Romulus der Große (eBook)

Eine ungeschichtliche historische Komödie in vier Akten
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2020 | 2. Auflage
176 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60838-0 (ISBN)

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Romulus der Große -  Friedrich Dürrenmatt
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»Kaiser Romulus Augustus hält das römische Weltreich für unmoralisch und will es als Richter Roms liquidieren, indem er 467 n. Chr. tatenlos die einmarschierenden Germanen erwartet. Germanenfürst Odoaker freilich, ein leidenschaftlicher Hühnerzüchter wie Romulus, hat keinen sehnlicheren Wunsch als sich zu unterwerfen, um zu verhindern, daß die Germanen endgültig ein Volk der Helden werden.«

Friedrich Dürrenmatt wurde 1921 in Konolfingen bei Bern als Sohn eines Pfarrers geboren. Er studierte Philosophie in Bern und Zürich und lebte als Dramatiker, Erzähler, Essayist, Zeichner und Maler in Neuchâtel. Bekannt wurde er mit seinen Kriminalromanen und Erzählungen ?Der Richter und sein Henker?, ?Der Verdacht?, ?Die Panne? und ?Das Versprechen?, weltberühmt mit den Komödien ?Der Besuch der alten Dame? und ?Die Physiker?. Den Abschluss seines umfassenden Werks schuf er mit den ?Stoffen?, worin er Autobiografisches mit Essayistischem verband. Friedrich Dürrenmatt starb 1990 in Neuchâtel.

Friedrich Dürrenmatt wurde 1921 in Konolfingen bei Bern als Sohn eines Pfarrers geboren. Er studierte Philosophie in Bern und Zürich und lebte als Dramatiker, Erzähler, Essayist, Zeichner und Maler in Neuchâtel. Bekannt wurde er mit seinen Kriminalromanen und Erzählungen ›Der Richter und sein Henker‹, ›Der Verdacht‹, ›Die Panne‹ und ›Das Versprechen‹, weltberühmt mit den Komödien ›Der Besuch der alten Dame‹ und ›Die Physiker‹. Den Abschluss seines umfassenden Werks schuf er mit den ›Stoffen‹, worin er Autobiografisches mit Essayistischem verband. Friedrich Dürrenmatt starb 1990 in Neuchâtel.

Erster Akt


Man zählt das Jahr vierhundertsechsundsiebzig, als an einem frühen Märzmorgen der Präfekt Spurius Titus Mamma auf verendendem Pferd den kaiserlichen Sommersitz in Campanien erreicht, den seine Majestät auch winters bewohnt. Er springt ab, verdreckt, mühsam, den linken Arm in einem blutverschmierten Verband, stolpert, scheucht unermeßliche Scharen von gackernden Hühnern auf, eilt, da er niemanden findet, durch die Villa, betritt endlich des Kaisers Arbeitszimmer. Zuerst scheint ihm auch hier alles leer, öde. Nur einige Stühle, wackelig, halb zerfallen, an den Wänden die ehrwürdigen Büsten der Staatsmänner, Denker und Dichter der römischen Geschichte. Alle mit etwas übertrieben ernsten Gesichtern …

SPURIUS TITUS MAMMA

Hallo! Hallo!

Schweigen. Doch bemerkt der Präfekt endlich zu beiden Seiten der Türe in der Mitte des Hintergrundes zwei uralte Kammerdiener, grau, unbeweglich wie Statuen, Pyramus und Achilles, seit Jahren im Dienste der Imperatoren. Der Präfekt starrt sie verwundert an, gebannt von der ehrwürdigen Erscheinung.

SPURIUS TITUS MAMMA

Hallo!

PYRAMUS

Ruhe, junger Mann.

ACHILLES

Wer sind Sie denn?

SPURIUS TITUS MAMMA

Spurius Titus Mamma, Präfekt der Reiterei.

PYRAMUS

Was wollen Sie denn?

SPURIUS TITUS MAMMA

Ich muß den Kaiser sprechen.

ACHILLES

Angemeldet?

SPURIUS TITUS MAMMA

Keine Zeit für Formalitäten. Ich bringe schlimme Nachricht aus Pavia.

Die beiden Kammerdiener sehen sich nachdenklich an.

PYRAMUS

Schlimme Nachricht aus Pavia.

ACHILLES schüttelt den Kopf.

Pavia ist eine zu unbedeutende Stadt, als daß die Nachricht wirklich schlimm sein könnte.

