Das Lied der Wölfe (eBook)

Roman

****

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
512 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43833-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Lied der Wölfe -  Rena Fischer
Systemvoraussetzungen
12,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Sturmgraublaue Zeit der Liebe Die junge deutsche Wolfsforscherin Kaya wird von dem schottischen Milliardär Alistair MacKinley angestellt, um auf seinen Ländereien wilde Wölfe anzusiedeln. In dem einsamen Herrenhaus in den Highlands trifft sie auch auf den verschlossenen Nevis, Alistairs attraktiven Sohn, mit Augen wie das Sturmgraublau des schottischen Himmels. Der verwundete Ex-Elitesoldat soll sich von seinen schweren Kriegsverletzungen erholen. Doch er verweigert die Therapie und torpediert das Wolfsprojekt, wo er nur kann. Kaya ist wütend und fasziniert zugleich, ohne das tragische Ausmaß seines Zustands zu ahnen. Eine Zusammenarbeit mit Nevis endet katastrophal. Erst als sich beide ihrer Vergangenheit stellen, können sie ihre Liebe und ihre Zukunft retten.

Rena Fischer lebte und arbeitete einige Jahre in Irland und Spanien, bevor sie anfing, Bücher zu schreiben. Auf Reisen kommen ihr immer die besten Schreibideen. Ganz besonders schlägt ihr Herz für die unendlichen Weiten der schottischen Highlands. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in München.

Rena Fischer lebte und arbeitete einige Jahre in Irland und Spanien, bevor sie anfing, Bücher zu schreiben. Auf Reisen kommen ihr immer die besten Schreibideen. Ganz besonders schlägt ihr Herz für die unendlichen Weiten der schottischen Highlands. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in München.

2


Ich nehme vor Überraschung einen zu hastigen Schluck Tee und verbrenne mir die Zunge.

»Warum ich?«, stoße ich hervor und stelle die Tasse so heftig ab, dass ein Teil der braunen Flüssigkeit auf den Unterteller schwappt. Blaue Kornblumen auf weißem Porzellan mit Goldrand, seit zwei Jahrhunderten im Besitz meiner Familie. Jahrelang bin ich darauf konditioniert worden, mich in Stresssituationen zu beherrschen. Jetzt kostet es mich erstaunlich viel Kraft, die Tasse nicht einfach gegen die Damast-Tapete zu schleudern.

»Kann sie kein Taxi nehmen? Und wozu beschäftigst du einen Chauffeur?«

Wir sitzen beim Frühstück. Das heißt, ich sitze beim Frühstück. Es ist gegen elf, und mein Vater hat sicher schon vor fünf Stunden gefrühstückt, weshalb wir auch nicht im Speisezimmer, sondern im roten Salon sind, in dem nachmittags der Tee serviert wird. Alles muss schließlich seine Ordnung haben. Nach der vergangenen Nacht würde ich lieber allein frühstücken, doch ausgerechnet heute scheint mein Vater erschreckend viel Zeit für gezwungene Konversation übrig zu haben. Sir Alistair MacKinley sitzt mir gegenüber in seinem rotgepolsterten Ohrensessel mit Stickereien aus lachsfarbenen heraldischen Lilien, gekleidet in dem, was er einen lässigen Gentlemen-Style und ich den Gipfel konventioneller Spießigkeit nenne: graues Tweed-Sakko in Fischgrät, dunkelblauer Kaschmirpullover über einem weißen Hemd, dunkle Cordhose. Neuerdings trägt er dazu einen Bart, ein denkbar schlechter Ersatz für seinen zunehmenden Haarausfall. Hoffentlich bin ich nicht ausgerechnet mit diesen Erbanlagen gesegnet. Ich kenne den Text schon auswendig, bevor er ihn aufsagt. Seit einem Dreivierteljahr immer wieder dieselben Worte, im selben geduldigen Tonfall, wie bei einer seiner antiquierten Langspielplatten aus Schellack, wenn die Saphirnadel des Tonarms an einem Kratzer hängenbleibt.

»Muss ich dich an unsere Abmachung erinnern?«

Kurz vor meinem achtzehnten Geburtstag bin ich zum Militär gegangen, um genau dem und noch einigem anderen zu entfliehen. Es folgten meine Ausbildung zum Offizier in Sandhurst, Einsätze in Afghanistan, Somalia, Jemen, Mali und im Irak. Letztere als Mitglied der britischen Eliteeinheit Special Air Service (SAS). Ihr Motto »Wer wagt, gewinnt!« habe ich vor einem Jahr zusammen mit meinem Stolz und der mühsam erkämpften Freiheit von Familie und Tradition im roten Wüstenstaub, etwa fünfzig Kilometer westlich von Gao im Nordosten von Mali, begraben. Jetzt, mit neunundzwanzig Jahren, bin ich daheim gestrandet und führe innerlich eine Strichliste. Wie lange kann ich es hier ertragen, bis es mir endlich gelingt, mein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen?

