Frank der Fünfte (eBook)
176 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60841-0 (ISBN)
Friedrich Dürrenmatt wurde 1921 in Konolfingen bei Bern als Sohn eines Pfarrers geboren. Er studierte Philosophie in Bern und Zürich und lebte als Dramatiker, Erzähler, Essayist, Zeichner und Maler in Neuchâtel. Bekannt wurde er mit seinen Kriminalromanen und Erzählungen ?Der Richter und sein Henker?, ?Der Verdacht?, ?Die Panne? und ?Das Versprechen?, weltberühmt mit den Komödien ?Der Besuch der alten Dame? und ?Die Physiker?. Den Abschluss seines umfassenden Werks schuf er mit den ?Stoffen?, worin er Autobiografisches mit Essayistischem verband. Friedrich Dürrenmatt starb 1990 in Neuchâtel.
Friedrich Dürrenmatt wurde 1921 in Konolfingen bei Bern als Sohn eines Pfarrers geboren. Er studierte Philosophie in Bern und Zürich und lebte als Dramatiker, Erzähler, Essayist, Zeichner und Maler in Neuchâtel. Bekannt wurde er mit seinen Kriminalromanen und Erzählungen ›Der Richter und sein Henker‹, ›Der Verdacht‹, ›Die Panne‹ und ›Das Versprechen‹, weltberühmt mit den Komödien ›Der Besuch der alten Dame‹ und ›Die Physiker‹. Den Abschluss seines umfassenden Werks schuf er mit den ›Stoffen‹, worin er Autobiografisches mit Essayistischem verband. Friedrich Dürrenmatt starb 1990 in Neuchâtel.
5. Frühmorgens vor unseren Missetaten
Zwischenvorhang geschlossen.
Links stellt der Kellner Guillaume einen Tisch mit zwei Stühlen auf die Vorbühne, rechts wird ein Bartisch hereingeschoben. Auf dem freundlich gedeckten Tisch steht eine leere Vase.
Von links Frieda Fürst, von rechts Richard Egli mit einer Rose.
EGLI
Frieda.
FRIEDA
Richard.
EGLI
Ich lag im ›Imperial‹ bei der Millionärin aus Milwaukee
Die Vorhänge bewegten sich im Mondlicht
Doch ich dachte nur an dich.
FRIEDA
Mein Leib ist noch warm vom Leibe des Tiefbauingenieurs
Ein Käuzchen klagte, und im Hofe stand ein blauer Chevrolet
Doch ich war nur bei dir.
EGLI
Ich wünsche dir einen schönen Morgen.
FRIEDA
Ich dir auch.
EGLI
Eine Rose.
FRIEDA
Ich danke dir.
EGLI
Mit wem ich auch schlief im Luxushotel
Wer auch die Kundin war
FRIEDA
Mit wem ich auch lag im kleinen Hotel
Wer auch der Kunde war
EGLI
Geb ich dich auch her für die Bank
gibst du dich auch hin für das Geld
FRIEDA
Wir wollen sein Bräutigam und Braut in dieser Welt
EGLI
Uns treu sein immerdar.
Sie setzen sich an den Tisch links.
FRIEDA
Wie immer, Guillaume.
EGLI
Mir auch.
GUILLAUME serviert
Schwarztee und Yoghurt.
Frieda stellt die Rose in die Vase.
FRIEDA
Vergiß deine Tropfen nicht.
Er tropft etwas in ein Glas Wasser, sie schenkt Tee ein.
FRIEDA
Zucker?
EGLI
Zwei.
FRIEDA
Toast?
EGLI
Einen.
Sie rühren im Tee.
FRIEDA
Meine Schwester in Anderthal hat ihr fünftes Kind bekommen. Einen Knaben.
EGLI
Mein Bruder in Maibrugg ist Gemeindepräsident geworden. Er hat es geschafft.
Sie trinken Tee.
FRIEDA
Zwanzig Jahre sind wir jetzt bei Frank.
EGLI
Zweiundzwanzig.
FRIEDA
Jedes Jahr wollten wir heiraten.
EGLI
Das Geschäft kam immer dazwischen.
FRIEDA
Die Bank ging nicht, wie sie sollte.
