Das Jahr ohne Worte (eBook)

Eine wahre Liebesgeschichte

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
256 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00788-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Jahr ohne Worte -  Syd Atlas
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Fünf Jahreszeiten einer Liebe. Eine überwältigende Geschichte. Eine unglaubliche Geschichte. Und doch eine wahre Geschichte. Alles beginnt mit einer großen Liebe. 'Sowohl als auch' heißt das Café in Prenzlauer Berg, in dem Syd Theo kennenlernt. Theo ist Filmemacher, alleinstehend, charismatisch. Syd weiß sofort, dass es die Art von Liebe ist, die sie vermutlich nur einmal erleben wird. Die beiden bekommen ein Kind, ziehen zusammen, erleben großes Glück und überstehen kleine Krisen. Doch dann erhält Theo eine niederschmetternde Diagnose: ALS. Die Krankheit, an der auch Stephen Hawking litt. Von dem Mann, in den Syd sich einst verliebt hat, ist Tag für Tag weniger übrig. Und doch kämpft sie um ihn. Sie will das, was von ihrem Glück noch übrig ist, unbedingt bewahren. Bis sie eines Tages eine ungeheuerliche Entdeckung macht.

Syd Atlas wurde in Brooklyn, New York, geboren. Sie studierte Theaterwissenschaften an der Brown University und begann wenig später, als Schauspielerin zu arbeiten und Soloprogramme zu schreiben. Mitte der 1990er-Jahre zog sie nach Berlin. Seit mehr als zehn Jahren coacht Atlas als Rhetorik- und Kommunikationstrainerin Manager. Nebenbei moderiert sie Diskussionsrunden auf der Frankfurter Buchmesse sowie das Books-at-Berlinale-Event der Internationalen Filmfestspiele. Syd Atlas lebt und arbeitet in Berlin. Im Jahr 2020 erschien ihr erstes Buch 'Das Jahr ohne Worte'.

Syd Atlas wurde in Brooklyn, New York, geboren. Sie studierte Theaterwissenschaften an der Brown University und begann wenig später, als Schauspielerin zu arbeiten und Soloprogramme zu schreiben. Mitte der 1990er-Jahre zog sie nach Berlin. Seit mehr als zehn Jahren coacht Atlas als Rhetorik- und Kommunikationstrainerin Manager. Nebenbei moderiert sie Diskussionsrunden auf der Frankfurter Buchmesse sowie das Books-at-Berlinale-Event der Internationalen Filmfestspiele. Syd Atlas lebt und arbeitet in Berlin. Im Jahr 2020 erschien ihr erstes Buch "Das Jahr ohne Worte". Martin Ruben Becker, lebt als Übersetzer in München und hat u.a Bücher von Joseph Luzzi, Robert Goolrick, Favell Lee Mortimer und David Bergen übersetzt.

1. Kapitel Why not?


Ich lerne ihn an einem Apriltag kennen. Es ist endlich Frühling, und man kann es in der Luft riechen. Aus der wunderbaren französischen Bäckerei lockt mich der Duft von frischen Croissants. Ein junger Mann mit Tattoos und Piercings spaziert mit einem Pudel und Zigarette rauchend an mir vorbei.

Gerade habe ich eine zweiwöchige Heilfastenkur hinter mir. Ich möchte einen Rundum-Neubeginn. Drei Jahre lang habe ich versucht, die Beziehung zu meinem ersten Ehemann wieder hinzubiegen. Er war der perfekte Schwiegersohn gewesen, und wir wurden viel zu schnell beste Freunde, was großartig ist, wenn du zusammen ins Zeltlager fährst. Ich aber war auf der Suche nach einer sexuell aufgeladenen Beziehung, und das war unsere überhaupt nicht. Es war nicht sein Fehler. Er ist ein sehr netter Mensch, und wir sind bis heute Freunde.

Aber leider langweilte ich mich mit ihm. Ständig stimmte er all meinen Ideen und Einfällen zu. Wenn wir uns stritten, gab er klein bei, bevor wir auch nur die Chance hatten, uns in die Haare zu kriegen.

In einer Beziehungs-Kolumne habe ich einmal gelesen, dass oft gerade die Eigenschaften des Partners, die man zunächst anziehend fand, später dazu führen, dass man ihn verlässt. Von einem: «Oh, er ist wunderbar und so verspielt» zu: «Er ist unreif und hält nicht einen einzigen Scheißjob durch.» Eine Zeitlang war ich mit einem Musiker zusammen, der jedes Mal Geräusche machte, wenn er etwas beschreiben wollte. Anfangs dachte ich: «Wie kreativ!» Später dachte ich: Wenn er noch ein einziges Mal mit der Zunge schnalzt und mit den Fingern trommelt, bringe ich ihn um.

