Im Ernstfall keine halben Sachen (eBook)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
368 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-95967-915-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Ernstfall keine halben Sachen - Dan Mooney
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Es ist nie zu spät, um großen Spaß zu haben
Joel lebt in einem Altenheim und hasst jeden einzelnen Tag. Er will sich nicht vorschreiben lassen, wann er zu essen oder zu schlafen hat. Sein Leben dort macht ihm keinen Spaß, eigentlich ist es sogar das Leben selbst, das ihm keinen Spaß mehr macht. Also beschließt er, sich umzubringen.
Als er seinem Zimmernachbarn Frank, einem exzentrischen ehemaligen Schauspieler, davon erzählt, regt dieser Joel an, sich etwas Besonderes auszudenken für seinen letzten Akt des Widerstands. Sich sang- und klanglos zu verabschieden, kommt nicht in Frage. Und beide wollen noch mal richtig Spaß haben ...
»Eine bezaubernde und ergreifende Geschichte, die es verdient hat, gelesen zu werden.«
Juliet Conlin
»Ein Ruf nach Freiheit, gerichtet an unsere Gesellschaft, mit wundervollen Charakteren und brillantem Humor.«
The Bookbag
»Eine wunderbar charmante, von Herzen kommende Geschichte.«
Leserstimme

»Wenn es ein Buch verdient hat, gelesen zu werden, dann dieses!«
Leserstimme



Dan Mooney lebt in Limerick, Irland, und ist Fluglotse, Filmemacher und Schriftsteller. Seinen ersten Text schrieb er als Zehnjähriger für eine von Kindern herausgebrachte Lokalzeitung. Für seinen Vorgänger-Roman »Me, Myself and Them« bekam er 2016 den Luke-Bitmead-Bursary-Preis verliehen. Er mag Laientheater, Katzen und Rugby.

1.

»Miller!«, raunte Joel seinem Bettnachbarn zu. »Warum sind Sie noch nicht tot?«

Miller, der seit über zwei Jahren im Koma lag, antwortete nicht. Seine eingefallene alte Brust hob und senkte sich kaum merklich unter der dünnen Baumwolldecke.

»Na gut«, sagte Joel, »dann eben nicht.«

Miller ignorierte ihn.

Anfangs hatte Joel Monroe protestiert, als Mr. Miller zu ihm aufs Zimmer gelegt worden war. Nicht dass die Heimleitung auch nur im Geringsten auf seine Einwände eingegangen wäre. Ein Jahr bevor sie die lebende Leiche hereinrollten, hatte Lucey in diesem Bett gelegen. Joel war jeden Abend mit dem Wissen eingeschlafen, dass seine Frau da war, und wenn er morgens aufwachte, war sie bereits auf den Beinen, hatte sich angezogen, putzte, machte sich hier und da zu schaffen oder unterhielt sich leise mit einer Pflegerin, die das Frühstück brachte.

Lucey hatte das Leben im Pflegeheim erträglich, ja fast angenehm gemacht. Mit ihr war es keine Aneinanderreihung von Demütigungen und Beleidigungen gewesen, so wie nach ihrem Tod. Lucey hatte das Zimmer dekoriert, hatte Blumen in alte Vasen gestellt, die sie auf dem Flohmarkt gefunden hatte, Fotos ihrer kleinen Familie aufgehängt, zu dritt am Strand, die kleine Eva in Joels Armen. Lucey hatte bunte Tagesdecken auf die Betten gelegt und damit die triste Sterilität des Heims vertrieben. Sie hatte es ihnen schön gemacht. Ihr ganzes gemeinsames Leben lang hatte sie das getan: Sie hatte es Joel schön gemacht. Wenn sie da war, wurde es hell, und ihr Lachen wärmte jeden Raum. Joel fand, dass man seiner Frau das fortschreitende Alter nicht angesehen hatte, denn sie war so fröhlich und energiegeladen wie eh und je, eine Naturgewalt, die keine Anzeichen von Schwäche erkennen ließ. Er hingegen war während des gemeinsamen Aufenthalts im Heim erst langsam und nach ihrem Tod immer schneller verkümmert. Ohne Lucey war es ein kalter Ort. Die Bilder hingen zwar noch an ihrem Platz, aber im Laufe der Zeit schaute Joel seltener darauf. Hin und wieder warf er noch einen kurzen Blick auf die kleine Eva in seinen Armen und fragte sich, was er verbrochen hatte, dass er in diesem Kasten eingesperrt war, eingesperrt ohne seine Lucey.

Die Schmach, seine Frau durch Miller ersetzt zu sehen, machte Joel erheblich zu schaffen. Er hatte zu Gehör gebracht, dass er Miller nicht wollte. Er wollte überhaupt niemanden.

