Königsberg. Bewegte Jahre (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
416 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-24152-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Königsberg. Bewegte Jahre -  Nora Elias
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Ostpreußen Anfang des 20. Jahrhunderts: Victoria, Tochter des Gutsbesitzers Carl von Reichenbach, genießt ein mondänes Leben, bis sie an den falschen Mann gerät und ihr Leben eine tragische Wendung erfährt. Leonhard von Schletters Tochter Helene hingegen versucht sich als Pferdezüchterin und möchte, dass ihr gelingt, was ihrem Großvater versagt geblieben ist - das Gut in moderne Zeiten führen. Was die Lage der beiden Frauen nicht einfacher macht, ist die Feindschaft, die seit langem ihre Väter entzweit und auch vor ihren Brüdern nicht Halt macht. Während die Welt am Abgrund steht, bestimmen Intrigen und Verrat das Schicksal der beiden Familien.

Nora Elias ist das Pseudonym einer im Rheinland lebenden Autorin historischer Romane. Sie liebt Reisen und lange Wanderungen. Zum Schreiben kam sie bereits als Studentin; in ihren Romanen widmet sie sich nun vermehrt der jüngeren deutschen Geschichte. Für »Antonias Tochter« erhielt sie den begehrten DELIA-Literaturpreis. Weitere Romane der Autorin sind bei Goldmann in Vorbereitung.

September 1904


Wer ist denn diese Schönheit?« Gerhard von Sabrowski lehnte sich auf seiner Rappstute vor, und Maximilian folgte seinem Blick.

»Das ist meine Cousine Victoria.« Ihm entging das aufflackernde Begehren im Blick seines Freundes nicht. »Ich dachte, du musst dir deine Braut im Hochadel suchen?«

»Man darf doch träumen.«

Die Rominter Heide, in der sich der Adel mit dem Haus Hohenzollern zur Jagd traf, war eine von sanften Hügelketten geprägte Landschaft, die durchzogen war von Laub- und Nadelwäldern, Mooren und Waldseen. Maximilian mochte die dunkle Tiefe der Wälder mit ihrem uralten Baumbestand, der jetzt im Herbst von einer wahrhaft beeindruckenden Schönheit war mit seinem Laub, das in allen Nuancen von Zartgelb über Rot bis hin zu Braun gefärbt war.

»Deine Tante trifft sich wieder mit meinem Onkel«, nahm Gerhard den Faden auf, den Blick immer noch auf Victoria gerichtet.

Mit welchen Männern sich seine Tante traf, interessierte Maximilian nicht im Geringsten. »Erhoffst du dir, dass sie dich mit Victoria bekannt macht?«

»Ja, denn ich vermute, du wirst es nicht tun.«

»Du vermutest richtig. Ihr Vater ist ziemlich streng, was Männerbekanntschaften angeht, und dass du sie nicht heiraten wirst, weiß er ebenso gut wie jeder andere.«

»Tja, das ist leider die Entscheidung meines Onkels, nicht die meine.« Gerhard war der einzige direkte Erbe des Hauses Sabrowski, dem langsam die finanziellen Mittel ausgingen. Und natürlich konnte der Erbe des Grafentitels keine Frau heiraten, die seiner Stellung nicht ebenbürtig war – sagte Paul von Sabrowski. Wenn Gerhard nicht enterbt werden wollte, musste er gehorchen. Denn ansonsten, so Paul von Sabrowski, werde er dem Sohn seines Vetters mit seiner Ehefrau aus dem Hochadel alles vermachen.

Constantin ritt an ihnen vorbei und nickte Maximilian knapp zu. Vor fünf Jahren hatten sie gemeinsam ihren Wehrdienst begonnen, und seither war es immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen. Was in ihrer Kindheit und Jugend nicht so offensichtlich gewesen war, trat nun vermehrt zutage – sie waren in unterschiedlichem Geist erzogen worden. Maximilian in strikter Vasallentreue zum Kaiser, Constantin als Demokrat, wenngleich er natürlich betonte, ebenfalls dem Kaiser anzuhängen. Aber man konnte nicht kaisertreu und gleichzeitig ein Sympathisant der SPD sein. Davon abgesehen munkelte man, sein angeheirateter polnischer Onkel sei Sozialist.

