Abigail Cooper verabscheut Cameron Montgomery vom ersten Augenblick an, als er das Gestüt ihrer Familie betritt. Der reiche Erbe einer Hoteldynastie soll in den Silver Brook Stables auf Stonebridge Island Sozialstunden ableisten. Abigail, die zusammen mit ihren beiden Schwestern das Gestüt leitet und sich als Therapeutin für traumatisierte Kinder engagiert, hat weder Zeit noch Lust, sich um den neuen Mitarbeiter zu kümmern. Doch zu ihrer Überraschung ist Cameron nicht nur entsetzlich attraktiv, sondern auch noch ungemein charmant. Wenn da nur die Vorgeschichte nicht wäre, die ihn auf das Gestüt geführt hat ...
Hinter dem Pseudonym Ella Thompson verbirgt sich die SPIEGEL-Bestsellerautorin Jana Lukas. Nach Möglichkeit verbringt sie jeden Sommer an der Ostküste der USA. Ihre persönlichen Lieblingsorte sind die malerischen New-England-Küstenstädtchen. An den endlosen Stränden genießt sie die Sonnenuntergänge über dem Atlantik - am liebsten mit einer Hundenase an ihrer Seite, die sich in den Wind reckt.
1
Abby atmete tief ein und schloss für einen Moment die Augen. Die Märzsonne schickte ihre ersten Strahlen vom blauen Himmel, ließ sie zart über ihr winterblasses Gesicht tasten. Der Wind hingegen, der ihr in die Wangen kniff, trug noch immer die Kälte des Winters in sich. Er riss an ihrer dicken Wollmütze und zerzauste die blonde Mähne ihrer Palomino-Stute Ebba. Das Pferd schnaubte leise, als sie an die Klippe traten. Unter ihnen brandete der Atlantik gegen die schwarzen Felsen, die den Naturgewalten seit Jahrtausenden trotzten. Weiter draußen durchschnitt das Boot eines Hummerfischers die glatte Oberfläche des Ozeans. Vielleicht Jacob Wilkinson und seine Crew auf dem Weg zu seinen Hummer-Fallen.
Abby zog ihren Schal ein Stück höher, um ihr Gesicht vor den eisigen Böen zu schützen, und blickte in die halbmondförmige Bucht hinunter, die jetzt ihrer Familie gehörte. Es juckte ihr in den Fingern, den schmalen Pfad hinunterzureiten und mit Ebba über den feinen, grauen Sand zu preschen. Aber dafür würde sie heute keine Zeit haben. Je länger sie hier draußen herumtrödelte, desto länger schob sie das Unvermeidliche auf. »Na komm, Süße«, sagte sie leise und wendete Ebba. Ein Stück trabten sie an der Klippe entlang, bevor sie auf den Pfad abbogen, der sie durch den Pinienhain führen würde. Abby hasste Abschiede, aber sie konnte sich nicht davor drücken, Gabriella Lebwohl zu sagen. Auch wenn sie schon jetzt einen Kloß im Hals hatte und ihre Assistentin – ehemalige Assistentin, verbesserte sie sich – heulen würde wie ein Schlosshund. Sie ließ Ebba in einen Galopp fallen und genoss die Geschwindigkeit, mit der die alten Bäume an ihr vorbeiglitten. An Stellen, die die Sonne noch nicht erreicht hatte, wurde das dunkle Moos von hartnäckigen Schneeresten bedeckt. Der Winter hatte den Nordosten Maines noch nicht aus seinen Klauen entlassen. Laut Wetterbericht würde er in den nächsten Tagen noch einmal zuschlagen – nichts Ungewöhnliches im März. Doch im Moment war der Waldboden weich, und das Trommeln von Ebbas Hufen klang leise. Abby mochte den Rhythmus, die Einheit, zu der ihr Pferd und sie verschmolzen. Sie liebte den Geruch nach feuchter Erde, Wald und Meer, der sie hier draußen im Frühling begleitete. Und den immer präsenten warmen Pferdeduft.
Abby musste nicht auf die Uhr sehen, um zu wissen, dass ihr die Zeit langsam davonlief. Sie musste zurückkehren. Gabriella wartete mit Sicherheit längst auf sie. Statt ihren Ausritt in Richtung Seal Rock Hall auszudehnen, entschied sie sich für den Weg an der Fohlenkoppel der Silver Brook Stables entlang und kehrte auf den Hof zurück. Sie ließ die knorrigen Nadelbäume hinter sich und Ebba wieder in Trab fallen. Eine Möwe schoss an ihr vorbei, segelte für einen Moment neben ihnen her und drehte dann wieder ab in Richtung Ozean. Als Abby den Hof erreichte, kam Josh Walsh aus dem Stutenstall. Er blieb stehen und sah ihr entgegen.
