Die Mächtigen (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
672 Seiten
Blanvalet Verlag
978-3-641-25663-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Mächtigen - Lucas Fassnacht
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In einer Welt, in der alles vernetzt ist, wird der Kampf um die Macht ein gefährliches Spiel.
Im Zenit seiner Macht stürzt sich einer der bedeutendsten Konzernchefs des Landes in den Tod. An seine Stelle tritt Fridolin von Wolfenweiler, und dieser hat eine kühne Vision: die Entwicklung einer Software, die den kompletten Zahlungsverkehr Europas abwickeln soll - schnell, transparent, sicher. Um die Sicherheit der Software zu überprüfen, wird der berüchtigte IT-Spezialist Tamás Varta angeheuert. Varta entdeckt mysteriöse Fehler im Code. Und ahnt, dass ihn die Entdeckung das Leben kosten kann. Zu Recht. Als er untertaucht, wird die ehemalige Kampfschwimmerin Anna-Lena Herbst auf ihn angesetzt. Doch dann tritt ein weiterer Killer auf den Plan - Herbst und Varta geraten in ein Spiel der Mächtigen, in dem es keine Regeln gibt.


Von Lucas Fassnacht außerdem bei Blanvalet lieferbar: »#KillTheRich. Wer Neid sät, wird Hass ernten/Die Diplomatin«.

Lucas Fassnacht wurde 1988 in Dieburg geboren; zurzeit wohnt er in Nürnberg, nachdem er in Erlangen Altgriechisch, Germanistik und Linguistik studiert hat. Neben seiner Arbeit als Autor gibt Fassnacht Workshops für Kreatives Schreiben. Er veranstaltet regelmäßig Literatur-Shows in Nürnberg und Erlangen. Von März bis November 2015 leitete er eine Poetry-Slam-Werkstatt mit Mittelschülerinnen und -schülern der Nürnberger Südstadt, welche mit der Kamera begleitet wurde. Der entstandene Dokumentarfilm »Südstadthelden« feierte Anfang Oktober 2019 Premiere im Rahmen des Internationalen Nürnberger Filmfestivals der Menschenrechte.

1. Kapitel


Die Durchsage des Zugführers schien nicht enden zu wollen. Monique Roux-Pastor verstand vieles, aber Deutsch gehörte nicht dazu. Sie griff nach dem Reinigungstuch und putzte ihre Brille. Hoffentlich nicht noch eine Verspätung. Sie mussten bereits kurz vor Frankfurt sein. Kein Staubkorn war mehr auf den Brillengläsern. Roux-Pastor putzte trotzdem. Es war ihr Weg, mit der Nervosität fertigzuwerden. Die Brille war ihr wertvollster Besitz; minus sechs Dioptrien rechts, minus drei Komma sieben links.

Nachdem der Zugführer geendet hatte, endlich die englische Entsprechung – die irritierenderweise aus einem einzigen Satz bestand: »We are arriving now Frankfurt Central Station.«

Roux-Pastor seufzte erleichtert. Sie griff nach ihrem Schminkspiegel und überprüfte ihr Make-up. Sie hatte ihre Mähne gebändigt, sich Ohrstecker von ihrer Mutter geliehen und sogar Lippenstift aufgetragen. Sah passabel aus. Sie wirkte viel älter als einundzwanzig. Roux-Pastor hatte sich nie viel aus ihrem Äußeren gemacht, eigentlich mochte sie ihr Gesicht sogar. Leider war sie die Einzige. Bis heute hatte sie nicht herausgefunden, ob es an ihrer Brille lag, die ihre Augen grotesk vergrößerte, oder daran, dass sie klug war. Nicht klug im Vergleich zu ihren Eltern oder im Rahmen des Schulsystems, sondern wirklich klug.

Monique Roux-Pastor erinnerte sich an jedes Wort aus jedem Buch, das sie je gelesen hatte. Sie konnte die Kohärenzeigenschaften quantenmechanischer Zustände modellieren. Sie verstand, warum null keine Zahl war.

Es war nicht immer einfach.

Sie klappte den Schminkspiegel zu, packte ihre Sachen zusammen und eilte zum Ausstiegsbereich ihres Waggons. Viel zu früh. Der TGV rumpelte über den Main.

Endlich fuhr der Zug in den Bahnhof ein, kam zum Halten. Weitere zähe Augenblicke, bis die Tür sich öffnen ließ, Roux-Pastor nahm die Stufen zu hastig, stolperte, fast wäre sie gefallen, zum Glück stützte jemand sie rechtzeitig. Verdammt. Sie zog sich die Bluse gerade. Sie war nicht zu spät. Es gab keinen Grund zur Eile. Die Werbefläche auf dem Bahnsteig präsentierte Schokolade, allerdings stimmte die Proportion zwischen Haselnüssen und Trauben nicht. Im Vergleich zu Paris trugen die hiesigen Menschen ihre Aktentaschen häufiger in der linken Hand, oder täuschte sie sich?

