Das Leuchten der Inselblumen (eBook)

Roman

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
496 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-24327-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Leuchten der Inselblumen -  Mina Gold
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Das große Glück kommt in kleinen Wellen
Das blaue Meer, der Wind in den Haaren, das Leuchten der Dünen: Anna ist glücklich auf der schönen Nordseeinsel Texel. Gemeinsam mit ihrer großen Liebe Ole genießt sie die Zweisamkeit und endlich hat sie den Mut, einem Geheimnis aus ihrer Kindheit auf den Grund zu gehen. Nur ihr Blumencafé bereitet ihr Sorgen, denn immer mehr Kunden bleiben aus. Da erfährt sie von einer unerwarteten Erbschaft: Ihre verstorbene Nachbarin Roos hat ihr das Haus mit dem wunderschönen Rosengarten vermacht. In Anna reifen Pläne für eine neue Zukunft und sie hat eine Idee, wie sie ihr Café zu neuem Leben erwecken kann. Doch dann steht auf einmal ihre gesamte Existenz auf dem Spiel ...

Mina Gold, geboren 1987, besitzt einen Abschluss in Europäischer Literatur und arbeitet als freiberufliche Korrekturleserin und Lektorin. Um ihre Liebe zu schönen Dingen auszuleben, betreibt sie außerdem ein Schmucklabel. Gemeinsam mit ihrem Hund Rosali und ihrer Büchersammlung lebt sie in Berlin Neukölln. »Der Sommer der Inselblumen« ist ihr erster Roman bei Penguin.

5


Wie immer, wenn sie die Tür zum Laden öffnete und der Geruch nach altem Holz und Blumen in ihre Nase drang, überflutete Anna ein seltsames Gefühl. Den verrosteten Schlüssel ins Schloss zu stecken, die kleinen Glöckchen über der Tür bimmeln zu hören, als Erstes die Kaffeemaschine anzuschmeißen und den Ofen zu befeuern, das alles war noch vor ein paar Wochen wie Nachhausekommen für sie gewesen. Ein kleines Ritual, auf das sie sich jeden Morgen gefreut hatte.

Nun versetzte ihr allein der Anblick des Hauses, in dem sich ihr Blumenladen befand, einen Stich ins Herz.

Früher war der Laden ihr kleines Refugium gewesen. An die Theke gelehnt einen Espresso zu trinken, über die Blüten nach draußen auf die kleine Gasse zu blicken, wo Anton im Schnapsladen seine Flaschen sortierte und Leentje frischen Streuselkuchen in die Bäckertheke legte, hatte ihr ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit verliehen. Sie gehörte dazu, sie war ein Teil der kleinen Stadt, ein Teil der Insel. Und Roos nebenan zu wissen, nur darauf zu warten, dass sie anrufen oder an die Scheibe des Hinterzimmers klopfen würde, um einen Tee mit ihr zu trinken oder neuen Kuchen zu bringen, hatte dazu beigetragen, dass sie sich hier endlich zu Hause und nicht mehr einsam fühlte.

Anna seufzte tief. Sie stand an ihrem Pflanztisch, aber ihre Hände ruhten schon seit beinahe zehn Minuten bewegungslos auf einem Strauß Levkojen. Traurig sah sie sich um. Die knarzenden Dielen und der kleine, mit Eis überzogene Hinterhof, der bollernde Ofen, Harry in seinem Körbchen … der Laden hätte in diesem Moment gar nicht gemütlicher sein können. Und doch fühlte es sich falsch an, fremd. Als habe sich etwas Unsichtbares verschoben und die Welt aus den Angeln gerückt. Plötzlich war sie wieder einsam hier, auf der kleinen Insel inmitten des dunklen, kalten Meeres. Nicht nur Roos’ Tod, auch die Tatsache, dass der Laden Sem gehörte, dass er ihn ihr jederzeit wegnehmen konnte, trug dazu bei, dass sie sich hier nicht länger sicher fühlte.

Außerdem wusste sie genau, dass sie auf der Insel gerade Gesprächsthema Nummer eins war, dass die Menschen über sie flüsterten, sie beobachteten. Niemand wusste genau, was geschehen war, aber alle wussten, dass Anna mit Roos’ Tod und Sems Verhaftung zu tun hatte. Die Gerüchteküche brodelte.

Sie blickte auf ihre Hände und griff dann entschlossen nach der Blumenschere. Auch wenn sie nicht wusste, wie es weitergehen sollte, noch hatte sie einen Laden. Sie würde die Zähne zusammenbeißen und sich dem stellen, was auf sie zukam.