»Guten Morgen, Josh«, grüßte sie den Vorarbeiter, als sie Ebba neben ihm halten ließ.
»Morgen, Abby. Hallo, meine Schöne.« Er tätschelte Ebba zur Begrüßung den Hals und griff dann nach ihrem Zügel. »Du kannst sie mir überlassen«, bot er Abby an. »Gabriella wartet schon auf dich.«
Abby sah zu ihrer Praxis hinüber. Das kleine Holzhaus, das wie alle Ställe und Scheunen auf dem Hof dunkelrot gestrichen war, hatte früher als Wirtschaftsgebäude des Gestüts gedient. Beim Neubau des Hengststalles waren neue Wirtschaftsräume integriert worden. Ein paar Jahre hatte das Häuschen leer gestanden, ehe Abby ihrem Leben in Portland den Rücken gekehrt und hier einen Neustart gewagt hatte. Einen Neustart, bei dem Gabriella vom ersten Moment an dabei gewesen war.
Sie saß ab und strich Ebba über die Nase. »Danke«, sagte sie zu Josh und straffte die Schultern. Es machte keinen Sinn, das Unvermeidliche noch weiter hinauszuzögern. Die Tür der Praxis stand offen. Als Abby die beiden Stufen zu der kleinen Veranda hinaufstieg, drehte sich Gabriella zu ihr um und schniefte. Sie war dabei, ihre letzten Habseligkeiten in einen Karton zu packen, der auf dem kleinen Schreibtisch stand.
»Ich kann nicht glauben, dass ich wirklich gehe«, sagte Gabriella mit zittriger Stimme. Die Freundin verzog den Mund und fuhr mit dem Handrücken über ihre Augen. Abbys dunkelbrauner Labrador Charlie trabte zu ihr hinüber und setzte sich neben sie, damit sie ihn streicheln konnte. Seine persönliche Version von ›den Abschiedsschmerz verringern‹. »Ich habe mir nie vorstellen können, jemals etwas anderes zu machen. Oder woanders zu leben.« Gabriella schluchzte laut, und Charlie rückte noch ein wenig näher an sie heran.
»Komm schon.« Abby bemühte sich um eine fröhliche Stimme, obwohl ihr der Abschied nicht weniger schwerfiel. Sie umarmte Gabriella, soweit das der dicke Bauch ihrer Freundin zuließ. »Jetzt beginnt ein neuer, wundervoller Lebensabschnitt. Aufregend und spannend.«
»Aber Boothbay ist so weit weg«, widersprach Gabriella. »Ich werde dich so vermissen. Ich werde alles hier vermissen. Dich auch, Charlie.« Sie beugte sich zu dem geduldigen Hund hinunter und kraulte ihn ausgiebig hinter den Ohren, wie er es liebte.
Abby legte ein rosa eingewickeltes Päckchen in den Karton. »Nicht aufmachen«, warnte sie, als ihre Freundin danach greifen wollte. »Das ist für Gabby Junior.« Sie hatte das süße Babyjäckchen im Gift Store in Home Port entdeckt. Es war von einer der Handarbeiterinnen aus Sandy Beach genäht worden. »Und für dich ist das.« Sie reichte Gabriella ein gerahmtes Foto, das sie beide zeigte. Zwischen ihnen stand Acapulco, das Therapiepferd, das Gabriella ausgebildet hatte. »Wenn die kleine Lady alt genug ist, kommt ihr uns besuchen. Dann bekommt sie ihre erste Reitstunde von mir.«
Bis zu diesem Moment hatte Gabriella sich noch irgendwie zusammengerissen, doch nun ließen sich die Tränen nicht mehr stoppen. Sie lachte und weinte gleichzeitig. Genau wie Abby war sie auf der Insel aufgewachsen. Nach ihrem Highschool-Abschluss hatte sie begonnen, für die Silver Brook Stables zu arbeiten. Sie liebte Pferde. Und sie hatte ein gutes Händchen im Umgang mit Menschen. Als Abby ihre Praxis vor zwei Jahren nach Stonebridge Island verlegt hatte, hatte Gabriella sich als Betreuerin für das therapeutische Reiten weitergebildet und war zu ihrer rechten Hand geworden. Sie waren ein tolles Team gewesen. Doch nun, im achten Monat schwanger, zog sie in die Nähe ihrer Schwiegereltern, ein paar Stunden die Küste hinunter. Ihr Mann hatte in seinem Heimatort als Hummerfischer Arbeit gefunden, und sie würde dessen Familie um sich haben. »Ich komme dich besuchen«, versprach Gabriella. Sie umarmte Abby noch einmal fest. »Ich hoffe, du findest einen guten Nachfolger für mich.«
»Wer soll dich schon würdig ersetzen?«, fragte Abby lächelnd.
