Und die Welt war jung (eBook)

Spiegel-Bestseller

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
640 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-30033-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Und die Welt war jung -  Carmen Korn
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Der Auftakt der neuen zweibändigen Saga von Bestsellerautorin Carmen Korn. Drei Familien, drei Städte, ein Jahrzehnt. 1. Januar 1950: In Köln, Hamburg und San Remo begrüßt man das neue Jahrzehnt. Das letzte hat tiefe Wunden hinterlassen: in den Städten, in den Köpfen und in den Herzen. Gerda und Heinrich Aldenhovens Haus in Köln platzt aus allen Nähten. Heinrichs Kunstgalerie wirft längst nicht genug ab, um all die hungrigen Mäuler zu stopfen. In Hamburg bei Gerdas Freundin Elisabeth und deren Mann Kurt macht man sich dagegen weniger Sorgen um Geld. Als Werbeleiter einer Sparkasse kann Kurt seiner Familie eine bescheidene Existenz sichern. Nach mehr Leichtigkeit im Leben sehnt man sich aber auch hier. Schwiegersohn Joachim ist noch immer nicht aus dem Krieg zurückgekehrt. Margarethe, geborene Aldenhoven, hat es von Köln nach San Remo verschlagen. Das Leben an der Seite ihres italienischen Mannes scheint sorgenfrei, doch die Abhängigkeit von der Schwiegermutter quält Margarethe. So unterschiedlich man die Silvesternacht verbracht hat - auf Jöck in Köln, still daheim in Hamburg, mondän in San Remo -, die Fragen am Neujahrsmorgen sind die gleichen: Werden die Wunden endlich heilen? Was bringt die Zukunft? In ihrer neuen Saga lässt uns Carmen Korn tief eintauchen in die Nachkriegsjahrzehnte. Anhand von drei befreundeten Familien erzählt sie vom Neuanfang in Köln, Hamburg und San Remo, von großen und kleinen Momenten, von Festen, die gemeinsam gefeiert werden, von Herausforderungen, die zu meistern sind. Und vom Wunsch, aus dem Schweren etwas Gutes entstehen zu lassen, der Hoffnung, dass es noch nicht vorbei ist, das Leben und das Glu?ck.

Carmen Korn wurde 1952 in Düsseldorf als Tochter des Komponisten Heinz Korn geboren. Nach ihrer Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule arbeitete sie als Redakteurin u.a. für den «Stern». Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Carmen Korn wurde 1952 in Düsseldorf als Tochter des Komponisten Heinz Korn geboren. Nach ihrer Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule arbeitete sie als Redakteurin u.a. für den «Stern». Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

1950


1. Januar


Köln


Gerda schob die Gardine beiseite und schaute zum Brunnen, der vor dem Haus am Pauliplatz stand. Ein vertrauter Blick auf den kleinen Pan aus Kalkstein, er saß auf der Kugel des Brunnenstocks und hielt die Hirtenflöte an die Lippen, beinah glaubte sie leise Töne zu hören. Grauer war er geworden, poröser schien der Stein zu sein. Doch keine der Erschütterungen des Krieges, die den Häusern der Straße geschehen waren, hatte dem Pan die Flöte aus den Händen schlagen können.

Das Betrachten der Brunnenfigur am Morgen des Neujahrstages war ein Ritual, Gerda Aldenhoven pflegte es seit vielen Jahren. Sollte sie es versäumen, vielleicht würde ihnen das Unglück bringen.

«Erinnerst du dich an unser letztes Konzert im Gürzenich?»

«Schumanns Dritte. Das ist lange her und kaum noch wahr», sagte Heinrich Aldenhoven. Er seufzte in Erinnerung an das alte Festhaus, eine liebe Gewohnheit war es gewesen, am ersten Tag des Jahres ins Konzert zu gehen.

«Sie werden den Gürzenich wiederaufbauen, Heinrich.»

«Hoffentlich erlebe ich das noch. Und? Hörst du Pans Flöte?»

Gerda lächelte. Sie ließ die Gardine fallen, verließ den Erker und trat zu ihrem Mann, der in der Tür zum Wohnzimmer stand. Strich ihm über die noch nicht rasierten Wangen. «Geliebter Grandpa», sagte sie. «Hast du vor, dir einen Bart wachsen zu lassen?» Er war zehn Jahre älter als sie, bis vor kurzem hatte man ihm das nicht angesehen.

