Wundergirl (eBook)

Roman (für Leser/innen ab 14 Jahren)
eBook Download: EPUB
2020 | 5. Auflage
301 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7502-9932-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wundergirl -  Meike Cuddeford
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Minna ist zwölf Jahre alt, als sie dem Mann begegnet, der ihr kindliches Vertrauen auf eine schreckliche und brutale Weise ausnutzt. Dieser vermeintliche Freund verletzt sie nicht nur körperlich, sondern fügt dem heranwachsenden Mädchen auch eine seelische Verwundung zu, die sein Leben nachhaltig beeinflussen wird. Viele Jahre später geschieht plötzlich ein Mord, der die ganze Stadt in Atem hält, und auch Minna ist alarmiert, denn sie kennt das Opfer aus früheren Zeiten. Die Vergangenheit holt sie ein, zieht sie hinunter und scheint sie fest im Griff zu haben, doch Minna ist stärker, als sie denkt. Wird sie es schaffen, sich zu befreien?

Meike Cuddeford stammt aus Leer, Ostfriesland. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr und einer Ausbildung zur Tierarzthelferin studierte sie Tiermedizin in München und Hannover. Nach ihrer Promotion ging sie zunächst nach Edinburgh, heiratete den englischen Agrarwissenschaftler Derek Cuddeford und begann mit ihrem ersten Roman, Tweed, der in Schottland spielt. Als weitere Stationen ihres Lebens folgten Lauris in Südfrankreich und das norddeutsche Ammerland. Das Schreiben war immer ihre größte Leidenschaft.

Meike Cuddeford stammt aus Leer, Ostfriesland. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr und einer Ausbildung zur Tierarzthelferin studierte sie Tiermedizin in München und Hannover. Nach ihrer Promotion ging sie zunächst nach Edinburgh, heiratete den englischen Agrarwissenschaftler Derek Cuddeford und begann mit ihrem ersten Roman, Tweed, der in Schottland spielt. Als weitere Stationen ihres Lebens folgten Lauris in Südfrankreich und das norddeutsche Ammerland.

Kapitel 2


 

Solche Angst hatte sie noch nie gehabt. Es klopfte gegen die Fensterscheibe, ohne dass sie irgendjemanden erkennen konnte. Es war kurz vor Mitternacht und Elsa Schniever hatte gerade beschlossen, den Laden für heute dicht zu machen, als sie das dröhnende Geräusch hörte. Es klopfte viermal hintereinander, ganz langsam und deutlich, als wenn die Person vor dem Fenster keinen Zweifel daran lassen wollte, dass es von ihr wahrgenommen wurde.

Es erfolgte gegen die straßenseitige Fensterscheibe, hinter der sich die Auslagen befanden. Diese war einbruchsicher und so dick, dass der Klang der Erschütterung sekundenlang nachhallte und ihren Schrecken noch zu verlängern schien, wie ein Echo des Grauens. Trotz des dicken Pullovers war ihr plötzlich sehr kalt, und sie wagte kaum zu atmen, als ihr bewusst wurde, wie gut sie von draußen zu sehen war. Im Lauf der letzten Jahre hatte es in Hannover immer wieder Überfälle auf Kioske und Tankstellen gegeben, und immer passierte es nachts.

Elsa verfolgte alle Nachrichten und las jeden Bericht über diese Art von Verbrechen, der in der Zeitung stand, aber der Nervenkitzel, den sie dabei empfand, war nichts gegen ihre Angst in diesem Augenblick.

Sie erstarrte auf der Stelle, stand einfach nur da und lauschte, während sie die Lücken zwischen den Regalen anvisierte, aber so sehr sie ihre Augen auch anstrengte, sie sah zwischen den Konservendosen, Schundromanen und Fruchtgummitüten nichts als schwarze Balken. Tagsüber war es durchaus möglich, die Straße durch das Gewirr der Waren zu beobachten. Dann konnte man einzelne Gesichter erkennen, die Stadtbahn vorbeifahren sehen, Wartende an der gegenüberliegenden Bushaltestelle observieren oder alte Damen, die ihre Hunde ausführten. Zu dieser späten Stunde herrschte jedoch jene undurchdringliche Finsternis, die sie im Lauf der Jahre zu fürchten gelernt hatte, und auch der schwache Schein der Laternen auf der anderen Straßenseite konnte nicht bewirken, dass sie sich sicherer fühlte. Das Klopfen hatte aufgehört, aber sie hörte weder Schritte noch irgendein anderes menschliches Zeichen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und alle Verhaltensregeln, die in den Zeitungen für den Fall eines Überfalls empfohlen wurden, schienen aus ihrem Bewusstsein verbannt zu sein. Das Wort Opfer kam ihr in den Sinn. Brutal niedergeschlagen. Blutüberströmt. Angeschossen und liegen gelassen.