»Niemand. Das ist doch klar.« Gabriella wischte sich mit einer entschlossenen Bewegung die Tränen von den Wangen und warf einen Blick auf ihre Uhr. »Ich gehe jetzt, bevor mich meine Hormone in einen echten Heulkrampf ausbrechen lassen.«
Sie griff nach dem Karton mit ihren Habseligkeiten, doch Abby schob ihre Hände sanft zur Seite. »Den nehme ich.« Sie trug ihn zum offen stehenden Kofferraum von Gabriellas kleinem SUV und stellte ihn neben die anderen Sachen, die dort bereits gestapelt waren. Ihre Reitstiefel. Ihr Sattel. Und ein paar Klamotten, die sich mit der Zeit in der Praxis und den Ställen angesammelt hatten.
Gabriella zog eine Dose Pferdeleckerli unter der Daunenweste mit dem Logo des Gestüts hervor, die sie im Winter oft getragen hatte. »Die sind für Acapulco. Der verfressene Kerl liebt die Dinger.« Sie umarmte Abby ein letztes Mal und kraulte Charlie unter dem Kinn, ehe sie sich mit ihrem Babybauch ungelenk hinter das Steuer klemmte und die Tür zuzog.
Abby winkte ihr nach, als sie langsam davontuckerte. Dann legte sie Charlie die Hand zwischen die Ohren. Der Hund sah voller Liebe zu ihr auf. »Dann sind wir nur noch zu zweit«, murmelte sie und blinzelte gegen das Brennen in ihren Augen an. Gabriella war ein Glücksgriff gewesen. Und eine große Stütze, als Abby ihre Arbeit in Portland aufgegeben hatte und auf die Insel zurückgekehrt war, auf der sie aufgewachsen war.
Abby hatte als Psychologin in einer Praxis gearbeitet, die sich auf Traumabewältigung und posttraumatische Belastungsstörungen spezialisiert hatte. Vor zwei Jahren hatte ein schrecklicher Moment ihre Welt aus den Angeln gehebelt und alles infrage gestellt, was sie die Lehrbücher und Vorlesungen gelehrt hatten. Ein Moment, der dazu geführt hatte, dass Abby ihren Job an den Nagel gehängt und beschlossen hatte, zu therapeutischem Reiten zu wechseln. Sie hatte eine Praxis auf dem Gestüt ihrer Familie eröffnet, und Gabriella hatte ihr von Anfang an viel Arbeit abgenommen. Sie musste wirklich schnell jemanden finden, der ihre Freundin wenigstens zum Teil ersetzen konnte. Auch wenn allein der Gedanke an die Veränderungen, die vor ihr lagen, ihren Puls beschleunigte. Sie mochte es nicht, die ausgetretenen Wege zu verlassen, die sie kannte. Denen sie mit geschlossenen Augen folgen konnte. Sich durch neues, unbekanntes Territorium zu tasten machte ihr mehr Angst, als sie irgendjemandem gegenüber zugeben würde. Ihre Schwestern und ihre Mutter waren nach Gabriellas Weggang für sie da. Sie würden ihr eine Zeit lang unter die Arme greifen. Aber in den nächsten Wochen begannen die Stuten zu fohlen, und auf dem Hof wurde jede Hand gebraucht.
Abby stellte ihren Fuß auf den untersten Querriegel des weißen Zauns der...
Erscheint lt. Verlag | 10.5.2021 |
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Reihe/Serie | Die Stonebridge-Saga | Die Stonebridge-Saga |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
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ISBN-10 | 3-641-24579-6 / 3641245796 |
ISBN-13 | 978-3-641-24579-5 / 9783641245795 |
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