Die Pilotin (eBook)

Roman

(Autor)

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2021 | 1. Aufl. 2021
620 Seiten
Lübbe (Verlag)
978-3-7517-0147-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Pilotin - Amelia Carr
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Frühjahr 1942

Als Bruchpilotin landet die junge Amerikanerin Nancy im Zweiten Weltkrieg auf einer Wiese in der englischen Provinz - und mitten im Herzen ihres Vorgesetzten Mac. Da beide bereits gebunden sind, kämpfen sie gegen ihre Gefühle an ...

Sommer 2006

Nancy vertraut ihrer Enkelin Sarah ihre herzzerreißende Lebensgeschichte an. Was Sarah dabei erfährt, erschüttert die Fundamente der Familie. Es ist die Geschichte einer großen Liebe, die Sarah so tief beeindruckt, dass sie ihr eigenes Leben überdenkt ...

Ritchie

Heute bin ich ausnahmsweise mal ganz optimistisch. Die Kleine – Jodie Polanski stand auf dem Anmeldeformular – hat bei dem Schnupperflug ihren Spaß gehabt. Dafür habe ich schon gesorgt. Während wir über die Everglades flogen, habe ich sie eine Zeit lang steuern lassen, und als ich selbst gesteuert habe, habe ich ihr ein paar Kunststückchen vorgemacht. Das hat schon gereicht, dass sie vor Vergnügen kreischte wie auf einer Achterbahn in Orlando. Auf dem Rückflug Richtung Varna betrachte ich sie unauffällig von der Seite. Sie ist ganz rosa vor lauter Aufregung, kaut voller Konzentration mit den kleinen perlweißen Zähnen auf der Unterlippe herum und hält das Steuerhorn umklammert, als gelte es ihr Leben. Ich glaube, mein Einsatz hat sich gelohnt; sie wird bestimmt einen ganzen Kurs buchen. Ich überschlage schon mal im Kopf, wie viel Geld uns das einbringen wird. Pi mal Daumen dreißig Flugstunden, bevor sie ihren Schein bekommt – vielleicht noch ein paar mehr, wenn ich die Stundenzahl ein wenig erhöhe, ehe ich sie allein fliegen lasse –, und dann natürlich noch die Miete für das Flugzeug.

»Sie sind ein Naturtalent«, lobe ich sie. »Sie fliegen wie ein Vogel!«

Sie kichert. »Es ist einfach super. Ganz toll.«

»Und – wollen Sie’s mal probieren? Ein paar Stunden pro Woche, und Sie könnten den Schein noch vor Thanksgiving in der Tasche haben!«

Sie seufzt tief. »Ich würde ja zu gern. Aber diese Schnupperstunde war ein Geburtstagsgeschenk von meinem Freund. Ich könnte mir das gar nicht leisten. Ich gehe ja noch zur Schule.«

Ich greife nach dem Trimmrad, dabei streife ich ihren Arm ganz leicht mit meinem.

»Dann überreden Sie ihn doch, dass er Ihnen die Flugstunden bezahlt. Sagen Sie ihm, wie toll es ist, wenn er später mal seine eigene Privatpilotin hat, wenn er ein reicher Businessman ist, der schnell von hier nach da kommen muss.«

Sie lacht und schüttelt den Kopf. »Das wird er mir kaum abnehmen. Er ist genauso pleite wie ich. Diese halbe Stunde hat schon das ganze Geld aufgebraucht, das er sich zwei Wochen lang beim Regale einräumen im Supermarkt verdient hat.«

»Das ist ja wirklich ein Jammer.« Obwohl ich innerlich fluche, lasse ich mir nichts anmerken und bleibe freundlich. Es soll schließlich auf keinen Fall so wirken, als hätten wir Kundschaft dringend nötig. Vielleicht ändert sie ihre Meinung ja noch und kann ihren alten Herrn überzeugen, dass er ihr die Stunden bezahlt. Aber mir ist klar, dass ich meine Zeit vertue. Ich erleide einen Rückschlag nach dem anderen. Nie ist mir etwas einfach so zugefallen. Manche Leute behaupten ja von sich, sie wären unter einem Glücksstern geboren. Ich kann bloß sagen, dass es verdammt dunkel gewesen sein muss, als ich das Licht der Welt erblickte.