«Ich gehe mich gleich rasieren. Aber vielleicht kannst du doch zu anderen Kosenamen zurückkehren. Dass ich in den letzten Stunden des großen Schlachtens nicht wie ein junger Gott ausgesehen habe, ist vielleicht verständlich.» Ihren vierzehnjährigen Sohn hatten sie im Keller verstecken können und ihn so vor dem Volkssturm bewahrt. Doch Heinrich Aldenhoven war im letzten Augenblick noch eingezogen worden an jenem Märztag 1945, als in Köln der Krieg zu Ende ging. Schon auf der Aachener Straße war er amerikanischen Soldaten in die Arme gelaufen, die in die westlichen Stadtteile vorgedrungen waren. Erleichtert hatte er sich das Gewehr abnehmen lassen. «Go home, Grandpa», hatten die jungen Amerikaner gesagt.

«Sind du und ich als Einzige wach?» Er sah zu der Pendeluhr, die dort hing, seit seine Eltern 1914 in das Haus gezogen waren. Viertel vor neun.

«Die Kinder sind erst gegen vier nach Hause gekommen. Sie waren leise, doch ich habe den Lichtschein vom Flur unter der Tür gesehen.»

«Dann ist es ihnen wohl gelungen, ihr Silvesterfest.»

«Glückliche Jugend», sagte Gerda. «Wir fangen an, alt zu werden.»

«Vor allem ich.»

«Ich fühle mich noch nicht reif genug fürs Altwerden.»

«Ach meine Kleine», sagte Heinrich. Vermutlich war es kein guter Gedanke gewesen, den Silvesterabend nur zu zweit zu verbringen. Gerda feierte gern, aber er hatte sich Stille gewünscht. Ohne die Kinder, die ausgelassen nachholten, was sie lange versäumt hatten. Ohne seine anstrengenden Kusinen, die bei ihnen lebten, seit ihre Klettenberger Wohnung in einer Bombennacht verlorengegangen war. Wie war ihnen beiden gelungen, unverheiratet zu bleiben? Männer hatte es genug gegeben in Billas und Lucys Leben. Nun sahen sie in ihm das sorgende Familienoberhaupt.

Gestern Abend waren die beiden auf Jöck gegangen, wie Billa es nannte, wenn sie Vergnügen suchte. In einem der Brauhäuser gegessen, in den neuen Lichtspielen am Hahnentor einen Film gesehen. Sie würden früh genug davon erzählen.

Er setzte sich in den verschlissenen Gobelinsessel, der neben dem Bücherschrank stand, legte die Hornbrille ab und griff nach dem erstbesten Buch. Gottfried Kellers Grüner Heinrich. Die Geschichte eines gescheiterten Kunstmalers. Auch das noch. Da fielen ihm gleich wieder die schlechten Geschäfte in der Galerie ein. Den Leuten fehlten noch die Wände für die Bilder. Nicht einmal die Landschaften ließen sich verkaufen, die vor dem Krieg gutgegangen waren.

Er rutschte tiefer in den Sessel und schlug das Buch auf. Auf der Treppe zum ersten Stock war lautes Getrappel zu hören. Die Holzpantoletten von Billa. Vielleicht sollte er besser das großformatige Buch vors Gesicht halten, das auf dem Telefontisch lag. Das Große Jahrhundert Flämischer Malerei. Gerda hatte ihm den Bildband zu Weihnachten geschenkt.

«Billa kommt», sagte Gerda.

«Ich höre es.» Seine Kusine schien in die Küche gegangen zu sein. Vermutlich würde sie ein Eigelb ins Glas schlagen, die letzten Tropfen Worcestershiresauce dazugeben und mit reichlich Salz und Pfeffer verrühren. Das schluckte Billa auch, wenn sie keinen Kater hatte. Sie hielt es für ein Getränk der Boheme.

«Sei geduldig mit ihr. Wenn wir die Verwandtschaft nicht hier hätten, wären Leute einquartiert, die uns fremd sind.»

«Das würde mich froher stimmen, ich kenne Billa viel zu gut.» Heinrich seufzte.

«Sie ist nicht ausgefüllt.»

«Dann soll sie eine Arbeit finden, statt die Grande Dame zu geben. Ich habe gelesen, dass Telefonistinnen gesucht werden. Da kann sie Gespräche belauschen und ihre Freundinnen mit Tratsch füttern.»

«Heute bist du aber besonders ungnädig mit deiner Kusine. Lass uns lieber mit den Hamburgern telefonieren und ein Gespräch nach San Remo anmelden. Das hebt deine Laune.»

«Ja», sagte Heinrich. «Das tun wir nachher. Wir wollen allen ein gutes Jahr wünschen. Was uns diese fünfziger Jahre wohl bescheren werden?»

