Die Priorin. Mord im Jahr des Herrn 1439 (eBook)

Historischer Kriminalroman

(Autor)

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2018 | 1. Auflage
314 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1566-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Priorin. Mord im Jahr des Herrn 1439 - Margaret Frazer
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Nach der Wahl von Schwester Alys zur neuen Priorin ist nichts mehr wie es war in St. Frideswide. Korruption hält Einzug in das Kloster, denn Alys missbraucht es als Privatunterkunft für ihre habgierigen Verwandten. Während der Godfrey Clan die Speisekammer plündert, stehen die Nonnen vor der Frage, wie sie so den bevorstehenden Winter überstehen sollen. Als dann auch noch ein Mord geschieht, können nur noch der scharfe Verstand und die Ermittlungskünste von Schwester Fervisse helfen. Schafft sie es den Frieden zurück in das Kloster zu bringen?

Eine unvergleichliche Detektivin - Schwester Frevisse, die Miss Marple des Mittelalters.



Margaret Frazer lebt mit ihren vier Katzen und viel zu vielen Büchern in der Nähe von Minneapolis, Minnesota. In den USA hat sie sich mit ihrer Serie um Schwester Frevisse über viele Jahre ein Millionenpublikum erschrieben.

Kapitel 1


Die milden Tage des späten Oktobers brachten die Erinnerung an den Sommer zurück. Die ganze Woche seit Montag war es warm und heiter gewesen. Nur die goldenen Strahlen des Sonnenlichts an diesem frühen Nachmittag, die zu lang und tief für einen Sommernachmittag waren, verrieten, wieviel von diesem Jahr des Heils 1439 schon verstrichen war.

Aber es war ein gutes Jahr gewesen, dachte Alys und sah zu, wie die letzten ihrer Nonnen vor ihr durch den Kreuzgang zum Chorgebet in die Kirche hasteten. Gott sei Dank war die Non eins der kurzen Stundengebete. Als Priorin von St. Frideswide hatte sie wahrlich genug zu tun, auch ohne dass sie so viele kostbare Stunden des Tages mit den endlosen Liturgien vergeudete.

Als Schwester Emmas Rockzipfel durch die Kirchentür verschwunden waren, beschleunigte Alys ihre Schritte, trat Schwester Emma fast auf die Hacken, um sie zur Eile anzutreiben. Alys’ Würde als Priorin machte es erforderlich, dass sie als letzte an ihren Platz im Chor trat, während all ihre Nonnen bereits vor ihren Chorstühlen standen und warteten. Erst wenn Alys sich gesetzt hatte, konnten auch sie sich niederlassen. Es war ein befriedigender Moment, der sie selbst und die Schwestern siebenmal am Tag daran erinnerte, wer sie war und was für eine wichtige Position sie einnahm. Aber Alys’ Ungeduld bewog sie fast ausnahmslos, auf ein würdevolles Auftreten zu verzichten, um die Sache zu beschleunigen. Je eher es losging, desto eher würde es vorbei sein, das war doch wohl klar genug. Aber sie schien die einzige zu sein, die in der Lage war, das zu erkennen. Manche – und Schwester Emma war lediglich die schlimmste von ihnen – würden wahrscheinlich noch beim Verlassen ihrer Gräber trödeln, wenn das Jüngste Gericht begann.

Als Alys aus dem sonnenbeschienenen Kreuzgang in die kühlere Düsternis der Kirche trat, ließ Schwester Johane, die in dieser Woche die Aufgabe hatte, tagsüber die Glocke zu läuten, die die Nonnen zum Stundengebet rief, das Glockenseil los. Ihre Pflicht war getan. Eine gnädige Stille legte sich über den Klosterhof. Diese scheppernde Glocke war eins der Dinge, die Alys zu ändern beabsichtigte. Irgendwie würde sie eine volltönende, silberne Glocke beschaffen, eine wie die, die sie daheim gehabt hatten, als sie noch ein Mädchen gewesen war. Eine Glocke, die eine Wohltat für die Ohren war und keinen so dumpfen Klang hatte wie dieses Dings, das jemand der Priorei vor fünfzig Jahren gestiftet hatte, wahrscheinlich als Buße für eine Sünde, die ebenso dumpf gewesen war wie der Ton der Glocke.