Atmen, dachte sie, ganz tief durchatmen, und vor allem nicht verzagen!

„Harry, kommst du mal?“ rief sie in Richtung Hinterzimmer, das zu ihrem Dreh- und Angelpunkt geworden war, nachdem sie ihre Küche mitsamt Kühlschrank und Einbauschränken in den Kiosk integriert hatten. Sie erwartete keine Antwort, denn ihr Mann war nicht da, aber vielleicht konnte sie die Person vor dem Fenster vom Gegenteil überzeugen. Im Hinterzimmer lief die Sportschau, die sie niemals sah, aber nun hielt sie die Fußballgeräusche für einen glücklichen Umstand, signalisierten sie doch, dass ein Mann zu Hause war und das Spiel des Tages verfolgte.

Das Verkaufsfenster war noch offen, aber auch in dem schmalen Eingangsbereich des Mehrparteienhauses, in den die Kunden eintreten mussten, wenn sie etwas kaufen wollten, war niemand zu sehen. Es befand sich im rechten Winkel zu jenem Auslagenfenster, an das gerade angeklopft worden war, und stellte insofern ein Sicherheitsrisiko dar, als man jeden, der davor auftauchte, erst im letzten Moment zu Gesicht bekam. Sie pflegte immer etwas Abstand von der Ladentheke zu halten und sich nicht so weit hinüber zu beugen, um sich vor einem direkten Zugriff durch potentielle Straftäter, die einfach hineinlangen würden, zu schützen. Jetzt näherte sie sich dieser vorsichtig, um einen Blick durch die quadratische Öffnung zu riskieren, während ihr pochender Herzschlag in ein Herzrasen überging, denn es klopfte schon wieder und wieder viermal, tock, tock, tock, tock, an der linken Fensterseite, wo die Sicht noch zusätzlich durch das historische Werbeschild einer Hannoveraner Keksfabrik eingeschränkt war. Ein Gedanke fuhr ihr durch den Kopf, obwohl er ziemlich abwegig war: Harry?

„Harry?“ fragte sie in die Dunkelheit, doch draußen rührte sich nichts. Er musste doch jeden Moment nach Hause kommen! Konnte es sein, dass er sie ein wenig ärgern, dass er seine eigene Frau auf den Arm nehmen wollte, wohl wissend, dass sie nicht nur ein schwaches Herz, sondern auch panische Angst vor Einbrechern hatte? Nein, das konnte nicht sein und diese Erkenntnis machte alles nur noch schlimmer. Nun traute sie sich erst recht nicht mehr an die Ladentheke heran, wo ein Verbrecher auf sie wartete und mit Sicherheit darauf spekulierte, ein leichtes Spiel mit ihr zu haben. Erst vor kurzem hatte sie sich gegen diese Bande von Jugendlichen zur Wehr setzen müssen, deren Anführer ihr Gewalt angedroht hatte, weil sie sich geweigert hatte, ihm Bier und Zigaretten zu verkaufen, und obgleich diese Räuber noch nicht volljährig waren, musste man sie sehr ernst nehmen. Vielleicht wollte der Junge, den seine Freunde Schlachter nannten, seinem Namen alle Ehre machen und mit ihr abrechnen? Vielleicht galt es heute als Mutprobe, eine arme, alte Frau in Angst und Schrecken zu versetzen, zu demütigen und auszurauben? Oder schlimmer noch: sie umzubringen? Wenn ihr Mann doch endlich die Außenjalousie reparieren und sie vor allem nicht immer allein lassen würde!

„Hallo?“ rief sie und bemühte sich um einen forschen Ton, der ihr jedoch nicht recht gelingen wollte. „Wer ist da?“

Plötzlich war ihr, als spürte sie einen Luftzug auf der rechten Wange, aber das Türenklappen blieb aus, also musste sie sich getäuscht haben. Wenn Harry nach Hause kam, würde sie zunächst das Geräusch der Hintertür vernehmen, bevor die schlurfenden Schritte ihres Mannes zu hören waren, aber es war wie immer: wenn man dringend auf etwas wartete, passierte es nicht.

