Pension Herzschmerz (eBook)
300 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2444-9 (ISBN)
Christin-Marie Below, Jahrgang 1993, wohnt in Kassel. Hin und wieder findet man sie aber auch auf Norderney, wo sie vor Ort recherchiert. Als Tochter der Autorin Andrea Russo (Anne Barns) wuchs sie umgeben von Geschichten und Büchern auf.
Christin-Marie Below, Jahrgang 1993, wohnt in Oberhausen. Hin und wieder findet man sie aber auch auf Norderney, wo sie vor Ort recherchiert. Unterstützt wird sie dabei von einer ihrer besten Freundinnen, die tatsächlich einen Fußpflegesalon auf der Insel eröffnet hat. Der Rest der Geschichte ist natürlich frei erfunden. Als Tochter der Autorin Andrea Russo (Anne Barns) wuchs sie umgeben von Geschichten und Büchern auf.
1
»Gut so?«
»Hmmm, ja.«
»Das ist der Reflexzonenpunkt für dein Gehirn.« Beständig streiche ich über Nils’ großen Zeh.
»Dann gebe ich mich mal meinen Gedanken hin«, murmelt er und schließt genießerisch die Augen.
Meine Finger tasten sich etwas weiter runter, zum Ballen hin. »Und der hier stimuliert dein Herz. Merkst du schon was?«
»Massier mal fester.«
»Besser?« Kräftig drücke ich zu.
»Sehr gut! Du darfst gerne jeden Tag an mir üben.« Nils öffnet die Augen und grinst mich an. Dabei vertiefen sich die beiden Grübchen unter seinem Dreitagebart. Das dunkle Haar fällt ihm über die graublauen Augen, und mir wird zum bestimmt hunderttausendsten Mal bewusst, wie verdammt gut mein Freund aussieht.
In dem Moment ertönt der unverkennbare Klingelton meines Handys, der einen Anruf meiner Freundin Anna ankündigt. Es ist kurz vor elf am Abend, um diese Uhrzeit schreibt sie normalerweise erst eine Nachricht, bevor sie anruft, um abzuchecken, dass sie nicht stört.
Nils seufzt und verzieht das Gesicht. »Ist ja nicht so, als ob ihr heute noch nicht miteinander gesprochen hättet.«
Ich lasse es klingeln und massiere weiter. Doch nur wenig später folgt der Signalton für Annas Nachrichten, und kurz darauf noch mal – und noch mal.
Ungewöhnlich, dass sie so hartnäckig ist, denke ich. »Scheint wichtig zu sein.«
»Mach schon, schau nach. Du hast sonst eh keine Ruhe mehr.«
Ich nicke, greife nach dem Frotteehandtuch, um meine Hände vom überschüssigen Öl zu befreien, und gehe rüber in die Küche.
Anna hat mir drei Sprachnachrichten per Whatsapp geschickt. Sie sollte sich echt langsam mal angewöhnen, ihre Nachrichten zu schreiben, denke ich, muss aber dabei grinsen. Denn genau genommen liebe ich Annas kleine skurrile Mitteilungen, die sie in ihr Handy spricht.
Ich drücke auf Abspielen und halte mein Telefon vorsichtshalber ans Ohr, damit Nils drüben nicht mitbekommt, was Anna mir zu sagen hat. Bei meiner Freundin kann man nie wissen. Sie kommt manchmal auf die verrücktesten Ideen.
»Hör mal, Lou«, sagt Anna. »Gleich geht es wieder los.« Ihre Absätze klackern über den gefliesten Boden. »Achtung, jetzt!« Ich drücke das Handy etwas fester an mein Ohr. Kurz darauf vernehme ich ein lautes Klopfen, und dann ein Rufen. »Mach auf, Anna, komm schon!«
Das war Annas Freund, Timo, schießt es mir durch den Kopf, als die Aufnahme beendet ist. Was ist denn da los? Gespannt spiele ich die nächste Nachricht ab.