EGLI
Aber nun wird sie liquidiert. Ich habe in Maibrugg ein Einfamilienhäuschen gekauft. In Obstbäumen versteckt. Mit grünen Fensterläden und rotem Riegelwerk.
FRIEDA
Wir werden viele Kinder haben.
EGLI
Alles Buben.
FRIEDA
Du wirst sehen. Ich schaffe es schon noch.
Sie essen Yoghurt.
FRIEDA
Im kleinen Café
Neben der Privatbank am Quai
Da träumen wir beide
EGLI
Frühmorgens vor unseren Missetaten
FRIEDA
Doch gellt einer Möwe Schrei
Vergoldet die Sonne das Münster
Ist es wieder
EGLI
Immer wieder
BEIDE
Vorbei.
Einmal wird es anders sein
Einmal liegen wir zu zwein
Einmal wird es anders sein.
EGLI
Das Frühstück ist beendet.
Er erhebt sich.
FRIEDA
Wir müssen wieder auseinandergehen.
Er verbeugt sich.
EGLI
Lebe wohl, Frieda.
FRIEDA
Lebe wohl, Richard.
EGLI
Mach’s gut.
FRIEDA
Reg dich nicht auf.
Egli geht zum Bartisch, setzt sich links außen.
EGLI
Wie immer.
GUILLAUME serviert
Ihr Absinth, Herr Egli.
FRIEDA
Wie immer, Guillaume.
GUILLAUME serviert
Ihr Kamillentee, Fräulein Frieda.
Frieda Fürst beginnt an einem Babyjäckchen zu stricken.
Egli zündet sich eine Zigarre an.
Von rechts kommt Gaston Schmalz mit einer Zeitung, setzt sich an die Bar neben Egli.
SCHMALZ
Wie immer, Guillaume.
GUILLAUME serviert
Ihr Brusttee und Ihr Knäckebrot, Herr Schmalz.
Schmalz beginnt Brusttee zu schlürfen.
EGLI
Herr Gaston Schmalz, ich sah dich gestern deinen alten VW parkieren. Du willst dich offenbar nicht in Schulden stürzen, sparen, unabhängig von uns werden, keine Widerrede, du schaffst dir nächste Woche einen Mercedes an, der dich am Rande des Ruins halten wird, wie es sich gehört.
SCHMALZ
Na schön, Herr Egli. Werd’s tun.
Entfaltet seine Zeitung. Theo Kappeler kommt in die Bar, setzt sich neben Schmalz.
KAPPELER
Wie immer, Guillaume.
GUILLAUME serviert
Ihr Vichywasser und Ihr Zwieback, Herr Kappeler.
EGLI
Herr Theo Kappeler. Da geh ich neulich im Stadtpark spazieren, denke an unser Geschäft und an sonst nichts Böses, und wer sitzt auf einer Bank? Du, Kappeler, mit deiner Freundin. Du willst das Mädchen wohl heiraten?
KAPPELER
Nächste Woche, Herr Egli. Sie ist schwanger.
EGLI
Schwanger! Das soll eine Entschuldigung sein, sich auf einmal wie ein grundanständiger Mensch zu benehmen? Und überhaupt! Kinder zeugen! Frank der Fünfte und seine Gattin haben auch keine Kinder, ich zieh den Hut vor dieser Ehe. Kinderlos haben wir in die Hölle zu fahren, Kappeler. Du hast dein Mädchen sitzenzulassen, so viel inneren Anstand darf ich von dir noch verlangen.
KAPPELER
Herr Egli, ich werde mich zusammennehmen.
Lukas Häberlin kommt in die Bar, setzt sich neben Kappeler.
HÄBERLIN
Wie immer, Guillaume.
GUILLAUME serviert
Ihr Birchermüsli, Herr Häberlin.
Häberlin beginnt sein Müsli zu löffeln.
EGLI
Brusttee, Vichywasser, Birchermüsli. Wie in einem Sanatorium geht’s zu. In meiner Jugend, heiliger Bimbam, da war um diese Zeit die ganze Bande knallbesoffen. Kein Wunder. Wir waren noch Kerle. Doch ihr?
