Das Leben ist zu kurz für irgendwann (eBook)

Roman
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2021 | 1. Auflage
384 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-25291-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Leben ist zu kurz für irgendwann -  Ciara Geraghty
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Weil jeder Tag mit dir zählt.
Terry und Iris sind beste Freundinnen und würden durchs Feuer füreinander gehen. Aber Iris ist krank. So krank, dass sie sich heimlich entschließt, ihr Leben in der Schweiz zu beenden, solange sie es noch kann. Als Terry feststellt, dass Iris auf dem Weg dorthin ist, zögert sie keine Sekunde. Mit ihrem betagten Dad im Auto holt sie Iris gerade noch am Hafen von Dublin ein. Die drei begeben sich auf eine abenteuerliche Reise durch England und Frankreich, und was die schlimmsten Tage in Terrys Leben hätten werden können, werden ihre besten. Denn durch Iris entdeckt sie ungeahnte Seiten an sich - und dass es ein Geschenk ist, unser Leben zu leben, jeden Tag und bis zum letzten Tag.

»Sehr lustig, sehr bewegend und ohne jegliche Sentimentalität.« Irish Times

Ciara Geraghty lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Dublin. »Das Leben ist zu kurz für irgendwann« eroberte die Herzen der Leserinnen und Leser im Sturm und stand unter den Top Ten der Irish-Times-Bestsellerliste.

2
WER EIN FAHRZEUG FÜHRT, DARF NUR SO SCHNELL FAHREN, DASS DAS FAHRZEUG STÄNDIG BEHERRSCHT WIRD

»Die Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen beträgt achtzig Stundenkilometer«, sagt Dad.

»Tut mir leid, aber … ich hab’s eilig.« Ich schaue in den Rückspiegel. Hatte geglaubt, ein Martinshorn zu hören, aber ich sehe weit und breit kein Polizeiauto.

Meine liebste Terry,

als Erstes sollst du wissen, dass du nichts hättest ändern können. Ich habe meine Entscheidung getroffen.

Die Angst jagt meine Gedanken im Kreis herum, immer schneller, bis ich keinen einzigen mehr zu fassen kriege.

»Hab ich dir schon mal erzählt, wie Frank Sinatra in mein Taxi gestiegen ist?«, fragt Dad.

»Nee, hast du nicht.« In den Gesprächen mit meinem Vater lüge ich ziemlich häufig.

»Es war Freitagnacht, und ich fuhr die Harcourt Street entlang. Der Verkehr war furchtbar wegen diesem Zeug … diesem … Wasser …«

»Regen?«

»Ja, Regen und …«

Und als Zweites sollst du wissen, dass du nichts hättest ändern können. Ich habe meine Entscheidung getroffen.

Die Ampel wird rot, und ich halte abrupt. Die Bremsen quietschen. Nächsten Monat muss der Wagen zum Verkehrstest, ich muss ihn vorher noch zur Inspektion bringen. Brendan meint, ich soll mir ein neues Auto zulegen, so einen kleinen Flitzer, mit dem ich leichter einen Parkplatz finde. Aber ich mag den wuchtigen Volvo. Stimmt natürlich, dass er sich demnächst nicht mehr gut verkaufen lässt. Aber ich fühle mich so sicher darin, und er hat mich noch nie im Stich gelassen.

»Und ich hab zu Frank gesagt, ich kenne die Texte von all Ihren Songs und …«

Aus dem Augenwinkel sehe ich Iris’ Brief auf meiner Handtasche liegen. Ich habe ihn zusammengeknüllt.

… Aber bitte akzeptiere, dass ich diese Entscheidung lange und ausführlich erwogen habe. Und ich werde sie nicht bereuen …

Ich war noch nie zuvor am Hafen von Dublin und parke auf einem Behindertenparkplatz, obwohl ich keine Erlaubnis dafür habe.

»Dad, bleibst du bitte im Wagen? Ich … ich muss schnell was erledigen.«

»Natürlich, Liebes, kein Problem.«

»Versprichst du mir ganz fest, dass du hier sitzen bleibst?«

»Holst du deine Mutter ab?«

»Schwör, dass du hierbleibst, bis ich wieder da bin.«

… und es mag zu viel verlangt sein, dich zu bitten, diesen Schritt zu verstehen. Aber ich hoffe, dass es dir gelingt, denn deine Meinung ist mir wichtig, und …

Mein Vater betrachtet mich so forschend, als versuche er sich zu erinnern, wer ich bin, und vielleicht ist es auch so. Manchmal ist es schwierig zu erkennen, wann er sich wirklich an etwas erinnert und wann er nur so tut.

