Die Geheimnisse meiner Mutter (eBook)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
585 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-76570-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Geheimnisse meiner Mutter - Jessie Burton
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Sie war noch ein Baby, als ihre Mutter Elise verschwand. Wohin und vor allem warum, weiß Rose nicht. Erst Jahre später, Rose ist selbst längst erwachsen, erfährt sie, dass Constance Holden, einst eine gefeierte Bestsellerautorin, die Letzte war, zu der die Mutter Kontakt hatte. Und mehr als das - Elise und Constance waren ein Liebespaar. Um endlich zu erfahren, was mit ihrer Mutter geschehen ist; macht sich Rose auf die Suche nach Constance ...

Jessie Burtons fulminanter Roman erzählt von den Geheimnissen und Geschichten, die uns prägen, von Mutterschaft und Freundschaft und davon, sich selbst zu verlieren - und wiederzufinden.



<p>Jessie Burton, 1982 in London geboren, hat Englisch und Spanisch in Oxford sowie Schauspiel an der Central School of Speech and Drama studiert. Ihr erster Roman <em>Die Magie der kleinen Dinge</em> (2014) wurde mehrfach ausgezeichnet, derzeit wird er von BBC One fürs Fernsehen verfilmt. 2016 erschien ihr neuer Roman <em>Das Geheimnis der Muse</em>. Ihre Bücher wurden in 38 Sprachen übersetzt und sind internationale Bestseller. Jessie Burton lebt in London.</p>

1


An diesem Samstag, einem Nachmittag im Spätherbst in Hampstead Heath, hatte Elise eigentlich auf jemand anderen gewartet. Ihr Vermieter und Mitbewohner John hatte das arrangiert. Sie wusste nicht recht, warum sie sich darauf eingelassen hatte, hier einen wildfremden Mann zu treffen, aber sie folgte oft den Vorschlägen anderer Leute. Am Ende war der Typ nicht aufgetaucht, und als sie aus einer Lichtung in die letzten Sonnenstrahlen trat, sah Elise eine Frau da stehen, hinter ihr eine Reihe von Bäumen, zimtfarbene Blätter vor dem türkisblauen Himmel. Das Größenverhältnis zwischen den Bäumen und dem Körper der Frau war immens, aber durchaus korrekt. Sie wirkten wie ein kostbarer riesiger Kopfputz, so als wäre sie eine Gottheit oder eine Königin der Natur. Sie wandte sich über die Entfernung hinweg Elise zu und bedachte sie mit einem Lächeln, als wäre Elise ein Page ihres Hofstaats, ein Glückspilz, der bei seiner Herrin Gefallen gefunden hat.

Und wenn vielleicht doch ein Mann in den Park gekommen ist, um Elise zu treffen, verspätet, ein Mann mit Schal und Winterjacke, der durchs herbstliche Laub gehastet wäre? Elise sollte es nie erfahren. Sie erwiderte das Lächeln der Frau, die sich auf sie zu in Bewegung setzte – und der ursprüngliche Plan war gestorben. Elise wandte sich ab und ging los. Sie schaute einmal über die Schulter, und die Frau folgte ihr. Elise war es gewohnt, dass Leute ihr folgten. Mit zehn, als sie einmal eine Unterhaltung der Erwachsenen in der Küche belauschte, hatte sie die Freundin ihrer Mutter sagen hören: Die wird einmal eine große Herzensbrecherin!, und sie hatte das nie vergessen. Wenn man ein Kind ist, sagen die Leute einem, was man ist, wie man später sein wird, und oft bleibt einem das in Erinnerung. Sie war eine Schönheit geworden, man versicherte es ihr immer wieder. Sie sprach nie darüber oder machte ein Aufhebens darum, obwohl sie Angebote bekam, als Model zu arbeiten, und mit dreizehn, vierzehn auf der Straße angesprochen wurde und dergleichen. Sie ging nie darauf ein, aber es war nun einmal so. All den zudringlichen Blicken zum Trotz, die man ihr zuwarf, fühlte sie sich unsichtbar, bis Constance Holden sie in Hampstead Heath bei den zimtfarbenen Bäumen ansah.

Sie verließen den Park und näherten sich dem langen Gitterzaun, der einen Friedhof umschloss, und Elise fragte sich, was wohl passieren würde. Sie war noch nie mit einer Frau zusammen gewesen. Sie blieb stehen, ohne sich umzudrehen, stand da wie der Ochs am Berg in dem Kinderspiel. Sie stellte sich vor, sie würde eine der Gitterstangen wie eine Speerwerferin bei Olympischen Spielen weit hinaus schleudern, die Spitze würde sich tief in ein Grab bohren und Knochen zerschmettern. Das würde dieser Frau zeigen, dass Elise stark war.

Sie drehte sich um, und die Frau war noch da, die Arme verschränkt, die Miene ein bisschen verlegen. Sie war ohne Zweifel älter als Elise, aber Elise war zwanzig, und die meisten Erwachsenen, mit denen sie zu tun hatte, waren älter als sie. Die Frau war wohl zwischen dreißig und vierzig. Elise musterte ihre Kleidung: ein Herrenhemd, ein langer Mantel, offen, sodass man die schmal geschnittenen schlichten Jeans sah, Budapester Halbschuhe. Offenbar ungeschminkt, eine kleine Silberkugel in jedem Ohrläppchen, eine zierliche Armbanduhr am schönen Handgelenk. Elise umfasste einen Gitterstab des Zauns und sprach die Frau an, denn sie fühlte sich sicher hier in der Öffentlichkeit. Die Frau konnte sie nicht belästigen oder sie mit einer Gitterstange aufspießen. Und außerdem war der Kurs, in dem Elise Modell sitzen sollte, ausgefallen, und sie hatte nichts zu tun.

