Helle Nächte am Meer (eBook)

Roman
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2018 | 1. Auflage
484 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-75833-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Helle Nächte am Meer -  Sheila O?Flanagan
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Ihre Ehe ist perfekt, ihr attraktiver Ehemann trägt sie auf Händen, sie hat immer betont, wie glücklich sie ist: Als Imogen plötzlich verschwindet sind alle, die sie kennen, schockiert. Hinter der wohlgeordneten Fassade einer glücklichen Beziehung ist offenbar nichts, wie es scheint. Imogen weiß, dass sie einen Neuanfang wagen muss, um wieder die Frau zu sein, die sie einmal war, und sie hofft, im Süden Frankreichs, in dem kleinen Ort am Meer, in dem sie ihre Kindheit verbracht hat, zur Ruhe zu kommen. Aber die Vergangenheit ist ihr auf den Fersen, denn ihr Mann versucht mit aller Macht, sie zurückzuholen.

Sheila O'Flanagan erzählt eine mitreißende Geschichte von Liebe und Verlust, von Träumen und Freundschaft und nimmt uns mit auf eine Reise ins Ungewisse, von Dublin über Paris bis an die französische Atlantikküste.

<p>Sheila O'Flanagan<strong> </strong>arbeitete viele Jahre sehr erfolgreich als Börsenmaklerin in Dublin, bevor sie ihre Lust am Schreiben entdeckte. Mittlerweile hat sie zahlreiche Romane veröffentlicht und ist in England und Irland eine gefeierte Bestsellerautorin. Nebenbei schreibt sie eine wöchentliche Kolumne in der <em>Irish Times</em>.</p>

Sheila O’Flanagan arbeitete viele Jahre sehr erfolgreich als Börsenmaklerin in Dublin, bevor sie ihre Lust am Schreiben entdeckte. Mittlerweile hat sie zahlreiche Romane veröffentlicht und ist in England und Irland eine gefeierte Bestsellerautorin. Nebenbei schreibt sie eine wöchentliche Kolumne in der »Irish Times«.

1. Kapitel


Imogen geriet in Panik, und zwar mitten in der Fahrgastschlange, die sich langsam in den Überlandbus zwängte. Der kalte Schweiß brach ihr aus, die weiße Baumwollbluse wurde auf dem Rücken ganz feucht, und sie stand da wie angewurzelt, eingeklemmt zwischen einem bunten Madiba-Hemd und einer ungeduldigen Pariserin, die alle fünf Minuten ihre Armbanduhr konsultierte. In genervtem Ton bedeutete die Frau ihr, sie solle um Himmels willen endlich einsteigen, aber Imogen stand reglos auf der untersten Stufe und umklammerte den Handlauf.

»S'il vous plaît«, zischte die Frau zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Entschuldigung«, Imogen ging zur Seite, »gehen Sie ruhig vor.«

Die Frau drängte sich an ihr vorbei, die restlichen Fahrgäste folgten, während Imogen vor der Tür stehen blieb und mit sich rang, ob sie tatsächlich einsteigen sollte.

»Madame?« Fragend sah der Busfahrer sie an.

»Ja«, sagte sie zögernd. »Ja, ich … ich komme.«

Doch ihr klangen seine Worte im Ohr. Was hast du dir bloß dabei gedacht? Du kommst doch nie und nimmer allein zurecht. Du vermasselst es sowieso. Wie immer.

Sie blendete die Stimme aus. Er irrte sich. Sie würde die Sache nicht vermasseln. Denn sie hatte einen PLAN.

Mach dich doch nicht zum Narren. Wieder hörte sie ihn, während sie immer noch den Handlauf umklammerte.

Wenn sie sich an den PLAN hielt, würde sie sich nicht zum Narren machen. Er war narrensicher. Hoffentlich. Und den ersten Schritt hatte sie bereits erfolgreich bewältigt. Warum also sollte sie ihn nicht ganz durchziehen können? Außerdem war es zum Aussteigen jetzt zu spät.

Es ist nie zu spät.

