farbig -  Hubert Grunow

farbig (eBook)

Ein theophilosofischer Schmöker
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2019 | 1. Auflage
240 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7504-4567-3 (ISBN)
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Farbig sind die Menschen. Alle. Irgendwie. Es gibt nicht nur Weiße. Manche sind farblos. Die gibt es auch. Die so gar nichts ausstrahlen. Andere lassen viel zu viel raus. Lassen gute Stimmungen im Moment kippen, gehen auf die Barrikaden, gerieren sich unbändig. Praktisch-theologisch geht es zu in diesem Buch. Praktisch ­philo-sophisch auch. Da darf geschmunzelt werden, auch laut ­gelacht, da werden Sie, liebe Leser*in, eingeladen, mit dem Autor in die Tiefe zu gehen, ins Eingemachte, in seine Welt. Dieser Theo-/Philo-Schmöker ist aus dem Leben gegriffen, aus vielen Biografien. Hautnah. Lebens- und gefühlsecht gibt er so einiges zum Denken auf. Zum Staunen vielleicht. Schauen Sie einem rheinischen Menschen über die Schulter, wie er seinem Beruf als Seminarleiter, Lebensberater, Hochzeits- und Trauerredner, Supervisor und Konzertsänger nachgeht. Oder auch als reisender Mensch. Sie werden überrascht sein. Namen tun hier nichts zur Sache.

Hubert Grunow hat seinen Doktor in Theologie über den Philosophen Blaise Pascal gemacht. In diesem Jahr bei BoD erschienen »Stimme macht Leute«. Er steht auf der Bühne, gibt (Ensemble-) Konzerte als Tenor-Solist, Stimmbildungs- und Seminare zur ­Präsensentwicklung, Burn-Out-Prophylaxe, Kongresse für mehrere hundert Ärzte, MAV und Leitungsvertreter großer Verbände. In seiner Arbeit sammelt er tiefe Erfahrungen, an denen er seine Leser in diesem Buch teilhaben lässt.

Ein Alpha-Tier, ein Duce, ein Verführer, ein Liebhaber, ein Heimzahler, ein Helfer, ein Manipulateur, ein Perfektionist, ein Beschützer, ein Demagoge, ein Könner, ein Getriebener, ein Realist, ein Provokateur, ein Freund, ein Ahnder, ein Überflieger, ein Allrounder… steht vor uns, wenn wir von ihm sprechen.

Es ist alles andere als leicht, mit einem Menschen zusammen zu leben oder zu arbeiten, der einen IQ höher als Einstein hat. Abi mit glatter Eins bestanden, (na, 3,1) – Argumente über Argumente. Da bist du platt. Da bleibt dir die Spucke weg. Das ist anstrengend. Mehr als das – und faszinierend zugleich. Das fordert dich.

Ein Mensch, der sich über aufgemachte Regeln hinwegsetzt.

L’état c’est moi, hören wir Louis XIV. reden. Ich allein weiß, wie die Dinge laufen und am Laufen gehalten werden. Das funktioniert, weil ich dafür sorge.

Es kann immer nur einen geben, der was zu sagen hat, meint er. Dieser verderbliche Slogan ist allerdings in Deutschland seit 80 Jahren nur zu gut bekannt und würde momentan gerne wieder eine Renaissance erleben.

Dem gebührt auf der anderen Seite bedingungsloses Vertrauen, bedingungslose Loyalität der Anvertrauten, Anerkennung, Gehorsam, Dank und Liebe.

Sein Können war phänomenal. Alles, was er anpackte, wurde zu Gold.

Gleichzeitig war er der Herrscher über die Elektronik, wie Loren mir sagte. Der Informatiker Joe stampfte alles in ziemlicher Rastlosigkeit aus dem Boden, verkabelte, vernetzte, überwachte, kontrollierte alles – und besaß auch die Möglichkeit, alles lahmzulegen.

Erst Abitur, dann Adoption, sprach er.

Er konnte sehr nett und spaßig sein, ja jeden Scheiß mitmachen, ließ keine Party aus, doch diese Energie nahm binnen kurzem eine solche Fahrt auf, dass sie kaum auszuhalten war, erzählt Ivana. Mit der Adoptivtochter besuchte er ab und an die Discos der jungen Leute und wurde in dem Moment einer von ihnen.