»Ich hab den Mistkerl im Bad eingesperrt«, erklärt meine Freundin und ruft im nächsten Moment: »Von wegen Max, du Arschloch.«
Den Namen Max habe ich noch nie gehört. Aber schon in der nächsten Nachricht werde ich aufgeklärt.
»Max heißt eigentlich Eva und poppt meinen Freund. Ich lass den Scheißkerl hier im Bad verrotten.« Einen Moment lang ist Anna still, ich höre nur ihren Atem, bevor sie aufseufzt und sagt: »War ja klar. Es ist mir einfach nicht gegönnt, auch mal einen normalen Kerl zu kriegen. Kannst du kommen, Lou? Ich dreh gleich durch.«
Ohne weiter darüber nachzudenken, drücke ich die Schnellwahltaste für Anna. Sie geht sofort ran.
»Timo geht fremd«, erklärt sie und hört sich dabei völlig ruhig und gefasst an. »Mit seiner Kollegin.«
»Shit. Sicher?«
»Ja, ich habe sein Handy gecheckt.« Sie schnalzt mit der Zunge. »Der Idiot hat sie als Max in seinen Kontakten gespeichert. Ich dachte im ersten Moment, er hat seine schwule Seite entdeckt. Aber dann habe ich diesen Max angerufen, und er, oder besser gesagt, sie, hat mir ein zuckersüßes ›Eva Meinhardt‹ entgegengehaucht.«
»Ich bin in zehn Minuten da.«
»Danke.« Im Hintergrund vernehme ich wieder ein Klopfen und eindeutig Timos Stimme. »Er steckt immer noch im Bad«, erklärt meine Freundin. »Na ja, da kann er eine Weile überleben. Wasser hat er ja.«
»Mach keinen Blödsinn! Ich beeil mich.«
Timos Badezimmer ist sehr klein. Und es hat kein Fenster, aus dem er sich notfalls befreien könnte. Meine Freundin ist die Wucht! Hätte ich Nils beim Fremdgehen ertappt, würde ich jetzt wie ein Häufchen Elend im Bett liegen und mir die Augen aus dem Kopf heulen. Anna bleibt, zumindest erst einmal, cool und sperrt den untreuen Kerl kurzerhand ein.
»Tut mir echt leid, Nils.« Ich lächle meinen Freund an, der lang ausgestreckt auf der Couch liegt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. »Anna geht es nicht gut. Sie hat Timo beim Fremdgehen erwischt.« Ich beuge mich zu ihm runter und drücke ihm einen Kuss auf den Mund. »Den schönen Abend holen wir nach, okay? Wir haben ja beide bald Urlaub und dann viel Zeit füreinander. Aber jetzt muss ich erst mal zu Anna fahren. Sie ist kurz vorm Ausrasten.« Ich kann ganz genau sehen, dass Nils mit den Augen rollt, ignoriere es aber und strahle ihn an. »Ich mach es wieder gut, versprochen!«
Nur ein paar Minuten später parke ich meinen Wagen vor dem Haus, in dem Anna seit Anfang des Jahres mit Timo wohnt. Ich hatte ihr geraten, sich etwas mehr Zeit zu lassen und ihre Wohnung nicht gleich aufzugeben. Aber Anna hatte eine dermaßen fette rosa Brille auf, dass sie sich voller Euphorie von ihren alten Möbeln getrennt hat und nach nur drei Monaten Beziehung bei Timo eingezogen ist. Meine Ratschläge hat sie ignoriert, denn sie war sich zu hundert Prozent sicher, dass Timo der Richtige ist.
Aber jetzt geht es nicht darum, wer recht hat, Schadensbegrenzung ist angesagt. Anna hat im ersten Moment sehr abgeklärt reagiert. Aber wie ich meine Freundin kenne, wird sie im Liebeskummerblues versacken, sobald sie wirklich realisiert, was passiert ist. Bei Anna gibt es nur himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt. Die feinen Nuancen dazwischen liegen ihr nicht.
Ich nehme gleich zwei Treppenstufen auf einmal und bin völlig außer Atem, als ich oben im dritten Stock ankomme, wo ich schon von meiner Freundin erwartet werde.