HÄBERLIN
Zugegeben, Herr Egli, das waren damals gemütlichere Zeiten, aber wir mit unserem modernen Tempo? Nein, Herr Egli, machen wir uns nichts vor. Wir sind morsch, müde und aufgerieben. Uns fehlt die berufliche Zufriedenheit, das seelische Gleichgewicht, der innere Friede, Werte, die wir, weiß Gott, nicht in Orgien, sondern nur noch hinter Zuchthausmauern finden können.
Die anderen starren verwundert.
HÄBERLIN
Ich habe mich informiert. Das gleichmäßige Leben im Zuchthaus wirkt Wunder. Verdauungsbeschwerden, Nervenschwäche, Herz- und Kreislaufstörungen sind unbekannt. Wenn ich dagegen uns betrachte – wir führen ein Hundeleben und siechen dahin.
Stille. Die anderen starren drohend.
EGLI stinkfreundlich
Interessant, Häberlin. Du beschäftigst dich in deiner Freizeit mit Zuchthäusern.
HÄBERLIN
Ein Licht ging mir auf, Herr Egli.
EGLI
Und sehnst dich womöglich noch nach solchen Örtlichkeiten?
HÄBERLIN ahnungslos
Mein Traum, Herr Egli. Die stillen Abende in der Zelle, das frühe Lichterlöschen, der immer dunkler werdende Himmel in der Fensterluke, die ersten Sterne, der sorglose Friede, der ruhige Schlummer. Keine Hast, keine Furcht vor einer Entdeckung, keine Angst vor Verrat, Rundfunk, Fernsehen, und demnächst soll sogar ein monatlicher weiblicher Besuch aus den entsprechenden sanitarisch kontrollierten Institutionen gestattet werden. Auf Kosten des Staates. Das sind doch eigentlich ideale Lebensbedingungen, verglichen mit unserer Bankexistenz. Und dabei brauchen wir uns nicht einmal sonderlich um den Eintritt zu bemühen. Der ist bei unserem Vorleben kinderleicht durchzuführen. Ein Anruf beim Staatsanwalt genügt, wir sitzen lebenslänglich, haben uns nicht mehr abzuplagen und strotzen vor Gesundheit.
EGLI ruhig
Das werde ich zu verhindern wissen. Schon mancher hat es schwer bereut, der ähnlichen Träumen nachhing, und meine Arbeitsmoral lasse ich mir auch nicht rauben, da kannst du soviel von Zuchthäusern erzählen, wie du willst. Scharf Noch eins, Lukas Häberlin!
Häberlin erhebt sich.
EGLI
Ich traf dich letzten Sonntag in der Heiliggeist-Kirche, was bildest du dir eigentlich ein, ich möchte dich scharf gewarnt haben! Hast schon unzählige Schurkereien auf dem Gewissen, da besuchst du die Predigt, betest, singst »Ein’ feste Burg ist unser Gott«, ich finde das ja unerhört. Tust, als ob du Prokurist oder gar Personalchef wärst. Bitte! Ich darf es mir leisten, in die Kirche zu gehen, ich habe laufend so himmelschreiende Verbrechen zu erledigen, daß ich überhaupt nicht in Gefahr komme, mich für anständig zu halten, doch bei euch Schalterbeamten –
Schmalz und Kappeler erheben sich.
EGLI
– bei euch drei Schalterbeamten auf eurem ruhigen Posten mit euren kleinen Schwindeleien ist die Gefahr, ehrlich zu werden, riesengroß! Dann haben wir die Schlamperei! Etwas Disziplin, meine Herren, Herrgott nochmal, ist die Bank einmal liquidiert, könnt ihr meinetwegen allesamt in die Heilsarmee einrücken,...
Erscheint lt. Verlag | 16.3.2020 |
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Verlagsort | Zürich |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
Schlagworte | 20. Jahrhundert • Bank • Drama • Dramen • Dürrenmatt • Eltern • Entmachtung • Familie • Finanzen • Gier • Kapital • Klassiker • Komödie • Literatur • Menschlichkeit • Schweiz • Theater • Theaterstück |
ISBN-10 | 3-257-60841-1 / 3257608411 |
ISBN-13 | 978-3-257-60841-0 / 9783257608410 |
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