Ich lege ihm die Hand auf die Schulter. »Bin wirklich gleich wieder da, ja?«

Er lächelt mich zahnlos an, was bedeutet, dass er wieder sein Gebiss rausgenommen hat. Einmal habe ich es in einem alten Sportschuh von Anna im Kofferraum wiedergefunden.

»Du bist gleich wieder da«, sagt Dad, und ich bestätige das noch mal. Dann steige ich aus und schließe ihn im Auto ein.

… mit der Klinik in der Schweiz ist alles geregelt, die Papiere liegen hier bei …

Wenn im Auto Feuer ausbricht, wird Dad nicht rauskommen und bei lebendigem Leib verbrennen. Oder an Rauchvergiftung sterben. Aber in meinem Auto hat es noch nie gebrannt, wieso soll das ausgerechnet jetzt passieren? Ich zögere. Brendan würde das als »herumeiern« bezeichnen.

… ist ja nur eine Frage der Zeit, bis es ohnehin so weit ist, und deshalb soll es jetzt passieren, bevor ich nicht mehr in der Lage bin …

Ich rase über den Parkplatz auf die Abfertigungshalle zu und versuche dabei, an nichts zu denken. Konzentriere mich auf das Klatschen meiner Schuhe, mein hektisches Keuchen, das dröhnende Pochen meines Herzens.

Meine liebste Terry,

als Erstes sollst du wissen, dass …

Ich sehe sie sofort. Iris ist leicht zu entdecken, obwohl sie gar nicht so groß ist. Aber sie wirkt größer, als sie ist.

Meine Erleichterung ist so massiv, dass ich sie mit Händen greifen könnte. Iris steht in einer Schlange, sichtlich um Geduld bemüht. Sie sieht nicht aus wie eine Frau, die beabsichtigt, in Kürze ihr Leben in einer Schweizer Klinik zu beenden. Sondern wie immer. Die grauen Haare ganz kurz geschnitten, kein Make-up, kein Schmuck, kein Schnickschnack. Erst als sich die Schlange vorwärtsbewegt, werden die Krücken sichtbar, die mir auch nach all der Zeit in Iris’ großen geschickten Händen so sonderbar vorkommen. So überflüssig.

Einen Moment lang stehe ich nur da und starre Iris an. Mein erster Gedanke ist, dass sie sich geirrt hat. Ich kann sehr wohl etwas ändern. Wie das gehen soll, weiß ich noch nicht. Aber dass ich hier bin. Dass sie noch da ist, dass ich sie nicht verpasst habe. Das ist doch schließlich ein Zeichen, oder nicht?

Die Erleichterung ist so überwältigend, dass kein Raum mehr für andere Gefühle da ist. Ich bin vollkommen erfüllt davon, ersticke fast daran. Als ich Iris’ Namen rufe, kommt meine Stimme mir fremd vor.

»Iris.« Es ist zu laut hier, sie hört mich nicht.

Ich nähere mich der Schlange. »Iris? IRIS!« Leute mustern mich, und ich laufe rot an. Konzentriere mich auf meine Freundin, die sich jetzt umdreht und mich mit ihren großen grünen Augen anschaut.

»Terry? Was zum Teufel machst du hier?«

Iris’ Neigung zum Fluchen war das Einzige, was meine Mutter nicht an ihr mochte.

Mein Mund fühlt sich schrecklich trocken an, die Erleichterung verflüchtigt sich, und in meinem Körper tobt irgendwas … weiß nicht, was … Adrenalin vielleicht. Oder nackte Angst. Kalter Schweiß bricht mir aus. Ich trete noch näher zu Iris und öffne den Mund. Was ich jetzt sagen werde, ist wichtig. Aber mir fällt nichts ein, rein gar nichts. Kein einziges Wort. Stattdessen krame ich in meiner Handtasche, ziehe den zerknüllten Brief heraus und versuche ihn glatt zu streichen. Halte ihn dann hoch. Damit Iris Bescheid weiß.

Beim Anblick des Briefs erstarrt sie. Der Mann hinter ihr ist abgelenkt, weil er telefoniert, und prallt mit Iris zusammen, als die Schlange sich weiterbewegt.