»Eines Tages werde ich sterben. Und das war’s dann.« Elise streckte den Finger durchs Gitter. Sie machte keine Bemerkung dazu, dass die Frau ihr gefolgt war.

Die Frau schloss die überkreuzten Arme enger zusammen und lachte; sie wirkte selbstsicher, eine Füchsin, aufgerichtet auf den Hinterbeinen. Elise blickte über ihre linke Schulter hinüber zu den Grabsteinen, die wie Zahnstümpfe aus der Erde ragten. Es war die Ecke für arme Leute, abseits von den Gräbern aus geädertem Marmor, in denen tote Industriekapitäne lagen, Seite an Seite mit ihren Ehefrauen. Weiter hinten ragte der Ziegelkamin eines Krematoriums auf, der zum Glück gerade keinen Rauch ausstieß.

»Du wirst noch lange nicht sterben«, sagte die Frau, und ihre Stimme lief durch Elise wie Eisen.

Sie starrten einander an. »Kann ich etwas für dich tun?«, fragte Elise.

Sie fanden bald einen rund um die Uhr geöffneten schäbigen Imbiss, aber sie aßen nichts. Die Frau stellte sich als Connie vor. Elise sagte ihr, dass sie Elise Morceau hieß. Sie saßen einander gegenüber, tranken Tee und wärmten sich die Finger an dem billigen Porzellan der Becher. Die Frau sah Elise an, als wäre sie gar nicht wirklich. »Ich mache das normalerweise nicht«, sagte sie. »Und du?«

»Ist schon okay«, sagte Elise, und dann: »Was machst du normalerweise nicht?«

Connie blickte von ihrem Becher auf. »Das hier. Jemanden einfach so kennenlernen. Zusammen spazieren gehen.«

»Nein, eher nicht.« Elise schaute Connie an und konnte sehen, wie sie sich bemühte, eine Sehnsucht nach Antworten zu verbergen. »Ich mache das normalerweise auch nicht«, sagte sie, und Connie entspannte sich sichtlich.

Sie redeten ein bisschen darüber, wo sie wohnten – Connie nicht weit von hier, Elise in Brixton. »Wohnst du immer schon südlich der Themse?«, fragte Connie.

»Ja.«

»Bist du dort geboren?«

Elise sah sie an. »Ja.«

»Wie alt bist du?«

»Achtundzwanzig«, sagte Elise.

Connie runzelte die Stirn. »Das glaube ich dir nicht. Wie alt bist du?«

»Wie alt bist du

»Ich bin sechsunddreißig. Ich bin wirklich sechsunddreißig, und ich heiße wirklich Connie.«

»Ich bin zwanzig«, sagte Elise. »Und ich heiße Elise.«

»Arbeitest du in London?«

»Ich arbeite in einem Café in Pimlico. Es heißt Seedling. Und als Platzanweiserin im National Theatre. Und ich sitze Modell im RCA

»Eine bunte Mischung«, sagte Connie.

»Arbeitest du im Zentrum?«, fragte Elise, und Connies Körper straffte sich ein bisschen, als fühlte sie sich verspottet durch die sonderbare Frage.

»Ich arbeite zu Hause«, antwortete sie. »Ich bin Schriftstellerin.«

»Was schreibst du?«

»Geschichten.«

»Was für Geschichten?«

»Verdammt gute.« Connie lachte.

»Bist du sicher?«, fragte Elise.

»Manchmal.«

»Würde ich dich in einer Bibliothek finden?«

»Bestimmt. Und in Buchhandlungen.«

»Das ist ganz schön cool«, sagte Elise.

Connie starrte in ihren Teebecher. »Ja, vermutlich.« Sie blickte auf. »Darf ich dich zum Essen einladen?«

Am nächsten Freitag, einen Tag vor dem gemeinsamen Essen, ging Elise in die Bibliothek in Brixton und suchte den Buchstaben H in der Abteilung Romane. Da stand das Buch: Herz aus Wachs, erschienen im Jahr zuvor. Elise nahm es aus dem Regal, wobei ihr auffiel, dass schon eine Menge Leute es in der Hand gehalten haben mussten. Auf der Rückseite stand fett gedruckt: »Das Buch, über das alle sprechen.«

Als John am Abend von der Arbeit nach Hause kam, erzählte sie ihm, dass sie Constance Holden, die Autorin von Herz aus Wachs, kennengelernt hatte. Die genauen Umstände ihrer Begegnung frisierte sie ein bisschen, weil sie nicht wirken wollte wie eine, die sich in Parks auflesen lässt. Sie gab sich lieber als jemand, der Leute bei edlen Soireen kennenlernte, wo Schriftstellerinnen hingingen. John zeigte sich nur mäßig beeindruckt, da Constance Holden keine Romane über Raubüberfälle schrieb, Bücher mit geprägter Schrift auf dem Umschlag und der ...

Erscheint lt. Verlag 17.2.2020
Übersetzer Peter Knecht
Sprache deutsch
Original-Titel The confession
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte City of London • Das Geheimnis der Muse • Emotionen • England • Familie • Frauen • Frauenliteratur • Frauenroman • Freundschaft • geheimnisvoll • Geschenk für Frauen • Geschenk für Freundin • Herkunft • Homosexualität • Identität • insel taschenbuch 4844 • IT 4844 • IT4844 • Liebe • Los Angeles • Mutterschaft • Spannung • The confession deutsch • Vergangenheit • Verschwinden • Zukunft
ISBN-10 3-458-76570-0 / 3458765700
ISBN-13 978-3-458-76570-7 / 9783458765707
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