SPURIUS TITUS MAMMA

Das römische Weltreich kracht zusammen!

Er ist einfach fassungslos über die Ruhe der beiden.

PYRAMUS

Unmöglich.

Achilles schüttelt erneut den Kopf.

ACHILLES

Ein so großes Unternehmen wie das römische Imperium kann gar nicht vollständig zusammenkrachen.

SPURIUS TITUS MAMMA

Die Germanen kommen!

ACHILLES

Die kommen schon seit fünfhundert Jahren, Spurius Titus Mamma.

Der Präfekt packt den Kammerdiener Achilles und rüttelt ihn wie eine morsche Säule.

SPURIUS TITUS MAMMA

Es ist meine patriotische Pflicht, den Kaiser zu sprechen! Auf der Stelle!

ACHILLES

Wir halten einen Patriotismus nicht für wünschenswert, der zu einem kultivierten Betragen im Gegensatz steht.

SPURIUS TITUS MAMMA

O Gott!

Er läßt Achilles entmutigt fahren und wird nun von Pyramus begütigt.

PYRAMUS

Ein Wink, junger Mann. Begeben Sie sich zum Oberhofmeister, schreiben Sie sich in die Liste der angekommenen Personen ein, suchen Sie beim Innenminister um die Bewilligung nach, dem Hofe eine wichtige Nachricht zu überbringen, und Sie werden Ihre Botschaft dem Kaiser vielleicht sogar persönlich im Laufe der nächsten Tage melden dürfen.

Der Präfekt weiß nicht mehr, was er denken soll.

SPURIUS TITUS MAMMA

Zum Oberhofmeister!

PYRAMUS

Rechts um die Ecke, dritte Türe links.

SPURIUS TITUS MAMMA

Zum Innenminister!

PYRAMUS

Siebente Türe rechts.

SPURIUS TITUS MAMMA immer noch fassungslos

Um meine schlimme Nachricht im Laufe der nächsten Tage zu melden.

ACHILLES

Im Laufe der nächsten Wochen.

SPURIUS TITUS MAMMA

Unglückseliges Rom! An zwei Kammerdienern bist du zu Fall gekommen!

Er rennt verzweifelt nach links hinaus, die beiden versteinern wieder.

ACHILLES

Ich stelle erschüttert fest, daß die Sitte des Jahrhunderts abnimmt, je mehr dies zunimmt.

PYRAMUS

Wer unsern Wert verkennt, schaufelt Rom das Grab.

Durch die Türe zwischen den beiden Kammerdienern kommt der Kaiser Romulus Augustus. Purpurtoga, auf dem Kopf ein goldener Lorbeerkranz. Seine Majestät ist über fünfzig, ruhig, behaglich und klar.

PYRAMUS UND ACHILLES

Salve Cäsar.

ROMULUS

Salve. Sind heute die Iden des März?

ACHILLES

Zu Befehl, mein Kaiser, die Iden des März.

Er verneigt sich.

ROMULUS

Ein historisches Datum. Nach dem Gesetz sind an diesem Tage die Beamten und Angestellten meines Reichs zu besolden. Ein alter Aberglaube. Um die Ermordung der Kaiser zu verhindern. Holt den Finanzminister.

Achilles flüstert ihm etwas ins Ohr.

ROMULUS

Geflüchtet?

PYRAMUS

Mit der Staatskasse, mein Kaiser.

ROMULUS

Warum? Es war ja nichts drin.

ACHILLES

Er hofft, auf diese Weise den allgemeinen Bankrott der staatlichen Finanzen zu verschleiern.

ROMULUS

Ein kluger Mann. Wer einen großen Skandal verheimlichen will, inszeniert am besten einen kleinen. Es sei ihm der Titel ›Retter des Vaterlandes‹ verliehen. Wo befindet er sich jetzt?

ACHILLES

Er hat eine Stelle als Prokurist in einer Weinexportfirma in Syrakus angenommen.

ROMULUS

Hoffen wir, daß es diesem treuen Beamten gelingt, sich von den Verlusten, die der Staatsdienst mit sich bringt, im bürgerlichen Handel zu erholen. Da!

Er nimmt den Lorbeerkranz von seinem Kopf, bricht zwei Blätter ab, die er den beiden überreicht.