Am Kopf des Bahnsteigs hielt ein Asiat in roter Kordhose und gelbem Wollpullover ein Blatt Papier hoch, auf dem ihr Name stand, in der Schriftart Verdana. Sie fasste sich ein Herz und ging auf den Mann zu.

»Hallo«, sagte sie.

»Frau Roux-Pastor?«, fragte der Mann auf Englisch. »Schön, dass Sie da sind. Willkommen in Frankfurt. Ich bin Tao Wu.«

Sein Gesicht sah angespannt aus.

»Geht es Ihnen nicht gut?«

»Zahnschmerzen.«

»Sie haben sich angepasst.«

»Bitte?«

»Im Chinesischen wird der Familienname zuerst genannt, Tao ist aber kein Familienname – Wu schon. Sie haben Ihre Namen in derjenigen Reihenfolge angeordnet, die in westlichen Gesellschaften üblich ist.«

Der Asiat lächelte. Er schielte ein bisschen, aber ansonsten sah er gut aus. Roux-Pastor begann zu schwitzen. Sie senkte die Augen. »Verzeihen Sie. Ich sage zu oft, was ich denke.«

»Alles in Ordnung. Es ist mir eine Ehre, Sie kennenlernen zu dürfen. Folgen Sie mir bitte, der Fahrer wartet draußen.«

Sie saßen im Fond einer Mercedes-Limousine. Während der Fahrt fragte Wu sie über ihre Anreise aus. Roux-Pastor konnte mit Small Talk nicht umgehen. Ihre Oberschenkel klebten am Sitz. Ihr Kleid war zu kurz. Dabei wusste sie doch, dass sie schnell an den Oberschenkeln schwitzte. Als es ihr unerträglich wurde, fragte sie: »Was ist Ihre Aufgabe bei FisherEuroBinary, Herr Wu?«

»Ich leite das Projekt Alyattes.«

Roux-Pastor blieb das Herz stehen. Komplexe Dinge fielen ihr leicht, doch wie oft scheiterte sie an den einfachen. »Sie entscheiden über meine Einstellung«, stammelte sie. »Das Vorstellungsgespräch findet bereits statt.«

Wu lächelte wieder. »Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Roux-Pastor. Wir haben Sie angefragt. Ich bin guten Mutes, dass wir zusammenfinden. Aber verraten Sie mir, warum haben Sie überhaupt Interesse daran, mit uns zusammenzuarbeiten? Wir haben Ihnen bisher ja noch nicht viel verraten außer der Höhe des Honorars. Und das Honorar wird es wohl kaum sein.«

»Doch«, gab Roux-Pastor zu. »Meine Mutter sagt, ich soll mir ein Haus kaufen. Als Altersvorsorge.«

Wu zögerte mit seiner Antwort. Aber insgesamt hatte Roux-Pastor den Eindruck, er war nicht ganz so langsam wie normale Menschen.

»Abgesehen vom Nobelpreis haben Sie alles gewonnen, was man als Mathematikerin gewinnen kann, Sie haben mit achtzehn promoviert, Sie tragen das Offizierskreuz der französischen Ehrenlegion. Sie sollten sich keine Gedanken um Ihre Altersvorsorge machen müssen.«

»Ich mache mir keine Gedanken um meine Altersvorsorge. Meine Mutter macht sich Gedanken.«

»Sie haben tatsächlich Geldmangel?«

»Das weiß ich nicht.«

Nun zeigte auch Wus Gesicht das Unverständnis, das sie von ihren Mitmenschen gewohnt war. Doch Roux-Pastor hatte gelernt, sich zu erklären, auch wenn es um Belanglosigkeiten ging. »Ich besitze ein Konto, aber ich kam noch nicht dazu, das Guthaben zu prüfen. Bisher war es immer gedeckt. Also habe ich keinen Grund, die Prüfung zu priorisieren.«

»Sie bewerben sich also bei uns, weil Ihre Mutter Ihnen rät, ein Haus zu kaufen, und Sie nicht wissen, ob Sie genügend Geld dafür haben, weil Sie es nicht für wichtig erachten, Ihren Kontostand zu verfolgen?«

Roux-Pastor nickte ergeben. Was für ein lästiges Gespräch. »Das habe ich doch gerade gesagt.«

Wu musterte sie. Unter seinem Blick wurde ihr heiß. Warum bloß konnte sie ihre Ungeduld nie für sich behalten.

