Himmel über roter Erde (eBook)
464 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45119-9 (ISBN)
Di Morrissey ist die erfolgreichste Autorin Australiens. Als Journalistin arbeitete sie für Frauenmagazine, Radio und Fernsehen, schrieb Drehbücher und Theaterstücke und wirkte an zahlreichen TV-Produktionen mit. Sie lebt heute auf einer Farm in Byron Bay, New South Wales. Di Morrissey wurde im Zuge der Australien Book Industry Awards für ihr Verdienst in der australischen Buchbranche der Lloyd O'Neil Award verliehen und damit für ihr Lebenswerk geehrt.
Di Morrissey ist die erfolgreichste Autorin Australiens. Als Journalistin arbeitete sie für Frauenmagazine, Radio und Fernsehen, schrieb Drehbücher und Theaterstücke und wirkte an zahlreichen TV-Produktionen mit. Sie lebt heute auf einer Farm in Byron Bay, New South Wales. Di Morrissey wurde im Zuge der Australien Book Industry Awards für ihr Verdienst in der australischen Buchbranche der Lloyd O'Neil Award verliehen und damit für ihr Lebenswerk geehrt.
2
Chris’ Stimmung spiegelte sich im Wetter wider: deprimierend grau, diesig, wolkenverhangen. Ein Tag, an dem man sich am liebsten unter der Bettdecke verkriecht, nur war es dafür zu heiß und stickig. Chris trat ans Fenster, von wo man zwischen den Häusern einen schmalen Ausschnitt des regengepeitschten Hafens sah. Fahrgäste standen geduckt herum und warteten auf die Fähre. Er wandte sich ab. Keine schönen Aussichten für das Wochenende, das Megan bei ihm verbringen würde.
Während Chris im Zimmer auf- und abging, wurde ihm bewusst, wie klein seine Wohnung war. Bisher hatte ihn das nie gestört, doch jetzt fragte er sich, wie er mit seiner Tochter diese beengten Räumlichkeiten teilen sollte.
Natürlich liebte er Megan und wollte nur das Beste für sie; deshalb hatte er sich ja darauf eingelassen, dass sie zu ihm zog. Allerdings quälte ihn nun die Frage, wie er für ihrer beider Lebensunterhalt sorgen sollte. Und es schien völlig ausgeschlossen, etwas Größeres und Passenderes als dieses winzige Apartment zu bezahlen. Der Verlust seines Arbeitsplatzes bei der Trinity Press hatte ihn schwer getroffen – zumal er ein Star des Blattes gewesen war, wenn auch ein bescheidener. Jetzt galt es, sich unverzüglich nach einem neuen Job umzuschauen. Immerhin hatte er die höchste journalistische Auszeichnung Australiens erhalten, einen Walkley Award für seine Story über einen Amoklauf an einer Schule in den USA. Aber er war Realist genug, um zu wissen, dass er wegen seiner jahrelangen Auslandsaufenthalte nicht mehr so gut vernetzt war wie die hiesigen Journalisten. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als herumzutelefonieren und darauf zu hoffen, dass ihn vielleicht eines der Konkurrenzblätter der Trinity Press einstellte.
Den Blick aufs Telefon gerichtet, überkam Chris plötzlich das Bedürfnis, seine Mutter anzurufen, ehe er mit der Jobsuche begann. Wenn er mit ihr redete, fühlte er sich danach immer besser. Susan Baxter war eine gelassene und verständnisvolle Frau, die pragmatisch dachte.
»Oh, das ist ein echter Tiefschlag. Ich weiß ja, wie sehr du auf diese Versetzung nach Asien gehofft hast. Du Armer! Und die arme Megan«, meinte seine Mutter mitfühlend. »Aber einem guten Journalisten wie dir sollte es nicht schwerfallen, anderswo unterzukommen. Weißt du, ich lese sie ja neuerdings meistens online, aber das Abo deiner früheren Zeitung werde ich jetzt auf der Stelle kündigen.«
Der Klang ihrer Stimme wirkte tröstlich auf Chris. »Das ist nett von dir, Mum, aber ich mache mir wirklich Sorgen, wie ich für Megan und den Hypothekenzins und den Kredit für das Auto aufkommen soll«, sagte er.
»Das verstehe ich voll und ganz, aber erst mal gibt es keinen Grund zur Panik. Was hat denn Jill dazu gesagt?«, wollte seine Mutter wissen.