»Unsere Abmachung sieht mindestens einen monatlichen Besuch im Combat Stress Centre bei Dr. Sutherland vor, nicht Chauffeurdienste für deine privaten Hobbys.«

»Ich bitte dich, Nevis! Es ist doch kein großer Umweg.«

Ich lache auf. »Genau genommen fahre ich auf meinem Rückweg von Ayr hier vorbei und dann in die entgegengesetzte Richtung weiter nach Inverness.«

»Du könntest über Perth fahren.«

»Klar, ich könnte auch noch einen Abstecher an die Küste nach Aberdeen machen, um ein wenig Seeluft zu tanken«, entgegne ich zynisch. Der Appetit ist mir vergangen. Das hat Alistair wieder geschickt eingefädelt. Er muss sich bei meinem Therapeuten nach dem nächsten Termin erkundigt und den Flug der deutschen Biologin darauf abgestimmt haben.

»Kaya Lehmann wird hier bei uns wohnen. Sie vom Bahnhof abzuholen, ist eine gute Gelegenheit, sie unterwegs kennenzulernen.«

»Du quartierst sie hier im Herrenhaus ein?«, frage ich entgeistert. Eine Fremde im Haus, womöglich noch in der Nähe meiner Räume, ist das Letzte, was ich in der momentanen Lage brauchen kann.

Alistair zieht eine Augenbraue hoch. »Hast du etwa gedacht, sie schläft wie Mogli bei den Wölfen? Wir haben über vierzig Zimmer, sie wird dir wohl kaum im Weg sein. Im Übrigen hat sie ausgezeichnete Referenzen. Martha hat sie als engagiert, freundlich und ausnehmend intelligent beschrieben.«

Ich verdrehe die Augen und denke an die blonde resolute Frau im Alter meines Vaters, die vor einem Monat hier aufgekreuzt ist und für noch mehr Wasser auf den Mühlen seiner Wolfseuphorie gesorgt hat. Sie ist die Leiterin eines Wolfsforschungsinstituts in Deutschland und Kaya Lehmanns Vorgesetzte. Und sie hat Alistair versichert, sie werde die junge Frau überreden, ihm in seiner misslichen Lage zu helfen und ihn bei dem Aufbau eines Wolfs-Informationszentrums zu unterstützen.

»Wenn sie so überaus intelligent wäre, hätte sie ihren Master in Biochemie oder Genetik gemacht und sich nicht ausgerechnet der Zoologie und den Wölfen verschrieben«, spotte ich, nur um ihm zu widersprechen.

Alistair hebt die Tasse, trinkt einen Schluck von seinem Tee und entgegnet ruhig: »Gerade du solltest ihre Intelligenz nicht voreilig mit einer gewinnbringenden Ausbildungsrichtung assoziieren.«

Alistair hat seinen Biss in all den Jahren unserer Schlagabtausche nicht verloren. Mir fallen sie momentan umso schwerer. Lange Gespräche ermüden mich, ich büße viel schneller als früher die Konzentration ein, und meine Gedanken wandern an Orte, die ich in den Tiefen meines Unterbewusstseins versenkt geglaubt habe. Dass Alistair meine Militärlaufbahn missbilligt, trotz all der Auszeichnungen, die ich erhalten habe, ist für mich dagegen nichts Neues und trifft mich schon lange nicht mehr. Um ehrlich zu sein, bedeuten mir die Orden für außergewöhnliche Tapferkeit und herausragende Leistungen unter Gefahr für Leib und Leben auch nicht viel. Ich habe nur getan, was ich in der jeweiligen Situation für richtig hielt. Aber Alistair legt gewöhnlich viel Wert auf Titel und Verdienste. Zumindest bei anderen.

»Ich dachte an die intellektuelle Herausforderung, nicht an das Geld, das sie in alternativen Ausbildungsbereichen hätte verdienen können. Aber lassen wir das, Vater. Über den Wert des Geldes hatten wir schon immer unterschiedliche Ansichten, nicht wahr?«

Es ist nur ein minimales Zucken seines rechten Augenlids und ein unmerkliches Erblassen, aber ich weiß, dass mein Vater die Anspielung verstanden hat. Einen Augenblick lang ist es so still im Raum, dass ich das Wispern des feinen Regens an den Fenstern hören kann. Winzige Tropfen, die sich an den Scheiben zu einem netzartigen Mosaik verbinden, das die Sicht auf die grauen Umrisse der Monadhliath Mountains in verschwommene Unschärfe taucht.