»Ist es nicht ironisch, dass Sie für einen Finanzdienstleister arbeiten möchten, wenn Sie sich nicht einmal für Ihre eigenen Kontoauszüge interessieren?«

Roux-Pastor blickte verbissen auf den Fußraum des Fonds. Wenn Menschen Ironie in etwas entdeckt zu haben glaubten, hielt sie besser den Mund. Eine schmerzhafte Lektion, die zu lernen ihre gesamte Schulzeit durchzogen hatte. Es half jedenfalls nicht, auf Krawall gebürsteten Neuntklässlern zu erklären, dass man nicht neun Mal so klug war wie sie, sondern abhängig von der Messmethode zwischen eins Komma acht Mal und zwei Komma zwei Mal.

Wu schien ihr verzeihen zu wollen. Er lächelte.

»Abgesehen vom Geld – gab es noch einen Grund, weswegen Sie unserer Einladung gefolgt sind?«

Roux-Pastor widerstand dem Drang, ihre Brille zu putzen. Sie hasste es, wenn Menschen private Fragen stellten. »Meine Mutter«, murmelte sie. »Sie meint, es tut mir gut, wenn ich mal etwas Praktisches mache.«

Wu holte ein Tablet hervor. »Nun ja, etwas Praktisches«, er öffnete eine Datei, »zumindest im Vergleich zu Ihrer Forschung, sicher.« Er reichte ihr einen Touchstift. »Wenn Sie hier unterschreiben möchten, sage ich Ihnen, um was es geht. Keine Sorge, ist nur eine Verschwiegenheitserklärung.« Mit einer Wendung seines Kopfs wies er zum Fenster auf ihrer Seite. »Wir sind gleich da.«

Roux-Pastor blickte hinaus. Hinter einer Reihe von Buchsbäumen in Betonkübeln erhob sich ein Wolkenkratzer, der aussah wie ein überdimensioniertes gläsernes Modell des Schiefen Turms von Pisa. Als sie heranfuhren, entdeckte sie zwischen den Buchsbäumen ein paar Demonstranten, die um eine Boombox hockten. Kein Gebäude war die letzten Wochen häufiger in den Medien gewesen. Es handelte sich um die Zentrale der umstrittensten Firma Europas: der FisherEuroBinary AG.

Wu führte sie in eine Lobby, die den Großteil des Gebäudegrundrisses einnehmen musste. Roux-Pastor schätzte die Höhe des Raumes anhand dessen, wie scharf sie die Decke sah. Ungefähr siebzehn Meter. Die Rezeption war ähnlich lang und wurde von vier Leuten betreut. Wu zeigte seine Mitarbeiterkarte und ließ eine Gästekarte für Roux-Pastor ausstellen, wofür sie ihm ihren Personalausweis hatte geben müssen.

Während sie auf den Fahrstuhl warteten, erklärte er: »Die Europäische Union arbeitet daran, den Zahlungsverkehr zwischen den Banken von den Amerikanern unabhängiger zu machen. Bisher läuft ja alles über SWIFT, und dass das manipuliert wird, wissen wir spätestens seit Snowden. Für die Entwicklung des entsprechenden Systems hat die EU den Europäischen Bankenverband beauftragt. Der Verband wiederum hat sich dafür entschieden, dass EuroBinary die Feder führen soll. Also FisherEuroBinary inzwischen.«

»Deswegen hat das Kartellamt also die Fusion bewilligt.«

»Bitte?«

»Um Alyattes zu retten.«

»Wie kommen Sie darauf?«

Roux-Pastor zuckte die Schultern.

Der Fahrstuhl kam. Sie traten ein. Wu drückte einen der untersten Knöpfe, während er seine Karte vor einen Sensor hielt. Der Fahrstuhl setzte sich nach unten in Bewegung, Wu fuhr mit seinen Ausführungen fort.

»Ziel ist mittelfristig, auch private Transaktionen über das System laufen zu lassen. Vor allem Transaktionen, die bisher noch bar geschehen. Allerdings steigt in der Bevölkerung das Bewusstsein für Datensicherheit – wenn ein einzelnes System alle Überweisungen bündeln soll, ist der Aufschrei abzusehen. Im Übrigen vertrauen die Menschen Giralgeld vielleicht im Alltag – aber sobald die kleinste Krise kommt, rennen sie doch alle wieder zum Automaten.«

Roux-Pastor schüttelte stumm den Kopf. Geld war...

Erscheint lt. Verlag 28.9.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bad Banks • Banken • Bitcoin • Blockchain • deutsche Spannung • Digitalisierung • eBooks • Europa • Finanzen • Finanzkrise • Frankreich • Frank Schätzing • Großkonzerne • Hacker • IT • #KillTheRich • KillTheRich • Korruption • Marc Elsberg • München • Thriller • Wirtschaftskriminalität • Wirtschaftsthriller
ISBN-10 3-641-25663-1 / 3641256631
ISBN-13 978-3-641-25663-0 / 9783641256630
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