Doch nach einer Weile stellte er fest, dass man sich schnell an Miller gewöhnen konnte. Er schmatzte nicht beim Essen, ihm war egal, welchen Sender Joel im Fernsehen einstellte, er erging sich nicht in bedeutungslosem Small Talk und quatschte beim Fußball nicht dazwischen. Solange keine Pfleger reinkamen, um nach Miller zu sehen, ihn umzudrehen oder zu säubern, war sein Bettnachbar absolut unauffällig. Ein lausiger Gesprächspartner, aber anspruchsloser Mitbewohner. Allerdings hielt das Joel nicht davon ab, der Heimleitung übel nachzutragen, dass sie ihm Miller untergeschoben hatte. Doch zumindest das Zusammenleben mit ihm war unkompliziert.

»Wenn Sie Ihr Frühstück nicht wollen, haben Sie bestimmt nichts dagegen, wenn ich mich bei Ihren Eiern bediene?«

Miller schwieg, natürlich.

»Unterhalten Sie sich wieder mit Mr. Miller, Mr. Monroe?«, fragte Pfleger Liam, als er Joels Frühstück auf einem kleinen Klapptisch hereinbrachte. In den ruhigen Händen des jungen Mannes bewegte sich die Oberfläche des Orangensafts kaum. Jugendliche, makellose Hände, nicht so faltig wie die von Joel.

»Total unhöflich, der Kerl«, brummte Joel. »Hat nicht einen Ton gesagt, seit er hier liegt.«

Pfleger Liam grinste schwach über den Witz. Kannte er schon. So wie er das gesamte Heim kannte. Hier war alles abgedroschen, abgenutzt, brüchig. Man sah allem sein Alter und seine Schwäche an, selbst den Möbeln. Joel versuchte, nicht darüber nachzudenken, doch es kam ihm vor, als wäre er umgeben von Unbrauchbarkeit und Gebrechlichkeit.

»Zeit fürs Frühstück, Joel«, sagte Liam. Als ob das Joel neu wäre.

»Mir ist durchaus bewusst, welche Uhrzeit wir haben, Pfleger Liam«, erwiderte er unwirsch. »Ich wohne hier seit fünf Jahren, und das Frühstück kommt immer um acht Uhr morgens, nicht früher, nicht später. Seit über eintausendachthundert Tagen wird das Frühstück um acht Uhr morgens gebracht.«

»Ist ja gut. Sie brauchen sich nicht gleich aufzuregen. Ich wollte nur etwas Nettes sagen.«

»Also, wenn das für Sie nett ist, mein Junge, dann müssen Sie noch eine Menge lernen.«

Liam seufzte und zwang sich zu einem Lächeln, während er das Tablett auf Joels Schoß legte. Er war an den alten Mann gewöhnt; vielleicht mochte er ihn sogar. Manchmal. Ein bisschen.

Der Pfleger konnte es nicht leiden, wenn er »mein Junge« genannt wurde, was natürlich dazu führte, dass Joel regelmäßig Gelegenheit fand, diese Anrede zu verwenden. Es war nicht so, dass er Liam nicht ausstehen konnte, ganz im Gegenteil; Joel hatte sich in Gegenwart des jungen Mannes immer wohlgefühlt. Es lag nur an der Art und Weise, wie Liam und die anderen Mitarbeiter mit den Bewohnern sprachen, wenn das Essen kam, wenn die Medikamente ausgeteilt wurden oder Schlafenszeit war. Es klang irgendwie falsch, dieses leiernde Gesäusel, das wahrscheinlich aufmunternd und fröhlich gemeint war, aber eher das Gefühl vermittelte, ein Lehrer würde die Hausaufgaben eines Zehnjährigen kontrollieren. Joel öffnete den Mund, um sich erneut aufzuregen, besann sich aber eines Besseren. Pfleger Liam gehörte zu dem zunehmend Wenigen im Pflegeheim, das Joel überhaupt mochte.

Für andere war es manchmal schwierig zu sehen, was Joel mochte, da man es aus seinem Verhalten nicht schließen konnte.

Liam musste Mitte bis Ende dreißig sein, vierzig Jahre jünger als Joel, doch seine Gesichtszüge wirkten irgendwie reifer. Es hatte etwas mit seinen Augen zu tun. In ihnen lag eine gewisse Skepsis, die vermuten ließ, dass er es im Leben schwerer als nötig gehabt hatte. Ansonsten erschien der Pfleger völlig normal. Er sah nicht schlecht aus mit seinem langen, schmalen Gesicht, und er lächelte gerne und oft. Liam war groß, aber kein Riese, und relativ schlank, ohne dürr zu wirken. Eigentlich war an ihm nichts Besonderes, abgesehen eben von seinen blauen Augen mit diesem erfahrenen Blick.

