Wenn die Hoffnung erwacht (eBook)

Roman

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
480 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-26278-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wenn die Hoffnung erwacht -  Lilli Beck
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Er gibt ihr ein Versprechen. Er will sie immer lieben, immer für sie da sein. Doch dann kommt alles anders ...
Deutschland 1947: Nora wird von ihrer Freundin zu einer deutsch-amerikanischen Silvesterfeier eingeladen und ist überwältigt, als sie dort den attraktiven US-Officer William kennenlernt. Lange versucht sie, die frisch entflammte Liebe vor ihrem Vater geheim zu halten, doch als sie ein Kind erwartet und William in die USA zurückbeordert wird, bleibt ihr nichts anderes übrig, als Farbe zu bekennen. Ihr Vater ist außer sich, hat aber bald eine Lösung parat, die Nora zu einer wohlhabenden Frau werden ließe und für die Familie finanzielle Vorteile hätte. Nora, die nicht daran denkt, in den Plan einzuwilligen, flieht mit ihrem Sohn nach München, wo ihr auf der Straße eine fiebrige, verwirrt wirkende junge Frau begegnet. Sie begleitet Celia nach Hause, zur Villa der wohlhabenden Wagners, und ahnt nicht, dass ihr Schicksal eine überraschende Wendung nehmen wird ...

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2. Wie der Wind und das Meer
3. Mehr als tausend Worte

Lilli Beck wurde 1950 in Weiden/Oberpfalz geboren und lebt seit vielen Jahren in München. Nach der Schulzeit begann sie eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau. 1968 zog sie nach München, wo sie von einer Modelagentin in der damaligen In-Disko Blow up entdeckt wurde. Das war der Beginn eines Lebens wie aus einem Hollywood-Film. Sie arbeitete zehn Jahre lang für Zeitschriften wie Brigitte, Burda-Moden und TWEN. Sie war Pirelli-Kühlerfigur und Covergirl auf der LP Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz von Marius Müller-Westernhagen.

1

Regensburg, Mittwoch, den 31. Dezember 1947

BEHUTSAM STECKTE NORA den Nagellackpinsel zurück in das Fläschchen, um die frisch lackierten Fingernägel nicht zu ruinieren, und drehte es ordentlich zu. Anschließend streckte sie beide Hände aus und betrachtete ihr Werk; das warme Rot sah richtig schick aus, sogar ein bisschen verwegen.

»Jetzt bloß nichts anfassen, sonst machst du Kratzer in den Lack«, mahnte ihre Freundin Hedi. »Richtig trocken ist er nämlich erst nach zwanzig Minuten. Kannst ein bisschen pusten, dann geht es schneller.«

Vorsichtig pustete Nora über den glänzenden Lack. Es waren die ersten roten Nägel ihres Lebens, für den ersten Ball ihres Lebens. Wenn ihr Vater davon erführe, würde er sie trotz ihrer knapp zwanzig Jahre vermutlich in den Keller sperren wie ein kleines Mädchen und erst an Heiligdreikönig wieder rauslassen. Doch weder er noch die Mutter hatten den leisesten Schimmer, wo sie um Mitternacht tanzen würde. Sie hatte glaubwürdig genug von einer geplanten Silvesterfeier bei Hedi geschwärmt und schließlich die Erlaubnis bekommen, der Freundin schon am Nachmittag bei den Vorbereitungen zu helfen und bis ein Uhr morgens zu bleiben.

»Ich kann es kaum erwarten, bis wir endlich losgehen«, sagte Nora zehn Minuten später. Sie war ganz zappelig vor Ungeduld und gleichzeitig so aufgeregt wie als Kind zu Weihnachten, als noch Spielsachen unterm Christbaum lagen und nicht nur nützliche Kleidungsstücke wie in den letzten Kriegsjahren. Als ihr Vater keine Ansprachen von Hitler im Radio versäumt und bei jeder Mahlzeit mit großer Bewunderung über den Führer gesprochen hatte, bevor der und seine Gefolgschaft die Welt in Schutt und Asche gelegt hatten.

»Ich würde am liebsten sofort losgehen, aber es ist erst vier Uhr nachmittags, es dauert also noch«, riss Hedi sie aus ihren Gedanken. »Teste mal mit der Zungenspitze an einem Nagel, ob es ein wenig brennt. Wenn nicht, ist der Lack trocken. Hat mir eine unserer Köchinnen verraten, die früher mal Kosmetikerin war.«

Nora legte die Zunge vorsichtig auf den Daumennagel. »Brennt nicht«, verkündete sie und sah die Freundin erwartungsvoll an.