Diesmal war es die Stimme ihrer Mutter, eine der vielen Plattitüden, die sie tagtäglich von sich gegeben hatte. Doch in diesem Fall stimmte es. Es war nicht zu spät. Noch konnte sie umkehren, ohne dass ihr Handeln allzu viele Konsequenzen nach sich zog. Irgendwie würde sie eine Erklärung zurechtbasteln.

Aber sie hatte doch nicht so lange an dem PLAN gefeilt, um ihn jetzt aufzugeben und mit einem Sack voller Ausreden heimzugehen! Trotzdem hatte sie die Wahl — weitermachen oder umkehren. Imogen hielt sich vor Augen, dass dies die Chance war, auf die sie gewartet hatte. Ihre erste Gelegenheit, den PLAN in die Tat umzusetzen. Wie würde sie sich fühlen, wenn sie sich die entgehen ließe?

Sie holte tief Luft und erklomm die Stufen.

Der Reisebus war bequem und klimatisiert — an diesem unerwartet schwülen Junitag eine wahre Wohltat. In der überfüllten Messehalle war es heiß gewesen und sie hatte die ganze Zeit ihr schweres, dunkelblaues Wollkostüm verflucht, in Vince' Augen die einzig angemessene Bekleidung für ihre Geschäftsreise nach Frankreich. Bei jedem Schweißausbruch an diesem Vormittag fragte sie sich allerdings, ob es am Kostüm lag oder daran, dass sie Angst davor hatte, ihr Vorhaben nun tatsächlich umzusetzen.

Sie ging durch die Sitzreihen. Weil sie so viele Leute vorgelassen hatte, gab es nur noch wenige Plätze. Sie setzte sich gleich auf den ersten freien, neben einen langbeinigen jungen Mann mit Ohrstöpseln, der sich eifrig durch die Playlist auf seinem Handy scrollte. Ein Student, schloss Imogen nach einem raschen Blick auf sein unrasiertes Gesicht, das T-Shirt mit Logo und die zerrissenen Jeans. Mit nostalgischer Wehmut dachte sie an ihre eigene Studienzeit, obwohl diese wohl eher atypisch gewesen war. Anders als die meisten ihrer Kommilitonen hatte sie weder reisen noch Erfahrungen sammeln wollen. Sie wollte Wurzeln schlagen, und zwar an einem Ort ihrer Wahl, nicht dort, wohin jemand anders sie verpflanzt hatte. Das war ihr sehr wichtig gewesen. Leider.

Sie lächelte den jungen Mann kurz an, der aber zu sehr mit seinem Smartphone beschäftigt war, um es zu bemerken.

Der Fahrer legte den ersten Gang ein und der Bus rollte aus dem Busbahnhof.

Kurz darauf bogen sie Richtung Boulevard Périphérique ab. Imogens Handy summte.

Sie zählte bis zehn, bevor sie die SMS las.

Bist Du am Flughafen?

Auf dem Weg dorthin, schrieb sie zurück.

Wann kommst Du an?

Während der Busfahrer darauf wartete, dass es Grün wurde, betrachtete sie die umliegenden Gebäude, größtenteils gesichtslose Bürokomplexe aus Glas und Stahl, die genauso gut in Singapur oder Dallas hätten stehen können.

In zwanzig Minuten.

Schick mir eine SMS, wenn Du angekommen bist.

O. ‌k.

Ich liebe Dich.

Nach kurzem Zögern antwortete sie: Ich liebe Dich auch ☺.

Als sie wieder anfuhren, fiel Imogens Blick auf ein Schild, das die Richtung zum Flughafen anzeigte. Der Reisebus wurde schneller und bog dann in die entgegengesetzte Richtung ab. Sie atmete langsam aus. Der Student neben ihr war immer noch in seine Musik versunken. Imogen starrte aus dem Fenster. Als der Bus an einer Ausfahrt mit dem Schild Disneyland vorfuhr, schrieb sie eine weitere SMS.

Bin am Flughafen. Akku gleich leer. Melde mich später. Diesmal gab es keinen Smiley.

