Der Alte muss weg (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
320 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-23918-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Alte muss weg -  Carla Berling
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Steffi, Mitte fünfzig und Reihenhausbewohnerin, ist unzufrieden. Mit ihrem Job. Mit ihrem Aussehen. Mit ihrem Mann Tom und seinem Faible für Kreuzworträtsel. Und mit ihrem Sexualleben. Das Highlight der Woche: Jeden Montag trifft Steffi sich mit ihrer Schwester und ihren Freundinnen im Brauhaus. Außer einer Single-Frau sind alle unglücklich und würden ihre Männer lieber heute als morgen loswerden - Haus, Auto, Sparbuch und Designerküche können aber gerne bleiben! An einem langen Kölsch-Abend entsteht ein perfider Plan, wie eine unauffällige Entledigung der Gatten gelingen könnte. Doch die Umsetzung ist komplizierter als gedacht...

Carla Berling, unverbesserliche Ostwestfälin mit rheinländischem Temperament, lebt in Köln, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Mit der Krimi-Reihe um Ira Wittekind landete sie auf Anhieb einen Erfolg als Selfpublisherin. Mit »Der Alte muss weg« wechselte sie sehr erfolgreich in die humorvolle Unterhaltung. Unter dem Pseudonym Felicitas Fuchs schreibt sie darüber hinaus historische Familiengeschichten. Bevor sie Bücher schrieb, arbeitete Carla Berling jahrelang als Lokalreporterin und Pressefotografin. Sie tourt außerdem regelmäßig mit ihren Romanen durch große und kleine Städte.

3

Wir trafen uns also jeden Montag im Brauhaus. Diese Treffen waren manchmal lustig, manchmal öde, manchmal endeten sie schon früh, gelegentlich arteten sie in Besäufnisse aus. Sie begannen fast immer gleich, wir trafen sogar meistens in derselben Reihenfolge ein.

An diesem Montag aber veränderte sich alles. Dabei fing der Abend ganz normal an.

Als Marion im Brauhaus ankam, hatte ich schon drei Kölsch-Cola getrunken. Marion sah gut aus, das honigfarbene Haar war frisch gefärbt. Sie trug hautenge Hosen aus Leder und ein lässiges Shirt. Und wie immer knallroten Lippenstift. Alles viel zu rockig für meinen Geschmack, viel zu auffällig, zu jugendlich. Aber, zugegeben, ihre fünfundfünfzig Jahre sah man ihr nicht an. Dagegen wirkte ich in meiner Ton-in-Ton-Kombination wie eine beigefarbene Seniorin. (Marion nannte meinen Lieblingsfarbton leberwurstfarben.) Obwohl ich die Jüngere bin.

Meine Schwester beugte sich zu mir herunter, küsste mich rechts und links neben die Wangen, dabei konnte ich ihr Parfüm riechen, und legte sofort los. »Liebelein, wie isses? Gut siehst du aus! Das war wieder so ein Tag, du kannst dir das nicht vorstellen … also heute kam ein Typ in den Laden, der wollte tatsächlich eine Zweitausend-Tacken-Tasche umtauschen, die er Weihnachten gekauft hat …«

Ich hörte ihr nicht zu. Marion erlebte immer irgendwelche Sachen, von denen sie dachte, ich könne sie mir nicht vorstellen. Sie war Filialleiterin in einem noblen Laden, in dem auch viele Prominente einkauften. Ich kannte die meisten nicht. Für Leute, die zweitausend Euro für eine Handtasche oder tausend für ein Paar Schuhe ausgaben, hatte ich sowieso nichts übrig.

Während sie ihr Kölsch auf ex trank und »Das hab ich jetzt gebraucht!« stöhnte, kam Elfie herein.

Sie warf ihre überdimensionale Leinentasche mit dem Aufdruck »Hunde sind die besseren Menschen« auf die Bank, ließ ihre hundertfünfunddreißig Kilo Lebendgewicht mit einem Ächzen daneben sinken und klopfte zur Begrüßung auf den Tisch. »Allet joot?«, fragte sie in breitem Dialekt und tätschelte dem Köbes, der unaufgefordert mit einem Kölschtablett und vollen Gläsern an den Tisch gekommen war, den Arm. »Mir jibbste mal so nen janz kleinen Jäjermeister mit Jeschmack, isch habbet am Majen.«

Elfie hielt sich an die Grammatikregel »Im Kölschen jibbet kein jeh«, zu Deutsch: »Der Kölner Dialekt kennt kein G.«