Anna steht in der geöffneten Tür und nickt mir mit grimmig entschlossenem Gesicht zu.
»Gut, dass du da bist«, sagt sie. »Ich habe schon angefangen, meine Sachen zusammenzupacken.«
»Komm erst mal her.« Ich schließe meine Freundin fest in die Arme, doch sie macht sich sofort wieder los.
»Jetzt lieber nicht, sonst fange ich an zu heulen und kann nicht mehr aufhören. Erst einmal muss ich einen klaren Kopf bewahren.«
»Okay, sag mir einfach, was ich machen soll.«
»Du kannst meine Klamotten aus dem Kleiderschrank holen. Blaue Säcke habe ich schon aufs Bett gelegt. Stopf einfach alles rein. Ich will so schnell wie möglich weg hier.«
»Wird gemacht. Was ist mit Timo?«, frage ich, als ich mit Anna durch den Flur ins Wohnzimmer gehe.
Wie auf Kommando ertönt ein lautes Klopfen, das eindeutig aus dem Badezimmer kommt, und danach Timos Stimme.
»Anna, mach endlich auf, das ist jetzt echt nicht mehr lustig!«
»Stimmt«, ruft meine Freundin laut. »Vielleicht kommt Max ja …« Sie legt eine bedeutungsvolle Pause ein. »... oder nennen wir ihn doch lieber Eva – um dich zu retten, und findet dich, bevor du verhungerst.« Sie hält mir ein Handy hin, das eindeutig nicht ihres ist.
Danke für die wundervolle Nacht, Lieblingskollege, lese ich. Hinter der Nachricht blinkt ein kleines rotes Herz. Oben in der Adresszeile entdecke ich den Namen Max.
»Mistkerl!«, rutscht es mir heraus. Timo ist für drei Tage beruflich auf einem Weiterbildungsseminar gewesen, mit Übernachtung im Hotel.
»Bist du das, Lou?«, ruft der Übeltäter prompt. »Kannst du deiner Freundin bitte ins Gewissen reden? Das ist Freiheitsberaubung.«
Ich sehe Anna an, und als sie nickt, sage ich laut: »Ja, ich bin’s. Und du bist ein Arschloch, Timo.« Er hat einen Denkzettel verdient, und außerdem ist es gar nicht schlecht, wenn er eingesperrt ist und wir in Ruhe Annas Sachen packen können.
»Na super!«, ertönt es aus dem Bad. Danach bleibt es still.
Ich grinse. »Dann mach ich mich mal an die Arbeit.«
Anna deutet mit dem Kopf auf zwei halb volle Säcke, die auf dem Boden neben dem Couchtisch stehen. »Ich packe hier weiter.«
Eine gute halbe Stunde später sind wir fertig. Gemeinsam gehen wir noch einmal alle Räume durch.
Im Wohnzimmer nimmt Anna einen Topf mit einer Palme auf und stellt ihn in der Diele ab. »Die nehme ich auch mit, er hat sie eh nie gegossen.« Sie stemmt ihre Arme auf die Hüften und überlegt einen Moment. »Warte mal!«
Ich schaue meiner Freundin nach, die in der Küche verschwindet. Kurz darauf kommt sie zurück und hält triumphierend eine Flasche in die Luft. »Schottischer Whisky. Der kostet knapp hundertfünfzig Euro. Timo hat ihn von seinem Vater geschenkt bekommen. Und der hat ihn von einem Patienten.« Sie seufzt. »Ist ja auch egal. Timo war jedenfalls zu geizig, sie zu öffnen. Der...
Erscheint lt. Verlag | 29.3.2021 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Auszeit • Beste Freundin • Exfreund • Frauenbuch • Fremdgehen • Freundinnenroman • Hotel am Meer • Insel • Lebensentscheidung • Liebe • Liebe des Lebens • Liebesgeschichte • Liebeskummer • Neuanfang • Neue Liebe • Neustart • Norderney • Pension • Strandbuch • Urlaubsroman |
ISBN-10 | 3-8437-2444-X / 384372444X |
ISBN-13 | 978-3-8437-2444-9 / 9783843724449 |
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