Ich hatte das Gefühl, dass sich mein Mann an mich klammerte, um sich selbst zu finden. (Außerdem hatten wir keinen Sex mehr.) (Aber daran war ich schuld.) Ich kann nicht mit jemandem schlafen, der mich als Mensch nicht anmacht.

Ich ersticke dann und bin uninspiriert. Dass wir ein Kind bekamen, Henry, inzwischen drei Jahre alt, schien alles nur noch zu verschlimmern. Dabei hatte ich geglaubt, ein Kind würde uns zusammenschweißen. Lag es an ihm? An mir? An uns beiden? Meine Freundinnen schauten bewundernd zu, wenn er die Küche putzte und den Müll raustrug. Das gefiel mir schon (wem nicht?). Ich fühlte mich, als ob ich in einer Serie «Happy Wife – Happy Life» mitspielen würde. Das Problem war nur – ich war alles andere als happy. Aber der Beziehungskolumnist schrieb auch, dass alles, was einem am Partner nicht gefällt, eine Projektion dessen ist, was einem an einem selbst nicht gefällt. Es lag wohl definitiv an mir.

Oder vielleicht hatte ich auch nur das Gefühl, mein Leben würde stillstehen. In all dem, was ich beruflich tat – Performance-Künstlerin, Comedy-Autorin, Dokumentarfilmerin, Übersetzerin, Englischlehrerin oder Coach –, hatte es stets kurze, beinahe erfolgreiche Phasen gegeben. Aber am Ende entpuppte sich alles immer nur als ein Job und führte nirgendwohin. Ich hatte mir mein Leben aufregender vorgestellt.

Es kam die Nacht, als ich merkte, dass es vorbei war. Er wollte mit mir schlafen. Ich wollte nicht. Ich war zu müde. Ich war immer müde, wenn ich mit ihm zusammen war. Also von mir aus, sagte er, kannst du ruhig einschlafen. Es war witzig gemeint, aber ich nahm es ernst. Ich weiß noch, wie ich da lag. Ich blickte ins Dunkel. Ich spürte sein Gewicht auf mir, und ich fühlte nichts. Ich schlief sogar ein.

Eine Freundin von mir war den Sommer über verreist und bot mir ihre Wohnung an, für eine Denkpause. Ich sagte sofort zu und erzählte meinem Mann: «Das ist gut für uns. Wir können ausprobieren, wie es ist, getrennt zu sein. So finden wir heraus, ob wir einander vermissen.»

«Du verlässt mich, oder?»

 

Also, dies sind nun die Tage, nachdem ich offiziell meine Beziehung zu Henrys Vater beendet habe, und ich bin glücklich, als ich ein Café namens SowohlAlsAuch betrete.

Weil es keine freien Plätze mehr gibt, setze ich mich an einen Tisch zwischen zwei Männer, die Zeitung lesen. Sobald ich mich hingesetzt habe, blickt mich einer der beiden über seine Brille hinweg an. Er wirkt wie ein Intellektueller, einer, der sich in Künstlerkreisen bewegt, wie jemand, den man heutzutage einen coolen Nerd nennen würde. Seine dicken Augenbrauen sind ständig in Bewegung. Unsere Blicke treffen sich, und ich will ihn fragen, ob ich einen Teil seiner Zeitung lesen darf. Ich benutze ein falsches deutsches Wort und sage: «Kannst du mir bitte ein Stück Zeitung rausreißen?»

Das tut er.

Wir unterhalten uns. Er erzählt mir, dass er Theo heißt und Filmregisseur ist. Die Intensität, mit der er mich mustert und dabei langsam blinzelt, macht mich verlegen, gleichzeitig fühle ich mich, als wäre ich etwas Besonderes. Ich muss erwähnt haben, dass ich ein Kind habe, denn Theo fragt beiläufig:

«Und was ist mit deinem Mann?»

Genauso beiläufig antworte ich: «Wir haben uns vor kurzem getrennt.»

Jetzt flirten wir offiziell.

Ohne zu zögern erklärt er mir, dass er auch gerade eine schlimme Beziehung hinter sich hat.

«Sie war verrückt.» Lachend fährt er fort: «An einem Tag wollte sie mit mir nach Hollywood ziehen, und am nächsten Tag trennt sie sich von mir. Frauen.»

Wir lächeln beide.

«Sie hat vier Kinder von drei verschiedenen Männern. Es war die beste aller Zeiten, es war die schlechteste aller Zeiten», sagt er.

Bevor ein unangenehmes Schweigen entsteht, weil wir zu schnell zu viel von uns preisgegeben haben, kommt der Kellner mit unserem Kaffee.