Marion verdrehte die Augen und verzog angewidert das Gesicht. »Dass du dir dieses Zeug immer antust.«

Elfies Medizin gegen alles bestand aus Jägermeister und Eierlikör zu gleichen Teilen und wurde mit einem Schuss Cola aufgegossen. Sie reagierte nicht auf Marions Bemerkung, zischte zuerst das Kölsch weg und anschließend das Mixgetränk. Seit sie so zugenommen hatte, trug Elfie keine Kleider mehr, sondern knöchellange Zelte, vorzugsweise in Aubergine- und Fliedertönen. In ihren mittelblonden Haaren prangte eine rotkohlfarbene Strähne.

Die Tür des Brauhauses flog auf, und Babette kam herein. Wie auf Kommando drehten sich alle Gäste zu ihr um, in ihrer rabenschwarzen Lockenmähne steckte eine riesige Sonnenbrille, eine Prada-Tasche schaukelte an ihrem angewinkelten Arm. Babette stöckelte graziös über die Dielen des alten Holzfußbodens, nickte hier und da einem der gaffenden Männer huldvoll zu und begrüßte uns reihum mit großer Geste und lautem Lachen. Hier im Brauhaus hielt sie gewiss jeder für eine Diva vom Film und nicht für die Hausfrau aus der Rodenkirchener Reihenhaussiedlung, die ihren Mann mit spendablen Typen betrog.

»Schöne Schuhe!«, sagte ich mit einem neidischen Blick auf ihre Pumps.

»Du, die waren gar nicht teuer, Escada, habe ich bei eBay ersteigert, nur fünfzig Euro.«

»Mein Mann würde mich in so bunten Schuhen nicht mitnehmen«, sagte ich.

Babette winkelte ein Bein an, musterte den mörderischen Bleistiftabsatz und bemerkte trocken: »Meiner besteht auch drauf, dass ich wenigstens ein Kleid zu meinen Schuhen trage.«

Auf dem Ohr war ich fast taub, zweideutige Bemerkungen rauschten oft unbemerkt an mir vorbei.

»Tom und ich stehen nicht so auf Knallfarben«, sagte ich. Dann stutzte ich einen Moment und sah an mir herab. Woher wusste ich das überhaupt? Hatte Tom je gesagt, dass ich nur Weiß, Beige, Grau und Taupe tragen sollte? Ich konnte mich nicht daran erinnern.

Babette und Ralph waren unsere Nachbarn. Als sie damals einzogen, hat es sich durch unsere Kinder irgendwie ergeben, dass wir uns anfreundeten. Die Kinder waren längst aus dem Haus, aber die Freundschaft ist geblieben. Vielleicht ziehen Gegensätze sich wirklich an. Während ich eher der unauffällige Typ bin, ist an Babette immer alles auf Weibchen programmiert.

An diesem Montag im Brauhaus gab sie sich betont fröhlich, aber ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie etwas überspielte. Sie kaute auf ihrer Zunge herum wie auf Kaugummi. Das tat sie nur, wenn sie extrem nervös war. Während ich darüber nachdachte, ob mal wieder eine von Ralphs Attacken der Auslöser für Babettes Stimmung sein konnte, wandte sie sich an meine Schwester. »Deine Leggings, toll, sind die bei dir aus dem Laden?«

Marion strich mit den Händen über ihre kalbsledernen Hosenbeine und nickte.

»Was kosten die? Kannst du mir eine zum Personalpreis besorgen? In achtunddreißig?«

Elfie rollte mit den Augen und rief: »Achtunddreißig! Ist ja albern! Kindergröße! Schaut mich an: Viele, viele pralle Kilo Weiblichkeit in Größe achtundfünfzig – alles erotische Nutzfläche!« Dabei presste sie ihre imposanten Brüste mit den Oberarmen zusammen, legte ihr Kinn auf den Vorbau und lachte kehlig.

Ich mochte es, wenn Elfie sich selbst auf die Schippe nahm, auch wenn ich wusste, dass sie wegen des Gewichtes kreuzunglücklich war. Damals, in den Achtzigern, als wir sie »die Bunte« nannten, weil sie sich so schrill kleidete, hatte sie eine ganz normale Figur gehabt. Dann hörte sie wegen einer Bronchitis auf zu rauchen und nahm in kürzester Zeit fünfzehn Kilo zu. In den Wechseljahren wurden es noch mal zwanzig Kilo mehr. »Umgerechnet sind das hundertvierzig Pakete Butter!«, hatte sie eines Tages ausgerechnet – und wieder angefangen zu rauchen. Aber sie nahm dadurch kein Gramm ab. Und seit sie Diäten machte, wurde es immer schlimmer.