Noch zwei Jahre, dann hatten sie den gemeinsamen Wehrdienst überstanden, zwei Jahre, in denen Constantin weiterhin überall anecken konnte. Während Maximilian der geborene Offizier war, tat sich Constantin schwer als Befehlsempfänger. Da konnte man nur beten, dass kein Krieg ausbrach, wo sie sich und ihre Vaterlandstreue beweisen mussten. Nicht auszudenken, wenn das eigene Überleben von Männern wie ihm abhing.

»Ich wusste gar nicht, dass du einen Bruder hast«, bemerkte Gerhard.

»Constantin? Der ist nicht mein Bruder, sondern mein Cousin.«

»Er sieht aus wie dein Vater.«

»Nun, auch ein von Reichenbach kann es gut treffen.«

Gerhard lachte.

Tatsächlich war es Maximilian ein Ärgernis, dass viele dachten, Constantin sei Leonhard von Schletters Sohn, während man Maximilian, der mit seinem blonden Haar und den blauen Augen nach seiner Mutter kam, eher seiner Tante Elisa zuzuordnen schien.

Immer wieder neigte Maximilian grüßend den Kopf, plauderte mit Bekannten und Freunden. Vereinzelt war Gelächter zu hören, prahlerische Rufe, durchmischt vom Bellen der Hundemeute. Gleich würde es losgehen, und Maximilian spürte die fieberhafte Erregung, die ihn stets vor der Jagd erfasste.

Auch sein Rotfuchs – eines der wahrhaft guten Pferde aus eigener Zucht – schien von der allgemeinen Erwartung angesteckt worden zu sein. Er hatte den Kopf gehoben, die Ohren aufmerksam aufgestellt und tänzelte auf der Stelle. Maximilian sah sich um, entdeckte seinen Vater im Gespräch mit zwei Freunden. Seine Mutter, die sich für die Jagd nie so richtig hatte begeistern können, war dieses Jahr zu Hause geblieben. Allerdings war seine Tante dabei, und obwohl man ihr oft mit Herablassung begegnete, zog sie doch die Blicke auf sich, sie war immer noch eine schöne Frau.

Dann ging es los. Die Meute lief, und die Jäger trieben ihre Pferde an. Hufe trommelten auf den Boden, und Maximilian ahnte, dass nicht nur er sich wie im Rausch befand. Von der rechten Seite näherte sich vom Hügel ein einsamer Reiter, kam näher und schloss sich an, ritt im wilden Galopp an ihnen vorbei und setzte sich an die Spitze. Maximilian grinste. Seine Schwester Helene.

Neben sich hörte er, wie eine Frau entsetzt aufschnappte. »Die trägt ja Hosen!«

Nun musste er lachen.

Nachdem Helene den aufsehenerregendsten Auftritt gehabt hatte, hatte Constantin hernach einen der kapitalsten Hirschböcke geschossen – zu Maximilians ganz offensichtlichem Missfallen. Nun stand Constantin da, hielt sein Pferd am Zügel, lachte, schäkerte mit jungen Frauen und war Leonhard nicht nur in seinem Aussehen mit dem dunklen Haar und den Gesichtszügen, sondern auch in seiner Art, sich zu bewegen, so ähnlich, dass es in Carl bittersüße Erinnerungen an seine eigene Jugend weckte. Damals, als er und sein Freund noch Seite an Seite auf die Jagd geritten waren und hernach den Frauen schöne Augen gemacht hatten.

Carl erinnerte sich an jenen Moment, als er vor Leonhard gestanden hatte, ein letzter Moment, in dem sie noch Freunde gewesen waren. Du kennst diese Frau seit drei Monaten, ich bin dein Freund seit Jahren. Himmel, Carl, es gibt so viele hübsche Frauen, du brauchst doch nur zu wählen. Aber einen guten Freund findest du nicht so ohne Weiteres. Über zwanzig Jahre war das nun her. Ja, er hatte Adela geliebt, tat es wohl immer noch, aber aus dieser Liebe war das Verzehrende gewichen, sie war blass geworden, ein schwacher Abglanz der früheren Leidenschaft.

Jetzt wünschte er, er hätte seinerzeit anders entschieden, hätte Leonhard besser zugehört. Aber einen guten Freund findest du nicht so ohne Weiteres. Und damit hatte er recht gehabt. Carl hätte es auch nach der Hochzeit mit Elisa wiedergutmachen können, hätte die Hand ausstrecken und die alte Freundschaft aufleben lassen können. Aber nein, er hatte sich in dem vermeintlichen Unrecht, das ihm angetan worden war, gesuhlt, hatte leichtfertig jedes bisschen Glück, das aus dieser Verbindung erwachsen war und noch hätte erwachsen können, in den Dreck getreten. Sich auf Karolina einzulassen hatte den seinerzeit befriedigenden, längst schalen Beigeschmack gehabt, dass diese Leonhards Schwester war.