ROMULUS

Es lasse sich jeder sein goldenes Lorbeerblatt in Sesterzen umrechnen. Gebt mir aber das Geld wieder zurück nach Abzug der geschuldeten Summe. Ich sollte damit noch den Koch bezahlen, den wichtigsten Mann meines Reichs.

PYRAMUS UND ACHILLES

Zu Befehl, o Kaiser.

ROMULUS

Bei Antritt meiner Regierung befanden sich sechsunddreißig Blätter an diesem goldenen Kranze, dem Sinnbild kaiserlicher Macht, jetzt nur noch fünf.

Er betrachtet nachdenklich seinen Lorbeerkranz und setzt ihn wieder auf.

ROMULUS

Das Morgenessen.

PYRAMUS

Das Frühstück.

ROMULUS

Das Morgenessen. Was in meinem Hause klassisches Latein ist, bestimme ich.

Der Alte trägt ein Tischlein herein, auf dem sich das Morgenessen befindet. Vorerst Schinken, Brot, Spargelwein, eine Schale mit Milch, ein Ei in einem Becher. Achilles trägt einen Stuhl herbei, der Kaiser setzt sich, klopft das Ei auf.

ROMULUS

Augustus hat nichts gelegt?

PYRAMUS

Nichts, mein Kaiser.

ROMULUS

Tiberius?

PYRAMUS

Die Julier nichts.

ROMULUS

Die Flavier?

PYRAMUS

Domitian. Doch von dem wünschen Majestät ausdrücklich kein Ei zu verspeisen.

ROMULUS

Domitian war ein schlechter Kaiser. Er kann Eier legen, soviel er will, ich esse sie nicht.

PYRAMUS

Zu Befehl, mein Kaiser.

Majestät löffelt das Ei aus.

ROMULUS

Von wem ist dieses Ei?

PYRAMUS

Wie gewöhnlich von Marc Aurel.

ROMULUS

Eine brave Henne. Die andern Kaiser sind nichts wert. Hat sonst noch jemand gelegt?

PYRAMUS

Odoaker.

Er ist etwas geniert.

ROMULUS

Sieh mal.

PYRAMUS

Zwei Eier.

ROMULUS

Enorm. Und mein Feldherr Orestes, der diesen Germanenfürsten besiegen soll?

PYRAMUS

Nichts.

ROMULUS

Nichts. Ich habe nie viel von ihm gehalten. Ich möchte ihn heute abend mit Kastanien gefüllt auf meinem Tische sehen.

PYRAMUS

Sehr wohl, Majestät.

Majestät ißt Schinken und Brot.

ROMULUS

Von der Henne meines Namens weißt du mir nichts zu berichten?

PYRAMUS

Sie ist das edelste und begabteste Tier, das wir besitzen, ein Spitzenprodukt römischer Geflügelzucht.

ROMULUS

Legt es, das edle Tier?

Pyramus sieht Achilles hilfesuchend an.

ACHILLES

Fast, Majestät.

ROMULUS

Fast? Was soll das heißen? Entweder legt ein Huhn oder es legt nicht.

ACHILLES

Noch nicht, mein Kaiser.

Majestät macht eine entschlossene Handbewegung.

ROMULUS

Überhaupt nicht. Wer nichts taugt, taugt in der Pfanne. Der Koch soll mit mir und Orestes auch Caracalla zubereiten.

PYRAMUS

Caracalla haben Sie vorgestern mit Philippus Arabs zu den Spargeln gegessen, Majestät.

ROMULUS

Dann soll er meinen Amtsvorgänger Julius Nepos nehmen, der hat auch nichts getaugt. Und in Zukunft möchte ich auf meinem Morgentische die Eier der Henne Odoaker finden, die meine volle Sympathie besitzt. Es muß sich hier um eine erstaunliche Begabung handeln. Man soll von den Germanen nehmen, was sie Gutes hervorbringen, wenn sie schon einmal kommen.

Von links stürzt der Innenminister Tullius Rotundus totenbleich herein.

TULLIUS ROTUNDUS

Majestät!

ROMULUS

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Erscheint lt. Verlag 16.3.2020
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte 20. Jahrhundert • Altes Rom • Antike • Drama • Dramen • Dürrenmatt • Germanen • Geschichte • Kaiser • Kampanien • Klassiker • Komödie • Literatur • Politik • Römisches Reich • Schweiz • Theater • Theaterstück • Weltreich
ISBN-10 3-257-60838-1 / 3257608381
ISBN-13 978-3-257-60838-0 / 9783257608380
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