Die Tränen von Triest (eBook)

Roman

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
432 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-25085-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Tränen von Triest -  Beate Maxian
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Wien: Die 33-jährige Johanna Silcredi wird ans Krankenbett ihres Großvaters Bernhard gerufen. Er bittet sie, nach Triest in die Villa Costa zu reisen, und er fügt hinzu: »Finde heraus, wer mein Vater war.« Johanna ist zutiefst irritiert und macht sich auf den Weg. In der Villa trifft sie auf Charlotte von Uhlrich. Auch sie scheint auf Spurensuche zu sein.

Triest 1914. Die schöne Afra von Silcredi steht kurz vor der Verlobung mit Alfred Herzog und könnte nicht glücklicher sein. Doch dann beginnt der Erste Weltkrieg, und die Liebenden werden getrennt ...

Beate Maxian lebt mit ihrer Familie in der Nähe des Attersees und in Wien und zählt zu den erfolgreichsten Autorinnen Österreichs. Ihre Wien-Krimis um die Journalistin Sarah Pauli stehen dort regelmäßig an der Spitze der Bestsellerliste. Auch »Ein tödlicher Jahrgang«, Auftakt ihrer Krimireihe um die Feinkosthändlerin Lou Conrad, wurde auf Anhieb ein Bestseller.

2

Das Steirereck lag am Heumarkt im dritten Bezirk mitten im Stadtpark. Unzählige Menschen flanierten an dem milden Sommerabend durch die weitläufige Parkanlage, saßen auf Bänken oder den Wiesen vor einem der Teiche. Touristen schossen zig Fotos vor der goldenen Statue von Johann Strauss. Das Restaurant erkannte man durch die spiegelnde Metallfassade leicht von Weitem. Es wirkte auf Johanna ein klein wenig futuristisch. Ganz nach Romans Geschmack. Leichtfüßig lief sie auf den Eingang zu, der sich unmittelbar vor ihr wie durch Zauberhand öffnete. Ein Mann mittleren Alters nahm ihr den dünnen Sommermantel ab, den sie über dem Arm trug.

»Hubner«, nannte sie Romans Familiennamen.

Ein Kellner kam und führte sie durch das gut besuchte Restaurant direkt auf die Terrasse. Auch dort gab es kaum freie Plätze. Die weißen Sonnenschirme sorgten für angenehmen Schatten, denn die Sonne ging erst in zwei Stunden unter. Roman saß schon an einem weiß gedeckten Tisch, direkt beim Geländer mit Blick auf den Wienfluss. Ein prachtvoller Blumenstrauß steckte in einem Sektkübel.

Roman wirkte begehrenswert, obwohl er den ganzen Tag im Büro verbracht und sicher wieder bis zur Erschöpfung gearbeitet hatte. Er erhob sich wohlerzogen, als er Johanna kommen sah. Sein Blick verriet, dass sie atemberaubend aussah. Zur Begrüßung hauchte er ihr einen sanften Kuss auf beide Wangen, wie einer guten Freundin. Vor mehr Zärtlichkeit in der Öffentlichkeit graute ihm. Paare, die sich schwer verliebt vor den Augen Fremder küssten, regten ihn maßlos auf.

»Die sind für dich.« Er zeigte auf die Blumen. »Happy Birthday.«

»Danke.« Johanna lächelte entzückt und setzte sich. »Bist schon lange hier?«

»Nein, zwei, drei Minuten.« Auch Roman nahm wieder Platz. Der Kellner brachte das Gedeck. Drei unterschiedliche Arten von Butter. Der Brotsommelier zählte verschiedene Brotsorten auf. Sie entschieden sich für Sesam-, Dinkel- und Veilchenbrot.

»Judith hat mich besucht. Wir haben uns ein bisserl verplaudert. Sie fliegt heute noch nach New York.«

Roman nickte, wirkte jedoch auf irgendeine Weise abwesend.

»Ist irgendwas? Du schaust irgendwie bedrückt aus.«

»Nein, alles in Ordnung.«

Der Kellner überreichte ihnen die Speisekarte und legte die Weinkarte vor Roman auf den Tisch. Dann zog er sich mit einer leichten Verbeugung zurück. Johanna strich die Süßmaisbutter auf ein Stück Sesambrot und schob es sich in den Mund.

