Der Dünensommer (eBook)

Roman - Eine Liebe auf Norderney

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
448 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-24138-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Dünensommer -  Sylvia Lott
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Eine Liebe, so schwerelos und vergänglich wie ein heißer Sommertag ... Der atmosphärische Inselroman von SPIEGEL-Bestsellerautorin Sylvia Lott!
Norderney 1959. Ulla führt ein scheinbar sorgloses Leben. Sie ist jung und gutaussehend, mit einem wohlhabenden Hamburger Verleger verheiratet und verbringt die Sommermonate im schicken Nordseeheilbad. Doch ihr Aufenthalt dort hat einen ernsten Hintergrund: nach drei Jahren Ehe sind Ulla und ihr Mann noch immer kinderlos, das maritime Klima soll Ullas Gesundheit stärken. Fernab vom stickigen Hamburg flaniert sie auf der Strandpromenade, badet, feiert und genießt das ungewöhnlich heiße Wetter. Man spricht von einem Jahrhundertsommer, und alle spielen ein bisschen verrückt. Ulla lernt den mittellosen jungen Fotografen Hans kennen, der so anders ist als ihr Gatte. Bald entstehen zarte Gefühle zwischen den beiden und als das Ende des Sommers näher rückt, muss Ulla eine schwierige Entscheidung treffen ...

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Die freie Journalistin und Autorin Sylvia Lott ist gebürtige Ostfriesin und lebt in Hamburg. Viele Jahre schrieb sie für verschiedene Frauen-, Lifestyle- und Reisemagazine, inzwischen konzentriert sie sich ganz auf ihre Romane. Ihre Romane stehen regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

1


Kim saß im Café Marienhöhe oben auf einer der höchsten Dünen der Insel und blinzelte übers gleißende Meer, als sie die Stimme zum ersten Mal hörte. Sie bereitete ihr ein Wohlbehagen, das sie beinahe lähmte. In Resonanz auf den Klang – kultiviert, humorvoll – durchrieselte es sie wieder und wieder. Der Mann plauderte auf Englisch. Gelegentlich lag ein Zögern im Redefluss, als wöge der Sprechende ab oder überlegte noch, weil er auf keinen Fall etwas Falsches von sich geben wollte.

Kim schaute sich nicht sofort um. Sie genoss die Schauer, die ihr an den Oberarmen entlang und über den Rücken liefen – eine Welle prickelte noch unter den Haarwurzeln, da rollte schon die nächste bis in die Zehenspitzen. Sogar ihren Durst vergaß sie für eine Weile. Als sie schließlich doch nach dem Glas griff, um ein Schlückchen von ihrer Rhabarberschorle zu trinken, bewegte sie sich nur minimal. Bloß nicht das schöne Gefühl verscheuchen! Den Blick hielt sie weiter auf die Nordsee gerichtet. Kurz nahm ihr ein Pärchen, das über die umlaufende Terrasse des Pavillons schlenderte, die Sicht. Durch dessen Schatten spiegelte sich ihr ovales Gesicht in der Fensterscheibe, und sie sah, dass der Wind sie schon arg zerzaust hatte. Sie hatte das schulterlange dunkelblonde Haar zu einem lockeren Knoten hochgesteckt, doch jetzt hingen so viele Strähnen heraus, dass es nicht mehr lässig, sondern nur verwildert wirkte. Ach, egal! Sie blieb zurückgelehnt in den bequemen Kissen sitzen und genoss die unerwarteten Empfindungen.

Draußen auf den Wellen tanzten kleine Schaumkronen. Das Licht über dem Meer war einfach unglaublich. Was für ein Strahlen, überhaupt: Was für ein Tag! Warm, geradezu heiß. Sie hatte wirklich Glück gehabt. Normalerweise sorgte die Schafskälte um diese Zeit des Jahres für ungemütliches Wetter.

Dezente Barmusik lief im Hintergrund, Geschirr klapperte. Eine Fliege krabbelte kitzelnd über Kims nackte Wade. Unter halb gesenkten Lidern folgte ihr Blick den Schiffen am Horizont – Segelbooten, Containerriesen, Krabbenkuttern, Yachten. Jetzt lachten der Mann und seine Gesprächspartner, unter ihnen eine Frau.

Aus Kims Brustkorb löste sich ein Seufzer der Erleichterung. Darauf war sie nicht gefasst gewesen, als sie spontan beschlossen hatte, nach Norderney zu fahren, um das Internationale Filmfest zu besuchen. Seit Wochen schon fühlte sie sich nur gehetzt, ständig unter Druck. Gut, dass sie sich doch noch von Toska hatte überreden lassen.