»Oh, Entschuldigung«, sagt er. Iris funkelt ihn nicht wütend an. Sie würdigt ihn nicht mal eines Blickes, obwohl er keinen Abstand gehalten hat, was sie hasst wie die Pest. Stattdessen schiebt sie ihr Gepäck – eine kleine Reisetasche – mit der Krücke weiter und geht einen Schritt vorwärts.

Ich stehe wortlos da, das zerknitterte Papier in der Hand.

Die Leute glotzen mich an.

Jetzt trete ich dicht zu Iris.

»Was machst du?«, zische ich.

Sie schaut mich nicht an. »Das weißt du doch. Du hast den Brief gelesen.« Sie betrachtet eingehend den Rücken des Mannes vor ihr. Die Schultern seines Sakkos sind mit Schuppen gesprenkelt.

Ich verschränke die Arme vor der Brust und balle die Hände zu Fäusten, um das Zittern zu unterdrücken. Hätte ich mir nur vorher überlegt, was ich sagen will. Hätte ich nur während der Fahrt nachgedacht. Aber ich konnte nur daran denken, dass ich es rechtzeitig zum Hafen schaffen muss.

Und jetzt, da ich hier bin, verschlägt es mir die Sprache, und ich weiß nicht, was ich tun soll.

»Iris«, bringe ich schließlich mühsam hervor. »Sag bitte was.«

»Ich habe alles in dem Brief erklärt.« Sie blickt weiter nach vorne, als rede sie mit jemand anderem. Inzwischen verrenken sich mehrere Leute in der Schlange den Hals, um die Szene zu beobachten.

»Ich finde, der Brief erklärt gar nichts.«

»Es tut mir leid, Terry.« Iris senkt den Kopf. Ihre Stimme klingt ein bisschen weicher. Ein Riss in der Rüstung, den ich vielleicht verbreitern kann.

Ich lege ihr die Hand auf den Arm. »Alles gut, Iris. Komm einfach mit ins Auto. Steht in der Nähe. Dad sitzt da ganz alleine drin, deshalb …«

»Dein Vater? Wieso ist der denn hier?«

»Ratten. Im Heim. Also, ich meine … Ungeziefer, aber ich denk mir … Hör mal, ich erzähl das alles im Auto, ja?«

»Woher wusstest du, dass ich hier bin?«, fragt Iris.

»Hab deine Buchung gesehen. Im Laptop.«

»Du hast dich in meinen Laptop gehackt?«

»Natürlich nicht! Du hast ihn angelassen. Was übrigens eine Brandgefahr darstellt. Ganz zu schweigen von dem Sicherheitsrisiko, dass du kein Passwort hast.«

»Du bist in mein Haus eingebrochen?«

»Nein! Ich hab den Schlüssel …«, ich senke die Stimme, »aus dem Schuppen benutzt.«

Wieder bewegt sich die Schlange, und Iris befördert sich und ihr Gepäck vorwärts. Sie ist bald an der Reihe.

»Iris«, sage ich drängend, »bitte komm mit mir.«

»Wirklich, Terry, es tut mir leid.« Sie sieht mich an. »Aber ich nehme jetzt diese Fähre.« Wenn Iris diesen entschiedenen Tonfall hat, widerspricht ihr niemand. Ich habe das x-mal bei Sitzungen der Alzheimer-Gesellschaft erlebt. Das hasst sie übrigens auch: Sitzungen. Iris trifft Entscheidungen und schreitet dann am liebsten sofort zur Tat. Und das zieht sie meist auch so durch.

Ich stehe da, mit hängenden Armen, und fühle mich nutzlos.

»Aber ich erlaube dir das nicht«, sage ich kläglich.

»Der Nächste«, ruft der Mann am Schalter.

Iris bückt sich, um ihre Tasche aufzuheben. Der Tremor erfasst ihren ganzen Arm, einem elektrischen Stromstoß gleich. Ich...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2021
Übersetzer Sibylle Schmidt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Rules of the Road
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alzheimer • eBooks • Frankreich • Irish-Times-Bestseller • Irland • Jojo Moyes • London • Roadtrip • Roman • Romane • Schweiz
ISBN-10 3-641-25291-1 / 3641252911
ISBN-13 978-3-641-25291-5 / 9783641252915
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