Hedi deutete auf den Schrank mit dem eingelassenen Spiegel in der Tür, in dem ihre Kleider auf Holzbügeln hingen.

»Wie wär’s mit einer Generalprobe? Wenn irgendwas nicht passt oder sitzt, hätten wir noch genug Zeit, um es zu ändern.«

Nora stimmte begeistert zu. Nachdem sie sich umgezogen und der Freundin bei dem rückwärtigen Reißverschluss geholfen hatte, betrachtete sie sich in dem blank geputzten Kristallspiegel. Er reflektierte zwei Mädchen, die ungleicher nicht hätten sein können. Ihre dunkelhaarige Freundin mit dem runden Gesicht, den braunen Augen, dem lasziv geschwungenen Mund, der ein wenig zu stark geschminkt war, trug ein Kleid aus moosgrünem Taft, das sich um ihre üppigen Kurven schmiegte. Neben der aufreizend wirkenden Hedi empfand sich Nora oft als etwas unscheinbar. Doch das neue Kleid aus dunkelblauem Brokat mit dem engen Oberteil, der schmalen Taille und dem weit schwingenden Rock betonte vorteilhaft ihre zierliche Figur. Die Seitenpartien ihres goldblonden Haars hatte sie mit Kämmen hochgesteckt; der Rest fiel in weichen Wellen auf ihre Schultern. Die dichten getuschten Wimpern betonten ihre veilchenblauen Augen, und auf den Lippen schimmerte ein sanftes Rot, passend zu den Nägeln.

»Ich finde, wir sehen wie Filmstars aus«, sagte Hedi und kommandierte: »Umdrehen, Nähte kontrollieren.«

Nora drehte sich bereitwillig um. Hedi hatte heißbegehrte Nylons mit Naht organisiert, die absolut gerade sitzen mussten, um das Bein zu betonen. Nora gefiel, was sie sah. Was ihr weniger gut gefiel, waren ihre kleinen Brüste. Doch das geschickt drapierte Oberteil täuschte wenigstens etwas Fülle vor. Dennoch würde sie niemals so beachtet werden wie Hedi, deren üppiger Busen stets die Blicke aller Männer auf sich zog. Obwohl ihr Bewunderung an diesem Tag nicht so wichtig war. Sie freute sich aus einem ganz anderen Grund auf die Silvesterfeier.

Nach einem Stück Fußweg und einer kurzen Fahrt mit der Straßenbahn gelangten sie von der Kreuzgasse, wo Hedi bei ihren Eltern lebte, ins noble Westenviertel. Und zwar zum Anwesen einer ehemaligen Nazigröße, das die amerikanische Militärregierung beschlagnahmt hatte.

Staunend betrachtete Nora die imposante Gründerzeitvilla, deren Eingang von zwei schlanken Säulen flankiert und von einem Balkon überdacht war. In den links und rechts aufgestellten Blumenkübeln steckten Fackeln, deren rotgoldenes Licht die Fassade erhellte. Nora vermochte nicht die kleinste Spur von Luftangriffen an der Villa zu erkennen, als hätten die Alliierten das oberpfälzische Regensburg weiträumig umflogen.

Ich würde alles dafür geben, in so einem Palast zu leben, dachte sie, weit weg von meinem einengenden Zuhause.