Das Festival fand alljährlich um Pfingsten herum auf Norderney und in der nahen Hafenstadt Emden statt. Kim war gespannt auf die Uraufführungen neuer Filme und auf die Preisverleihungen, vor allem aber wollte, ja musste sie endlich Kontakte pflegen. Deshalb war sie hier. Sie wollte ein bisschen Konkurrenzbeobachtung betreiben, Kollegen treffen, mit Leuten von Produktionsfirmen und der Filmförderung reden …

Noch blieb etwas freie Zeit, es ging erst am Abend richtig los. Eigentlich hatte sie vorgehabt, im Café endlich das Festivalprogramm gründlicher zu studieren, doch stattdessen gab sie sich weiter dem Timbre der fremden Stimme hin, ließ ihren Blick wandern und die Gedanken fließen.

Das Café Marienhöhe, das bei genauer Betrachtung achteckig und nicht rund war, schien erst vor Kurzem renoviert worden zu sein. Edel, reduziert, in Grautönen gehalten. Ein gepflegtes Publikum verkehrte hier. Frauen mit auffallend gutem Haarschnitt, Männer mit Lederschuhen statt Sneakers, viele Best Ager. Dieses Lokal, das hatte Kim auf der Speisekarte gelesen, war nach der hannoverschen Königin Marie benannt worden. Die glühende Verehrerin Heinrich Heines hatte Mitte des 19. Jahrhunderts an dieser Stelle zu seinen Ehren einen hölzernen Pavillon für ihre Picknicks errichten lassen. Angeblich war der Dichter vor knapp zweihundert Jahren auf genau dieser Düne zu seinen Oden an die Nordsee – einschließlich ein paar Boshaftigkeiten über die Insulaner – inspiriert worden. Kim kannte die Texte nicht, aber sie mochte Heine und nahm sich vor, ihre Bildungslücke bald zu schließen.

Wieder vernahm sie die Stimme, und die Härchen an ihren Unterarmen richteten sich auf. Sie verstand nur Wortfetzen, keine Sätze. Merkwürdig – normalerweise konnte sie gleich erkennen, ob jemand aus England oder den USA kam, oft sogar, aus welcher Region. In diesem Fall jedoch schienen sich gebildetes Englisch und ein Amerikanisch, das mal auf New York, mal auf den Südwesten der Staaten deutete, zu vermischen.

Bestimmt war der Mann auch wegen des Filmfestes hier. Ein Schwerpunkt lag auf der Vorstellung neuer Produktionen aus Großbritannien und Irland. Kim freute sich schon auf Kostproben britischen Humors. Sie widerstand der Versuchung, sich umzudrehen. Vielleicht war die Person, zu der die schöne Stimme gehörte, abstoßend oder, schlimmer noch: langweilig, und das würde ihren Genuss sicher …

Ein Ausruf unterbrach ihren Gedanken.

»Hallo, Frau Schröööder!« Eine dynamische Mittvierzigerin mit breitem gerötetem Gesicht und Sonnenbrille im blond gesträhnten Kurzhaar stürzte auf sie zu. »Sie auch hier?« Tina Baumann, ihre derzeit wichtigste Auftraggeberin. Schlagartig war Kim hellwach. Rasch fuhr sie sich mit beiden Händen übers Haar und setzte ein freudiges Lächeln auf. Doch ihr Magen zog sich zusammen. Gleich wird sie fragen, wie weit das Drehbuch ist, dachte Kim unbehaglich. Dieser Frau verdankte sie ihren ersten großen Auftrag ohne Jens-Ole. Fünf Jahre lang hatten sie beide gemeinsam Drehbücher, meist für Vorabendkrimiserien, geschrieben und als Dreamteam gegolten. Auch privat. Aber jetzt schien alle Welt zu glauben, dass er der Bessere oder Kreativere von ihnen war, was natürlich überhaupt nicht stimmte. Er hatte nur immer vor allem die Akquise gemacht, Aufträge reingeholt, die Kontakte gehalten. Manchen Kontakt leider zu intensiv, wie Kim irgendwann nicht mehr hatte ignorieren können. Mal ein Flirt hier, »nur aus geschäftlichen Gründen«, mal eine kleine Affäre dort, »doch bloß, um die Arbeitsatmosphäre zu verbessern«. Das Gemeine war: Jens-Ole hatte nach ihrer Trennung vor fast einem Jahr ihre Stammkunden behalten, sie selbst musste seitdem Klinken putzen. Dass sie sich in den Kopf gesetzt hatte, den Bruch auch beruflich in etwas Positives umzumünzen und nun Vorschläge in einem ganz anderen Genre als früher machte, erleichterte die Sache auch nicht gerade. Sie wollte nämlich endlich Komödien und Liebesgeschichten schreiben. Aber das schien ihr niemand so richtig zuzutrauen. Niemand, mit Ausnahme von Tina Baumann, der Ressortleiterin eines wichtigen Fernsehsenders, die ihr zumindest eine Chance gegeben hatte. Während sie sich mit Jens-Ole schon seit Jahren duzte, war sie mit ihr, Kim, noch per Sie. »I hätt ja g’wettet, dass Sie daheim eifrig am Drehbuch feiled.« Tina Baumann schwäbelte manchmal noch, obwohl sie schon lange in Hamburg lebte und auch anders konnte.

