Toter gehts nimmer: Mord in den Wiener Voralpen -  Christina Unger

Toter gehts nimmer: Mord in den Wiener Voralpen (eBook)

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2019 | 2. Auflage
280 Seiten
Latos Verlag
978-3-96415-059-2 (ISBN)
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Wie ein Elefant im Porzellanladen regiert der eitle und selbstgefällige Bürgermeister Alois Simmerl in dem kleinen Dorf Elendsbrunn, im Wiener Voralpenland. Irgendwann treibt es der Bürgermeister jedoch zu bunt und es werden mehrere Anschläge auf ihn verübt. Motive haben viele. Auch bleiben seine erotischen Ausflüge in fremde Betten nicht lange unbemerkt.
Dann passieren zwei Morde und in dem ehemals so friedlichen Dorf ist nichts mehr, wie es einmal war. Inspektor Waldemar Frühstück und seine junge Kollegin Susanne Sauer, noch nie zuvor mit einem Kapitalverbrechen konfrontiert, stehen vor der größten Herausforderung ihrer Karriere. Zum Glück gibt es Emma Pölzl, eine ziemlich starrköpfige alte Frau, aber mit einem Geheimnis, das nicht einmal sie selbst kennt.



Christina Unger wurde in Wien geboren und erlernte den Beruf einer Kartographin. Sie verbrachte sieben Jahre in Afrika, zog in ihrer Jugend mit dem Rucksack von Feuerland bis Alaska und schrieb zwei Alternativreiseführer über Peru, Argentinien und Paraguay, sowie die Reisesatire 'Die verrückte Reise des Mr. Smith'. Als freiwillige Mitarbeiterin im Begleitteam des Engländers Barry Eustice, der 6000 km auf Krücken das südliche Afrika durchquerte, um Spenden für behinderte Menschen zu sammeln, lernte sie ihre Grenzen kennen. Bis 1993 lebte sie drei Jahre in den Northwest Territories im arktischen Kanada, dann kehrte sie der Welt den Rücken. In Österreich arbeitete sie für den Goldmann Verlag als Übersetzerin und gründete einen kartographischen Verlag, wo sie bis heute tätig ist. Sie schreibt Romane und versucht, mit der heutigen Distanz, einige ihrer Reiseerlebnisse in Buchform zu bringen. Die Autorin lebt im südlichen Niederösterreich mit ihrem Lebensabschnittspartner und drei Katzen.

In der Sederlgasse einige Wochen früher


 

In einem entlegenen Winkel im südlichen Niederösterreich lag die Dreitausend-Seelen-Gemeinde Elendsbrunn. Wer am Ortsanfang in die Sederlgasse einbog, dem fiel zuallererst der freie Blick auf den Schneeberg auf - im Sommer dunkelblau und geheimnisumwittert, im Winter weiß überzuckert, überragte er die kleine Ortschaft, die, selig vor sich hindämmernd, in einem Dornröschenschlaf zu liegen schien. Der zweite Blick wurde auf die Buschen der Weinschenken gelenkt, aber schon der dritte galt den Schlaglöchern in den Gassen. Ein geläufiger Witz in der Sederlgasse ging so: Spar auf einen großen Wagen, denn einen kleinen findest du im Schlagloch nicht wieder. Der Witz hatte zwar schon einen langen Bart, aber die Anrainer der Sederlgasse fragten sich, wieso der neue Belag seit Jahren auf sich warten ließ. Versprechungen seitens der Gemeinde gab es viele, eine neue Straße aber hatten sie bis heute nicht, und der Bart wurde immer länger.

Der Status ›Markt‹ war Elendsbrunn sehr wichtig. Schließlich war das ehemals unbedeutende Dorf vor fünfunddreißig Jahren zur Marktgemeinde erhoben worden. In fünfzehn Jahren sollte das fünfzigjährige Jubiläum gefeiert werden. Der Bürgermeister machte sich heute schon Gedanken, obwohl er dann ganz sicher nicht mehr Bürgermeister sein würde. Zumindest hatte die Opposition da sehr entschieden etwas dagegen. Hinzu kam der ständige Konkurrenzkampf mit der Nachbargemeinde Reichenbrunn, der immer und ewig zugunsten Reichenbrunns ausging - es war wie ein Fluch. Am schlimmsten wurde es, wenn der FC Elendsbrunn auf den FC Reichenbrunn traf, dann hatte die Polizei Urlaubssperre. Es war sogar schon Blut geflossen. Bei dem Gemetzel der gegnerischen Fans wurde der Eindruck erweckt, dass ein geeintes Europa noch fünfhundert Jahre entfernt lag.