Ich hatte ihr neulich gesagt, wenn sie auf den täglichen Alkohol verzichten könnte, würden die Kilos vielleicht von allein purzeln, aber davon hatte sie nichts wissen wollen. »Liebelein, wenn ich darauf auch noch verzichte, hab ich jar nix mehr vom Leben. Man jönnt sich doch sonst nix.«

Ich sagte nichts mehr dazu.

Wir klopften auf den Tisch, als Zita endlich ankam. Wie immer verbreitete sie sofort gute Laune. Sie begrüßte jeden mit Wangenküsschen, winkte den Köbes heran, bestellte, ließ die Runde Kölsch auf ihren Deckel schreiben und hob ihr Glas. »Trinkspruch?«, rief sie, und wir antworteten im Chor: »Ob Hans, ob Heinz, ob Dieter – alle lieben Zita!« Wir stießen an und tranken.

Wir quatschten über dies und das. Über Klamotten, Haare und Kleidergrößen, über Kollegen, Kantinenessen und Chefs, über unsere Kinder. Bei letzterem Thema hielt Elfie sich zurück. Sie hatte keine eigenen Kinder, aber sie hatte sich im Laufe der Jahre um Ersatz gekümmert: Sie behandelte Walter – er war zwanzig Jahre älter als sie und inzwischen über siebzig – wie ein Kind. Legte ihm raus, was er anziehen sollte, band ihm die Schuhe zu, zupfte an seinem Gürtel herum, stellte den Kragen seiner Polohemden hoch. Manchmal, wenn ich sie dabei beobachtete, erwartete ich, dass sie einen Finger mit Spucke befeuchtete, um ihm damit das Haar zu glätten.

Die nächste Runde ging auf Elfie. Auch sie hatte ihren eigenen Trinkspruch, selbst gewählt, und wir sangen die abgewandelte Zeile aus einem Lied von den Höhnern: »Schöne Mädchen haben dicke Namen, heißen Rosa, Tosca oder: Elfie!« Wohlsein.

Zita stand auf, um eine zu rauchen, ich spürte in diesem Moment eine Hitzewelle und begleitete sie vor die Tür.

»Wie findest du den?«, sagte sie und hielt mir ihr Handy hin.

Ich sah mir das Foto an. »Johnny Depp? Sieht klasse aus.«

Sie lachte. »Quatsch. Das ist Lars-Robin aus Euskirchen.« Sie hielt das Handy ein Stück weit weg und betrachtete das Bild mit zusammengekniffenen Augen. »Soll ich ihn daten?«

Ich sog scharf die Luft ein. »Der ist doch höchstens vierzig!«

»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mir so einen alten Knacker antun würde? Nein, Lars-Robin ist Ende zwanzig.«

»Boah. Und du würdest dich vor ihm ausziehen?«, fragte ich ungläubig und dachte an meine schlaffen Brüste, meinen von Dehnungsstreifen gemusterten Bauch und die verbeulten Oberschenkel. Nein, mein Körper taugte nur noch für zu Hause, vor einem Fremden würde ich mich bestimmt nicht mehr ausziehen.

Zita lachte wieder und rief: »Natürlich würde ich mich vor ihm ausziehen, oder meinst du, ich will im Schlafanzug vögeln?«

Ich machte mein Pokerface, wie immer, wenn jemand sexuelle Handlungen beim Namen nannte. »Woher kennst du ihn?«, fragte ich, um das Gespräch wieder in seriöses Fahrwasser zu steuern.

»Noch gar nicht, du Dummerchen, er wurde mir als Sex-Kontakt vorgeschlagen.«

Ich schnappte nach Luft. »Von wem?«

Zita tippte etwas auf dem Bildschirm ihres Handys, wartete einen Moment und zeigte es mir. Es war eine Straßenkarte von Köln, auf der etliche rote Herzchen blinkten.

Ich verstand nur...

Erscheint lt. Verlag 8.7.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte eBooks • Ehe • Frauenromane • Freundinnen • kleine geschenke für frauen • Köln • Komödie • Liebesromane • Romane für Frauen
ISBN-10 3-641-23918-4 / 3641239184
ISBN-13 978-3-641-23918-3 / 9783641239183
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