Nur war das leichter gesagt als getan.

Sie hatte sich solche Mühe gegeben, alles herbstlich zu dekorieren, überall Kerzen aufgestellt, Kürbisse ausgehöhlt und bepflanzt und Tannenzapfen an die Decke gehängt. Blumen über Blumen warteten in ihren Eimern auf ein neues Zuhause. Bereits seit über einer Stunde hatte sie geöffnet, aber es waren bisher kaum Kunden hereingetröpfelt, und fast alle hatten nur über Roos sprechen wollen.

Aber Anna konnte nicht über Roos sprechen.

Deswegen war sie freundlich gewesen, hatte jedoch auch jeden Versuch einer längeren Konversation sofort abgeblockt. Viele meinten es gut, die meisten aber waren einfach nur neugierig.

Sie legte die Schere wieder hin, ging zu Harry, bückte sich und streichelte ihm über den Bauch. Er lag auf dem Rücken neben dem Feuer und schnarchte leise. Als er sie spürte, öffnete er ein Auge, leckte ihr liebevoll über die Hand und schlief sofort wieder ein. »Ich wäre auch gerne so sorglos wie du!«, flüsterte sie. Dann ging sie nach vorne zur Theke und schmiss die Kaffeemaschine an. In einer Stunde würde Britt sie zur Mittagspause abholen, und heute Abend wollten sie mit Ole und seinen Eltern Viola und Henk zusammen im Stormvogel Käsefondue machen. Es war also nicht alles anders. Sie hatte noch ihre Freunde, sie hatte Ole und seine laute, lustige Familie, sie hatte den Stormvogel und den Bruijnshof, Harry, ihren Garten daheim und ihre Blumen.

Erst mal einen Kaffee, dachte Anna und roch an den duftenden Bohnen. Kaffee macht alles besser.

Eine Woche später kehrte sie abends müde nach Hause zurück. Der kleine weiße Bruijnshof, den Anna einst von ihren Großeltern gerbt hatte, war umgeben von knorrigen Apfelbäumen und nebligen Wiesen. Dunkel und verlassen lag er da, mit seinem Reetdach und dem schiefen Schafstall, und wie so oft wünschte sie sich, dass jemand hinter den Fenstern auf sie wartete, so wie früher. Nur auf dem Hof nebenan brannte Licht, aber ihr Verhältnis zu Luuk war sehr abgekühlt. Sie grüßten sich noch, wechselten manchmal ein paar Worte über den Zaun. Sie brachte nach wie vor ihre Gemüsereste zu seinen Wollschweinen und Harry lief fast jeden Tag rüber, um mit den Hühnern zu spielen, aber mehr wollte Anna vorerst nicht zulassen. Zwar teilten sie sich das Sorgerecht für Enie, Annas halbes Huhn, das Luuk ihr damals zum Einzug geschenkt hatte, aber Enie machte ohnehin meist ihr Ding, wanderte zwischen den Höfen hin und her, wie sie lustig war, und brauchte nicht viel Erziehung. Das war auch besser so, denn seit den Geschehnissen im letzten Jahr fand Anna, dass eine gesunde, höfliche Distanz ihr und Luuk gut tat.

Als Anna die Haustür aufschloss und das Licht anknipste, nahm sie sofort den altvertrauten Geruch nach Steinen, Kalk und Schafwolle wahr, der zwischen den Wänden hing. Heute schien der Geruch noch ein wenig stärker, ihr Gefühl beim Eintreten ein wenig wehmütiger als sonst.

Wahrscheinlich, weil sie gerade der Vergangenheit begegnet war.

Sie kam von ihrem Gespräch mit Kommissar Neeson, und obwohl es gut verlaufen war, hatte es sie doch stärker mitgenommen als erwartet. Sie warf ihre Handtasche in die Ecke neben der Treppe, zog die Schuhe aus und tapste in die Küche, wo sie sich auf das rote Samtsofa ihrer Großeltern fallen ließ, das sie gleich nach ihrem Einzug neben den Kamin geschoben hatte. Das Feuer war aus, aber sie hatte keine Energie, es anzuschüren.