Alistair räuspert sich. »Du weißt, wie sehr es mich freuen würde, wenn du dich in dieses Projekt ein wenig einbringst, zumindest bis du …«, er zögert, »… dich wieder neu orientierst.«

Ich fluche innerlich.

Das Wolfsprojekt ist leider nicht nur irgendein Hirngespinst meines Vaters, für das er mich kurzfristig einspannen will. Er hat das Projekt schon vor Jahren verfolgt, als ich noch in Afghanistan stationiert war. Alistairs Vision, dass in Schottlands Highlands künftig wieder wilde Wölfe umherstreifen, ist mittlerweile zur fixen Idee geworden. Er ist nicht der einzige Milliardär im Vereinigten Königreich, der sich neuerdings exzentrischen ökologischen Hobbys widmet. Weiter nördlich, am River Carron, gibt es ebenfalls ein mit privaten Mitteln finanziertes Naturschutzgebiet mit der Absicht, nicht nur Wiederaufforstung zu betreiben, sondern ursprünglich in Schottland lebende Tierarten wieder anzusiedeln. Bislang ist dem Besitzer jedoch nur das Ansiedeln der schottischen Wildkatze genehmigt worden. In England, etwa zwanzig Kilometer südlich von Schottlands Grenze, macht sich eine Baroness für die Rückkehr von Bären stark. Ebenfalls ohne jeden Erfolg. Als Alistair mir das erste Mal von dieser Schnapsidee erzählte, lag ich gerade schwer verwundet im Krankenhaus und hatte wahrhaft andere Sorgen als die Wiederansiedlung eines ausgerotteten Raubtiers. Erst hielt ich das ganze Gerede von den Wölfen nur für einen Vorwand, nicht über das Offensichtliche mit mir sprechen zu müssen: dass ich als Krüppel mit einem amputierten linken Unterarm von einem SAS-Einsatz im Rahmen der Operation Toral gegen die Taliban aus Afghanistan zurückgekehrt bin. Ich sollte mich täuschen.

»Ich dachte, du bringst Miss Lehmann im Whitebridge Hotel unter, so wie Alexei.«

Mein Vater verzieht das Gesicht. Whitebridge ist ein weniger als hundert Einwohner zählendes Nest, nicht weit von uns entfernt, das seine touristische Beliebtheit vor allem der Nähe zu Loch Ness und dem jährlich im Oktober von hier startenden Marathon um den See verdankt. Seit es meinem Vater überraschenderweise vor eineinhalb Jahren gelungen ist, die Genehmigung für ein zwölf Quadratkilometer großes, eingezäuntes Wildtierreservat auf seinen privaten Ländereien zu erhalten, sind die Bewohner von Whitebridge, das nur wenige Kilometer von der neu zu errichtenden Anlage entfernt liegt, nicht mehr gut auf ihn zu sprechen. Man munkelt, der steinreiche Finanzexperte habe die Behörden bestochen. Ich bin mir zumindest sicher, dass mein Vater etliche Beziehungen hat spielen lassen, um seinen Traum zu verwirklichen. Alistair hat vergebens gehofft, das Misstrauen der Dorfbewohner werde sich legen, wenn die Wölfe erst einmal da sind, und quartierte, jedweder Vernunft zum Trotz, den Naturschützer und Wolfsexperten Alexei Kutuzow, den er kurzerhand zusammen mit einem Wolfspaar aus Weißrussland importiert hatte, im Whitebridge Hotel ein. Nur eine seiner folgenschweren Fehlentscheidungen. Insgeheim gebe ich dem ganzen Wolfshumbug maximal noch ein halbes Jahr. Dann wird Kaya Lehmann wie Kutuzow vor der...

Erscheint lt. Verlag 21.5.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte bücher 2021 • Buch für den Urlaub • Cecilia Ahern • Frauenroman • Frauenromane • frauenroman liebe • Highlands • Jojo Moyes • Kriegstraumata • Liebesgeschichte • Liebesroman • neue Romane • Neuerscheinungen Bücher 2021 • Neuheit 2021 • PTBS • Reservat • Romane 2021 • Romane für Frauen • roman schottland • Rosie Walsh • Schottische Highlands • Schottland • Wildreservate • Wolfsforschung
ISBN-10 3-423-43833-9 / 3423438339
ISBN-13 978-3-423-43833-9 / 9783423438339
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,0 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99