Sie schritt die Stufen zu ihrem ein wenig erhöhten Chorstuhl empor und warf einen kurzen, scharfen Blick auf die Reihen der Nonnen, die einander vor ihrem niedrigen, schlichteren Chorgestühl gegenüberstanden. Sie alle waren gleich gekleidet in ihren schwarzen Benediktinergewändern, schwarzen Schleiern und weißen Wimpeln und Weiheln, ohne jede Eigenheit und Auffälligkeit, und da sie die Köpfe gesenkt hielten, so dass ihre Gesichter verborgen waren, wäre es für jeden, der sie nicht gut kannte, unmöglich gewesen, sie voneinander zu unterscheiden. Außer vielleicht der Größe nach. Es sei denn, man wusste, wer wo stand, denn jede hatte ihren festen Platz, Chorgebet für Chorgebet, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Alys kannte die Sitzordnung. Selige Sankt Frideswide und Gott im Himmel, sie kannte sie! Nach dreiundzwanzig Jahren in diesem Kloster sollte sie sie wohl kennen. Jetzt ganz besonders, wo alle diese Nonnen ihr gehörten. Sie konnte sie nicht nur voneinander unterscheiden, sie wusste auch, wie jede einzelne war und wie man mit ihr umgehen musste. Die meisten von ihnen hatte Alys seit ihrem Amtsantritt zur Räson gebracht. Einige hatten ihre Reformen bereitwillig akzeptiert und zeigten sich dankbar dafür, dass die Ordensregel gelockert worden war und man im Kloster nun angenehmer leben konnte. Andere waren weniger verständig gewesen; bei denen hatte es länger gedauert, sie zu überzeugen. Noch andere – nun gut, die hatten gelernt, den Mund zu halten. Aber mit denen war sie noch nicht fertig, das wusste sie.

Schwerfällig ließ Alys sich auf ihren Chorstuhl sinken. Mit raschelnden Röcken und Schleiern folgten die Nonnen ihrem Beispiel. »Gloria patri«, verkündete sie lautstark, damit der Gottesdienst begann, aber es gab schließlich noch anderes als Gebete, um das sie sich kümmern musste. Während ihre Zunge die Worte bildete, dachte sie an die verwünschten Nonnen, die sie immer noch bekämpften, scheinbar wegen jeder Kleinigkeit. Warum nur konnten sie nicht erkennen, dass jetzt alles besser war als damals, als Priorin Edith die Mutter Oberin gewesen war? Die Priorei hatte im Sterben gelegen, zusammen mit ihrer Priorin. Neun Nonnen und keine einzige Novizin, das war alles, was von St. Frideswide geblieben war, als Priorin Edith starb. Sie waren seit Jahren nicht mehr gewesen. Nach dem Tod von Priorin Edith und dann von Schwester Lucy, die weiß Gott alt genug gewesen war, um schon lange vorher das Zeitliche segnen zu können, wären sie nur noch sieben gewesen. Nur dass es den armen Närrinnen, die übriggeblieben waren, durch Gottes Gnade gelungen war, soviel Verstand aufzubringen, sie zur Priorin zu wählen anstatt dieser dämlichen Schwester Claire, die Priorin Edith zu ihrer Nachfolgerin ausersehen hatte. Gott und die Schwestern hatten gewusst, dass Alys klüger war als alle anderen hier zusammengenommen. Und zudem hatte sie Verwandte, die St. Frideswide mehr zu bieten hatten als ein kleines Geschenk dann und wann, wenn ihnen danach war, so wie es bei allen anderen war. Schon sechs Monate nach ihrer Wahl hatte Alys eine Nichte und die Tochter einer Base als Novizinnen nach St. Frideswide geholt. Das hieß, dass die Priorei ihre Mitgift eingeheimst hatte, und zudem hatten ihre Familien jetzt natürlich ein größeres Interesse an dem Kloster.

Also sollten die, die gegen sie opponierten, ja nicht vergessen, dass Alys zur Priorin gewählt worden war, nicht sie – und zwar schon beim ersten Durchgang. Die Priorei, die Heilige und Gott hatten sie zur Priorin bestimmt, und wegen ihr gab es in St. Frideswide jetzt wieder neun Nonnen, seit ihre Nichte und die Tochter ihrer Base letztes Jahr die Gelübde abgelegt hatten. Das war natürlich längst noch nicht gut genug, aber sie hatte ja auch gerade erst angefangen. Alys hatte die Hoffnung, vor dem nächsten Sommer einem ihrer Neffen eine Großnichte abzuschwatzen, und dann war da noch die kleine Adela, Lord Warennes Tochter. Das Mädchen war ein Krüppel, sie hatte eine missgebildete Hüfte und ein verwachsenes Bein, also was sollte Lord Warenne schon mit ihr anfangen? Es blieb ihm ja gar nichts anderes übrig, als sie ins Kloster zu geben. Adela war nicht seine Erbin, und er hatte sie erst mal für vier Jahre hier in St. Frideswide untergebracht. Er könnte dem Kloster ebensogut gleich ihre Mitgift auszahlen, dann wäre die Sache erledigt. Die selige Sankt Frideswide wusste, wie gut sie das Geld gebrauchen konnten.