Während ich eine Runde über den Flugplatz von Varna drehe, sehe ich auf dem Parkplatz schon das nächste Problem auf mich warten. Dieses weiße Cabrio würde ich überall wiedererkennen. Es gehört Mary-Lyn, meiner dritten und anspruchsvollsten Exfrau. Jedenfalls ist es auf sie zugelassen. Bezahlen tue ich dafür. Was zum Teufel will sie denn jetzt schon wieder von mir? Weiß sie denn nicht, dass sie mir schon das letzte Hemd ausgezogen hat? Aber sie ist ganz bestimmt nicht bloß vorbeigekommen, um mal Hallo zu sagen. Nein, nicht Mary-Lyn. Die will was von mir. Das will sie immer.

Warum zum Teufel musste ich sie bloß heiraten? Man sollte meinen, ich hätte es besser wissen müssen. Zwei gescheiterte Ehen hatte ich schließlich schon hinter mir – da sollte man doch meinen, ich hätte meine Lektion gelernt. Aber nein – ich war genauso blöd wie immer. Bin sehenden Auges in mein Unglück gerannt und habe gehofft, dass es diesmal schon klappen würde.

Das hatte ich auch vorher schon zweimal gehofft. Das erste Mal kann man wahrscheinlich noch irgendwie entschuldigen. Diane und ich sind miteinander gegangen, seit wir beide vierzehn waren. Ich wollte sie so sehr, dass es schon wehtat. Und die einzige Möglichkeit, wie ich sie haben konnte – und damit meine ich »haben« im wahrsten Sinne des Wortes –, war, sie zu heiraten. Und wenn ich ganz ehrlich bin, wollte ich vielleicht auch meinen Bruder John endlich einmal bei etwas übertrumpfen. Ich hatte schon alles mögliche andere versucht – und war jedes Mal kläglich gescheitert. So konnte ich wenigstens der Erste von uns sein, der vor dem Altar stand. Allerdings ist es nicht ganz so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ja, eine Zeit lang war es prima, aber dann wurden wir erwachsen und entwickelten uns auseinander. Wir hatten nichts, aber auch gar nichts mehr gemeinsam – noch nicht mal den Sex. Und dann waren wir eigentlich beide erleichtert, als wir uns dazu durchgerungen hatten, die Sache zu beenden.

Chrissie, Gattin Nummer zwei, hat mich regelrecht erstickt. Sie war total eifersüchtig und besitzergreifend. Ich konnte nicht mal pinkeln gehen, ohne sie vorher um Erlaubnis zu bitten. Sie hatte diese fixe Idee, dass man als Ehepaar aneinander hängen muss wie siamesische Zwillinge. Dass wir alles gemeinsam unternehmen müssten, am besten noch im Partnerlook gekleidet, dass wir ständig Händchen halten und den Satz des anderen beenden müssten. Dauernd fummelte sie an mir rum, streichelte mir die Hand, das Knie oder den Nacken, sogar wenn andere dabei waren. Sie machte meine Post auf. Sie lieh sich mein Handy und loggte sich auf meinem PC ein. Sie ließ mich keine Sekunde in Ruhe. Das machte mich wahnsinnig. Ich ließ mich mit anderen Frauen ein in der Hoffnung, dass sie mich in den Wind schießen würde, wenn sie herausfand, was ich für ein mieser Typ war – aber sie klammerte bloß noch mehr. Schließlich zog ich aus, verfolgt von ihren Selbstmorddrohungen. Ich hatte eine Scheißangst, dass sie sie wahrmachen würde, aber noch mehr fürchtete ich, dass ich ihr etwas antun könnte, wenn ich noch länger bliebe. Nicht lange danach lernte sie einen Makler aus New England kennen, der seinen Urlaub in Florida verbrachte, und heiratete ihn. Soviel ich weiß, haben die beiden inzwischen drei Kinder, und ich habe Chrissie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gesehen.

Man sollte meinen, dass ich nach diesen Erfahrungen so viel Verstand gehabt hätte, mich nicht noch einmal an eine Frau zu binden. Doch ich bin einfach zu blöd, ich kann wohl nicht anders. Ich habe immer noch diese bescheuerte Vorstellung, dass es schon eines Tages klappen wird, wenn ich mich nur ordentlich anstrenge. Dass ich dann ein bisschen mehr werde wie John und ein bisschen weniger wie ich. Trotzdem sollte man meinen, dass ich Mary-Lyn hätte richtig einschätzen müssen. Glamourös, zwanzig Jahre jünger als ich und mit einem anspruchsvollen Geschmack, der sich nicht nur auf schnelle Autos, sondern auf den ganzen Lebensstil erstreckt. Und man kann auch nicht sagen, dass mich meine Familie und Freunde nicht vorgewarnt hätten.