Seine Hände bewegten sich geschickt mit der Ruhe und Selbstsicherheit eines Mannes, der seinen Beruf schon lange ausübte. Gleichzeitig besaßen sie eine gewisse Behutsamkeit, eine Vertrautheit mit zarten, zerbrechlichen Dingen. Joel überlegte, ob er das zerbrechliche Ding war. Wahrscheinlich schon.

Liam merkte offenbar, dass Joel sich auf die Zunge biss und seinen Drang unterband, den Pfleger weiter zu piesacken. Das gezwungene Lächeln des Pflegers entspannte sich zu einem aufrichtigen Grinsen. Er stopfte die Serviette in den Halsausschnitt von Joels Pyjama und sprang zur Seite, bevor der alte Mann sie herausreißen und damit nach Liam schlagen konnte.

»Du unverschämter kleiner …«, donnerte Joel.

»Ich hole Ihnen noch Tee«, sagte Liam schnell und verschwand lachend.

Joel schmollte. Da hatte er sich aus einer gewissen Loyalität heraus entschieden, den Kerl nicht anzupflaumen, und schon ging der kleine Scheißer los und steckte ihm ein Lätzchen in den Ausschnitt, als wäre Joel erst zwei! Schlimmer noch, er hatte Joel beinahe so stark provoziert, dass er ihn mit einem Schimpfwort bedacht hätte. Dabei hasste Joel unflätige Ausdrücke.

»Ist das zu glauben, Miller? Wie arrogant die jungen Leute heutzutage sind? Wie wenig Respekt sie haben?«

Miller atmete. Ein, aus.

»Miller, wenn Sie mit mir einer Meinung sind, dann sagen Sie jetzt nichts.«

Miller sagte nichts.

In der Hinsicht war sein Bettnachbar enorm umgänglich. Er teilte Joels Meinung bei einer Vielzahl von Themen.

»Schön, dass Sie auf meiner Seite sind, alter Junge. Wenn der Pfleger wiederkommt, möchte ich, dass Sie ihm so richtig die kalte Schulter zeigen, wie nur Sie das können. Sagen Sie kein einziges Wort zu ihm!«

»Möchten Sie noch Tee, Mr. Monroe?«, fragte Liam, als er wieder hereinkam.

»Wir sprechen nicht mit Ihnen«, verkündete Joel dem Pfleger sachlich.

***

Nach dem Frühstück wusch sich Joel und zog sich an. In letzter Zeit hatte er sein Äußeres vernachlässigt, wie er mit einer gewissen Verwunderung festgestellt hatte. Sein Leben lang war ihm sein Aussehen wichtig gewesen. Seine Kleidung sah er immer als ein Zeichen seiner gesellschaftlichen Stellung. Er war ein Geschäftsmann. Selbstständig. Er trug seine Kleidung wie eine Uniform, damit andere Menschen seinen Rang und seine Position erkannten. Wenn Joel früher morgens aufstand und sich auf den Arbeitstag vorbereitete, wusch und rasierte er sich und kämmte sich die Haare, bevor er Hemd und Krawatte anzog und sich auf den Weg zur Werkstatt begab. Hemd und Krawatte, obwohl er einen Overall überziehen und sich schmutzig machen würde, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Auch der Overall war ein Symbol für seine Stellung, für seine Brauchbarkeit. Ein Mann in einem fleckigen Overall konnte nicht faul sein.

Zu Beginn seines Ruhestands behielt Joel die Angewohnheit bei, führte seine Rituale unverändert weiter. Er kleidete sich gut, rasierte sich jeden Tag. Bis Lucey starb. Da war etwas mit ihm geschehen. Mit ihr hatte ihn ein Stück Lebenskraft verlassen, und plötzlich stellte Joel um fünf Uhr nachmittags fest, dass er in Pyjama und Morgenmantel im Aufenthaltsraum saß und die von ihm so verhassten Seifenopern im Fernsehen schaute, weil an dem Tag jemand anders entscheiden...

Erscheint lt. Verlag 24.3.2020
Übersetzer Andrea Fischer
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Original-Titel The Great Unexpected
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte belletristische bücher • Buch Freundschaft • buch lustig • buch lustig männer • Der Hundertjährige • der hundertjährige der aus dem fenster stieg und verschwand • der hundertjährige der zurückkam um die welt zu retten • Eierlikörtage • Ein Mann namens Ove • Lebensabend • Lustige Bücher • lustige bücher für erwachsene • lustige bücher für männer • lustige bücher rentner • lustige bücher zum ruhestand • Männerfreundschaft • Roman • roman altern • roman alt werden • roman bücher • Roman Frauen • Roman Freundschaft • roman lustig • roman rente
ISBN-10 3-95967-915-7 / 3959679157
ISBN-13 978-3-95967-915-2 / 9783959679152
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