Imogen holte ihre Handtasche unter dem Vordersitz hervor, zog Verlobungs- und Ehering ab und ließ sie hineinfallen. Anschließend holte sie aus einer Seitentasche eine Haarklammer und öffnete damit das SIM-Fach ihres Handys. Sie nahm die Karte heraus, klemmte sie sich zwischen die Zähne und schloss das Fach. Während sie fest auf das Plastik biss, stellte sie fest, dass der Student ihr allmählich Aufmerksamkeit schenkte.

»So machst du sie kaputt«, sagte er auf Französisch und nahm einen der Ohrstöpsel heraus.

»Ich weiß«, antwortete sie in derselben Sprache, nachdem sie die Karte aus dem Mund genommen hatte.

Sie nahm das Plastikteilchen zwischen Daumen und Zeigefinger und drückte fest zu, immer fester. Allmählich bog sich die Karte, bis sich die Kanten berührten und die winzigen Metallstreifen brachen. Der Student zuckte die Achseln. Imogen lehnte sich zurück und sah starr geradeaus.

Vince Naughton war immer auf alles vorbereitet. Er plante gern den Tag durch und hasste Überraschungen aller Art. Vor Jahren hatte ihn eine Kollegin während einem dieser Brainstorm-Meetings, bei denen die Belegschaft enger zusammenwachsen sollte — in seinen Augen eine völlige Zeitverschwendung —, einen Kontrollfreak genannt. Verärgert über ihren aggressiven Ton hatte Vince zurückgegeben, er sei kein Kontrollfreak, habe aber gern die Kontrolle. Eine Bemerkung, die von der Gruppe mit Beifall bedacht wurde, während die Kollegin verlegen dreinsah. Ein paar Monate später war Vince befördert worden und sie hatte das Unternehmen verlassen. Was für eine schöne Bestätigung. Zu wissen, wie die Dinge laufen würden, war eine feine Sache, fand er. Noch besser war es allerdings, wenn man dafür sorgte, dass sie sich auch in die gewünschte Richtung entwickelten.

Deshalb bog er zehn Minuten vor der anvisierten Zeit auf den Parkplatz des Hotels in Cork ein — genau die zehn Minuten Puffer, die er stets für Eventualitäten einkalkulierte. Aus diesem Grund gehörte er zu den erfolgreichsten Mitarbeitern seines Unternehmens. Er rechnete immer mit allem, wurde nur sehr selten auf dem falschen Fuß erwischt. Er rechnete mit dem Schlimmsten und hoffte das Beste. Mit dieser Strategie war er bisher hervorragend gefahren.

Vince stellte das Auto ab, checkte ein und ging auf sein Zimmer. Er hatte bei der Konferenzorganisation um ein Zimmer im ersten Stock gebeten und war erfreut, dass seinem Wunsch entsprochen worden war. Zwar hätte er lieber eines mit Blick auf den Fluss statt auf den Parkplatz gehabt, aber sonst war alles bestens: Das WLAN funktionierte, es gab einen Wasserkocher für Tee und eine Kaffeemaschine und an der Wand hing ein moderner Flachbildschirm.

Er setzte sich aufs Bett und schrieb eine SMS.

Bin pünktlich angekommen. Zimmer o. ‌k. Melde Dich, wenn Du zu Hause bist.

Dann ging er duschen.

Laut Busfahrplan dauerte die Fahrt mehr als elf Stunden. Natürlich kam man viel schneller ...

Erscheint lt. Verlag 7.5.2018
Übersetzer Susann Urban
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Original-Titel The Missing Wife
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller • Dublin • Flucht • Frauen • Frauenliteratur • Frauenroman • Freiheit • insel taschenbuch 4641 • IT 4641 • IT4641 • Liebe • Liebesroman • Muttertag • neues Glück • Paris • Südfrankreich Atlantikküste • unglückliche Ehe
ISBN-10 3-458-75833-X / 345875833X
ISBN-13 978-3-458-75833-4 / 9783458758334
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