Himmel, Herrgott, Hirschgeweih (eBook)

Ein Dorfkrimi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
304 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-23367-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Himmel, Herrgott, Hirschgeweih - Fanny König
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Eine eingeschworene Dorfgemeinde und jede Menge Leichen im Keller
Hauptbrandmeister Wimmer wird tot im Wald aufgefunden - aufgespießt von einem Hirschgeweih. Die Bewohner der kleinen Gemeinde Eichenberg fallen beinahe vom Glauben ab: ein Mörder in den eigenen Reihen? Das kann nicht sein! Dumm nur, dass die sturen Dörfler den ermittelnden Polizisten aus dem fernen München nicht leiden können. Der sieht nur einen Weg, den Fall zu lösen: Er braucht göttliche Unterstützung - und zwar in Form vom beliebten Dorfpfarrer Leopold Meininger und seiner Köchin Maria. Denn die kennen ihre Schäfchen schließlich am besten. Auch die schwarzen ...

Fanny König kennt sich als niederbayerisches Madl bestens mit dem Zwist zwischen Dörflern und Städtern aus, denn auch sie hat es nach dem Abitur in die große weite Welt gezogen: Nach dem Studium in München lebte sie einige Zeit im Ausland. Inzwischen ist sie zurück in der bayerischen Hauptstadt, wo sie als Redakteurin viele Buchprojekte betreute, bis die Liebe zum Schreiben sie die Seiten wechseln ließ.

II


Parkverbot


»Vierzig Kilo Kartoffeln, zehn Kilo Zwiebeln, fünfzehn Kilo Leberkäs, zweihundert Weißwürst, zwanzig Liter süßer Senf, hundertfünfzig Semmeln, hundertfünfzig Brezn …«

Hochwürden Leopold Meininger kratzte sich mit dem Kugelschreiber den Hals unter dem recht engen Kollar. Dass die Dinger auch immer so furchtbar jucken mussten, frisch aus der Wäsche. Und wie der zwickte, dieser Priesterkragen, viel zu eng. Vermutlich hatte er die letzten Wochen doch ein wenig zu oft zum Apfelkuchen gelangt. Aber frisch aus dem Backofen war der auch wirklich zum Niederknien. Da konnte kein Heiliger nicht widerstehen. Die Maria war einfach eine verboten gute Pfarrersköchin. Mmmmh … dieser Apfelkuchen. Vielleicht sollte er sie später noch bitten, einen in den Ofen zu schieben. Nur einen ganz kleinen, und ab morgen, da würde er dann enthaltsam bleiben. Der Pfarrer brummte glücklich, das Wasser lief ihm im Mund zusammen.

Aber jetzt erst einmal auf die Liste konzentrieren. Ein letzter Check, damit am Wochenende beim Pfarrfest auch ja niemand hungrig nach Hause gehen würde. Eigentlich sollte das mittlerweile Routine sein, diese ganze Planerei. Über zwanzig Jahre war der Leopold Meininger nun schon Pfarrer von Eichenberg und den beiden zugehörigen Gemeinden in Ober- und Untereichenberg. Und seitdem gab es immer zum Novemberanfang, gleich nach Erntedank und noch vor den Weihnachtsfestivitäten, das traditionelle Pfarrfest. Aber jedes Jahr aufs Neue überkam den Geistlichen kurz vorher die große Panik, dass es zu wenig zu essen geben könnte. Heiliges Amt hin oder her, vor dieser niederbayerischen Unsitte schien keiner gefeit zu sein, nicht einmal Hochwürden selbst. Dabei war noch niemals jemand von diesem Fest mit Hunger nach Hause gegangen. Ganz im Gegenteil. Bergeweise wurden die Kuchen der Landfrauen und die Reste vom Feuerwehrspanferkel für die Daheimgebliebenen eingepackt und abends dann nach Hause geschleppt. Damit auch ja eine jede fußlahme Oma und jeder katarrhkranke Rotzlöffel was erwischte vom Schweinderl und den berühmten Zwetschgenbavesen der alten Schneitnerin.

Kein Grund zur Sorge also, die Speisung der Fünftausend hatte noch in jedem Jahr funktioniert. Aber: Vertrau auf Gott und eigene Kraft. Das war Meiningers Motto, und damit war er immer gut gefahren. Also lieber selbst noch mal durchzählen im Kopf. Knapp vierhundert Eichenberger und ein bisserl Umländer hatten das Pfarrfest im letzten Jahr besucht, rammelvoll war die Turnhalle der Hauptschule gewesen, von zehn Uhr vormittags bis elf am Abend, als sie die letzten gemütlichen Hocker endlich rausgekehrt hatten.