Er war ein junger Typ und hat sich mit meinen Freundinnen gut verstanden. Er hat mich unterstützt und mich in den Hintern getreten, das Abi zu beenden, sagt sie. Kurz darauf bricht er für zwei Jahre den Kontakt mit ihr ab.

Es geht munter hin und her.

Was braucht der Mensch, spricht er, zwei Pullover, zwei Hosen, ne Jeans-Jacke und zwei Paar Schuhe.

Er ist bescheiden und selbstgenügsam. Doch bei uns hat er immer darauf geachtet, dass wir immer gut gekleidet sind, sagt uns Ivana am Telefon. Er nennt sie Hase, Hasine (lieblich) oder Hasinski (ärgerlich).

Wenn Recht zum Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht, war einer seiner zahlreichen Leitsprüche. Klartext reden, ohne Schmu, ist Pflicht.

Arbeitszeit ist Lebenszeit. Die Menschen müssen nach Lebenszeit bezahlt werden. Alle gleich. Erst dann herrscht Friede.

Wie wahr, wie wahr!

Er hatte ein großes Selbstbewusstsein, und er blieb sich immer treu. Er wusste, dass er mit seinem Verhalten provozierte und legte es bewusst darauf an.

Daher erscheint uns Tacheles reden als die einzige Möglichkeit, über ihn adäquat zu sprechen. Um mit ihm auf Augenhöhe zu kommen.

Nebenbei: Manche Reden zu halten, ist eine Heraus forderung, eine Challenge, sowas wie ein Eiswasserguss.

So war Joe zwar, wie gesagt Che und ein Revolutionär, aber im Grunde seines Herzens erzkonservativ. Er sparte auch nicht mit Verbalinjurien. Er machte Volldampf – sehr heterodox.

Was manch einem ängstlichen Häschen unter uns mal gut anstehen würde, endlich so richtig auf den Tisch zu klopfen und die eigene Meinung zur Sache laut kund zu tun, war bei ihm natürlich vorhanden oder zur Natur geworden.

Joe wurde am 28.10.1961 in Hamburg geboren. Von der Mutter zutiefst enttäuscht, den Vater nachahmend, wurde der kleine Rebell zum Denken gezwungen: Tut dir Denken weh?Nicht?Dann denk, sagte der Vater.

Die Mutter kapitulierte bereits, als Joe 9 Jahre alt war. Sie, die Sekretärin des Vaters, war mit ihrem Latein am Ende. Sie musste die Waffen strecken.

Joe war eher aus dem Holz des Vaters geschnitzt. Der war erfolgreicher Architekt in Düsseldorf. Er, den Joe bislang nur als Onkel kannte, sorgte von nun an für ihn. Klaus-Jochen Scheiber, seine sechs Frauen und die Haushälterin und Zugehfrau Maria übernahmen fortan die Erziehung.

Sie erfolgte mit eiserner Hand, wie die Familie mir mitteilte. Flunkern, sich davon stehlen, lügen, gab es nicht.

Wie weit bist du gesprungen? Joe beantwortete die Frage des Vaters am Tag der Bundesjugendspiele mit 9,80 m.

Der alte Herr wollte das gerne sehen. Er begab sich mit dem Jungen zur Sandgrube, maß die Strecke ab und ließ ihn springen. Der erste und auch der zweite Versuch scheiterten kläglich, mag‘s am Gegenwind gelegen haben oder dass der Sohn offenbar von der anderen Seite gesprungen war. Leider fiel auch der dritte Durchgang nicht so optimal aus wie der geniale Vormittagssprung. Mehr als drei Meter war halt nicht drin.

Ich möchte nicht, dass du mich belügst, vor mir brauchst du nicht anzugeben, dass das klar ist, sprach der Vater.

Joe übernahm von seinem Vater, der für eine gute Bildung trotz Schulverweisen sorgte, viele seiner so markigen Sprüche:

Was von Menschenhand gebaut wurde, kann auch von Menschenhand repariert oder kontrolliert werden.

Geht nicht, gibt’s nicht.

(modifiziert) Für Gott und Joe ist kein Ding unmöglich.

Ruhe auf den billigen Plätzen.

Ich lebe, viele Menschen nicht.

Ganz oder gar nicht.

Für mich ist Luxus zu essen, wenn ich hungrig bin, zu schlafen, wenn ich müde bin, zu kacken, wenn ich kacken muss.

Nicht jedermanns Sache, möchte man meinen, ein solch drastisches Sprachbild, aber es ist, was es ist. Es gehört zur Person dazu, zum Typ vielleicht, zu einem harten Brocken. Das Unerbittliche.

