sie zeigen sich bemüht, eine bleibende, beharrliche Hintergrundstruktur der Welt zu identifizieren und aus ihr den Wandel in der uns bekannten empirischen Welt zu erklären.

Alles das lässt sich gleich beim ersten Philosophen finden, der in den Athener Kontext dieser Zeit gehört: bei Anaxagoras aus Klazomenai (ca. 500–428 v. Chr.). Von ihm sagt man, er habe die Philosophie in Athen eingeführt; jedenfalls war er als erster Philosoph in Athen ansässig. Da er mit dem führenden Politiker Perikles befreundet war, wurde er von dessen Gegnern später attackiert und vor Gericht gezogen. Der Vorwurf an Anaxagoras lautete, er habe sich der Gotteslästerung (asebeia) schuldig gemacht, weil er die Ansicht vertrat, die Sonne bestehe aus «glühendem Metall», der Mond sei von «erdhafter Natur» und bei den Sternen handle es sich um «glühende Felsen». In der verbreiteten griechischen Religion galten die Himmelskörper als Gottheiten. Das Gerichtsurteil bestand aus einer Geldstrafe und der Verbannung aus Athen. Anaxagoras ist damit «der erste Intellektuelle, von dem bekannt ist, dass er seiner Gesinnung wegen verfolgt wurde» (Mansfeld 1986, 156).

Auf die Herausforderung des Parmenides reagiert er, indem er – wie wir dies schon bei Pythagoras und Empedokles sahen – eine invariante Ebene hinter der Erfahrungswirklichkeit annimmt; mit ihrer Hilfe versucht er zu erklären, wie sich Veränderungsprozesse in der uns bekannten Welt vollziehen. Anaxagoras übernimmt aus der älteren Philosophie die Lehre vom Unbegrenzten (apeiron) und den vier Elementen. Diese sind für ihn aber ebenso wenig ‹rein› (unvermischt) wie die Dinge der Erfahrungswelt; vielmehr zeigen auch sie gemischte Merkmale. Nach Anaxagoras existieren unendlich viele Prinzipien, nämlich die gleichteiligen Stoffe und die Gegensätze. Jeder Teil der Welt enthält jeweils sämtliche Eigenschaften, die wir kennen; es ist gleichteilig (homoiomer), und die gleichteiligen Stoffe sind unendlich teilbar. Allerdings sind die Bestandteile faktisch nicht überall gleichverteilt. Vielmehr kommt es zu einer Ausdifferenzierung, indem bisweilen die eine, bisweilen die andere Eigenschaft überwiegt. Entstehen ist also erneut nichts anderes als eine bestimmte Ausdifferenzierung, die sich an vorhandenem Material vollzieht: «Nichts entsteht aus etwas, das nicht ist» (DK 59B17).

Anaxagoras nimmt an, dass am Anfang «alles auf noch undifferenzierte Weise zusammen» war (homou panta). Die Bewegungsursache hinter dem Geschehen auf der Welt ist der Geist (nous). Der nous bildet die einzige unvermischte Entität in Anaxagoras’ Universum. Auf ihn trifft das homou panta also nicht zu. Vielmehr ist der Geist ‹unendlich› (apeiron) und ‹selbstbestimmt› (autokrates: DK 59B11). Indem er den Geist weiterhin als allwissend und in höchsten Maß mächtig beschreibt und ihn als vorhersehende und planende Figur bestimmt, kann Anaxagoras als Begründer der ‹Geistmetaphysik› angesehen werden.

Für eine weitere Reaktion auf Parmenides steht die Schule des Atomismus. Ihr Begründer ist Leukipp, den man nur grob datieren kann (5. Jh. v. Chr.) und von dem wir nicht einmal den genauen Herkunftsort kennen (in Frage kommen Abdera, Milet und Elea). Wir besitzen keinerlei originale Textstücke von ihm. Immerhin ist klar, dass er eine konsequent materialistische oder physikalistische philosophische Richtung ins Leben rief, die allen übernatürlichen und transzendenten Theorieelementen eine Absage erteilte. Sein Atomismus lässt sich aus einigen wenigen Lehrberichten erschließen, etwa bei Diogenes Laertius oder bei Aetius. Für Leukipp besteht die Welt ewig und setzt sich aus genau zwei fundamentalen Größen zusammen: aus unendlich vielen Atomen einerseits und einem unendlich großen, leeren Raum andererseits. Unter ‹Atomen› ist wörtlich ein kleinstes, ‹unteilbares› Teilchen zu verstehen. Atome sind nach Leukipp aber gleichwohl ausgedehnt; sie sind von höchst unterschiedlicher Größe und Beschaffenheit und bewegen sich im Raum in alle möglichen Richtungen. Systematisch gesehen nehmen die Atome und der Raum bei Leukipp also die Stelle des parmenideischen Seins ein, d.h. sie bilden die eigentlich existierende, invariante ontologische Ebene. Anders als im Eleatismus, vergleichbar der Position des Empedokles und des Anaxagoras, soll die invariante Ebene im Atomismus aber auch erklären, was in der veränderlichen Welt geschieht: Atome prallen nämlich aufeinander, bilden Bündel und bewegen sich mit der Summe der Teilgeschwindigkeiten in der beim Zusammenstoß der Einzelbewegungen resultierenden Richtung weiter. Entstehen und Vergehen, wie wir sie aus der Erfahrung kennen, sind somit nichts anderes als die Verbindung bzw. Trennung von Atomen. Auf diese Weise wird vermieden, gegen den metaphysischen Grundsatz ‹Aus Nichts kann nichts entstehen›, wie wir ihn eben bei Anaxagoras fanden, zu verstoßen.

In einer vergleichsweise ungünstigen Lage sind wir auch, was unser Wissen über Leukipps Schüler Demokrit anlangt (ca. 460/57–nach 380 v. Chr.). Zwar hat Demokrit außerordentlich viel geschrieben; ein erhaltener Katalog listet etwa 70 Schriften unter seinem Namen auf. Aber die tatsächlich...

Erscheint lt. Verlag 19.12.2020
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Beck'sche Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Geschichte Allgemeine Geschichte Altertum / Antike
Geschichte Allgemeine Geschichte Mittelalter
Geisteswissenschaften Philosophie Allgemeines / Lexika
Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Philosophie
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
Schlagworte Antike • Antike Philosophie • Aristoteles • Augustinus • Hellenismus • Kaiserzeit • Klassische Philosophie • Philosophie • Philosophiegeschichte • Platon • Platonismus • Vorsokratiker
ISBN-10 3-406-75175-X / 340675175X
ISBN-13 978-3-406-75175-2 / 9783406751752
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