Das Weißwurstfrühstück und der Frühschoppen ein voller Erfolg, die hundert Weißwürst weg wie nix, das Bier wäre ihnen beinah um Mittag schon ausgegangen, wenn nicht die Feuerwehr den Privatvorrat freigegeben hätte. Der Nachmittag wie immer ein Grill- und Kuchengelage. Als gäbs das ganze Jahr nichts zu essen. Die Schlangen an den Ausgabetheken meterlang, die Biertische in der Halle bis auf den letzten Platz voll besetzt. Aber, da ließen sich die Leute nichts nachsagen, auch die Spendenkassen jedes Jahr bis zum Rand gefüllt. Einen Großteil der neuen Kirchenglocke hatte das Fest eingespielt, und für die Abenteuerrutschenlandschaft vom Kindergarten hatte es auch noch gereicht. Richtig stolz war der Meininger auf seine Schäfchen, die hatten sich noch nie nicht lumpen lassen, wenn es um einen guten Zweck ging. Hoffentlich würde sich das dieses Jahr wiederholen. Nachdenklich kaute er auf seinem Schreiber. Es ging nämlich nicht um beheizbare Kirchenbänke oder den Zuschuss zu einer Pilgerfahrt nach Rom, diesmal sollte alles Geld ganz privat einer vom Schicksal hart getroffenen Familie helfen oder, besser gesagt, was davon noch übrig war nach dem großen Unglück. Der Meininger betete zu Gott, dass das Mitgefühl bei seiner Gemeinde groß genug war, um den Geldbeutel weit zu öffnen. Die Hasleitner Erna konnte wirklich jeden Cent gebrauchen nach dieser furchtbaren Geschichte im Sommer.

Leise klopfte es an der Tür zu seinem Arbeitszimmer.

»Herein.«

Tief aus den Gedanken gerissen, wusste er trotzdem sofort, wer da um Einlass bat, und seine Sorgenfalten lösten sich ganz plötzlich in Luft auf. Die Tür öffnete sich einen Spalt, und die gute Seele des Hauses steckte den Kopf in sein Büro hinein.

»Herr Pfarrer, hätten Sie kurz eine Minute?«

Vor vielen, vielen Jahren, als Leopold Meininger, gerade frisch geweihter Priester, nach Eichenberg gekommen war, hatte er Maria Huber sozusagen als Bestandteil der Inventarliste des Pfarrhauses übernommen, zusammen mit den Möbeln, dem alten Moped seines Vorgängers und einem rostigen Radl. Die Maria war mit Abstand und ohne Zweifel das Beste auf dieser Liste.

Bei einem tragischen Autounfall hatte die damals Neunundzwanzigjährige ein Jahr zuvor ihren Mann und die kleine Tochter verloren und den Trost über dieses Unglück im Dienst für die Kirche und die Gemeinde gesucht. Heiraten, das wollte sie nicht mehr, neue Kinder konnten ihr das verlorene nicht ersetzen, und so hatte sie sich kurzerhand um die offene Stelle der Haushälterin beworben. Noch heute hatte der Pfarrer höchsten Respekt für diese resolute Entscheidung.

Aber so war die Maria in allen Dingen des Lebens. Praktisch, pragmatisch und mit einem großen Herzen, auch wenn sie das ganz gut verstecken konnte. Fleißig war sie für drei, und manchmal dachte der Leopold schon, dass sie vielleicht der bessere Pfarrer geworden wäre. Jedenfalls hatte sie ihn nie spüren lassen, wie schwer diese ersten einsamen Jahre gewesen sein mussten, ganz im Gegenteil. Gerade dreißig und noch recht grün hinter den heiligen Ohren, war er damals über die Kirchenstufen, oft auch den Talar und noch öfter über die eigenen Füße gestolpert, und immer war die Maria zur Stelle gewesen, um ihn vor Schlimmerem zu bewahren. Als »echte« Eichenbergerin in fünfter Generation kannte sie alle politischen und familiären Ränke in der Gemeinde und den umliegenden Höfen. Über Intrigen und Gerüchte war sie meist schon informiert, bevor das Gerede überhaupt begann, selbst aber konnte sie schweigen wie das tiefste Grab.

Womit der Meininger sich damals ihr Wohlwollen verdient hatte, das war ihm bis heute ein Rätsel, und fragen hätte er sich niemals nicht getraut. Zweiundzwanzig Jahre lang hatte er den helfenden Engel stattdessen täglich in seine Gebete eingeschlossen und dem Herrgott für diese schicksalhafte Fügung gedankt.