Sollte sie die Polizei rufen? Bewaffnete Überfälle waren in der Nordstadt schließlich keine Seltenheit mehr, und immer wurde die Bevölkerung um Hinweise gebeten. Elsa Schniever schaute zwischen dem Telefon, das an der Wand neben dem Kühlschrank befestigt war, und dem Auslagenfenster hin und her. Sie sehnte sich danach, eine menschliche Stimme zu hören, aber was sollte sie sagen? War ein mitternächtliches Klopfen Grund genug, um einen Notruf abzusetzen? Würde man sie am Ende noch für verrückt halten oder zur Kasse bitten?

Sie hörte ein Auto vorbeifahren, folgte dem Lichtkegel mit den Augen und fragte sich, ob der Fahrer des Wagens den Menschen gesehen hatte, der sich in diesem Moment auf dem Bürgersteig befinden musste. Sie erwog auch in aller Kürze, Herrn Hasselmann anzurufen, der im ersten Stock wohnte, aber er war ein Frühaufsteher und lag bestimmt schon im Bett. Nein, das kam nicht in Frage, weil sie sich lächerlich machen würde, wenn sie die Nachbarn herausklingelte und auf die Straße schickte, um zu klären, wer mitten in der Nacht vor ihrem Kiosk randalierte. Es war Samstag und zu spät für einen Kinderstreich, wie sie ihn aus ihrer eigenen Jugend kannte. Die Zeiten hatten sich geändert. Jugendliche waren nicht mehr harmlos und man wusste überhaupt nicht mehr, wem man noch vertrauen konnte. Sie horchte auf weitere Geräusche, aber nun herrschte Ruhe. Es passierte auch nichts, als sie sich eine Schrittlänge nach vorn bewegte und die Hand nach dem Schalter ausstreckte. Ihr war zwar bewusst, dass die Außenjalousie immer noch klemmte und nur bis zur Hälfte heruntergelassen werden konnte, wenn man nicht von der anderen Seite nachhalf, aber im Moment erschien sie ihr trotzdem als die sicherste Maßnahme. Dummerweise lag die Schreckschusspistole, die Harry ihr vor ein paar Jahren besorgt hatte, oben in ihrem Nachtschrank. Er hatte ihr davon abgeraten, sie im Kiosk oder gar im Kassenboden herumliegen zu lassen, da er befürchtete, dass der Anblick der schwarzen Beretta einen ebenfalls bewaffneten Räuber zum Gegenangriff animieren und einen Schusswechsel auslösen könnte, bei dem Elsa Schniever, die schon bei dem Gedanken an den Gebrauch der Waffe zu zittern anfing, auf jeden Fall unterlegen sein würde. Allein die Vorstellung ängstigte sie, wenn sie die Pistole jetzt auch gern zur Hand gehabt hätte.

Als sie den Schalter betätigte und das vertraute, knarrende Geräusch wahrnahm, mit dem die Außenjalousie sich zunächst schwerfällig über das Verkaufsfenster wölbte und dann in geradem Lauf nach unten bewegte, fand sie vorübergehend zu jenem Selbstbewusstsein zurück, das sie zu einer der erfolgreichsten Kleinunternehmerinnen der Nordstadt gemacht hatte, denn der Spalt, der nun über dem Tresen klaffte, war kaum noch groß genug, um Raum für einen Überfall zu lassen. Mit einer beherzten Handbewegung griff sie hindurch und rüttelte an der Seitenschiene, so dass die Jalousie auch den letzten Teil der Abwärtsbewegung vollführte und mit dem üblichen, scharfen Knall in der dafür vorgesehenen Vorrichtung einrastete ... nie zuvor hatte sie dieses Geräusch so gern gehört wie heute.

Das dumpfe Pochen ihres Herzschlags füllte immer noch ihren Brustraum aus, aber die Angst hatte einen Dämpfer bekommen. Mit einem Mal überwog die Erleichterung, da sie es aus eigener Kraft geschafft hatte, ihre Angreifbarkeit zu minimieren, indem sie die Ladentheke, ihren verletzlichste Stelle, in wenigen Sekunden vor der Außenwelt geschützt hatte. Jetzt musste sie nur noch den Haken lösen und das Fenster herunterziehen, das sie daraufhin - wie jeden Abend - mit einer doppelten Umdrehung des Schlüssels verschließen würde. Dann würde sie das Licht ausschalten, den Verkaufsraum zusperren und sich ins Hinterzimmer zurückziehen, um dort in aller Ruhe auf ihren Mann zu warten. Wer immer sich um...

Erscheint lt. Verlag 30.3.2020
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Familiendrama • Hannover • Kriminalroman • Missbrauch • Prostitution • Sexuelle Gewalt
ISBN-10 3-7502-9932-3 / 3750299323
ISBN-13 978-3-7502-9932-0 / 9783750299320
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