Carl dachte oft darüber nach, in welchen Momenten seines Lebens er sich einen anderen Verlauf gewünscht hätte. Leonhards Freundschaft nicht ausschlagen? Ja, ohne Zweifel. Karolina unbehelligt lassen? Auch da würde er zu gerne noch einmal anders entscheiden können. Elisa nicht einfach davonreiten lassen? Dieser Moment war einer der schlimmsten in seiner Erinnerung, und er hatte die Szene unendlich oft in seinen Gedanken durchgespielt. Wenn er jedoch an die Ursache all dieser Konflikte und falschen Entscheidungen dachte, wenn er sich vorstellte, es böte sich die Möglichkeit, Adela zu heiraten und alles anders kommen zu lassen, dann hätte er das noch vor einigen Jahren ohne lange nachzudenken gewollt. Leonhard und er wären noch Freunde, Elisa und Karolina wären womöglich glücklich verheiratet. Aber es gäbe Constantin und Victoria nicht. Nein, dachte Carl, immer wieder nein. Adela war für ihn verloren gewesen, aber es hatte eine andere Art von Glück gegeben, eines, das er nicht hatte haben wollen, das er zu spät gewürdigt hatte. Und erst das hatte seinerzeit all die zerstörerischen Prozesse in Gang gesetzt. Und nun war es zu spät, Elisa tot, die Freundschaft zu Leonhard für immer dahin.

Victoria ging zu Constantin und hakte sich bei ihm ein, was die jungen Frauen ein wenig auf Distanz gehen ließ unter dem gestrengen schwesterlichen Blick. Carl musste grinsen. Die jungen Männer schoben sich nun, da sich die Reihen an Röcken um Constantin lichteten, näher an ihn heran, und der gestrenge Blick schmolz zu Koketterie. Da Constantins so offen bekundete Kameradschaft die jungen Männer weniger abschreckte als Victorias Andeutung von schwesterlicher Stutenbissigkeit die Frauen, waren sie kurz darauf alle in eine angeregte Unterhaltung vertieft – mit Victoria als einziger junger Frau in der Runde.

Carl wandte sich ab und schlenderte ein wenig umher. Nach all der Geselligkeit des Tages war er froh um ein wenig Ruhe. Früher einmal war das hier alles eine weitläufige Wildnis gewesen, davon zeugten nur noch die Reste undurchdringlicher Wälder, uralte Baumbestände, die früher einmal eine Barriere gegen Überfälle der slawischen Nachbarn gewesen waren. Hier gab es Fichten, Starkkiefern, Eichen, Brüche und dunkle Waldseen. Die Rominte durchfloss den Wald, und an ihrem Ufer lagen verschwiegene Wiesen, auf denen das Rominter Rotwild aste. Vor drei Jahren hatte der Kaiser in der Heide das Rominter Jagdschloss erbaut, in dessen Nähe die Jagdgesellschaft sich nun versammelt hatte.

Einen Monat vor Magdalenas Hochzeit hatte Adela einen Sohn geboren, und Carl musste nicht lange rechnen, um zu wissen, dass es bezüglich der Vaterschaft für Adela Ungewissheit gegeben hätte, hätten sie sich seinerzeit hinreißen lassen. Immerhin war ihr das erspart geblieben. Und offenbar hatte Leonhard sich seine Warnung zu Herzen genommen und betrog sie seither nicht mehr.

»Gratuliere zu deinem Sohn«, sagte Hermann von Agarus, der auf einem Trakehner-Gut in der Nähe von Insterburg lebte, ein Freund von Carls Vater. »Hervorragender Schütze.«

»Ja, das ist er...

Erscheint lt. Verlag 15.7.2019
Reihe/Serie Königsberg-Saga
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte DeLiA-Literaturpreis • eBooks • Familiensaga • Frauenroman • Frauenromane • frühes 20. Jahrhundert • Gesellschaftsroman • Gestüt • Historischer Roman • Königsberg • Liebesgeschichte • Liebesromane • Masuren • Ostpreußen • Rolle der Frau • Romane für Frauen • Trakehner
ISBN-10 3-641-24152-9 / 3641241529
ISBN-13 978-3-641-24152-0 / 9783641241520
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99