Was überwog in ihm? Hoffnung oder Bangnis vor dem ersten neuen Jahrzehnt nach dem Krieg? Vor allem fragte er sich, wie er den Haushalt hier am Laufen halten konnte. Kaum länger mit Landschaften vom Niederrhein. Vielleicht sollte er doch mehr von den kolorierten Zeichnungen mit Motiven aus dem alten Köln anbieten. So wie es einmal gewesen war. Hatten nicht alle Sehnsucht danach, die Erinnerungen auszustaffieren?

«Ich habe übrigens blendende Laune», sagte er, als Gerda in die Küche ging. Gleich wurde dort der Heringssalat serviert. Mit Roter Bete und Äpfeln. In diese Tradition hatte er eingeheiratet. Eine Scheibe vom hefeduftenden Rosinenplatz mit Butter wäre ihm um neun Uhr am Neujahrsmorgen lieber gewesen.

Heinrich stand auf, um seiner Frau zu folgen und sich zu Billa an den Küchentisch zu setzen. Nicht nur die Kinder fehlten. «Was ist mit Lucy?», fragte er.

«Dat will noch schlafen», erklärte Billa die Abwesenheit ihrer jüngeren Schwester. «Hat nur geknurrt, als ich an die Tür geklopft habe.» Sie häufte sich Heringssalat auf den Teller, kaum dass Gerda die Schüssel auf den Tisch gestellt hatte. «Genau das Richtige für fröhliche Zecher.» Sagte Billa das nicht jedes Jahr?

Heinrich betrachtete die dicken dunkelroten Würfel beinah vorwurfsvoll. «Da ist diesmal aber viel Rote Bete drin.»

«Die ist gut fürs Herz», sagte Gerda. Ganz so blendend schien ihr Heinrichs Laune nicht zu sein.

Hamburg


«Joachim kehrt nicht zurück», sagte Kurt.

«Mit diesem hoffnungslosen Satz willst du das neue Jahr beginnen?»

Kurt Borgfeldt löste den Blick vom grauen Hamburger Himmel, der heute keine Heiterkeit versprach, und drehte sich zu seiner Frau um. «Ich will nur nicht, dass Nina und du euch länger quält, und auch dem Jungen tut es nicht gut, wenn ihr ihn glauben lasst, dass sein Vater aus dem Krieg zurückkehren wird.»

«Der Krieg ist im kommenden Mai fünf Jahre vorbei.»

«Eben», sagte Kurt.

«Und du denkst, dass es uns weniger quält, wenn wir Joachim für tot erklären?» Elisabeth Borgfeldt schüttelte den Kopf.

«Dann hat die Qual eher ein Ende, Lilleken. Hast du eine Ahnung, warum Nina gestern schon vor Mitternacht nach Hause gekommen ist? Ich dachte, sie habe sich über die Silvestereinladung der Clarkes gefreut.» Ihre Tochter hatte verstört gewirkt, als sie von der Silvesterfeier kam. Dabei schätzte sie die Gastgeber, liebenswürdige Engländer, die ein Übersetzungsbüro in Hamburg aufgebaut hatten, für das Nina seit einem halben Jahr arbeitete.

«Sie hat sicher bei Jan sein wollen, wenn die Glocken das Jahr einläuten.»

«Der Junge lag im Tiefschlaf, über den du und ich gut gewacht haben.»

«Das alles ist schwer für sie, Kurt. Ein neues Jahrzehnt hat angefangen, und Joachim entfernt sich mit jedem Jahr weiter von uns. Jan ist vor zwei Tagen fünf geworden, ohne dass sein Vater ihn je gesehen hat.»

«Ein Schicksal, das er mit vielen anderen Kindern teilt.»

«Das macht es nicht leichter.»

«Nein», sagte Kurt. «Lilleken, ich sehne mich...

Erscheint lt. Verlag 22.9.2020
Reihe/Serie Drei-Städte-Saga
Drei-Städte-Saga
Zusatzinfo Mit 1 s/w Stammtafel
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestsellerautorin • Carmen Korn • Familienroman • Familiensaga • Hamburg • Historischer Roman • Köln • Muttertagsgeschenk • Nachkriegsdeutschland • Nachkriegszeit • Saga • San Remo • SPIEGEL-Bestseller • Spiegel Bestseller-Autorin • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Töchter einer neuen Zeit • Wirtschaftswunder
ISBN-10 3-644-30033-X / 364430033X
ISBN-13 978-3-644-30033-0 / 9783644300330
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