»Sie ist natürlich nicht glücklich darüber, dass ich arbeitslos geworden bin. Fürs Erste ist sie damit einverstanden, dass Megan bei mir wohnt, wenn sie es denn unbedingt will, auf Dauer aber nur, wenn ich ihren Unterhalt finanzieren kann. Also hoffe ich, dass ich wieder Geld verdiene, bevor sie alle nach Perth umziehen. Ich würde es nicht ertragen, Megan enttäuschen zu müssen. Sie wäre todtraurig, wenn sie mitgehen müsste.«
»Hör mal, die Sommerferien stehen bevor, und du hast ja gesagt, dass du mich besuchen kommen willst. Mach das doch jetzt zusammen mit Megan. Fahrt her und wohnt bei mir. Nach Arbeit suchen kannst du auch von hier aus«, meinte Susan. »Wir haben Internet und Handyempfang in Neverend. Wenn du willst, kannst du das Büro deines Vaters für dich haben – ich benutze es fast nie. Und falls du zu einem Vorstellungsgespräch nach Sydney musst, fährst du eben schnell mal hin. Es würde dir und Megan guttun, Zeit miteinander zu verbringen, und ich wäre überglücklich, euch über Weihnachten bei mir zu haben. Vielleicht kannst du für die Zeit sogar deine Wohnung vermieten und damit die Hypothek weiter abbezahlen.«
Einen Moment lang dachte Chris über dieses Angebot nach und konnte nichts Nachteiliges daran finden. Zum ersten Mal seit dem Verlust seines Arbeitsplatzes sah er einen Silberstreif am Horizont. Zugleich überkam ihn Heimweh nach dem Ort, an dem er geboren und aufgewachsen war.
»Abgemacht, Mum. Megan kann es ohnehin kaum erwarten, dich zu besuchen. Mir tut es bestimmt ganz gut, mal was anderes zu sehen, aus Sydney rauszukommen und ein paar alte Schulfreunde zu treffen. Und du und ich hatten ja schon lange nicht mehr richtig Zeit füreinander.«
»Das ist schön, mein Lieber. Hoffentlich findet es Megan nicht zu langweilig – sie ist ja ein Großstadtkind. Vielleicht könnten ein oder zwei Freundinnen sie hier für ein paar Tage besuchen kommen?«
»Vielleicht, mal sehen«, erwiderte Chris, der fürchtete, dass er wohl schon mit einem Teenager alle Hände voll zu tun haben würde. »Also, Mum, vielen Dank für dein Angebot. Megan und ich verbringen die Sommerferien sehr gern bei dir.«
Es schien kurzfristig eine optimale Lösung zu sein. Megan verstand sich gut mit ihrer Großmutter und war immer gern nach Neverend gefahren, ein hübsches Städtchen im Tal des Henry River. Während er aus dem beschlagenen Fenster auf das Gewimmel der Großstadt schaute, dachte Chris an seinen Heimatort, an die belebte Hauptstraße, die gut erhaltenen Kolonialgebäude und die winzigen Nebensträßchen, die von immergrünen Kampferbäumen beschattet wurden. Mitten durch die Stadt floss breit und gemächlich der Henry River. Bei den gelegentlichen Überschwemmungen wurde die halbe Stadt von der Außenwelt abgeschnitten, doch meist konnte man an seinen Ufern gemütlich angeln, Picknicks veranstalten oder beschauliche Spaziergänge machen. Im Sommer ließen sich Kinder auf allerlei behelfsmäßigen Flößen und Booten die Strömung hinuntertreiben. Hunde suchten Abkühlung im Wasser und spritzten alles nass, wenn sie danach herauskletterten und sich schüttelten. An den seichten Stellen unter der Brücke schmusten Pärchen. Das Ufer war von einer Reihe älterer Häuser gesäumt, die teilweise in Frühstückspensionen umgewandelt worden waren. Von den Fenstern aus hatte man einen wunderschönen Blick auf die grünen Flussauen, wo sich wohlgenährte Kühe tummelten. Hinter den Weiden ragten die Gipfel der Great Dividing Range dramatisch vor dem blauen Himmel auf.
Doch auch wenn Chris sein Zuhause am Ende der View Street geliebt hatte – mit Susans prachtvollem Garten und dem Schuppen seines Vaters, einem Paradies für kleine Entdecker –, so hatte es ihn doch immer gereizt, mehr von der Welt kennenzulernen. Während seiner Urlaube hatte er seine Mutter immer wieder für zwei oder drei Tage besucht, aber jetzt würde er zum ersten Mal seit Jahren länger bleiben. Und plötzlich konnte er es kaum erwarten, seine alte Heimat wiederzusehen und Megan all seine Lieblingsplätze in und um Neverend zu zeigen.