Auch Maxime Sommer wohnte seit kurzem in der Sederlgasse. ›Seit kurzem‹ hieß, dass sie seit weniger als zwei Generationen hier lebte. Vor einem Jahr war sie aus der Stadt weggezogen, hatte einen kleinen Bungalow erstanden und war nun eine Elendsbrunnerin mit ›Migrationshintergrund‹, denn die reinrassigen Elendsbrunner waren leider am Aussterben. Sie selbst war Single, fast fünfunddreißig Jahre alt und nie verheiratet gewesen - eine Spezies im Dorf, der man mit Misstrauen begegnete. Sie hatte zwar eine langjährige Beziehung gehabt, als die jedoch zu Ende gegangen und sie nach Elendsbrunn gezogen war, wurde aus der goldblonden, langbeinigen Karrierefrau Maxime wieder die aparte Maxi von früher - große Mandelaugen und ein haselnussbrauner frecher Kurzhaarschnitt. Obwohl von gertenschlanker Gestalt, joggte sie regelmäßig. Früher durch die eleganten Einkaufsstraßen in Wien, heute durch die Weinberge im Steinfeld. Unmittelbar hinter ihrem Garten begann schon das Feld. Am frühen Morgen, wenn sie im Jogginganzug das Haus verließ, begegneten ihr Hasen und Rebhühner, manchmal sogar ein Rudel Rehe - es war sehr idyllisch.

Wer im Zug nach Elendsbrunn saß, musste nur einmal kurz gähnen und war auch schon daran vorbeigefahren. Einmal hatte Maxi zu ihrer Sitznachbarin scherzhaft gemeint, der Städtische Zentralfriedhof in Wien sei größer – und vor allem lebendiger! Das hatte ihr einen bitterbösen Blick der Sitznachbarin, einer gewissen Frau Strottermann, eingebracht, denn diese war zufällig eine Eingeborene und sehr empfindlich gegenüber Kritik von außen. Seither achtete Maxi darauf, die Nähe von Frau Strottermann zu meiden und auch anderen gegenüber kein abfälliges Wort mehr in dieser Sache zu äußern. Vielleicht wurde einer der Passagiere ja rabiat, manche hatten nämlich noch vom Vorabend einen gewissen Restalkohol im Blut.

Dass die Eingeborenen den ›Zugezogenen‹ etwas zugeknöpft begegneten, verstand sich von selbst. Die Besserwisser aus der Hauptstadt, die sich gar so viel einbildeten. Dabei war Wien schon lange nicht mehr das, was es einmal war. In manchen Stadtvierteln durfte man sich bei Dunkelheit ja nicht einmal mehr aus dem Haus wagen. Dagegen war Chicago die reinste Insel der Seligen.

Auch ihre Freunde hatten sich lustig gemacht über ihre Entscheidung aufs Land zu ziehen. Wenn auf ihrer Firmenadresse keine repräsentative Adresse mehr stand, sondern Sederlgasse, Elendsbrunn, dann war das geradezu ein gesellschaftlicher Abstieg! Als selbstständige Grafikdesignerin bestand ihre Klientel aus feinen Hoteliers und großen Restaurantketten in der Tourismusbranche. Da konnte eine solche Adresse durchaus geschäftsschädigend sein. Nach dem Studium, als sie noch nicht wusste, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte, hatte sie eine mehrmonatige Reise durch die USA unternommen, und als sie nach Hause zurückkehrte, fand sie die Wohnung leer und der Freund, der für immer auf sie warten wollte, war zu ihrer besten Freundin gezogen.

Nun, mit fast fünfunddreißig und wieder allein, überkamen sie manchmal gefährliche Gedanken. An Kinder, an einen Mann, an eine richtige Familie eben. Eigene Kinder hatte sie fast schon abgeschrieben, aber einen Mann an ihrer Seite noch lange nicht. Sie sehnte sich nach jemandem, der ihre Seele zum Schwingen brachte. Aber vielleicht war sie ja auch nur zu anspruchsvoll. Vielleicht sollte sie sich statt eines Mannes doch ein Haustier zulegen. Je besser sie die Männer kannte, desto lieber waren ihr Tiere. Hunde, zum Beispiel, die waren für alles dankbar, meckerten nicht herum und verlangten keine gebügelten Hemden. Tiere waren sowieso die besseren Menschen, sagte sie sich trotzig in so mancher durchwachten Nacht. Sie werden dich nie enttäuschen und niemals verlassen – außer Katzen vielleicht. Die suchten sich glatt irgendwo ein neues Zuhause.