Wir tauschen unsere Telefonnummern aus. Als wir das SowohlAlsAuch verlassen, gibt es einen chaotisch verstolperten Abschied. Ich verpasse ihm beinahe einen Kinnhaken, als ich seine Hand schütteln will, weil er sich im selben Moment vorbeugt, um mich zu umarmen.

 

Als ich am Nachmittag nach Hause radle, summt es in meiner Tasche. Theo hat mir eine SMS geschrieben. «Sehen wir uns morgen? Gleiche Zeit, gleicher Ort?»

«Why not?», antworte ich.

*

Wir treffen uns am nächsten Tag. Meinen Vorsatz, es nach der Heilfastenkur mit dem Essen langsam angehen zu lassen, schicke ich zum Teufel: Wir bestellen Käsekuchen und klebrige Zimtschnecken, mein Mund ist ein einziges Geschmacks-Kaleidoskop. Während sich Theo ein brüllend komisches Gespräch zwischen einem Österreicher, einem Schweizer und einem Bayer ausdenkt, damit ich die Unterschiede heraushören kann, stellt der Kellner die nächste Runde Kaffee auf den Tisch. Als ich ihn nach seinem Lieblingsfilm frage, verfällt Theo in den De-Niro-Monolog aus Taxi Driver: «10. Mai. Endlich hat es geregnet …»

«Ich habe am 10. Mai Geburtstag», unterbreche ich ihn.

«Nicht im Ernst?», sagt er.

Wir sehen uns an und begreifen, dass wir Erwählte sind, dass wir das Glück haben, die Art von Liebe zu erleben, die man sonst nur aus Büchern oder Filmen kennt. Feuerwerkskörper explodieren, und Kate Perry singt nur für uns, De Niro fragt, worauf warten wir? Das Universum ist auf unserer Seite.

Und ehe wir es bemerkt haben, ist es schon Abend.

«Lass uns weiterziehen, ja?», schlägt Theo mit hochgezogenen Augenbrauen vor.

Ich sage, klar, obwohl mir der Gedanke an meinen Ex, der meinen Sohn ins Bett bringt, durch den Kopf schießt.

Wir wollen in die Weinerei, einer coolen Bar, wo man so viel trinkt, wie man möchte, und am Ende die Summe, die einem angemessen erscheint, in einen Keramikkrug wirft (das hier ist Berlin, und da klappt so was).

Es ist zu weit, um zu der Bar zu laufen, und so sagt Theo: «Wir nehmen meine Vespa.»

Er ist ein Mann, er hat Humor, er ist gutaussehend, und er hat eine verdammte Vespa – in La Dolce Vita fahren sie doch auch immer Vespa, oder? Das ist jetzt mein Dolce Vita, genauso fühlt es sich an. Theo hat einen zweiten Vintage-Helm für mich mit einem Stern darauf, natürlich hat er den. Er mustert mich, streicht mein Haar zur Seite, während er den Riemen schließt, und schenkt mir ein anerkennendes Lächeln: «Wunderschön», sagt er, und jeder Gedanke an meinen Ex ist verflogen wie Feenstaub.

Es ist schon lange her, seit ich so etwas gemacht habe. Habe ich überhaupt schon mal so etwas gemacht? Theo lässt den Motor an, ich springe auf und lege von hinten die Arme um ihn, schmiege mich an seinen kräftigen Schwimmerrücken, während wir uns mutig durch den Berliner Verkehr schlängeln. Ich fühle mich lebendig wie nie. Ich bin genau da, wo ich sein muss.

Die Bar ist gerammelt voll, aber wir finden eine Nische. Ich sitze auf einem alten Sessel, Theo kommt mit zwei verschiedenen Rotweingläsern und nimmt auf einer umgedrehten Weinkiste Platz. Wir prosten uns zu.

«Auf uns», sagt er. Gibt es schon ein Uns? Unsere Gläser klirren.

Ich weiß nicht mehr, worüber wir geredet haben, ich weiß nur noch, dass ich mich gefragt habe, ob wir uns...

Erscheint lt. Verlag 15.9.2020
Übersetzer Martin Ruben Becker
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Affäre • ALS • Autoimmunerkrankung • Autoimmunkrankheiten • Berlin • Buch Schickssalsschlag • Doppellbuch • Erzählendes Sachbuch • Krankheit • Liebe • Memoir • Schicksalsschläge • Starke Frau • Starke Frauen • Wahre Begebenheit • Wahre GEschichte • wahre Geschichte Schicksal
ISBN-10 3-644-00788-8 / 3644007888
ISBN-13 978-3-644-00788-8 / 9783644007888
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