Über ihnen donnerte mit einem dumpfen Aufschlag etwas Schweres zu Boden. Die über die Gebetbücher gesenkten Köpfe fuhren ruckartig hoch, die Liturgie geriet ins Stocken. Alys warf ihren Nonnen einen scharfen Blick zu und einen noch finstereren in die nordöstliche Ecke der Kirche. Durch die Bretter, die über die unfertige Türöffnung genagelt waren, drang eine fluchende Männerstimme. Die Worte waren nur undeutlich zu hören, aber ihr Sinn war unmissverständlich.

Schwester Cecely unterdrückte ein Kichern. Schwester Amicia ließ sich anstecken, und ein Gelächter hätte sich ausgebreitet, wenn Alys nicht allen einen harten, warnenden Blick zugeworfen und sich erhoben hätte. Es wurde sofort mucksmäuschenstill.

Und so sollte es auch sein. Die Schwestern sollten mittlerweile alle mit derartigen Zwischenfällen vertraut sein, und wenn sie es nicht waren, wären sie gut beraten, sich schnell dran zu gewöhnen. Unter Alys’ Blick senkten sie hastig die Köpfe, und obwohl Schwester Cecelys Schultern zuckten, war kein Laut mehr zu hören. Alys nickte Schwester Perpetua zu. Als Präzentorin war es deren Pflicht, alles in Ordnung zu bringen, was während eines Gottesdienstes schiefging. Gehorsam machte sie umgehend an der Stelle weiter, an der das Chorgebet unterbrochen worden war, und die übrigen Nonnen stimmten mit ein. Die Liturgie nahm ihren Gang, obwohl hinter den Brettern, wo eines Tages das Kirchenportal sein würde, ein Gemurmel von Männerstimmen eingesetzt hatte, das als ungleicher Kontrapunkt den Gesang der Frauen begleitete.

Als die Bauleute eingetroffen waren, hatte Alys mit ihrem Meister ausgemacht, dass die Arbeit während der Stundengebete ruhen sollte. Meister Porter hatte geklagt und gejammert, als würde er stundenweise bezahlt und als würde sie seinen Steinmetzen mit dieser Forderung das Brot aus dem Mund nehmen, obwohl sie doch auf Kosten des Klosters verköstigt wurden, solange sie hier arbeiteten, tagaus, tagein, bis das Werk vollendet war. Sie hatte nicht weiter auf sein Murren geachtet und ihren Willen durchgesetzt. Trotzdem schafften die Bauleute es, in den meisten Gottesdiensten irgendeine Störung zustande zu bringen. Und sie hätte schwören können, dass sie auch die restliche Zeit mehr Lärm machten, als nötig war, mit ihrem Gehämmer auf Steinblöcken, ihrem Tretkran und all dem Herumgebrülle.

Aber wenn sie fertig waren – und Meister Porter hatte sein Wort gegeben, dass das bis zum ersten Advent der Fall sein würde, und er tat gut daran, dafür zu sorgen, dass dem auch so war –, würde St. Frideswide einen Turm haben, der von weither zu sehen war und allen zeigen würde, dass das Kloster es wohl wert war, beachtet zu...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2018
Reihe/Serie Schwester Frevisse ermittelt
Schwester Frevisse ermittelt
Übersetzer Anke Grube
Sprache deutsch
Original-Titel The Prioress’ Tale / 07 Sister Frevisse
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte 15. Jahrhundert • Bruder Cadfael • England • England im Mittelalter • Ermittlung • Folter • historischer Krimi • Historischer Kriminalroman • Kloster • Korruption • Krimi • Mittelalter • Mittelalter Krimi • Mittelalter Roman • Mord • Nonne • Nonne ermittelt • Peter Tremayne • Priorin • Schwester Fidelma • Schwester Frevisse • Schwester Frevisse ermittelt • Verbrechen • Vetternwirtschaft • weibliche Ermittlerin • weibliche Heldin
ISBN-10 3-8412-1566-1 / 3841215661
ISBN-13 978-3-8412-1566-6 / 9783841215666
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