So erschöpft hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Der Tag war ihr ewig erschienen. War es wirklich erst heute Morgen gewesen, dass sie hier am Tisch mit Harry zusammen Croissants und Porridge gefrühstückt hatte? Den ganzen Vormittag über hatte sie den Laden geputzt, das Fenster neu dekoriert, Sträuße gebunden, die niemand kaufte, und auf Kunden gewartet, die nicht kamen. Den Rest des Tages hatte sie von früher erzählt, was auf bestimmte Weise anstrengender gewesen war als all die körperliche Arbeit zuvor. Sie spürte eine tiefe Sehnsucht nach einem Teller Spaghetti und einer heißen Dusche. Und vielleicht einer Fußmassage. Für mindestens zwei dieser drei Wünsche brauchte sie aber eine andere Person, denn sie war viel zu müde, um noch Nudeln zu kochen, und ihre Füße selber zu massieren, war auch keine verlockende Aussicht. Leider war das Haus leer. Nicht mal Harry war da, den hatte sie bei Britt gelassen, um in Ruhe mit Kommissar Neeson reden zu können, und nun herrschte eine seltsame Stille um sie her. Aber eigentlich war sie froh, dass sie seine wuselige Lebhaftigkeit jetzt nicht erwidern musste. Duschen werde ich gerade noch schaffen, dachte sie, stand wieder auf und schleppte sich die knarzende Treppe hinauf in den ersten Stock. Dort gab es mehrere Zimmer, aber Anna benutzte nur eines. Seit ihrem Einzug hier bewohnte sie das alte Schlafzimmer ihrer Großeltern. Inzwischen hatte sie ihm ein neues Gesicht verpasst, die dunklen alten Möbel hellblau angemalt, geblümte Vorhänge aufgehängt und einen Lesesessel ans Fenster gestellt. Nun erinnerten einzig die Porträts auf der Kommode daran, wer hier einst gelebt hatte. Das niedrige Badezimmer mit den Holzdielen, der Blümchentapete und den türkisfarbenen Kacheln sah hingegen noch immer genauso aus wie früher. Hier fühlte sie sich immer, als wäre sie für einen Augenblick aus der Zeit gefallen, war wieder als kleines Mädchen den Sommer über hier auf dem Hof. Sie knipste die kleinen Lampen über dem Spiegel an und betrachtete einen Moment ihr erschöpftes Gesicht. Nein, sie war kein Kind mehr und dies war kein unbeschwerter Sommerbesuch. Dies war die Gegenwart.

Und momentan wollte sie am liebsten vor ihr davonrennen.

Als sie unter dem heißen Strahl stand und die Augen schloss, merkte sie, wie sehr sie das Gespräch aufgewühlt hatte.

Ole wollte mitkommen, Neeson wiederum hatte darauf bestanden, sie alleine zu treffen. »Die Menschen öffnen sich mehr, wenn niemand dabeisitzt, vor dem sie vielleicht Hemmungen haben«, hatte er am Telefon gesagt. »Ich führe solche Gespräche grundsätzlich unter vier Augen.«

»Aber ich war ja gar nicht dabei damals, ich weiß nichts, was Sie nicht auch wissen«, war ihr Einwand gewesen.

»Seien Sie sich da nicht zu sicher!«, hatte er gesagt und das Telefonat beendet.

»Warum sollte ich nicht mitkommen, ich war schließlich damals auch auf der Insel, vielleicht weiß ich ja auch was Nützliches!« Ole war empört gewesen. »Was will der denn mit dir besprechen, das ich nicht hören darf?«

Sie hatte ihm schließlich versprochen, sich mit dem Kommissar bei Tom im Strandpaal zu treffen, wo der »ein Auge auf das Ganze haben konnte«, wie Ole es ausdrückte. Er selbst hatte sich widerwillig damit abgefunden, sie »nur« hinzufahren. Aber natürlich hatte er es nicht dabei belassen und war dann doch mit hineingekommen, wo er Neeson, der schon an einem Tisch am Fenster saß und gedankenverloren auf das Wasser starrte, unverhohlen misstrauisch musterte und ihm dann so viele Fragen stellte, dass Anna ihm irgendwann den Ellbogen in die Seite rammte.

»Ole!«

»Was?«

»Musst du nicht was...

Erscheint lt. Verlag 8.3.2021
Reihe/Serie Die Inselblumen-Serie
Die Inselblumen-Serie
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Blumenladen • Café • eBooks • Frauenroman • Frauenromane • Hund • Insel • Janne Mommsen • Jenny Colgan • Jette Hansen • kleine geschenke für frauen • Liebe • Liebesgeschichte • Liebesromane • Meer • Niederlande • Nordsee • Prinz Harry • Romane für Frauen • Rosamunde Pilcher • Sylvia Lott • Texel
ISBN-10 3-641-24327-0 / 3641243270
ISBN-13 978-3-641-24327-2 / 9783641243272
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