»Was hältst du von einer Flasche Weißburgunder?«

Johanna nickte, wiederholte das Prozedere von vorhin mit Paprikabutter auf Dinkelbrot. Dann warf auch sie einen Blick in die Karte. Eigentlich verspürte sie kaum Hunger, deshalb entschied sie sich lediglich für den Saibling im Bienenwachs mit Salat. Roman orderte als Vorspeise den Attersee-Hecht mit Federkohl, gefolgt von Lamm. Der Wein wurde gebracht. Roman probierte, ließ den edlen Tropfen im Mund kreisen, schluckte, nickte dann dem Kellner zu. Dieser schenkte ihnen beiden ein und schob die Flasche in den Weinkühler.

Roman hob das Glas. »Prost! Auf dich!«

»Auf wunderbare Zeiten«, erwiderte Johanna. Sie stießen an, tranken einen Schluck.

»Wie war’s im Büro?«, fragte Johanna intuitiv, weil sie ihn das jeden Tag fragte. Er erkundigte sich seltener danach, wie es ihr ergangen war.

»Ging so. Keine besonderen Hochs, aber auch keine Tiefs. Und bei dir?«

Johanna hatte sich vor drei Jahren selbstständig gemacht und sich in der Innenstadt ein kleines Büro gemietet. Anfangs steuerten ihre Eltern etwas zur Miete bei, aber inzwischen war die Auftragslage gut, und sie brauchte keine Unterstützung mehr. »Ich habe mir heute freigenommen. Das habe ich dir beim Frühstück erzählt.«

»Ach ja.« Roman versuchte ein Lächeln, das jedoch aussah, als verzöge er missbilligend das Gesicht.

Er hat es vergessen, vermutete Johanna stumm. Klar, eine solche Ungeheuerlichkeit, an einem stinknormalen Freitag nicht ins Büro zu fahren, käme für ihn nicht in Frage. Geburtstag hin oder her. Gewissenhaftigkeit lautete Romans zweiter Vorname.

Der Kellner kam mit dem Saibling, präsentierte ihn. Dann übergoss er den Fisch vor ihren Augen mit achtzig Grad heißem Bienenwachs. »Der Geschmack bleibt so besser erhalten«, erklärte er, bevor er den Teller wieder in die Küche trug, wo der Fisch fertig garte.

Während sie auf das Essen warteten, sprachen sie über Belangloses. Über das Kinoprogramm, obwohl sie selten ins Kino gingen. Über Johannas Kleid, das Roman ihr gekauft hatte. Über den geschmacklosen Kaffee, den Roman heute bei einem Meeting hinuntergewürgt hatte. Roman war ein guter Redner. Er erweckte stets den Eindruck, jeder Kleinigkeit des Gesprächs Aufmerksamkeit zu schenken und war sie noch so unbedeutend. Derweil wusste Johanna, dass oft das Gegenteil der Fall war. Romans Leben drehte sich zumeist um ihn selbst.

Als sie die Mahlzeit beendet hatten und die Teller abgeräumt waren, zog Roman ein kleines, in Geschenkpapier eingewickeltes rechteckiges Kästchen aus der Tasche. »Ich … also«, stammelte er. »Dein Geschenk.« Er überreichte es ihr mit einer ungelenken Handbewegung. Es gelang ihm nicht, ihr dabei in die Augen zu sehen. Romantik lag ihm nicht.

Roman Hubner, der selbstbewusste Architekt, verwandelt sich in einen schüchternen Buben, dachte Johanna amüsiert. Sie fixierte ihn eine kurze Weile schweigend. Genau diesen Anblick wollte sie in ihrem Gedächtnis abspeichern. Nervöse oder unsichere Momente gab es kaum in Romans Leben. Normalerweise strotzte er vor Selbstsicherheit.

Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen begann sie, das Geschenk auszuwickeln. Zum Vorschein kam eine flache Schatulle mit der Aufschrift eines Schmuckhändlers.

Judith hat recht, dachte Johanna. Sie überlegte, ob Roman beleidigt reagierte, wenn sie ihm gestand, ihren Nachnamen auch nach der Hochzeit behalten zu wollen. Der Name Silcredi klang in ihren Ohren melodiöser als Hubner.

Vorsichtig hob sie den Deckel ab. Gleich darauf blickte sie verwundert auf einen Schlüssel.