»Hallo, Frau Baumann«, erwiderte Kim mit möglichst viel Begeisterung. »Na, das kann ich doch überall! Leisten Sie mir Gesellschaft?« Sie klopfte auf den freien Sitzplatz neben sich.

»Danke, ich hab vorhin die ganze Zeit g’sessen, bin auf dem Weg ins Hotel.« Die Redakteurin schaltete in den Hochdeutschmodus. »Ich will mich noch kurz frischmachen vor der Retrospektive und Franzy abholen.« Sie nahm trotzdem Platz, setzte sich allerdings vorne auf die Stuhlkante, um zu zeigen, dass sie wirklich nur auf dem Sprung war. »Seit wann sind Sie denn hier, Frau Schröder?«

»Erst seit heute Mittag. Ist mein erstes Mal auf Norderney. Ich hab mich erst vorgestern spontan entschlossen, das Festival zu besuchen.«

»Sehr gute Idee«, pflichtete die Baumann ihr bei. »Irgendwas nimmt man ja immer mit. Erstaunlich, dass Sie so kurzfristig noch eine Unterkunft gefunden haben.«

»Ja, ich hatte Glück. In der Richthofenstraße war zufällig gerade ein kleines Einzimmerapartment frei geworden.« Kim lächelte. »Bei einer netten jungen Wirtin. Ihr Mann vermietet Fahrräder. Ich bin schon hierher geradelt.«

Tina Baumann schien eine Sekunde zu zögern. »Jens-Ole ist wohl nicht hier.« Es klang eher wie eine Feststellung, nicht wie eine Frage.

»Nö.« Kim lächelte ironisch. »Wäre ihm auch viel zu provinziell. Für ihn müsste es eher die Biennale sein oder etwas in der Größenordnung.«

»Jaja, es kann auch Cannes gewesen sein«, kalauerte Tina Baumann. Sie überlegte einen Augenblick, bevor sie fortfuhr. »Gut, dass Sie ihn ziehen lassen haben. Jetzt darf ich’s Ihnen ja sagen: Bei mir hat er’s auch mal versucht. Vor Jahren.«

Kim konnte sich gerade noch ein empörtes »Echt?« verkneifen. Doch eigentlich überraschte es sie nicht wirklich.

Sie tauschten einen ironischen Blick, der das ewige Mann-Frau-Dilemma ausreichend kommentierte. Vermutlich, damit es zwischen ihr und Kim nicht zu vertraulich wurde, gab die Redakteurin sich nun wieder geschäftlich.

»Ich hab mich mit dem Auftrag an Sie ganz schön aus dem Fenster gehängt, Frau Schröder. Das ist Ihnen doch klar, gell?«

»Tatsächlich?«, murmelte Kim leicht verlegen. »Ich will in dieser Richtung ja schon ewig was machen. Und wenn man richtig glüht für etwas, dann …«

Tina Baumann fiel ihr lächelnd, doch mit nachdrücklichem Blick ins Wort. »Liefern Sie uns was Gut’s. Leicht, aber nicht seicht. Ergreifend, unterhaltsam und amüsant.«

»Klar«, erwiderte Kim rasch, als wäre das eine ihrer leichtesten Übungen. Sie musste schleunigst von diesem heiklen Thema ablenken. Denn in Wirklichkeit wollte ihr für das Drehbuch partout nichts Originelles einfallen. Seit Wochen schon bastelte und verwarf sie, nichts zündete richtig. Alle Ideen drifteten früher oder...

Erscheint lt. Verlag 11.5.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Der Inselsalon • Die Frauen vom Inselsalon • Die Inselfrauen • eBooks • Filmfestspiele • Fotograf • Frauenromane • Fünfziger Jahre • Gisa Pauly • Große Liebe • High Society • Jahrhundertsommer • kleine geschenke für frauen • Liebesromane • Miriam Georg • Norderney • Nordsee • Romane für Frauen • Seebad • Spiegel-Bestsellerautorin • Verbotene Liebe • Wirtschaftswunder • zwei Zeitebenen
ISBN-10 3-641-24138-3 / 3641241383
ISBN-13 978-3-641-24138-4 / 9783641241384
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