Über die Jahre waren mit jeder Rohrnudel, jedem Apfelkuchen und jedem Sonntagsbraten die Dankbarkeit und ein wenig auch der Bauchumfang gewachsen. Sodass er seine mittlerweile recht stattliche Figur zum großen Teil der Fürsorge von Maria Huber zu verdanken hatte. Viele Höhen und Tiefen hatten sie miteinander erlebt, Hochzeiten, Beerdigungen, Taufen und jedes Jahr natürlich eine Erstkommunion. Tausende von Unterhosen, Strümpfen und Talaren hatte die Maria ihm schon gewaschen, gestärkt und gebügelt, ohne eine Miene zu verziehen, und mindestens einmal im Winter ihn durch eine gemeine Erkältung gepflegt. Es gab, neben seiner Mutter – der Herrgott möge ihrer Seele gnädig sein –, niemanden, der ihn besser kannte. Und vielleicht gerade deswegen wahrten sie beide eine schon fast altertümlich wirkende Distanz. Obwohl sie vom Alter her gar nicht so weit auseinanderlagen, wurden Form und Haltung in ihrer Beziehung ganz großgeschrieben. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass sie beide nur zu gut wussten, wie weh es tat, jemanden ein bisserl zu gern zu haben …

»Mei, Hochwürden, wie schaun Sie denn aus?« Die Maria starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

Leopold Meininger blickte von seiner Liste auf und runzelte fragend die Stirn.

»Herr Pfarrer, Sie sind ja über und über blau! Der ganze Mund, mei, und der Kragen! Der war noch ganz frisch!«

Ohne auf ein weiteres »Herein« oder »Bitte, treten Sie doch näher« zu warten, stapfte die Maria in sein Büro und riss ihm aufgebracht den Kugelschreiber aus den blauen Fingern. Sinnierend kauend hatte er mal wieder die Patrone erwischt und sich den ganzen Mund und beim Halskratzen auch noch die halbe Talarmontur voll Farbe geschmiert. Scheiße.

»Herr Pfarrer …«

Sie fuchtelte mit dem spuckefeuchten Ding vor seinem Gesicht in der Luft.

»Herr Pfarrer, ich hab Ihnen schon hundertmal gesagt, dass Sie nicht auf den Stiften beißen sollen. Herrgottsakra, furchtbar ist das mit Ihnen. Tag und Nacht müsst man auf Sie aufpassen.«

Ihr Blick wurde ein ganz kleines bisschen milder.

»Denkens doch an Ihre schönen Zähne.«

Dann grub sich aber sofort die Zornesfalte wieder auf ihre Stirn.

»Und wenn schon nicht an sich, dann denkens vielleicht wenigstens an mich! Wissen Sie eigentlich, was das für eine Arbeit ist, die Tinte aus dem weißen Drum zu waschen?«

Wortlos und recht schuldbewusst schüttelte er den Kopf. Wie ein kleiner Bub saß er da und schaute auf seine blauen Finger.

»Sie wissen ganz genau, wie teuer das ist, wenn wir unterjährig in der Diözese Gwand für Sie bestellen müssen. Aber dass ich Sie mit einem dreckigen Kragen in die Kirch gehen lass, na, des lass ich mir nicht nachsagen … wo kommen wir denn da hin.«

Jetzt musste sich der Tintenverbrecher schnell einen Themenwechsel einfallen lassen, denn hatte sich die Maria erst einmal in Rage geschimpft, konnte das ewig gehen. Da kam man gern mal vom Hundertsten ins Tausendste, und die letzte wehrlose Einzelsocke wurde noch als Corpus Delicti für die geistliche Schlamperei hinterm Kastl hervorgezogen. Aber sie hatte halt leider...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2020
Reihe/Serie Dorfpfarrer Meininger ermittelt
Dorfpfarrer Meininger ermittelt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bayern • Cosy Crime • Dahoam is Dahoam • eBooks • Heimatkrimi • Heimatliebe • Jörg Maurer • Kaiserschmarrndrama • Klüpfel/Kobr • Krimi • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinung 2020 • Krimis • Krimi Taschenbuch • Pfarrer • Regiokrimi • Rita Falk • Sauerkrautkoma • urlaubindeutschland • Wolf Schreiner
ISBN-10 3-641-23367-4 / 3641233674
ISBN-13 978-3-641-23367-9 / 9783641233679
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