»Was ist das?«

»Ein Schlüssel.«

»Das sehe ich, Roman. Aber wofür ist der?« Sie dachte an eine Reise, an ein Haus irgendwo mitten in der Natur, zu dessen Eingangstür der Schlüssel gehörte. Ein Urlaub, der ihnen schon lange vorschwebte, jedoch aus Zeitgründen seit drei Jahren regelmäßig auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Roman nestelte unruhig an der Serviette. Johanna wartete geduldig auf seine Antwort.

»Er gehört …«, Roman musste sich sichtlich erneut einen Ruck geben. Diesmal schien es ihm noch schwererzufallen. »Also, er gehört zu unserer Wohnung.«

»Hä? Unsere Wohnung?« Hatte er hinter ihrem Rücken eine andere organisiert? Wozu? Johannas Apartment war perfekt.

»Erkennst du ihn nicht?«

Johanna setzte einen konzentrierten Blick auf, musterte das Teil noch mal. »Jetzt wo du’s sagst, kann sein …« Sie hatte keine Ahnung. »Ich verstehe es nicht.«

Er grinste blöd. »Ich schenke dir die Freiheit.«

»Du schenkst mir was? Was bin ich? Eine Gazelle im Zoo?« Sie lachte, weil sie dachte, das Geschenk sei Teil eines Spiels, das sie noch immer nicht durchschaute.

»Ich gehe«, sagte er und schüttelte unmerklich den Kopf, weil ihnen der Kellner die Speisekarten fürs Dessert überreichen wollte.

»Was heißt, du gehst?«

»Ich ziehe aus.«

Es dauerte eine Weile, bis die Nachricht endgültig bei Johanna ankam. »Du willst die Trennung?« Endlich glaubte sie zu kapieren. »Und das sagst du mir an meinem Geburtstag?« Sie warf entsetzt die Hände in die Luft. »Im Steirereck?«

»Ich dachte … Ich wollte dich noch einmal zu einem großartigen Essen ausführen.«

»Oh, wie aufmerksam«, schnauzte Johanna zynisch. Sie versuchte, den Sinn der Worte einzuschätzen. Doch ihre Gedanken fuhren Karussell.

»Außerdem wollte ich vermeiden, dass wir streiten oder du mir eine Szene machst.«

»Was bist du doch für ein erbärmlicher Feigling«, knurrte sie. »Gehst mit mir essen, nur damit … was, wenn ich jetzt aufspringe, herumbrülle und dir den Wein ins Gesicht schütte? Lust dazu habe ich nämlich.«

Roman riss erschrocken die Augen auf. Was er noch mehr in der Öffentlichkeit hasste als Zärtlichkeiten, waren hysterische Szenen.

»Ich hole morgen meine Sachen ab.« Romans sachlicher Tonfall fachte zusätzlich ihre anschwellende Wut an. Johanna ballte die Hände zu Fäusten. Sie hätte ihm jetzt gerne eine reingehauen.

Sie verfluchte ihre gute Erziehung, weil sie sich stattdessen benahm, wie er hoffte. Sittsam. Friedlich.

»Warum? Was ist passiert? Erklär’s mir, Roman!«

Er wich ihrem Blick aus. Sie sah ihm an, dass er abwog, ob er ihr die Wahrheit sagen konnte. Ein kurzes Seufzen. »Ich hab eine Frau kennengelernt.«

»Du hast was?«

»Schon vor einem halben Jahr. Du kennst sie nicht. Sie ist Architektin. So wie ich.« Ihr kam vor, als betone er die letzten drei Wörter besonders. Sollte sie womöglich noch Verständnis haben für die Situation?

Und jetzt willst du, dass ich euch zu der großartigen Übereinstimmung gratuliere?, lag Johanna auf der Zunge. Sie schwieg, weil Zynismus die Sache nicht änderte.

»Hast du nichts gemerkt?« Seine Frage klang vorwurfsvoll. Wollte er etwa ihr die Schuld geben, dass es so weit gekommen war? Sie überlegte, ob er sich in den letzten sechs Monaten anders verhalten hatte. »Nein, was...

Erscheint lt. Verlag 11.11.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Das Geheimnis der letzten Schäferin • Die Frau im hellblauen Kleid • eBooks • Familiensaga • Frauenromane • Generationenroman • Hamburg • Liebesromane • Österreich • Romane für Frauen • Sarah Pauli • Triest • Wien
ISBN-10 3-641-25085-4 / 3641250854
ISBN-13 978-3-641-25085-0 / 9783641250850
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