Hedi, die als Küchenhilfe im amerikanischen Offizierscasino Gemüse putzte und Geschirr spülte, war das Kunststück gelungen, zur Silvesterfeier eingeladen zu werden. »Die Besatzer leiden unter Frauenmangel, und junge deutsche Mädchen sind hochwillkommen«, hatte sie erklärt. Nora hatte dennoch gezögert, nicht nur, weil ihr ein passendes Kleid gefehlt hatte, sie fürchtete auch ihren Vater, der jeden ihrer Schritte kontrollierte. Der ihr rigoros verboten hatte, mit »Amis« auch nur ein Wort zu wechseln. Obwohl das Fraternisierungsverbot schon im Oktober 1945 aufgehoben worden war, predigte er bei jeder Gelegenheit: »Diese Soldaten haben nichts anderes im Sinn, als unsere anständigen deutschen Frauen mit starken Schnäpsen wehrlos zu machen und dann zu schänden.« Bislang hatte Nora sich von den GIs ferngehalten, nicht auf ihr Winken und ihre »Hallo Frowlein«-Rufe reagiert und wäre niemals in einen Jeep eingestiegen. Doch als Hedi von der Silvesterfeier schwärmte: »Du kannst essen und trinken, bis du platzt, und musst keinen Pfennig bezahlen«, hatte sie ihre Bedenken weggewischt wie lästige Fliegen. Zu verlockend war der Gedanke, einmal nicht mit Magenknurren einschlafen zu müssen. Zu Hause war der Hunger Dauergast, Weihnachten hatten sie wegen fehlender Zutaten keine Plätzchen backen können, und heute, am letzten Tag des Jahres, hatte nur ein armseliger falscher Braten auf dem Mittagstisch gestanden. Zubereitet aus Haferflocken, weich gekochten Linsen und etwas Wurzelgemüse. Echtes Fleisch oder richtige Wurst waren noch immer absoluter Luxus, und die Zuteilung von vierzehn Gramm pro Person und Tag entsprach gerade mal einer Scheibe Wurst. Nach wie vor bildeten sich lange Schlangen vor den Geschäften, weil man nur auf Lebensmittelkarten einkaufen konnte. Hamsterfahrten und Stromsperren waren ebenso an der Tagesordnung wie kriminelle Bäcker, die Gipsmehl oder Sägespäne in den Brotteig mischten. Es herrschte immer noch Krieg, auch wenn nicht mehr geschossen wurde, niemand mehr die Nächte wegen der Luftangriffe im Keller verbringen musste und tatsächlich Männer aus der Gefangenschaft zurückkehrten.

»Nora, hast du etwa Angst?« Hedi ergriff ihre Hand und zog sie durch die eiserne Gartenpforte. »Der hinterfotzige Obernazi ist längst über alle Berge. Und vor den GIs muss dir nicht bange sein. Wenn die schöne Mädchen wie uns sehen, werden sie zahm wie junge Hunde und wedeln auch mit den Schwänzchen«, endete sie laut lachend.

»Ich bin nur wegen des Essens hier«, erinnerte Nora die Freundin und folgte ihr durch den Garten.

Schneereste knirschten unter Noras dünnen Sohlen, feine Flocken wirbelten durch die Nachtluft, und eine Windböe schubste sie vorwärts wie eine freundliche Hand, die sie in ein Wunderland führen wollte. Weit weg vom rückständigen katholischen Regensburg, in ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo Träume wahr und Tellerwäscher angeblich zu Millionären werden konnten. In ein Leben ohne Not und Trümmerberge, obgleich ihre Heimatstadt Regensburg längst nicht so zerstört worden war wie Berlin oder München, wovon Radionachrichten und Zeitungen ausführlich berichtet hatten.

Fünf Eingangsstufen führten zu einem schweren Eichenportal, das nur angelehnt war. Vorsichtig traten Nora und Hedi ein und gelangten in ein weitläufiges Vestibül.

»Welcome«, begrüßte ein junger Soldat sie mit einem freundlichen Lächeln, nahm ihnen die Mäntel ab und wünschte augenzwinkernd: »Have fun!« Mit ausgestrecktem Arm deutete er auf eine halb offene Doppeltür, aus der flotte Swingrhythmen drangen. »This way

»Wir kommen viel zu spät, die Party ist längst in vollem Gange«, zischelte Nora ihrer Freundin zu, als sie einen halben Schritt nach ihr einen saalartigen Raum betrat.

»Keine Sorge, die Amis sind nicht so förmlich, hier gibt es keine mürrischen Gesichter, wenn man etwas später kommt. Und Büfett bedeutet, dass den ganzen Abend was auf dem Tisch steht.«

»Hoffentlich«, entgegnete Nora leise, während ihr Blick auf einen gigantischen Weihnachtsbaum fiel, der am anderen Ende des Raumes erstrahlte. Welch eine Pracht! Noch nie hatte sie solch einen schönen, mächtigen Baum gesehen: eine Blautanne, die bis zur Decke reichte, dicht mit bunten Kugeln, knallroten Kerzen und silbern glitzernden Girlanden geschmückt. Dagegen war die kümmerliche Fichte im heimischen Wohnzimmer nur ein armseliger Versuch, Weihnachten nach Hause zu holen.

Hedi hakte sich unter, flüsterte aufgeregt: »Hier werden wir uns bestens amüsieren«, und zog sie mit sich durch den...

Erscheint lt. Verlag 14.6.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1947 • Carmen Korn • Charlotte Roth • eBooks • Historische Liebesromane • Historischer Liebesroman • Historische Romane • Liebesromane • München • Nachkriegsdeutschland • Regensburg • Verbotene Liebe
ISBN-10 3-641-26278-X / 364126278X
ISBN-13 978-3-641-26278-5 / 9783641262785
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