Von dieser Aussicht beflügelt beschloss Chris, nun die Fühler auszustrecken und sich ernsthaft nach einem neuen Job umzusehen. Da Megan erst in etwa einer Stunde eintreffen würde, hatte er noch Zeit für ein oder zwei Anrufe. Weil es unwahrscheinlich war, dass er gleich auf Anhieb eine Stelle finden würde, wollte er erst einmal mit Leuten Kontakt aufnehmen, die ihm möglicherweise weiterhelfen konnten.
Als Erstes rief er Mac an.
»Der Mistkerl hat dich also gefeuert. Weil Profit wichtiger ist als Familie. Was für ein verdammter Egoist!«, meinte Mac teilnahmsvoll.
»Nicht ganz. Irgendwie war es auch meine eigene Entscheidung. Ich fahre über Weihnachten zu meiner Mutter, zusammen mit Megan. Und danach … wer weiß? Hast du eine Idee?«
»Nach unserem Gespräch neulich in der Bar muss ich dir ja nicht sagen, dass es um die Zeitungsbranche schlecht bestellt ist«, meinte Mac.
»Klar. Aber hältst du es für sinnvoll, die anderen größeren Blätter des Lands zu kontaktieren?«
»Das solltest du auf jeden Fall machen. Ich kenne ein paar Leute, an die du dich wenden könntest. Du bist ja bekanntermaßen ein hervorragender Journalist, also solltest du sie zumindest wissen lassen, dass du Interesse hast. Aber mach dir keine allzu großen Hoffnungen. Die haben bereits etliche ihrer besten Leute auf die Straße gesetzt. Tut mir leid, dass ich nicht mehr für dich tun kann, Kumpel.«
Chris bedankte sich bei Mac und versprach, sich nach den Weihnachtsfeiertagen wieder zu melden, dann legte er auf. Sein Freund hatte bestätigt, was er schon die ganze Zeit geahnt hatte: Einen Job zu finden würde schwierig werden. Immerhin blieben ihm noch ein paar Wochen, ehe ein echtes Problem daraus wurde.
Das Auto war bis obenhin vollgepackt. Am Vormittag hatte Chris seine Tochter zu ihrer Fahrt nach Neverend abgeholt. Jill wirkte recht gut gelaunt, als sie sich von Megan verabschiedete. Bestimmt freut sie sich, mal eine Weile Ruhe vor den ständigen Streitereien zwischen Megan und den Zwillingen zu haben, dachte Chris.
»Was ist denn das alles?«, wollte Chris bei der Abfahrt wissen, als er die große, zum Platzen volle Tasche auf Megans Schoß sah.
»Nur das Allernotwendigste, Dad«, beteuerte Megan und zählte auf: »Handy und Ladegerät, Kopfhörer, iPod, Badeanzug, Peter-Alexander-Pyjama, Skateboard, MinkPink-Sonnenbrille, Chucks, Sukin-Gesichtsreiniger, ein Roman von John Green und eine Tüte Gummischlangen als Wegzehrung. Willst du eine?« Sie wedelte mit der knallbunten Packung.
»Nein danke, Liebes«, antwortete Chris amüsiert. »Ich bin froh, dass du die Chucks mitgenommen hast.«
Sie verfrachtete die Tasche auf den Rücksitz und streckte einen ihrer Füße hoch, der in einem ziemlich abgenutzten Turnschuh steckte. »Als könnte ich die einfach zu Hause...
Erscheint lt. Verlag | 1.1.2019 |
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Übersetzer | Gerlinde Schermer-Rauwolf, Robert A. Weiß |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Auslandskorrespondent • Australien • Australien-Roman • Australiensaga • Bangkok • Chris Baxter • Familie • Familiengeheimnisse • Familiengeschichte • Frauenroman • Geheimnis • Heimkehr • Heimkehrer • Indonesien • Journalist • Love & Landscape • Neverend • Outback • Roman • Rückkehrer • Sehnsucht • Sydney • Tochter • Vater • Vater-Tochter-Beziehung • Vergangenheit |
ISBN-10 | 3-426-45119-0 / 3426451190 |
ISBN-13 | 978-3-426-45119-9 / 9783426451199 |
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