Monica zum Beispiel hatte mich zu warnen versucht.

»Also, wenn du mich fragst: Diese Frau ist total geldgeil«, hatte sie mir unverblümt gesagt. Wir saßen nach einem langen Arbeitstag in Vinny’s Bar und führten ein vertrauliches Gespräch bei einer Flasche Wein. »Die ist doch bloß hinter deinem Geld her.«

Darüber musste ich lachen. »Ich habe doch gar kein Geld.«

»Das weiß sie aber nicht«, wandte Monica ein. »Sie sieht bloß den Chef einer Flugfirma vor sich und hält dich für einen wohlhabenden Mann. Und so, wie du sie mit Blumen und Geschenken überhäufst, glaubt sie, sie hat das große Los gezogen.«

»Aber nicht doch! Sie ist einzig und allein meinem Charme erlegen, Monica«, witzelte ich. »Du weißt doch, ich bin unwiderstehlich – gib’s doch zu!«

»Wenn du meinst.« Monica drehte ihr Glas zwischen den Händen und klopfte mit ihren langen Fingernägeln dagegen. Das Geräusch ging mir auf die Nerven; vielleicht war mir auch bloß bewusst, wie nahe sie der Wahrheit gekommen war. »Ich will nur nicht noch mal mit ansehen, wie du verletzt wirst, Ritchie.«

»Hey – vergiss nicht, ich bin schon ein großer Junge! Ich kann auf mich selbst aufpassen.«

»Amüsier dich, wenn’s unbedingt sein muss. Aber, um Himmels willen, heirate bloß nicht noch mal!«

Sie klang genau wie meine Mutter, und das sagte ich ihr auch. Sie schien es als Kompliment zu betrachten.

Doch trotz aller Warnungen – oder vielleicht gerade deswegen – heiratete ich Mary-Lyn. Und genau wie es alle vorausgesagt hatten, ging auch diese Ehe wie die beiden ersten den Bach runter. Vor gut einem Jahr haben wir uns getrennt, und ich bin wieder bei meiner Mutter eingezogen. Ich habe mir eingeredet, dass sie in ihrem Alter nicht mehr allein leben sollte, dabei war mir eigentlich ziemlich klar, dass der wirkliche Grund ein anderer war: Ich hätte es mir gar nicht leisten können, irgendwo anders zu wohnen. Mehr als ein Jahr ist das jetzt her, aber Mary-Lyn meint immer noch, ich müsse ihren Lebensstil finanzieren. Ich zahle ihr einen großzügigen Unterhalt, bezahle die Hypotheken für unser ehemals gemeinsames Haus und die Raten für ihr Auto, ebenso wie alle anfallenden Rechnungen. Sie ruiniert nicht nur mich, sondern auch die Firma, und entweder merkt sie es gar nicht, oder es ist ihr egal.

Ich bringe Jodie ins Büro, um sie zu verabschieden, und gebe Monica mit einem leichten Kopfschütteln zu verstehen, dass wir mit weiteren Buchungen von Flugstunden wohl nicht zu rechnen haben. Der Freund wartet schon auf sie, er sitzt auf einem der gepolsterten Stühle und hält eine leere Kaffeetasse in der Hand, vor ihm auf dem Tisch liegt ein Stapel Flugzeitschriften. Zusammen verlassen sie das Gebäude, Jodie hängt an seinem Arm und plappert aufgeregt von ihrem...

Erscheint lt. Verlag 29.1.2021
Übersetzer Ute Leibmann
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel Dance with Wings
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • England / Großbritannien • Familie • Familiengeheimnis • Frauenschicksal • Jackie Cochrane • Kampfpilotin • Kate Morton • Liebe / Beziehung • Lucinda Riley • Luftfahrt • Pionierinnen • Roman über Familienleben • Schicksale und Wendepunkte • Sonstige Belletristik • Starke Frauen • USA • Verbotene Liebe
ISBN-10 3-7517-0147-8 / 3751701478
ISBN-13 978-3-7517-0147-1 / 9783751701471
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