Seitdem ich irgendwann einmal ein philosophisches Seminar zur Persönlichkeitsbildung gab, zu dem eine Dame anreiste, die den milden Anfangsauftrag, ein Tier der eigenen Wahl zu malen und sich damit vor zustellen, als Letzte der Runde mit: Das ist eine Wespe, der Stachel ist hinten, mein Name ist Krieger, beantwortete, wusste ich, was die Uhr geschlagen hatte. Wie ihre Vorstellung geriet auch die ganze Woche. Immer wieder funkte sie dazwischen, dass die Teilnehmer*innen die Ohren anlegten. Bei Tisch im Bildungshaus mischte sie die ganze Mensa auf. Suppe, Hauptgang, Nachtisch, alles wurde prompt beanstandet und laut am Ausgabefenster der Küche kommentiert. Sie war halt auf Krawall gebürstet.

Wenn ein angepriesenes Produkt, beispielsweise, in einem Laden nicht vorhanden war oder eine Fachkraft sich doof stellte, lief Joe raus, nicht ohne vorher laut: Scheiß Laden hier! zu deklamieren.

Es gibt Menschen: Bosstypen, Gnadenlose, Unbändige, Ruppige, die sich vorgenommen haben, alle Erwachsenen, angebliche Autoritäten, auflaufen zu lassen, die ihnen quer kommen. Sie rächen sich damit an einer für sie als Kinder übermächtigen Erwachsenenwelt, die sie verlassen, gedemütigt, geschlagen oder bloßgestellt hat. Euch werde ich es jetzt zeigen, ist ihre Botschaft. Zieht euch warm an!

In Ewigkeitskategorien folkloristisch weitergedacht, mag das heißen: Wer bist du? Petrus? Also: erstens bin ich nicht dein Sohn und zweitens sitzt du auf meinem Platz. Oder: Zuerst bittet Gott mal bei mir um eine Audienz!

Auch eine göttliche Autorität lehnt Joe ab, indem er sich als Atheisten und Heiden bezeichnet. Dennoch singen oder rappen seine Favorites, die Lieder seiner Gruppe, von der Ewigkeit.

Was du hörst:

Seitdem ich denken kann, warst du da. Wenn es ein Jenseits gibt …Schau ich abends zu den Sternen hoch und denk mir einfach:

Far away, weit, weit, weg, auf davon, für mich nicht greifbar. Ej, ich vermiss dich so! … seitdem, Mann, sind Gefühle tot.

Könnt ich diese Liebe heut noch spür’n, wär ich in der Lage heute Frieden mit mir vorzuführn.

Die Freude immer vorgetäuscht, den Kopf gefickt. Die Droge, dein bester Freund. Heute sitz ich hier allein und weiß kaum noch, wohin mit mir.

Ja, ich hab’s probiert mit dieser Liebe. Diese Bitch hat sie erstickt.

Haben wir es bei Joe nicht doch mit einem Poeten zu tun, einem Romantiker? Ist er im tiefsten Innern nicht dauernd auf der Suche nach der Blauen Blume, nach Gott, nach Geborgenheit, wie die Dichter und Komponisten der Romantik auch? Gut, er ist eher ein Hard-Core-Musiker, der gut in Wacken, vielleicht nicht, hätte avancieren können. Aber was heißt das schon? In seinen Liedern lässt er seinen Gefühlen freien Lauf. Die Bilder sprechen Bände. Sie bilden ein Ventil für Bindungsängste, Frust, Versuch und Versagen, Machtmissbrauch und fehlendes Vertrauen. Ich vertrau nur mir, nur mir allein, ist sein Resümee – der Rest der Menschheit gilt prinzipiell als nicht vertrauenswürdig.

Urvertrauen ist massiv angeknackst.

Es braucht Strokes. Streicheleinheiten, möchte man meinen. Die fehlen, eindeutig. Dass ihn mal jemand in den Arm nimmt, wenn er es zulässt. Und ihn nicht auflaufen lässt.

Wo bleibt die Liebe in seinem jungen Leben? Sie scheint nicht vorhanden, nicht existent. Kinder aber brauchen Liebe wie die Luft zum Atmen.

Die...

Erscheint lt. Verlag 15.11.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7504-4567-2 / 3750445672
ISBN-13 978-3-7504-4567-3 / 9783750445673
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