Ihre Nachbarin, die alte Frau Pölzl zum Beispiel, die hatte einen Kater, an der ihr ganzes Herz hing. Eines Tages aber zog dieser bei der Familie Schnarch im Haus schräg gegenüber ein. Ganz einfach so. Das hatte Frau Pölzl ziemlich mitgenommen. Sie hatte Peterle mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und den teuersten Leckerlis zur Heimkehr zu bewegen versucht - vergeblich. Katzen waren unbestechlich. Familie Schnarch war das ganze eher unangenehm, aber es schien, als habe sich der Kater dort dauerhaft eingerichtet. So blieb Frau Pölzl nichts anderes übrig als Peterle, wenn er wieder einmal mitten auf der Straße saß, mit feuchten Augen zuzuwinken und sich zu grämen, wenn er arrogant den Kopf in die andere Richtung drehte, gähnte, sich lasziv streckte und dann – so als wollte er sie extra kränken – vor ihren Augen mit hoch erhobenem Schwanz durch ein Loch im Gartenzaun in sein neues Zuhause schlüpfte.

Frau Pölzl hatte zwar einen erwachsenen Sohn, an dem aber hing ihr Herz nicht so sehr wie an dem rabenschwarzen Kater. Der Sohn hatte ihr Leben schon in jungen Jahren kaputt gemacht, als er unehelich zur Welt kam - eine ungeheure Schande für die damalige Zeit. Heute war Emma Pölzl fünfundsiebzig und hatte einen gekrümmten Rücken, zittrige Knie, Sodbrennen und schlechte Augen. Aber hören konnte sie wie ein Luchs. Zwar wusste sie, dass das Kind rein gar nichts dafür konnte, aber irgendwie schien sie es ihm übel zu nehmen, dass es auf der Welt war. Sein Erzeuger war ein wohlhabender Großgrundbesitzer gewesen, mit einem Adelsgeschlecht aus dem Burgenland verwandt, und der hatte ihren gemeinsamen Sohn gar schmählich verleugnet. Die junge Emma hatte nie Geld verlangt und auch keinen Penny erhalten. Sie hatte ihren Sohn ganz alleine großgezogen und trotzdem zu einem anständigen Menschen gemacht. Ja, das Leben war oft ungerecht und die Wege des Herrn nicht immer leicht zu durchschauen.

Nichtsdestotrotz half Frau Pölzl im ›Verein Christlicher Frauen‹ und sang im Kirchenchor. Zwar hatte sie ihre Singstimme schon vor Jahren verloren, aber für den Refrain langte es noch allemal, besonders weil sie sehr laut sang. Sie füllte die ganze Kirche mit ihrem Gesang und, obwohl spindeldürr, besaß Frau Pölzl ein Stimmvolumen, dass selbst die Passanten, die an der Kirche vorbeigingen, zur Salzsäule erstarrten, wenn sie gerade ein Solo hinlegte. Auch die Nachbarn auf der anderen Seite ihres Hauses erwachten fast täglich zu früh, weil Frau Pölzl so laut mit den Pflanzen sprach. Es waren junge Leute, die mitten im Arbeitsleben standen und ihren Schlaf brauchten. Vielleicht, so wurde getuschelt, hatte Peterle, der rabenschwarze Kater, gerade deshalb vor seinem Frauchen die Flucht ergriffen.

Als gelernte Köchin kochte Frau Pölzl heute noch gerne und versorgte die Sederlgasse mit selbstgebackenen extrem süßen Mehlspeisen. Hinterher hatte die halbe Gasse einen Zuckerschock, aber niemand wollte Frau Pölzl die Freude am Schenken verwehren und zum Wegwerfen konnte sich auch niemand durchringen. Die Anrainer der Sederlgasse waren fast alles gottesfürchtige Menschen, erzogen im Sinne von Sparsamkeit, und niemand wäre es eingefallen, unverdorbene Nahrungsmittel wegzuwerfen. Und so wurde Frau Pölzl, trotz der Geräuschkulisse, die ihre ständige Begleiterin war, von jedem gemocht. Sie war hilfsbereit, uneigennützig und besaß so etwas wie Narrenfreiheit. Im Winter, wenn es wieder einmal Neuschnee gab, war sie die Erste auf ihren krummen Beinen und schaufelte bei Maxi...

Erscheint lt. Verlag 26.5.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-96415-059-2 / 3964150592
ISBN-13 978-3-96415-059-2 / 9783964150592
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